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ovgnrw-2020-08-03-6-e-16020
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 E 160/20
2020-08-03
2020-08-08 10:00:50
2020-12-10 13:37:09
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:0803.6E160.20.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde wird zurückgewiesen.\n\nDas Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht\nerstattet.\n\n \n1\n\nG r ü n d e :\n\n2\n\nDas Oberverwaltungsgericht entscheidet gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6\nSatz 1 GKG über die Beschwerde durch die Berichterstatterin als\nEinzelrichterin, da die angefochtene Entscheidung in erster Instanz von der\nBerichterstatterin als Einzelrichterin erlassen wurde. Die Voraussetzungen für\ndie Übertragung der Entscheidung im Beschwerdeverfahren an den Senat nach § 66\nAbs. 6 Satz 2 GKG liegen nicht vor.\n\n3\n\nDie Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist zulässig. Mit ihr\nerstreben sie aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG), den vom\nVerwaltungsgericht auf 5.000 Euro festgesetzten Streitwert auf 15.400 Euro\nheraufzusetzen. Mit diesem Begehren ist die Beschwerde aber nicht begründet.\nDas Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das Verfahren erster Instanz\nzutreffend gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt.\n\n4\n\nEntgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers kommt die\nErhöhung des Streitwerts aufgrund des Schadensersatzes in Höhe von 10.400\nEuro, zu dessen Zahlung sich das beklagte Land im zwischen den Beteiligten\ngeschlossenen Vergleich verpflichtet hat, nicht in Betracht. Für eine\nBerücksichtigung von über den Streitgegenstand hinausgehenden Inhalten eines\nVergleichs ist im Rahmen von § 45 Abs. 4 GKG oder Nr. 5.600 der Anlage 1 zu §\n3 Abs. 2 GKG nur Raum, wenn sich der Rechtsstreit durch Prozessvergleich\nerledigt hat.\n\n5\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 14 E 931/08 -, juris Rn. 3.\n\n6\n\nDas ist hier nicht der Fall, denn die Beteiligten haben keinen gerichtlichen\nVergleich im Sinne des § 106 VwGO, sondern einen außergerichtlichen Vergleich\ngeschlossen und (nur) in diesem die Verpflichtung zur Zahlung von\nSchadensersatz geregelt. Hiervon haben sie mit Schriftsätzen vom 21. und vom\n25. Februar 2020 das Gericht unterrichtet und das Verfahren - so der Kläger -\n"im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten gefundene vergleichsweise\nLösung" für erledigt erklärt, worauf das Gericht lediglich gemäß § 161 Abs. 2\nVwGO das Verfahren eingestellt und über die Kosten entschieden hat. Das\nVerfahren hat sich mithin auf Grund übereinstimmender Erklärungen der\nBeteiligten in der Hauptsache erledigt. Insofern ist der Streitfall nicht\nvergleichbar mit demjenigen, der dem von den Prozessbevollmächtigten des\nKlägers in Bezug genommenen Beschluss vom 28. November 2019 - 6 E 776/19 -\nzugrunde liegt. Jenes Verfahren ist durch einen in der mündlichen Verhandlung\nvor dem Verwaltungsgericht geschlossenen Vergleich (§ 106 Satz 2 VwGO) beendet\nworden.\n\n7\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.\n\n8\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66\nAbs. 3 Satz 3 GKG).\n\n
330,409
vg-munster-2020-08-06-5-l-59620
846
Verwaltungsgericht Münster
vg-munster
Münster
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 L 596/20
2020-08-06
2020-08-13 10:00:46
2020-12-10 13:37:21
Beschluss
ECLI:DE:VGMS:2020:0806.5L596.20.00
## Tenor\n\n1\\. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 20. Juli 2020\n– 5 K 1605/20 – gegen Nr. 1 der Allgemeinverfügung des N. für B. , H. und T.\nzur Vermeidung weiterer Infektionsgeschehen in Großbetrieben der\nFleischwirtschaft vom 20. Juli 2020 wird angeordnet.\n\n2\\. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n3\\. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.\n\n \n1\n\n**G r ü n d e**\n\n2\n\nI. Der – aktuell gestellte, sinngemäß dahingehend auszulegende – Antrag der\nAntragstellerin,\n\n3\n\ndie aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 20. Juli 2020 – 5 K 1605/20 – gegen\nNr. 1 der Allgemeinverfügung des N. für B. , H. und T. zur Vermeidung weiterer\nInfektionsgeschehen in Großbetrieben der Fleischwirtschaft vom 20. Juli 2020\nanzuordnen,\n\n4\n\nhat Erfolg. Er ist zulässig (1.) und begründet (2.).\n\n5\n\n1\\. Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO zulässig (§ 80 Abs. 2\nSatz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG). Dies gilt\ninsbesondere, soweit mit dem Antrag nunmehr die Anordnung der aufschiebenden\nWirkung der gegen Nr. 1 der Allgemeinverfügung des N. für B. , H. und T. des\nLandes Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2020 (Allgemeinverfügung) gerichteten\nKlage begehrt wird. Diese Antragsänderung, die der entsprechend erklärten\nKlageänderung im Verfahren 5 K 1605/20 folgt, ist jedenfalls sachdienlich im\nSinne des § 91 Abs. 1 VwGO.\n\n6\n\n2\\. Der Antrag ist begründet.\n\n7\n\nDie gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Interessenabwägung fällt zu\nGunsten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen\nVollziehung von Nr. 1 der Allgemeinverfügung überwiegt das private Interesse\nder Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung nicht.\n\n8\n\nAnträgen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben, wenn eine\nInteressenabwägung ergibt, dass das Interesse des Betroffenen an einem\neinstweiligen Nichtvollzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an der\nsofortigen Vollziehung vorrangig erscheint. Dabei wird ein das öffentliche\nInteresse überwiegendes Individualinteresse des Betroffenen regelmäßig dann\nangenommen, wenn der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich\nrechtswidrig ist, wohingegen ein überwiegendes öffentliches Interesse an der\nsofortigen Vollziehung in der Regel zu bejahen ist, wenn sich der\nVerwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist und zudem ein Fall des §\n80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO vorliegt. Lässt sich bei der im vorläufigen\nRechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung\nweder das eine noch das andere feststellen, hängt der Erfolg des Antrags ohne\nBerücksichtigung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren davon ab, ob das\nöffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder das entgegenstehende\nprivate Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in der\nHauptsache überwiegt. Schließt der Gesetzgeber auf der Grundlage des § 80 Abs.\n2 Satz 1 Nr. 3 VwGO - wie hier gemäß § 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 IFSG -\ndie aufschiebende Wirkung der Klage aus, so schlägt das Vollzugsinteresse im\nVerfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei offenem Prozessausgang in der\ndann gebotenen Interessenabwägung mit erheblichem Gewicht zu Buche. Das\nbedeutet aber nicht, dass sich dieses Interesse gegenüber dem\nAufschubinteresse regelhaft durchsetzt.\n\n9\n\nVgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 – 4 VR 1005.04 -, juris, Rn. 12.\n\n10\n\nNach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der gegen Nr. 1 der\nAllgemeinverfügung gerichteten Klage anzuordnen. Bei der im vorliegenden\nVerfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist davon\nauszugehen, dass Nr. 1 der angegriffenen Allgemeinverfügung (offensichtlich)\nrechtswidrig ist (a)). Die allgemeine Interessenabwägung fällt zu Gunsten der\nAntragstellerin aus (b)).\n\n11\n\na) Es kann dahinstehen, ob die Rechtsformenwahl zu beanstanden sein wird,\nindem anstelle einer Rechtsverordnung eine Allgemeinverfügung erlassen worden\nist, und ob die angegriffene Allgemeinverfügung inhaltlich hinreichend\nbestimmt ist (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW), woran die Kammer allerdings keinen\nZweifel hat. Des Weiteren kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen der\nErmächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG vorliegen, wonach die\nzuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft, soweit und solange\nes zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich\nist, wenn u. a. Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder\nAusscheider festgestellt werden. Denn jedenfalls ist in Bezug auf den Betrieb\nder Antragstellerin die gewählte Rechtsfolge zu beanstanden, da schon seitens\ndes Antragsgegners nichts dafür dargelegt ist, dass die in Nr. 1 der\nAllgemeinverfügung vorgesehenen Regelungen gegenüber der Antragstellerin eine\nnotwendige Schutzmaßnahme darstellen (aa); zudem ist es zu beanstanden, dass\ndie Allgemeinverfügung keinerlei Befreiungstatbestände zugunsten der\nAntragstellerin enthält (bb).\n\n12\n\naa) Die in Nr. 1 der Allgemeinverfügung vorgesehenen Regelungen stellen\ngegenüber der Antragstellerin keine notwendigen Schutzmaßnahmen dar.\n\n13\n\nBei § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handelt es sich um eine Generalklausel, die die\nzuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (gebundene Entscheidung).\nHinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – „wie“ des Eingreifens –\nist der Behörde jedoch ein Ermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird\ndadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss,\nnämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-) Verbreitung der\nKrankheit geboten sind. Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist umfassend und\neröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an\ngeeigneten Schutzmaßnahmen, welche durch die Notwendigkeit der Maßnahme in\nEinzelfall begrenzt wird. Schutzmaßnahmen sind nur erlaubt, soweit dies\ninhaltlich („soweit“) und zeitlich („solange“) erforderlich ist. Darüber\nhinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen\ngesetzt.\n\n14\n\nVgl. VG Regensburg, Beschluss vom 17. Juni 2020 – RO 14 S 20.1002 -, juris,\nRn. 49.\n\n15\n\nDie Allgemeinverfügung verfolgt zwar ersichtlich einen legitimen Zweck. Die\nCorona-Pandemie begründet eine ernstzunehmende Gefahrensituation, die\nstaatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die\nSchutzpflicht des Staates weiterhin gebietet. Auch wenn sich das\nInfektionsgeschehen aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in der Vergangenheit\nverlangsamt hatte _,_ besteht die Gefahr der Verbreitung der Infektion und\ndaran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden\nFolgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fort. Nach den\nmaßgeblichen Feststellungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) handelt es sich\nimmer noch um eine sehr dynamische Situation. Die Gefährdung für die\nBevölkerung wird deshalb nach wie vor als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen\nsogar als sehr hoch. Dabei variiert die Gefährdung von Region zu Region. Die\nBelastung für das Gesundheitswesen hängt maßgeblich von der regionalen\nVerbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten\nGegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und physischer Distanzierung ab. Sie\nist aktuell in weiten Teilen Deutschlands gering, kann aber örtlich hoch sein.\n\n16\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juli 2020 – 13 B 870/20.NE -, juris, Rn. 35 f.\nm. w. N.\n\n17\n\nDie Fallzahlen sind zudem in der letzten Zeit wieder deutlich gestiegen. Das\nRKI teilt in den „Informationen zu gestiegenen Fallzahlen in Deutschland“ vom\n24. Juli 2020 mit, dass die Zahl der neu übermittelten Fälle mit 815 deutlich\nhöher als in den Vorwochen ist und mehr als 60 % der neu übermittelten Fälle\nauf Anstiege in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zurückzuführen sind.\nDie Entwicklung wird als sehr beunruhigend eingeschätzt und eine weitere\nVerschärfung der Situation muss nach Auffassung des RKI unbedingt vermieden\nwerden. Diese Entwicklung setzt sich gegenwärtig weiter fort. Die Differenz\nzum Vortag liegt am 6. August 2020 bei + 1.045 (vgl.\nhttps://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html,\nabgerufen am 6. August 2020).\n\n18\n\nDie in Nr. 1 der Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen sind auch geeignet,\nden dargestellten Zweck, die Eindämmung der Weiterverbreitung des Coronavirus,\nzu fördern.\n\n19\n\nDie Inanspruchnahme der Antragstellerin ist nach Aktenlage und mangels\nsubstantiierter Infragestellung des Vortrags der Antragstellerin durch den\nAntragsgegner allerdings nicht erforderlich bzw. „notwendig“ im Sinne des § 28\nAbs. 1 Satz 1 IfSG. Dies gilt selbst dann, wenn dem Antragsgegner für den\nErlass der Allgemeinverfügung wegen der Fragilität der Lage und wegen der\nfortbestehenden tatsächlichen Ungewissheiten nach wie vor eine\nEinschätzungsprärogative im Hinblick auf das gewählte Mittel einzuräumen sein\nsollte; denn dies gilt nur soweit und solange sich nicht andere Maßnahmen\neindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen.\n\n20\n\nVgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juli 2020 – 13 B 675/20.NE -, juris, Rn. 54,\nvom 29. April 2020 - 13 B 512/20.NE -, juris, Rn. 44 ff., und vom 19. Mai 2020\n- 13 B 557/20.NE -, juris, Rn. 71 ff.\n\n21\n\nDie Gefahrenlage allgemein, aber auch konkret in der Fleischindustrie ist zwar\nweiterhin als hoch einzustufen. Im Täglichen Lagebericht des RKI zur\nCoronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 29. Juli 2020 wird festgehalten,\ndass in vielen Bundesländern ein Zuwachs in den Fallzahlen zu beobachten ist,\ndie Fallzahlen u. a. in Nordrhein-Westfalen besonders stark gestiegen sind und\nder Anstieg der Fallzahlen bei Tätigen im Lebensmittelbereich größtenteils auf\nAusbrüche in fleischverarbeitenden Betrieben zurückzuführen ist. Der Tägliche\nLagebericht vom 5. August 2020 hält fest: „Die Zahl der täglich neu\nübermittelten Fälle war in den letzten beiden Wochen bereits angestiegen.\nDiese Entwicklung ist sehr beunruhigend und wird vom RKI weiter sehr genau\nbeobachtet. Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden\nwerden.“\n\n22\n\nAllerdings hat der Antragsgegner nichts Belastbares dafür vorgebracht, dass\ndie beobachtete Gefahrenlage in der „Fleischindustrie“ auch auf den Betrieb\nder Antragstellerin zutrifft, bei der bislang kein einziger Infektionsfall\nfestgestellt worden ist; auch für das Gericht ist hierzu nichts ersichtlich.\nDer Antragsgegner setzt, ohne dies fundiert zu begründen oder zumindest –\nnicht notwendigerweise wissenschaftlich geklärte – Infektionsphänomene der\njüngeren Vergangenheit zu illustrieren, undifferenziert Schlachthöfe und\nZerlegebetriebe einerseits mit anderen Fleischverarbeitungsbetrieben wie\ndenjenigen der Antragstellerin andererseits gleich. Dies ist – jedenfalls ohne\njegliche Begründung – selbst von einer etwaigen Einschätzungsprärogative des\nAntragsgegners nicht gedeckt.\n\n23\n\nIn der Begründung der Allgemeinverfügung und wiederholend in der\nAntragserwiderung wird im Wesentlichen lediglich dargelegt, dass aufgrund des\nin der jüngeren Vergangenheit aufgetretenen Infektionsgeschehens in\nSchlachthöfen und fleischverarbeitenden Betreiben davon ausgegangen werden\nmüsse, dass größere Betriebe dieser Branche aufgrund der Mitarbeiterstruktur,\nder Arbeitsorganisation und der Arbeitssituation in der Produktion ein\nerhebliches Risiko für massenweise auftretende Infektionen mit dem Coronavirus\nSARS-CoV-2 innerhalb der Belegschaft bergen würden. Es sei noch nicht\neindeutig geklärt, welche betriebsorganisatorischen oder technischen Gründe\ngegebenenfalls zusätzlich das Infektionsgeschehen begünstigen.\n\n24\n\nDie Antragstellerin hat jedoch bereits in ihren Schriftsätzen vom 20. und 24.\nJuli 2020 detailliert und fundiert – gestützt durch die Stellungnahme des\nArztes für Hygiene und Umweltmedizin Prof. E. . A. vom 17. Juli 2020 –\ndargelegt, dass in ihrem Betrieb weder Schlachtungen noch Fleischzerlegungen\ndurchgeführt werden, das zu verarbeitende Fleisch bereits in kleinen Stücken\nangeliefert wird, eine Zerkleinerung durch die Mitarbeiter der Antragstellerin\nnicht notwendig ist, schweres körperliches Arbeiten auf engem Raum nicht\nstattfindet, die Mitarbeiter in dem Betrieb dauerhaft beschäftigt und\nortsansässig sind, die Lüftungsanlagen in den Produktionsräumen mit 100 %\nAußenluft und die Räume der Verpackung, die mit Umluft betrieben werden, über\neine Außenluftanteil von 20 % verfügen und die Räume, in denen rohes Fleisch\nverarbeitet wird, auch nicht so intensiv gekühlt werden, wie dies in\nZerlegebetrieben erforderlich ist. Ergänzend wird auf die detaillierte\nAufstellung der Unterschiede in den Produktionsbedingungen auf S. 9 des\nSchriftsatzes der Antragstellerin vom 4. August 2020 Bezug genommen.\nInsbesondere liegt hiernach die Temperatur in den Produktionsräumen zwischen\n16° und 20° C. Der Antragsgegner hat die Richtigkeit dieser Ausführungen nicht\nin Abrede gestellt; auch für das Gericht ist hierfür nichts ersichtlich.\n\n25\n\nProf. E. . A. schlussfolgert hieraus, die Gleichsetzung von Schlachthöfen und\nZerlegebetrieben mit sonstigen fleischverarbeitenden Betrieben wie demjenigen\nder Antragstellerin sei nicht gerechtfertigt. In diese Richtung deutet auch\ndie gemeinsame Studie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) des\nUniversitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Heinrich-Pette-\nInstituts, Leibnitz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI), zum\nAusbruchsgeschehen im Mai 2020 bei dem Unternehmen U. in S. -X. . Die\nStudienergebnisse sind bislang lediglich auf der Preprint-Plattform SSRN\nerschienen und sollen noch im Peer-Review-Verfahren, d. h. durch unabhängige\nGutachter desselben Fachgebiets, bewertet werden. In den Pressemitteilungen\ndes HZI und des HPI vom 23. Juli 2020 wird hierzu mitgeteilt, dass das Virus\nausgehend von einem einzigen Mitarbeiter auf mehrere Personen in einem Umkreis\nvon mehr als acht Metern übertragen worden sei. Die hauptsächliche Übertragung\nhabe im Zerlegebereich für Rinderviertel stattgefunden, in dem die Luft\numgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt werde. Demgegenüber habe die\nWohnsituation der Arbeiter während der untersuchten Phase des Ausbruchs keine\nwesentliche Rolle gespielt. Prof. E. . B1. H1. , Mitautor der Studie und\nForschungsgruppenleiter wird wie folgt zitiert: „Unsere Ergebnisse weisen\ndarauf hin, dass die Bedingungen des Zerlegebetriebs – also die niedrige\nTemperatur, eine geringe Frischluftzufuhr und eine konstante Luftumwälzung\ndurch die Klimaanlage in der Halle, zusammen mit anstrengender körperlicher\nArbeit – die Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln über größere\nEntfernungen hinweg förderten… Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Faktoren\ngenerell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in\nFleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielen. Unter diesen Bedingungen\nist ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend,\num eine Übertragung zu verhindern.“\n\n26\n\nEntsprechend dem Vortrag der Antragstellerin auf S. 5 - 7 ihres Schriftsatzes\nvom 4. August 2020, auf dessen Inhalte Bezug genommen wird, ist auch für das\nGericht nur ersichtlich, dass lediglich Schlacht- und Zerlegebetriebe sog.\nHotspots für ein Infektionsgeschehen gewesen sind, nicht aber Betriebe, die\nmit demjenigen der Antragstellerin vergleichbar sind. Auch der Antragsgegner\nhat hierzu keinen einzigen vergleichbaren Fall darstellen können. Soweit der\nAntragsgegner auf den Ausbruch der COVID-19-Erkrankung in einem Unternehmen\nder Dönerproduktion in N1. verweist, um hiermit zu illustrieren, dass auch von\nsonstigen fleischverarbeitenden Betrieben allgemein eine besondere Gefahr der\nVerbreitung ausgehe, führt dies nicht weiter. Die Antragstellerin hat hierzu\nzu Recht auf S. 4 ihres Schriftsatzes vom 4. August 2020 auf den\nInternetauftritt dieses Unternehmens verwiesen, wonach dort täglich mehr als\n40 Tonnen Kalbs-, Rind-, Lamm- und Geflügelfleisch zerlegt werden (vgl.\nwww.oeztasdoener.de/ablauf.html, abgerufen am 5. August 2020), es sich mithin\num einen klassischen Zerlegebetrieb handelt.\n\n27\n\nDer Antragsgegner setzt sich mit der Einbeziehung der Antragstellerin in den\nAnwendungsbereich der hier streitigen Allgemeinverfügung in Widerspruch zu\nseiner selbst bekundeten Einschätzung der Gefahrenlage und der zu ihrer\nBewältigung einzusetzenden Mittel. Der Antragsgegner hat seine\nEinschätzungsprärogative, wie sie insbesondere in der CoronaSchVO zum Ausdruck\nkommt, dahingehend betätigt, dass er keine besonderen Schutzvorschriften zur\nEindämmung der Verbreitung des Coronavirus für das gesamte produzierende\nGewerbe für notwendig hält; es gelten lediglich die allgemeinen Vorschriften\ndes § 4 CoronaSchVO (Berufs- und Dienstausübung, Arbeitgeberverantwortung).\nHieraus lässt sich ableiten, dass der Antragsgegner die besondere Gefahrenlage\nfür den Erlass der hier in Rede stehenden Allgemeinverfügung im Bereich der\nfleischverarbeitenden Industrie an die dortigen besonderen\nProduktionsbedingungen knüpft, da eine Übertragung des Virus über das Produkt\n„Fleisch“ jedenfalls nach aktuellem Stand (vgl. S. 2 der Stellungnahme von\nProf. E. . A. vom 17. Juli 2020) – auch der Antragsgegner hat hierzu nichts\nAbweichendes vorgetragen – nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Bestehen die\nbesonderen Produktionsbedingungen im Betrieb der Antragstellerin – wie in den\nmeisten anderen produzierenden Betrieben außerhalb der fleischverarbeitenden\nIndustrie – allerdings nicht, überschreitet der Antragsgegner seine selbst\nbekundete Einschätzungsprärogative.\n\n28\n\nDiese Überschreitung lässt sich auch unmittelbar der Entstehungsgeschichte der\nAllgemeinverfügung entnehmen. So ist in dem Vermerk des Abteilungsleiters MD\nM. vom 26. Juni 2020 ausgeführt, dass die Gefahrenbeurteilung auf der\nEinschätzung von Prof. F. beruhe, dass die Lüftungsanlage ein wichtiger Faktor\nfür das Infektionsgeschehen sei. Dies sei insoweit sehr kritisch, weil auch in\nanderen Betrieben unter ähnlichen „klimatischen“ Bedingungen (Dauer-Kühl-\nTemperaturen) gearbeitet werden müsse. Die Regelungen sollten daher aufgrund\nder absoluten Eilbedürftigkeit des Infektionsschutzes und der noch bestehenden\nUnsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Infektionswege für alle größeren\nfleischverarbeitenden Betriebe angeordnet werden. Natürlich seien diese alle\nunterschiedlich. Aufgrund der Kenntnisse (des N. ) über die\nArbeitsbedingungen, Werkvertragsstrukturen etc. sowie angesichts der gleichen\n„klimatischen“ Anforderungen erscheine es aber vertretbar und geboten,\nzunächst generalisierend vorzugehen. Der weitere Vermerk von MD M. vom 19.\nJuli 2020 knüpft hieran an. Insbesondere habe sich auf der Grundlage der\nAufklärungsarbeiten durch Prof. F. die Vermutung erhärtet, dass die in vielen\nBetrieben der Fleischwirtschaft verwendeten Umluftkühlungen einen erheblichen\nEinfluss auf das Infektionsgeschehen haben dürften. Anpassungen der bereits\ngeltenden Allgemeinverfügung seien mit Blick auf eine Konkretisierung des\nAnwendungsbereichs auf Betriebe, die mit unverarbeitetem Fleisch umgingen,\nvertretbar; hier dürften die entsprechenden „klimatischen“ Arbeitsbedingungen\nvorliegen. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen aber – wie im Fall des\nBetriebs der Antragstellerin – nicht vor, überschreitet der Antragsgegner die\nGrenzen seiner Einschätzungsprärogative, wenn er generalisierend alle\nfleischverarbeitenden Betriebe dem Anwendungsbereich der Allgemeinverfügung\nunterwirft.\n\n29\n\nWenn auch nicht entscheidungstragend, so jedoch illustrierend mag abschließend\nin den Blick genommen werden, dass in der in Baden-Württemberg geltenden\nVerordnung zur Eindämmung von Übertragungen von SARS-CoV-2 (Coronavirus) in\nSchlachtbetrieben und der Fleischverarbeitung (Corona-Verordnung\nSchlachtbetriebe und Fleischverarbeitung – CoronaVO Schlachtbetriebe und\nFleischverarbeitung) vom 7. Juli 2020 und der Fachaufsichtlichen Weisung des\nNiedersächsischen N. für T. , H. und Gleichstellung vom 23. Juli 2020\ndementsprechend konsequent zwischen Schlacht- und\nFleischverarbeitungsbetrieben unterschieden wird.\n\n30\n\nbb) Zudem ist Nr. 1 der Allgemeinverfügung deswegen rechtswidrig, weil sie\nkeinerlei Befreiungstatbestände enthält, die eine Einzelfallentscheidung\nermöglichen, zugunsten der Antragstellerin, deren Betrieb die spezifischen\nProduktionsbedingungen von Schlachthöfen und Zerlegebetrieben nicht aufweist,\nunter bestimmten Voraussetzungen von einer regelmäßigen Testung der\nMitarbeiter vollständig abzusehen. Eine ausnahmslose Verpflichtung ohne die\nMöglichkeit, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen, ist jedoch\nnicht erforderlich, bzw. „notwendig“. Hieran ändern auch die im Verhältnis zur\nAllgemeinverfügung vom 26. Juni 2020 zwischenzeitlich reduzierte\nTestverpflichtung und die Befristung der Maßnahme bis zum 31. August 2020\nnichts.\n\n31\n\nb) Die allgemeine Interessenabwägung fällt auch unter Berücksichtigung der\ngesetzgeberischen Wertung der §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG zu Gunsten der\nAntragstellerin aus. An der Vollziehung der nach Aktenlage rechtswidrigen Nr.\n1 der Allgemeinverfügung besteht kein öffentliches Interesse. Hinzu kommt,\ndass belegbare Anhaltspunkte für eine Erhöhung der Gefahrenlage für die\nAllgemeinheit durch den Betrieb der Antragstellerin weder von dem\nAntragsgegner vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Den allgemeinen\ninfektionsschutzrechtlichen Erfordernissen zur Eindämmung der Corona-Pandemie\nist seitens der Antragstellerin durch die strikte Befolgung der Vorgaben des §\n4 CoronaSchVO Rechnung zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass diese ihren\nVerpflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachkommen wird, sind weder von\ndem Antragsgegner vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass es besonderer\nMaßgaben nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO nicht bedarf.\n\n
330,488
vghbw-2020-08-05-4-s-68520
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 S 685/20
2020-08-05
2020-08-14 10:01:01
2020-12-10 13:37:32
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg\nvom 5. November 2019 - 5 K 4690/18 - wird zurückgewiesen.\n\nDer Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Kläger begehrt die Gewährung einer Schichtzulage. Er ist der Deutschen\nBahn AG zugewiesener Beamter des Bundeseisenbahnvermögens im Amt eines\nBundesbahnhauptsekretärs. Im streitgegenständlichen Zeitraum von 2015 bis 2018\nwar er teilzeitbeschäftigt mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 25\nWochenstunden, wobei die Vollzeitbeschäftigung in seinem Dienstbereich eine\nWochenarbeitszeit von 39 Stunden umfasste. Der Dienstplan des Klägers, der im\nstreitgegenständlichen Zeitraum durchgängig im Schichtdienst arbeitete, sah\nvon Montag bis Freitag eine Frühschicht von 04.28 Uhr bis 13.02 Uhr und eine\nSpätschicht von 13.00 Uhr bis 23.38 Uhr, am Samstag eine Frühschicht von 05.46\nbis 13.02 Uhr und eine Spätschicht von 13.00 Uhr bis 00.19 Uhr und am Sonntag\neine Frühschicht von 05.46 Uhr bis 13.02 Uhr sowie eine Spätschicht von 13.00\nUhr bis 23.38 Uhr vor. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 20.12.2016 an die DB Netz AG beantragte der Kläger eine\nNeuberechnung und Nachzahlung der Schichtzulage 1 nach § 20 Abs. 5 Satz 1\nsowie der Schichtzulagen 4 und 5 nach § 20 Satz 2 lit. a und b der Verordnung\nüber die Gewährung von Erschwerniszulagen vom 03.12.1998 (BGBl 1998, 3497, in\nder bis 30.09.2013 geltenden Fassung - Erschwerniszulagenverordnung,\nnachfolgend: EZulV a.F.) seit 01.01.2006. Dies ergebe sich aus dem Urteil des\nBundesverwaltungsgerichts vom 26.03.2009 - 2 C 12.18 -. Die Vorgehensweise bei\nTeilzeitbeschäftigten sei außerdem im Rundschreiben des BMI vom 05.01.2010\nbeschrieben. Mit Schreiben vom 16.01.2017 wandte sich der Kläger erneut gegen\ndie seiner Auffassung nach zu geringe Gewährung der Schichtzulagen 1, 4 und 5.\nDie zur Erreichung der Schichtzulage 1 von ihm zu leistenden Stunden und der\nAuszahlungsbetrag seien im Verhältnis zur Arbeitszeit zu kürzen. In den\nMonaten, in welchen die von ihm zwischen 20 Uhr und 6 Uhr geleistete\nArbeitszeit den Umfang von 16,25 Stunden erreiche, stehe ihm zumindest ein\nBetrag in Höhe von 36,56 EUR zu. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben der DB Netz AG vom 21.04.2017 an den Kläger wurde ausgeführt,\ndie Abrechnung der Nebenbezüge des Klägers sei korrekt auf Basis des § 20 Abs.\n5 EZulV erfolgt. Für eine Neuberechnung bestehe kein Anlass. Es werde in\nAbstimmung mit dem Bundeseisenbahnvermögen mitgeteilt, dass die genannte\nEntscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sich nicht auf den Bahnbereich\nbeziehe. Sie beziehe sich vielmehr auf die Fortzahlung der\nWechselschichtzulage nach § 20 Abs. 1 EZulV; für den DB-Konzern hingegen\nfänden sich in § 20 Abs. 5 EZulV Sonderregelungen zur Schichtzulage. Die\nbeiden Regelungen hätten unterschiedliche Ansätze. Für die Bemessung der\nWechselschichtzulage nach § 20 Abs. 1 EZulV a.F. seien durchschnittlich\ngeleistete Stunden zugrunde gelegt und die Zulage als feststehender\nMonatsbetrag gewährt worden. § 20 Abs. 5 EZulV regele dagegen Zahlungen für\ntatsächlich geleistete Stunden. Die in dem zitierten Rundschreiben des BMI vom\n05.01.2010 für bestimmte Sachverhalte enthaltene Regelung dahingehend, dass\nbei Teilzeitbeschäftigten eine proportional zum Arbeitsumfang reduzierte\nzeitliche Mindestanforderung zugrunde zu legen ist, beziehe sich nur auf die\nRegelungen des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EZulV sowie § 3 EZulV. Auf den für den\nDB-Konzern geltenden § 20 Abs. 5 EZulV finde das Rundschreiben keine\nAnwendung. In den Hinweisen des Bundeseisenbahnvermögens zu § 20 EZulV (Nr.\n20.5.2) werde explizit darauf hingewiesen, dass teilzeitbeschäftigte Beamte\neine Schichtzulage nach § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV in Höhe der Tabellenwerte\nerhielten, wenn der jeweilige Schwellenwert (mindestens gerundet 25 Stunden\nNachtdienst im Monat) erreicht werde. Ein Anspruch auf Neuberechnung ergebe\nsich auch nicht aus § 2a EZulV. Die Regelung zur Verringerung der\nMindeststundenzahl bei Teilzeitbeschäftigten in Satz 1 beziehe sich\nausdrücklich nur auf Zulagen nach § 3 Abs. 1 und 3 Satz 2 sowie § 17a Satz 1\nNr. 2 EZulV. § 6 BBesG gelte nur für die im Abschnitt 4 der EZulV geregelten\nZulagen, nicht jedoch für die Sonderregelung für den DB-Konzern, die in\nAbschnitt 5 geregelt sei. \n--- \n| 4 \n--- \n| Unter dem 25.02.2018 beantragte der Kläger beim Bundeseisenbahnvermögen eine\nNeuberechnung der ihm seit Januar 2000 zustehenden Schichtzulagen. Während ein\nvollzeitbeschäftigter Mitarbeiter die Schichtzulage 1 durchschnittlich zehnmal\nim Jahr erhalte, bekomme er diese nur durchschnittlich siebenmal. Er müsse im\nVerhältnis zu seiner Arbeitszeit einen überdurchschnittlichen Anteil an\nNachtdienststunden erbringen, um über die geforderte 25 Stunden-Schwelle zu\ngelangen. Dies stelle eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten dar. Nach\nder Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP\nund EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (nachfolgend: RL\n97/81/EG) dürften Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen\ngegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter gestellt\nwerden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung sei aus objektiven\nGründen gerechtfertigt. Wo dies angemessen sei, gelte der Pro-rata-temporis-\nGrundsatz. Bis zum 31.03.2018 erwarte er einen rechtsmittelfähigen Bescheid. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 22.06.2018 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage. Er sei den\nErschwernissen, welche mit der Schichtzulage 1 abgegolten werden sollten,\ngenauso ausgesetzt wie Vollzeitbeschäftigte. Er leiste an den Tagen, an denen\ner seine Tätigkeit ausübe, die gleichen Dienste wie seine in Vollzeit\nbeschäftigten Kollegen, auch hinsichtlich der auf diese Tage entfallenden\nZeitstunden. Aufgrund des Umstandes, dass er nicht an fünf, sondern an drei\noder vier Tagen die Woche tätig werde, sei es ihm erheblich erschwert, die\nSchichtzulage 1 überhaupt zu erhalten. Hierdurch werde er zu Unrecht und ohne\nobjektiven Grund gegenüber den Vollzeitbeschäftigten benachteiligt, weil seine\nBelastung in Relation zu seiner Arbeitszeit identisch sei. Da sein Antrag auf\nNeuberechnung der ihm zustehenden Schichtzulage 1 nicht beschieden worden sei,\nsei Klage geboten. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte trat dem entgegengetreten. Es sei bereits fraglich, ob die\nVoraussetzungen einer Untätigkeitsklage vorlägen. Seitens des Beklagten sei\ndas Schreiben des Klägers vom 25.02.2018 nicht als Widerspruch gegen das\nSchreiben der DB Netz AG vom 21.04.2017 gewertet worden, weil der Kläger darin\nausschließlich eine Neuberechnung der Schichtzulage 1 rückwirkend bis zum Jahr\n2000 beantragt, während er in den beiden vorherigen Schreiben eine\nNeuberechnung der Schichtzulagen 1, 4 und 5 für die Zeit ab 2006 gefordert\nhabe. Das Schreiben vom 25.02.2018 stelle mithin einen neuen Antrag dar, der\nrichtigerweise an die DB Netz AG zu richten gewesen wäre. Insoweit sei der\nBeklagte weder dazu verpflichtet, einen Verwaltungsakt noch einen\nWiderspruchsbescheid zu erlassen. Im Übrigen sei eine Kürzung des in § 20 Abs.\n5 EZulV geregelten Schwellenwertes für die Schichtzulage 1 aufgrund\nTeilzeitbeschäftigung nicht vorzunehmen. Sobald aber ein Teilzeitbeschäftigter\nden Schwellenwert erreicht habe, sei von einer anteiligen Zahlung abzusehen.\nAuf diese Weise werde dem Grundsatz, dass Teilzeitbeschäftigte nicht\nbenachteiligt werden dürfen, vollumfänglich Rechnung getragen. Erhalte der\nKläger, wie vorgetragen, sieben statt wie Vollzeitbeschäftigte zehn Mal im\nJahr die Schichtzulage, entspreche dies dem Anteil seiner\nTeilzeitbeschäftigung von 70 Prozent. \n--- \n| 7 \n--- \n| Daraufhin ergänzte der Kläger, sein Schreiben vom 25.02.2018 sei als\nWiderspruch gegen die ablehnende Entscheidung vom 21.04.2017 zu werten. Bei\nder Bestimmung des Zeitraums der geforderten Neuberechnung sei ihm ein Fehler\nunterlaufen; er habe eine Neuberechnung erst seit Januar 2006, nicht Januar\n2000 erreichen wollen. Der Umstand, dass die Erschwerniszulage, verglichen mit\nVollzeitbeschäftigten, ein seinem Arbeitszeitanteil entsprechendes Verhältnis\nerreicht habe, sei zufällig. Indem der Verordnungsgeber die Belastungsgrenzen\nfür Voll- und Teilzeitbeschäftigte identisch festgelegt habe, habe er im\nErgebnis für Teilzeitbeschäftigte eine identische Belastungsgrenze statuiert.\nHierin liege eine mit Unionsrecht unvereinbare Benachteiligung\nteilzeitbeschäftigter Beamter. Daraus folge für ihn ein gekürzter Anspruch auf\ndie Schichtzulage 1 bereits ab 16,23 Stunden Nachtdienst im Monat. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 05.11.2019,\ndem Kläger für die Zeit ab 01.01.2015 bis einschließlich 31.12.2018 für die\nMonate, in denen er mindestens 16,02 Stunden, aber weniger als 22,44 Stunden\nin der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Dienst geleistet hat, eine Zulage\ngemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Erschwerniszulagenverordnung vom 30.09.2013 i.d.F.\nder Deutsche-Bahn-Schichtzulagenverordnung i.d.F. vom 11.12.2015 in Höhe von\n36,05 EUR, \n--- \n \n> | 9 \n--- \n| für die Monate, in denen er mindestens 22,44 Stunden, aber weniger als 28,85\nStunden in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Dienst geleistet hat,\neine Zulage gemäß der genannten Vorschrift in Höhe von 39,65 EUR, \n--- \n \n> | 10 \n--- \n| für die Monate, in denen er mindestens 28,85 Stunden, aber weniger als 35,26\nStunden in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Dienst geleistet hat,\neine Zulage gemäß der genannten Vorschrift in Höhe von 45,06 EUR, \n--- \n \n> | 11 \n--- \n| für die Monate, in denen er mindestens 35,26 Stunden, aber weniger als 41,67\nStunden in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr Dienst geleistet hat, eine\nZulage gemäß der genannten Vorschrift in Höhe von 50,47 EUR \n--- \n \n> | 12 \n--- \n| und für die Monate, in denen er mindestens 41,67 Stunden, aber weniger als\n48,07 Stunden Dienst geleistet hat, eine Zulage gemäß der genannten Vorschrift\nin Höhe von 55,88 EUR zu zahlen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Klage sei nicht deshalb\nunzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei.\nDas Schreiben des Klägers vom 25.02.2018 sei als Widerspruch zu verstehen.\nSpätestens zum insoweit entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen\nVerhandlung lägen die Voraussetzungen der Untätigkeitsklage vor. Die Klage sei\nauch begründet. Denn die Regelung des § 20 Abs. 5 EZulV a.F. stelle eine nicht\ngerechtfertigte Ungleichbehandlung von Teilzeit- gegenüber\nVollzeitbeschäftigten dar. Das dort normierte Mindeststundenerfordernis sei\ndaher gemäß dem pro-rata-Grundsatz entsprechend dem Beschäftigungsanteil des\nKlägers herabzusetzen. Denn im Ergebnis würde durch die Statuierung\nidentischer Belastungsgrenzen von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten eine\nhöhere Belastungsgrenze für Teilzeitbeschäftigte festgelegt.\nRechtfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich.\nAuch habe der Beklagte nicht hinreichend dargetan, dass eine relevante\ngesundheitliche Belastung durch die Tätigkeit zur Nachtzeit erst ab einem\nmonatlichen Umfang von 25 Stunden eintrete. \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 03.03.2020 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen\ngrundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Er\nrügt zum einen, die DB Netz AG habe vom Verwaltungsgericht beigeladen werden\nmüssen. Zum anderen habe das Verwaltungsgericht dem Kläger zu Unrecht eine\nZulage für Dienst zu wechselnden Zeiten zugesprochen, obwohl es im\nvorliegenden Fall um eine Zulage für Dienste zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr\ngehe. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur\nWechselschichtzulage sei nicht auf die vorliegende Nachtdienstzulage\nübertragbar. Im Übrigen habe der Verordnungsgeber mit seiner tabellarischen\nStaffelung die Belastungsgrenzwerte abschließend geregelt. Die Erschwernis\ntrete nämlich erst ab den Grenzwerten ein. Ferner sei die Berechnung der\nZulage durch das Verwaltungsgericht in zweifacher Weise fehlerhaft: Zum einen\ndürfe die Höhe der Zulage nicht gekürzt werden. Zum anderen habe das\nVerwaltungsgericht einen fehlerhaften Ausgangswert zugrunde gelegt. Gemäß § 87\nBBG i.V.m. der Arbeitszeitverordnung seien 41 Stunden als regelmäßige\nwöchentliche Arbeitszeit festgesetzt. Diese und nicht die vom\nVerwaltungsgericht zugrunde gelegten 39 Wochenstunden hätten als\nBerechnungsgrundlage angesetzt werden müssen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n \n> > > | 16 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 05.11.2019 - 5 K 4690/18 -\nabzuändern und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Kläger beantragt, \n--- \n \n> > > | 18 \n--- \n| die Berufung zurückzuweisen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Er verteidigt das angegriffene Urteil und vertieft sein bisheriges\nVorbringen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem Senat liegen die Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor.\nHierauf sowie auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten\nSchriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die nach der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im\nÜbrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. \n--- \nI. \n--- \n| 22 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das angegriffene Urteil nicht\nwegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 2 VwGO aufzuheben. Der geltend gemachte\nVerfahrensmangel liegt nicht vor, weil die DB Netz AG vom Verwaltungsgericht\nnicht notwendig beigeladen werden musste. Denn die Konstellation einer\nnotwendigen Beiladung ist lediglich gegeben, wenn Dritte an dem streitigen\nRechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen\ngegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die\nSachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig\nunmittelbar und zwangsläufig Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt oder\nfestgestellt, verändert oder aufgehoben werden. Dabei ist es nicht\nausreichend, dass die Beiladung aus tatsächlichen oder verwaltungsinternen\nGründen notwendig erscheint. Vielmehr ist erforderlich, dass die Entscheidung\naus Rechtsgründen nur einheitlich ergehen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n13.06.2007 - 6 VR 5.07 -, Juris Rn. 6). Daran fehlt es hier. Aus dem Vortrag\ndes Beklagten ergibt sich, dass zwar die Personalverwendungsnachweise, die\nGrundlage für die Neuberechnung der Schichtzulage sind, bei der DB Netz AG und\nnicht beim Beklagten geführt werden. Insoweit handelt es sich jedoch nur um\nein Verwaltungsinternum, das Abläufe im Rechtskreis des Beklagten betrifft,\nnicht aber dazu führt, dass die Entscheidung über die begehrten Schichtzulagen\ngleichzeitig notwendig auch in Rechte der DB Netz AG eingreift. Denn\nDienstherr des Klägers und Verpflichteter durch die\nErschwerniszulagenverordnung a.F. ist allein der Beklagte (vgl. Art. 1 § 7\nAbs. 1 ENeuOG/BEZNG; § 3 Abs. 1, § 20 Abs. 5 EZulV a.F.). \n--- \nII. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klage ist auch zulässig. Insbesondere steht ihr nicht entgegen, dass das\ngemäß § 126 Abs. 2 BBG grundsätzlich erforderliche Vorverfahren nicht\ndurchgeführt worden ist. Denn die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach\n§ 75 VwGO liegen vor, weil der Beklagte ohne zureichenden Grund nicht in\nangemessener Frist sachlich über den Widerspruch des Klägers entschieden hat,\ndem in vorliegender Konstellation der Leistungsklage kein entsprechender\nAntrag vorausgehen musste (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.06.2001 - 2 C 48.00 -\nund vom 30.10.2013 - 2 C 23.12 -, Juris). Das Verwaltungsgericht wertete das\nSchreiben des Klägers vom 25.02.2018, das gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch\nan den Beklagten als die hier zuständige Widerspruchsbehörde (vgl. § 126 Abs.\n3 Satz 1 BBG i.V.m. Art. 1 § 10 Abs. 2 ENeuOG/BEZNG) gerichtet werden konnte,\nzutreffend als Widerspruch. Denn der Kläger begehrte damit unmissverständlich\nden Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids. Dass er dabei nur die\nNeuberechnung der Schichtzulage 1 und nicht zusätzlich die der Zulagen 4 und 5\nforderte und dies versehentlich rückwirkend schon seit dem Jahr 2000, nimmt\ndem Schreiben nicht seinen Charakter als Widerspruch. Gegebenenfalls hätte der\nBeklagte nachfragen müssen, wenn er stattdessen von einem Neuantrag ausgehen\nwollte, über den er ebenfalls nicht entschieden hat. \n--- \nIII. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die auf die Schichtzulage 1 gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. für den\nZeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2018 gerichtete Klage ist begründet. Das\nVerwaltungsgericht hat den insoweit bestehenden Anspruch des Klägers\nzutreffend ermittelt und tenoriert. \n--- \n| 25 \n--- \n| Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist der bis zum 30.09.2013 in Kraft\ngewesene § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. i.V.m. den entsprechend greifenden § 2a\nSatz 1 EZulV, § 6 Abs. 1a Nr. 3 BBesG in unionsrechtskonformer Anwendung unter\nBerücksichtigung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes. \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 EZulV gilt für Beamte des Bundeseisenbahnvermögens\nauch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2015 bis\n31.12.2018 § 20 Abs. 5 EZulV a.F. ausdrücklich fort. Nach Satz 1 der Norm\nerhalten solche Beamte, wenn sie wie der Kläger im ständigen Schichtdienst\neingesetzt werden, eine Zulage nach bestimmten Stufen, die sich an der Zahl\nder zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr geleisteten Stunden pro Monat orientiert.\nDie in der dortigen Tabelle niedrigste Stufe beginnt allerdings erst bei 25\nStunden pro Monat, d.h. Beschäftigte, die im Monat unter 25 Stunden\nNachtdienst geleistet haben, erhalten gar nichts, wogegen sich der aufgrund\nseiner Teilzeitbeschäftigung hierdurch benachteiligte Kläger überzeugend\nwendet. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die in § 2a EZulV normierte Reduzierung der Mindeststundenzahl bei\nTeilzeitbeschäftigung findet ihrem Wortlaut nach keine Anwendung auf die hier\nim Streit stehende, in § 24 Abs. 1 Nr. 1 EZulV i.V.m. § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV\na.F. geregelte Schichtzulage 1. Mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat\ndavon aus, dass eine solche Schichtzulagenregelung jedoch gegen Unionsrecht\nverstößt. Denn im Falle des Klägers liegt eine in den Geltungsbereich der\nRichtlinie 97/81/EG fallende (hierzu 1.) Ungleichbehandlung wegen\nTeilzeitbeschäftigung vor (hierzu 2.), die nicht gerechtfertigt ist (hierzu\n3.). Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung muss das\nMindesterfordernis von 25 Nachtstunden aufgrund des unionsrechtlichen\nAnwendungsvorrangs im vorliegenden Fall unangewendet bleiben, und die Zulage\nist entsprechend dem Pro-rata-temporis-Grundsatz auf der Berechnungsgrundlage\nvon 39 Wochenstunden bei Vollzeitarbeit anzupassen (hierzu 4.). \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie 97/81/EG\nist auch für den vorliegenden Fall der Schichtzulage 1 wegen Nachtdienste in\nBezug auf den teilzeitbeschäftigten Kläger unzweifelhaft eröffnet (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 12.08 -, Juris Rn. 16). Denn die\nRichtlinie führt gemäß ihrem Artikel 1 die am 06.06.1997 zwischen den\neuropäischen Sozialpartnern (UNICE, CEEP, EGB) geschlossene Rahmenvereinbarung\nüber Teilzeitarbeit durch, die sich gemäß ihrer Präambel ausdrücklich auf alle\nBeschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten erstreckt. \n--- \n| 29 \n--- \n| 2\\. § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. bewirkt unter Umständen wie den hier\nvorliegenden eine Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten im\nSinne von § 4 Abs. 1 des Anhangs zu Richtlinie 97/81/EG. Danach dürfen\nTeilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie\nteilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht\nschlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist\naus objektiven Gründen gerechtfertigt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Wie der Kläger von Anfang an zu Recht geltend machte, hat das\nBundesverwaltungsgericht in Bezug auf die in § 20 Abs. 1 EZulV a.F. normierte\nWechselschichtzulage überzeugend entschieden, dass es eine ungerechtfertigte\nUngleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten\ndarstellt, wenn dieselbe Nachtdienststundenanzahl Voraussetzung für die\nGewährung der Zulage ist (BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 12.08 -, Juris\nRn. 15 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 27.05.2004, Rs. C-285/02 ). In\nReaktion hierauf wurde § 2a EZulV geschaffen, der für die nunmehr in den §§\n17a ff. EZulV normierte Zulage für Dienste zu wechselnden Zeiten eine\nReduzierung der Mindeststundenzahl vorsieht (vgl. Nr. 1.1. der\nDurchführungshinweise zur Verordnung zur Änderung von Vorschriften für Dienst\nzu wechselnden Zeiten; RdSchr. des BMI vom 12.11.2013 - D 3 – 30200/41#10 / D2\n– 30105/7#1). \n--- \n| 31 \n--- \n| Diese Neuregelung jedoch ist unionsrechtlich unzureichend, wie vorliegender\nFall illustriert. Denn ebenso, wie das Erfordernis der gleichen Stundenanzahl\neine Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber\nVollzeitbeschäftigten in Bezug auf die Wechselschichtzulage beinhaltet,\nbewirkt dann auch das Erfordernis der gleichen Nachtdienststundenzahl eine\nUngleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten bei der Schichtzulage 1 nach § 20\nAbs. 5 Satz 1 EZulV a.F. Denn diese Erschwerniszulage 1 trägt dem Umstand\nRechnung, dass Dienstformen mit Belastungen des Biorhythmus durch häufig\nwechselnde Arbeitszeiten und einem Anteil von Nachtdienststunden eine\nbesondere Erschwernis darstellen, die durch die reguläre beamtenrechtliche\nBesoldung noch nicht abgedeckt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C\n12.08 -, Juris Rn. 8; Senatsurteil vom 21.01.2015 - 4 S 1644/14 -, Juris Rn.\n25, sowie § 47 BBesG und § 1 EZulV). Durch die bestehende, bezüglich der\nerforderlichen Stundenzahl nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten\ndifferenzierende Regelung werden an teilzeitbeschäftigte Beamte in Relation zu\nihrer Arbeitszeit höhere Anforderungen gestellt, um in den Genuss der Zulage\nzu kommen. Denn im vorliegenden Fall muss ein Teilzeitbeschäftigter im\nVerhältnis zu seiner regulären Arbeitszeit mehr Stunden in dem Zeitraum\nzwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr ableisten als ein Vollzeitbeschäftigter. \n--- \n| 32 \n--- \n| Weiter illustriert der Zweck der Zulage die Ungleichbehandlung: Die Zulage\nsoll ausgleichen, dass eine bestimmte Erschwernis in der regulären Besoldung\nnoch nicht hinreichend abgedeckt ist, wobei dem Verordnungsgeber eine gewisse\nEinschätzungsprärogative zusteht. Wenn der Verordnungsgeber also festlegt,\ndass bei einem Vollzeitbeschäftigten unter 25 Stunden Nachtdienst pro Monat (§\n20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F.) als regulär hinzunehmende Erschwernis noch in der\nallgemeinen Besoldung mit enthalten sind, ist dies im Ausgangspunkt nicht zu\nbeanstanden. Bei Teilzeitbeschäftigten hingegen ist die allgemeine Besoldung\nnach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz vermindert, der unionsrechtlich\nausdrücklich gilt, wo es, wie bei der Schichtzulage 1, angemessen ist (vgl. §\n4 Abs. 2 des Anhangs zu Richtlinie 97/81/EG). Proportional hierzu nimmt dann\nallerdings auch die darin enthaltene, reguläre Erschwernisabgeltung ab. Damit\naber müssen sich auch die Grenzwerte entsprechend verringern, um eine\nhinreichende Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten zu\ngewährleisten. \n--- \n| 33 \n--- \n| Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn nachweisbar wäre, dass eine gewisse\nAnzahl von Nachtdiensten pro Monat schlechthin keine Belastung darstellen\nwürde. Dafür spricht indes nichts. Auch die hier einschlägigen Normen gehen\nnicht davon aus. Denn sie halten ausweislich des oben genannten Zwecks\ngrundsätzlich jeden Nachtdienst für eine im Ansatz ausgleichsbedürftige\nErschwernis, die jedoch in der Regel bis zu einem gewissen Grad durch die\nGrundbesoldung abgedeckt ist. \n--- \n| 34 \n--- \n| 3\\. Die durch den Schwellenwert von 25 Mindestnachtstunden in § 20 Abs. 5\nSatz 1 EZulV a.F. normierte Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Aus\nSicht des Senats sind hierfür jedenfalls keine hinreichenden sachlichen Gründe\nfür die verhältnismäßige Mehrbelastung teilzeitbeschäftigter Beamter im\nVergleich zu vollzeitbeschäftigten Beamten ersichtlich. Der Beklagte hat\nsolche auch nicht weiter vorgetragen. \n--- \n| 35 \n--- \n| 4\\. Die insoweit richtlinienwidrige Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV\na.F. ist zu korrigieren. Soweit die Norm 25 Mindestnachtstunden festsetzt, ist\nsie wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in diesem Umfang zu Gunsten\ndes Klägers unanwendbar (EuGH, Urteil vom 22.10.1998, Rs. C-10/97 ). Nach\nständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne\nin allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich\nunbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber\ndem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht\nfristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine\nUnionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an\nkeine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch\nkeiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf.\nSie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom\nGericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine\nVerpflichtung festlegt (EuGH, Urteil vom 01.07.2010, Rs. C-194/08, Rn. 44 ff.\n). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn\nUmsetzungsmaßnahmen zwar in Kraft getreten sind, diese aber eine vollständige\nAnwendung der Richtlinie nicht tatsächlich gewährleisten (EuGH, Urteil vom\n11.07.2002, Rs. C-62/00, Rn. 23 ff. ; Senatsurteil vom 06.11.2012 - 4 S 797/12\n-, DÖV 2013, 319). \n--- \n| 36 \n--- \n| So liegt der Fall hier. Im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigung sind das\nDiskriminierungsverbot und der Pro-rata-temporis-Grundsatz aus § 4 des Anhangs\nzu Richtlinie 97/81/EG in § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. nicht vollständig in\ndeutsches Recht umgesetzt. Sowohl das Diskriminierungsverbot als auch der Pro-\nrata-temporis-Grundsatz sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Die\nFrist zu ihrer Umsetzung in nationales Recht ist bereits seit 20.01.2000\nabgelaufen (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 97/81/EG). \n--- \n| 37 \n--- \n| Steht eine Vorschrift des nationalen Rechts mit Unionsrecht nicht in\nEinklang, verlangt zunächst die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung,\ndass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten\ninnerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten\nAuslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um den „effet\nutile“ des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen,\ndas mit dem verfolgten Ziel im Einklang steht. Ist eine unionsrechtskonforme\nAuslegung allerdings nicht möglich, muss die unionsrechtswidrige nationale\nRegelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nach dem\nGrundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet bleiben (vgl.\nSenatsurteil vom 17.12.2015 - 4 S 1211/14 -, Juris Rn. 71 ff., m.w.N.) \n--- \n| 38 \n--- \n| Vorliegend ist eine unionsrechtskonforme Auslegung der § 20 Abs. 5 Satz 1\nEZulV a.F. hinsichtlich der 25 Mindestnachtstunden nicht möglich. Mithin muss\ndiese Zulagenvoraussetzung unangewendet bleiben. Ergänzend muss der Pro-rata-\ntemporis-Grundsatz aus § 4 des Anhangs zu Richtlinie 97/81/EG, der auch in §\n2a EZulV enthalten ist, auf die Stundenregelungen des § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV\na.F. erstreckt werden. Das Verwaltungsgericht hat demnach zu Recht auf die\nregelmäßige Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche abgestellt und die 25 Stunden\npro Woche, die der Kläger arbeitet, hierzu unionsrechtskonform ins Verhältnis\ngesetzt. \n--- \n| 39 \n--- \n| Sofern der Beklagte nunmehr einwendet, die reguläre Arbeitszeit betrage\nbeamtenrechtlich eigentlich 41 Wochenstunden, widerspricht dies zunächst dem\nVortrag in erster Instanz, wo die Beteiligten übereinstimmend angegeben haben,\ndie reguläre Arbeitszeit sei mit 39 Stunden anzusetzen. Mit seinem Vortrag, es\nsei doch auf die grundsätzlich geschuldeten 41 Wochenstunden abzustellen, auch\nwenn im Dienstbereich des Klägers nur 39 Stunden bei Vollzeitbeschäftigung\nfestgesetzt seien, kann der Beklagte im Übrigen nicht durchdringen. Denn diese\nBerechnungsweise würde zu dem realitätsfernen und widersprüchlichen Ergebnis\nführen, dass dann eigentlich alle Vollzeitbeschäftigten im Dienstbereich des\nKlägers als „juristische Teilzeitkräfte (39/41)“ anzusehen wären, und dennoch\nfür Vollzeitdienst besoldet würden. Bezugspunkt der Vollzeit-\nArbeitszeitberechnung muss im Falle des Klägers mithin eine 39-Stundenwoche\nsein. \n--- \n| 40 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat auch die Höhe der Zulage zutreffend entsprechend\nder Teilzeitbeschäftigung des Klägers gekürzt. Zwar sieht der Wortlaut von §\n20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. eine solche Kürzung eigentlich nicht vor. Auch der\nVerweis von § 2a Satz 3 EZulV auf § 6 BBesG für Zulagen nach Abschnitt 4\ngreift vorliegend nicht, weil die hier streitige Schichtzulage 1 gemäß § 24\nAbs. 1 EZulV bezahlt wird, d.h. sich aus Abschnitt 5 ergibt. Dies steht der\nunionsrechtlich geforderten Anwendbarkeit des Pro-rata-temporis-Grundsatzes\nallerdings nicht entgegen. Denn der Verordnungsgeber hat die Problematik der\nTeilzeitbeschäftigung im Rahmen der Schichtzulage 1 nach § 20 Abs. 5 Satz 1\nEZulV offenbar übersehen bzw. jedenfalls nicht hinreichend richtlinienkonform\ngeregelt. Daher kann insoweit § 6 Abs. 1 BBesG entsprechend angewendet werden,\nder als Ausprägung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes europarechtskonform ist\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 12.08 -, Juris, Rn. 13). Das\nangegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich mithin als\nvollumfänglich zutreffend. \n--- \nIV. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \nV. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage der unionsrechtskonformen\nBestimmung von Voraussetzungen und Höhe der Zulage nach § 20 Abs. 5 (a.F.), §\n24 EZulV für Teilzeitbeschäftigte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132\nAbs. 2 Nr. 1 VwGO hat. \n--- \n| 43 \n--- \n| **Beschluss vom 5. August 2020** \n--- \n| 44 \n--- \n| Der Streitwert wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf **359,50\nEUR** festgesetzt. \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die nach der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im\nÜbrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. \n--- \nI. \n--- \n| 22 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das angegriffene Urteil nicht\nwegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 2 VwGO aufzuheben. Der geltend gemachte\nVerfahrensmangel liegt nicht vor, weil die DB Netz AG vom Verwaltungsgericht\nnicht notwendig beigeladen werden musste. Denn die Konstellation einer\nnotwendigen Beiladung ist lediglich gegeben, wenn Dritte an dem streitigen\nRechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen\ngegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die\nSachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig\nunmittelbar und zwangsläufig Rechte des Dritten gestaltet, bestätigt oder\nfestgestellt, verändert oder aufgehoben werden. Dabei ist es nicht\nausreichend, dass die Beiladung aus tatsächlichen oder verwaltungsinternen\nGründen notwendig erscheint. Vielmehr ist erforderlich, dass die Entscheidung\naus Rechtsgründen nur einheitlich ergehen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n13.06.2007 - 6 VR 5.07 -, Juris Rn. 6). Daran fehlt es hier. Aus dem Vortrag\ndes Beklagten ergibt sich, dass zwar die Personalverwendungsnachweise, die\nGrundlage für die Neuberechnung der Schichtzulage sind, bei der DB Netz AG und\nnicht beim Beklagten geführt werden. Insoweit handelt es sich jedoch nur um\nein Verwaltungsinternum, das Abläufe im Rechtskreis des Beklagten betrifft,\nnicht aber dazu führt, dass die Entscheidung über die begehrten Schichtzulagen\ngleichzeitig notwendig auch in Rechte der DB Netz AG eingreift. Denn\nDienstherr des Klägers und Verpflichteter durch die\nErschwerniszulagenverordnung a.F. ist allein der Beklagte (vgl. Art. 1 § 7\nAbs. 1 ENeuOG/BEZNG; § 3 Abs. 1, § 20 Abs. 5 EZulV a.F.). \n--- \nII. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klage ist auch zulässig. Insbesondere steht ihr nicht entgegen, dass das\ngemäß § 126 Abs. 2 BBG grundsätzlich erforderliche Vorverfahren nicht\ndurchgeführt worden ist. Denn die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach\n§ 75 VwGO liegen vor, weil der Beklagte ohne zureichenden Grund nicht in\nangemessener Frist sachlich über den Widerspruch des Klägers entschieden hat,\ndem in vorliegender Konstellation der Leistungsklage kein entsprechender\nAntrag vorausgehen musste (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.06.2001 - 2 C 48.00 -\nund vom 30.10.2013 - 2 C 23.12 -, Juris). Das Verwaltungsgericht wertete das\nSchreiben des Klägers vom 25.02.2018, das gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch\nan den Beklagten als die hier zuständige Widerspruchsbehörde (vgl. § 126 Abs.\n3 Satz 1 BBG i.V.m. Art. 1 § 10 Abs. 2 ENeuOG/BEZNG) gerichtet werden konnte,\nzutreffend als Widerspruch. Denn der Kläger begehrte damit unmissverständlich\nden Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids. Dass er dabei nur die\nNeuberechnung der Schichtzulage 1 und nicht zusätzlich die der Zulagen 4 und 5\nforderte und dies versehentlich rückwirkend schon seit dem Jahr 2000, nimmt\ndem Schreiben nicht seinen Charakter als Widerspruch. Gegebenenfalls hätte der\nBeklagte nachfragen müssen, wenn er stattdessen von einem Neuantrag ausgehen\nwollte, über den er ebenfalls nicht entschieden hat. \n--- \nIII. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die auf die Schichtzulage 1 gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. für den\nZeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2018 gerichtete Klage ist begründet. Das\nVerwaltungsgericht hat den insoweit bestehenden Anspruch des Klägers\nzutreffend ermittelt und tenoriert. \n--- \n| 25 \n--- \n| Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist der bis zum 30.09.2013 in Kraft\ngewesene § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. i.V.m. den entsprechend greifenden § 2a\nSatz 1 EZulV, § 6 Abs. 1a Nr. 3 BBesG in unionsrechtskonformer Anwendung unter\nBerücksichtigung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes. \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 EZulV gilt für Beamte des Bundeseisenbahnvermögens\nauch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2015 bis\n31.12.2018 § 20 Abs. 5 EZulV a.F. ausdrücklich fort. Nach Satz 1 der Norm\nerhalten solche Beamte, wenn sie wie der Kläger im ständigen Schichtdienst\neingesetzt werden, eine Zulage nach bestimmten Stufen, die sich an der Zahl\nder zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr geleisteten Stunden pro Monat orientiert.\nDie in der dortigen Tabelle niedrigste Stufe beginnt allerdings erst bei 25\nStunden pro Monat, d.h. Beschäftigte, die im Monat unter 25 Stunden\nNachtdienst geleistet haben, erhalten gar nichts, wogegen sich der aufgrund\nseiner Teilzeitbeschäftigung hierdurch benachteiligte Kläger überzeugend\nwendet. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die in § 2a EZulV normierte Reduzierung der Mindeststundenzahl bei\nTeilzeitbeschäftigung findet ihrem Wortlaut nach keine Anwendung auf die hier\nim Streit stehende, in § 24 Abs. 1 Nr. 1 EZulV i.V.m. § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV\na.F. geregelte Schichtzulage 1. Mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat\ndavon aus, dass eine solche Schichtzulagenregelung jedoch gegen Unionsrecht\nverstößt. Denn im Falle des Klägers liegt eine in den Geltungsbereich der\nRichtlinie 97/81/EG fallende (hierzu 1.) Ungleichbehandlung wegen\nTeilzeitbeschäftigung vor (hierzu 2.), die nicht gerechtfertigt ist (hierzu\n3.). Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung muss das\nMindesterfordernis von 25 Nachtstunden aufgrund des unionsrechtlichen\nAnwendungsvorrangs im vorliegenden Fall unangewendet bleiben, und die Zulage\nist entsprechend dem Pro-rata-temporis-Grundsatz auf der Berechnungsgrundlage\nvon 39 Wochenstunden bei Vollzeitarbeit anzupassen (hierzu 4.). \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie 97/81/EG\nist auch für den vorliegenden Fall der Schichtzulage 1 wegen Nachtdienste in\nBezug auf den teilzeitbeschäftigten Kläger unzweifelhaft eröffnet (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 12.08 -, Juris Rn. 16). Denn die\nRichtlinie führt gemäß ihrem Artikel 1 die am 06.06.1997 zwischen den\neuropäischen Sozialpartnern (UNICE, CEEP, EGB) geschlossene Rahmenvereinbarung\nüber Teilzeitarbeit durch, die sich gemäß ihrer Präambel ausdrücklich auf alle\nBeschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten erstreckt. \n--- \n| 29 \n--- \n| 2\\. § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. bewirkt unter Umständen wie den hier\nvorliegenden eine Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten im\nSinne von § 4 Abs. 1 des Anhangs zu Richtlinie 97/81/EG. Danach dürfen\nTeilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie\nteilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht\nschlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist\naus objektiven Gründen gerechtfertigt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Wie der Kläger von Anfang an zu Recht geltend machte, hat das\nBundesverwaltungsgericht in Bezug auf die in § 20 Abs. 1 EZulV a.F. normierte\nWechselschichtzulage überzeugend entschieden, dass es eine ungerechtfertigte\nUngleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten\ndarstellt, wenn dieselbe Nachtdienststundenanzahl Voraussetzung für die\nGewährung der Zulage ist (BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 12.08 -, Juris\nRn. 15 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 27.05.2004, Rs. C-285/02 ). In\nReaktion hierauf wurde § 2a EZulV geschaffen, der für die nunmehr in den §§\n17a ff. EZulV normierte Zulage für Dienste zu wechselnden Zeiten eine\nReduzierung der Mindeststundenzahl vorsieht (vgl. Nr. 1.1. der\nDurchführungshinweise zur Verordnung zur Änderung von Vorschriften für Dienst\nzu wechselnden Zeiten; RdSchr. des BMI vom 12.11.2013 - D 3 – 30200/41#10 / D2\n– 30105/7#1). \n--- \n| 31 \n--- \n| Diese Neuregelung jedoch ist unionsrechtlich unzureichend, wie vorliegender\nFall illustriert. Denn ebenso, wie das Erfordernis der gleichen Stundenanzahl\neine Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber\nVollzeitbeschäftigten in Bezug auf die Wechselschichtzulage beinhaltet,\nbewirkt dann auch das Erfordernis der gleichen Nachtdienststundenzahl eine\nUngleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten bei der Schichtzulage 1 nach § 20\nAbs. 5 Satz 1 EZulV a.F. Denn diese Erschwerniszulage 1 trägt dem Umstand\nRechnung, dass Dienstformen mit Belastungen des Biorhythmus durch häufig\nwechselnde Arbeitszeiten und einem Anteil von Nachtdienststunden eine\nbesondere Erschwernis darstellen, die durch die reguläre beamtenrechtliche\nBesoldung noch nicht abgedeckt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C\n12.08 -, Juris Rn. 8; Senatsurteil vom 21.01.2015 - 4 S 1644/14 -, Juris Rn.\n25, sowie § 47 BBesG und § 1 EZulV). Durch die bestehende, bezüglich der\nerforderlichen Stundenzahl nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten\ndifferenzierende Regelung werden an teilzeitbeschäftigte Beamte in Relation zu\nihrer Arbeitszeit höhere Anforderungen gestellt, um in den Genuss der Zulage\nzu kommen. Denn im vorliegenden Fall muss ein Teilzeitbeschäftigter im\nVerhältnis zu seiner regulären Arbeitszeit mehr Stunden in dem Zeitraum\nzwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr ableisten als ein Vollzeitbeschäftigter. \n--- \n| 32 \n--- \n| Weiter illustriert der Zweck der Zulage die Ungleichbehandlung: Die Zulage\nsoll ausgleichen, dass eine bestimmte Erschwernis in der regulären Besoldung\nnoch nicht hinreichend abgedeckt ist, wobei dem Verordnungsgeber eine gewisse\nEinschätzungsprärogative zusteht. Wenn der Verordnungsgeber also festlegt,\ndass bei einem Vollzeitbeschäftigten unter 25 Stunden Nachtdienst pro Monat (§\n20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F.) als regulär hinzunehmende Erschwernis noch in der\nallgemeinen Besoldung mit enthalten sind, ist dies im Ausgangspunkt nicht zu\nbeanstanden. Bei Teilzeitbeschäftigten hingegen ist die allgemeine Besoldung\nnach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz vermindert, der unionsrechtlich\nausdrücklich gilt, wo es, wie bei der Schichtzulage 1, angemessen ist (vgl. §\n4 Abs. 2 des Anhangs zu Richtlinie 97/81/EG). Proportional hierzu nimmt dann\nallerdings auch die darin enthaltene, reguläre Erschwernisabgeltung ab. Damit\naber müssen sich auch die Grenzwerte entsprechend verringern, um eine\nhinreichende Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten zu\ngewährleisten. \n--- \n| 33 \n--- \n| Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn nachweisbar wäre, dass eine gewisse\nAnzahl von Nachtdiensten pro Monat schlechthin keine Belastung darstellen\nwürde. Dafür spricht indes nichts. Auch die hier einschlägigen Normen gehen\nnicht davon aus. Denn sie halten ausweislich des oben genannten Zwecks\ngrundsätzlich jeden Nachtdienst für eine im Ansatz ausgleichsbedürftige\nErschwernis, die jedoch in der Regel bis zu einem gewissen Grad durch die\nGrundbesoldung abgedeckt ist. \n--- \n| 34 \n--- \n| 3\\. Die durch den Schwellenwert von 25 Mindestnachtstunden in § 20 Abs. 5\nSatz 1 EZulV a.F. normierte Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Aus\nSicht des Senats sind hierfür jedenfalls keine hinreichenden sachlichen Gründe\nfür die verhältnismäßige Mehrbelastung teilzeitbeschäftigter Beamter im\nVergleich zu vollzeitbeschäftigten Beamten ersichtlich. Der Beklagte hat\nsolche auch nicht weiter vorgetragen. \n--- \n| 35 \n--- \n| 4\\. Die insoweit richtlinienwidrige Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV\na.F. ist zu korrigieren. Soweit die Norm 25 Mindestnachtstunden festsetzt, ist\nsie wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in diesem Umfang zu Gunsten\ndes Klägers unanwendbar (EuGH, Urteil vom 22.10.1998, Rs. C-10/97 ). Nach\nständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne\nin allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich\nunbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber\ndem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht\nfristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine\nUnionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an\nkeine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch\nkeiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf.\nSie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom\nGericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine\nVerpflichtung festlegt (EuGH, Urteil vom 01.07.2010, Rs. C-194/08, Rn. 44 ff.\n). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn\nUmsetzungsmaßnahmen zwar in Kraft getreten sind, diese aber eine vollständige\nAnwendung der Richtlinie nicht tatsächlich gewährleisten (EuGH, Urteil vom\n11.07.2002, Rs. C-62/00, Rn. 23 ff. ; Senatsurteil vom 06.11.2012 - 4 S 797/12\n-, DÖV 2013, 319). \n--- \n| 36 \n--- \n| So liegt der Fall hier. Im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigung sind das\nDiskriminierungsverbot und der Pro-rata-temporis-Grundsatz aus § 4 des Anhangs\nzu Richtlinie 97/81/EG in § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. nicht vollständig in\ndeutsches Recht umgesetzt. Sowohl das Diskriminierungsverbot als auch der Pro-\nrata-temporis-Grundsatz sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Die\nFrist zu ihrer Umsetzung in nationales Recht ist bereits seit 20.01.2000\nabgelaufen (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 97/81/EG). \n--- \n| 37 \n--- \n| Steht eine Vorschrift des nationalen Rechts mit Unionsrecht nicht in\nEinklang, verlangt zunächst die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung,\ndass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten\ninnerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten\nAuslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um den „effet\nutile“ des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen,\ndas mit dem verfolgten Ziel im Einklang steht. Ist eine unionsrechtskonforme\nAuslegung allerdings nicht möglich, muss die unionsrechtswidrige nationale\nRegelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nach dem\nGrundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet bleiben (vgl.\nSenatsurteil vom 17.12.2015 - 4 S 1211/14 -, Juris Rn. 71 ff., m.w.N.) \n--- \n| 38 \n--- \n| Vorliegend ist eine unionsrechtskonforme Auslegung der § 20 Abs. 5 Satz 1\nEZulV a.F. hinsichtlich der 25 Mindestnachtstunden nicht möglich. Mithin muss\ndiese Zulagenvoraussetzung unangewendet bleiben. Ergänzend muss der Pro-rata-\ntemporis-Grundsatz aus § 4 des Anhangs zu Richtlinie 97/81/EG, der auch in §\n2a EZulV enthalten ist, auf die Stundenregelungen des § 20 Abs. 5 Satz 1 EZulV\na.F. erstreckt werden. Das Verwaltungsgericht hat demnach zu Recht auf die\nregelmäßige Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche abgestellt und die 25 Stunden\npro Woche, die der Kläger arbeitet, hierzu unionsrechtskonform ins Verhältnis\ngesetzt. \n--- \n| 39 \n--- \n| Sofern der Beklagte nunmehr einwendet, die reguläre Arbeitszeit betrage\nbeamtenrechtlich eigentlich 41 Wochenstunden, widerspricht dies zunächst dem\nVortrag in erster Instanz, wo die Beteiligten übereinstimmend angegeben haben,\ndie reguläre Arbeitszeit sei mit 39 Stunden anzusetzen. Mit seinem Vortrag, es\nsei doch auf die grundsätzlich geschuldeten 41 Wochenstunden abzustellen, auch\nwenn im Dienstbereich des Klägers nur 39 Stunden bei Vollzeitbeschäftigung\nfestgesetzt seien, kann der Beklagte im Übrigen nicht durchdringen. Denn diese\nBerechnungsweise würde zu dem realitätsfernen und widersprüchlichen Ergebnis\nführen, dass dann eigentlich alle Vollzeitbeschäftigten im Dienstbereich des\nKlägers als „juristische Teilzeitkräfte (39/41)“ anzusehen wären, und dennoch\nfür Vollzeitdienst besoldet würden. Bezugspunkt der Vollzeit-\nArbeitszeitberechnung muss im Falle des Klägers mithin eine 39-Stundenwoche\nsein. \n--- \n| 40 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat auch die Höhe der Zulage zutreffend entsprechend\nder Teilzeitbeschäftigung des Klägers gekürzt. Zwar sieht der Wortlaut von §\n20 Abs. 5 Satz 1 EZulV a.F. eine solche Kürzung eigentlich nicht vor. Auch der\nVerweis von § 2a Satz 3 EZulV auf § 6 BBesG für Zulagen nach Abschnitt 4\ngreift vorliegend nicht, weil die hier streitige Schichtzulage 1 gemäß § 24\nAbs. 1 EZulV bezahlt wird, d.h. sich aus Abschnitt 5 ergibt. Dies steht der\nunionsrechtlich geforderten Anwendbarkeit des Pro-rata-temporis-Grundsatzes\nallerdings nicht entgegen. Denn der Verordnungsgeber hat die Problematik der\nTeilzeitbeschäftigung im Rahmen der Schichtzulage 1 nach § 20 Abs. 5 Satz 1\nEZulV offenbar übersehen bzw. jedenfalls nicht hinreichend richtlinienkonform\ngeregelt. Daher kann insoweit § 6 Abs. 1 BBesG entsprechend angewendet werden,\nder als Ausprägung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes europarechtskonform ist\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 12.08 -, Juris, Rn. 13). Das\nangegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich mithin als\nvollumfänglich zutreffend. \n--- \nIV. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \nV. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage der unionsrechtskonformen\nBestimmung von Voraussetzungen und Höhe der Zulage nach § 20 Abs. 5 (a.F.), §\n24 EZulV für Teilzeitbeschäftigte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132\nAbs. 2 Nr. 1 VwGO hat. \n--- \n| 43 \n--- \n| **Beschluss vom 5. August 2020** \n--- \n| 44 \n--- \n| Der Streitwert wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf **359,50\nEUR** festgesetzt. \n--- \n| 45 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
330,522
vg-dusseldorf-2020-07-28-2-l-103020
842
Verwaltungsgericht Düsseldorf
vg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 L 1030/20
2020-07-28
2020-08-15 10:00:55
2020-12-10 13:37:37
Beschluss
ECLI:DE:VGD:2020:0728.2L1030.20.00
## Tenor\n\n**Der Antrag wird abgelehnt.**\n\n**Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.**\n\n**Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.**\n\n \n1\n\nDer am 5. Juni 2020 bei Gericht eingegangene Antrag,\n\n2\n\n**dem Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für\nAusbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-\nWestfalen vom 5. Mai 2020 im Wege der einstweiliger Anordnung aufzugeben, das\nlaufende Bewerbungsverfahren des Antragstellers um die Einstellung in den\ngehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2020\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen,**\n\n3\n\nhat keinen Erfolg.\n\n4\n\nDer Antrag ist unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann eine einstweilige\nAnordnung zur Sicherung eines Rechts des Antragstellers nur getroffen werden,\nwenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands\ndie Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden\nkönnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2,\n294 ZPO die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines zu sichernden\nRechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit\n(Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.\n\n5\n\nDer Antragsteller hat den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft\ngemacht. Der Bescheid des Antragsgegners vom 5. Mai 2020 ist rechtmäßig. Dem\nAntragsteller fehlt die gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst.\nEr kann daher eine Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens nicht beanspruchen.\n\n6\n\n1\\. Die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst bzw. in den\nVorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II geht mit der Ernennung zum\nBeamten auf Widerruf einher (vgl. § 11 Abs. 2 der Verordnung über die Laufbahn\nder Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-\nWestfalen - LVOPol -). Nach Art. 33 Abs. 2 GG und nach § 9 BeamtStG, der nach\n§ 1 dieses Gesetzes für das Statusrecht der Landesbeamten unmittelbar gilt,\nsind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen.\nGeeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher,\npsychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Bei der von Art. 33\nAbs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch\neine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des\njeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht. Ist nach der\nkörperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche\nEignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht\nverbeamtet werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die\nzur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden.\n\n7\n\nZur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und\npsychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen\nauf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Beurteilungsvorgänge\nerfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein\nArzt verfügt. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber\nnicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche\nEignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als\nSachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die\nnotwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die\närztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer\nGrundlage ein eigenes Urteil bilden.\n\n8\n\nEs obliegt dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen\nLaufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu,\nbei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der\nLaufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die\nindividuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist. Auf\ndieser Grundlage muss festgestellt werden, ob ein Bewerber, dessen\nLeistungsfähigkeit gemindert ist, den Anforderungen gewachsen ist, die die\nÄmter einer Laufbahn für die Dienstausübung stellen.\n\n9\n\nDie Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte\nöffentliche Amt bezieht sich zum einen auf den gegenwärtigen Stand und zum\nanderen auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die\neine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des\nBewerbers verlangt. Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der\nEinstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick\nauf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung\nmit progredientem Verlauf verneint werden. Die Prognose erfasst den Zeitraum\nbis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Es kommt darauf an, ob der\nBeamtenbewerber voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt Dienst leisten wird\noder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss.\n\n10\n\nDer Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen\nungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch Art. 33\nAbs. 2 GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven\nBerufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht.\nAufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus\nlangen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums hat das\nBundesverwaltungsgericht unter Änderung seiner früheren Rechtsprechung\nentschieden, dass der Dienstherr einem aktuell dienstfähigen Bewerber die\ngesundheitliche Eignung für die angestrebte Laufbahn nur dann absprechen kann,\nwenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, er werde mit\nüberwiegender Wahrscheinlichkeit wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig\nin den Ruhestand versetzt oder er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit\nbis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen\nund deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen. Dieser\nPrognosemaßstab gilt sowohl für Probebeamte, die die Übernahme in ein\nBeamtenverhältnis auf Lebenszeit begehren, als auch für Einstellungsbewerber,\ndie in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder in ein Beamtenverhältnis auf\nWiderruf zwecks Ableistung eines Vorbereitungsdienstes, der nicht als\nallgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG zu qualifizieren\nist, berufen werden wollen.\n\n11\n\nEine entsprechende Prognosebeurteilung setzt eine hinreichende Tatsachenbasis\nvoraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen\nkünftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche\nAnhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit\nvom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen\nAltersgrenze auszugehen ist.\n\n12\n\nDaher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische\nTatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer\nErkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er\nmuss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche\nBedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen\nAnforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Dabei hat er verfügbare\nErkenntnisse über den voraussichtlichen Verlauf chronischer Krankheiten\nauszuwerten und in Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Bewerbers zu setzen.\nDie medizinische Diagnose muss daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen\ndarstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie\nderen Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat sie unter Ausschöpfung\nder vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage\nüber die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die\nden Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen\nEignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG eigenverantwortlich zu beantworten.\n\n13\n\nDie Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von\nBeamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche\nWertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein\nBeurteilungsspielraum zu. Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der\ngesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine\nEinschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran\nanknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des\nBeamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen.\nEs ist zu beurteilen, ob der Bewerber (gegenwärtig) den Anforderungen genügt\nund ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran bis zum Erreichen der\ngesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert.\n\n14\n\nVgl. zum Vorstehenden insgesamt OVG NRW, Urteil vom 30. November 2017 – 6 A\n2111/14 –, juris, Rn. 65 – 92 m. w. N.\n\n15\n\n2\\. Diese Grundsätze gelten für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung\neines Bewerbers um die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst bzw.\nin den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II entsprechend.\nAllerdings ist zu beachten, dass die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst\ndie gesundheitliche Eignung in Form der Polizeidiensttauglichkeit voraussetzt\n(vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW i. V. m. §§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1\nNr. 3 LVOPol), die nicht mit der Polizeidienstfähigkeit gleichzusetzen ist.\nWährend die Polizeidiensttauglichkeit „die gesundheitliche Eignung für die\nEinstellung in den Polizeivollzugsdienst" betrifft, bezeichnet die\nPolizeidienstfähigkeit die „gesundheitliche Fähigkeit, Polizeivollzugsdienst\nzu leisten" (vgl. Nr. 1.2 PDV 300 „Ärztliche Beurteilung der\nPolizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit" - Ausgabe 2012).\nDaran anknüpfend ergeben sich unterschiedliche Voraussetzungen für die Annahme\nder - zudem von der allgemeinen Dienstfähigkeit abzugrenzenden -\nPolizeidienstfähigkeit (a) einerseits und der Polizeidiensttauglichkeit (b)\nandererseits.\n\n16\n\na) Für die Bejahung der Polizeidienstfähigkeit reicht es nicht aus, dass der\nBeamte allgemein dienstfähig, also aktuell - gegebenenfalls auch trotz\nvorliegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen - in der Lage ist, die ihm\nobliegenden Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen.\nMaßstab der Polizeidienstfähigkeit ist nicht das abstrakt-funktionelle Amt\neines Polizeivollzugsbeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde, sondern sind\nsämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes. Der\nPolizeivollzugsbeamte muss zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung\neinsetzbar sein, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht. Genügt er den\ndamit einhergehenden gesundheitlichen Anforderungen nicht, ist er\npolizeidienstunfähig.\n\n17\n\nDies ist der Fall, wenn ein Polizeivollzugsbeamter nur über eine verminderte\nkörperliche oder geistige Leistungsfähigkeit oder eine verminderte seelische\nBelastbarkeit verfügt, aufgrund derer er nur eingeschränkt einsetzbar ist,\naber auch dann, wenn die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben des\nPolizeivollzugsdienstes wegen seiner individuellen Konstitution mit einem\ndeutlich erhöhten Verletzungs- oder sonstigen Gesundheitsrisiko einherginge.\nDenn dann ist der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht (vgl. § 45\nBeamtStG) gehalten, den Betroffenen vor vermeidbaren Risiken zu schützen,\nindem er ihn in dem in Rede stehenden Aufgabenbereich möglichst nicht\neinsetzt.\n\n18\n\nb) Die Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit eines Bewerbers um die\nEinstellung in den gehobenen Dienst hat sich nicht nur auf den\nEinstellungstermin, sondern auch auf die künftige Tätigkeit im\nPolizeivollzugsdienst zu beziehen. Ist der Bewerber im Zeitpunkt der\nbeabsichtigten Einstellung polizeidienstunfähig, darf er mangels\nPolizeidiensttauglichkeit nicht eingestellt werden. In Bezug auf die künftige\nTätigkeit im Polizeivollzugsdienst bedarf es einer auf den konkreten\nGesundheitszustand des Bewerbers und seine individuelle Konstitution bezogenen\nPrognose. Die Polizeidiensttauglichkeit eines im Zeitpunkt der beabsichtigten\nEinstellung - also aktuell - polizeidienstfähigen Bewerbers kann im Hinblick\nauf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung\nmit progredientem Verlauf zu verneinen sein. Die Prognose erfasst den Zeitraum\nbis zum Erreichen der für Polizeivollzugsbeamte geltenden gesetzlichen\nAltersgrenze (vgl. § 114 Abs. 1 LBG NRW). Es kommt darauf an, ob der Bewerber\num die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst voraussichtlich bis\nzum Erreichen dieser Altersgrenze, mithin bis zur Vollendung des 62.\nLebensjahres, den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des\nPolizeivollzugsdienstes genügen wird. Die Polizeidiensttauglichkeit fehlt,\nwenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass er mit\nüberwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen dieser Altersgrenze dauernd\npolizeidienstunfähig oder bis dahin regelmäßig erhebliche Ausfallzeiten\naufweisen werden wird.\n\n19\n\nDer (neue) Prognosemaßstab, den das Bundesverwaltungsgericht für\nBeamtenbewerber allgemein entwickelt hat, ist somit auch bei der Beurteilung\nder Polizeidiensttauglichkeit zu berücksichtigen.\n\n20\n\nVgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2017 – 6 A 2111/14 –, juris, Rn. 93 –\n102 m. w. N.\n\n21\n\n3\\. Nach diesen Maßgaben hat der Antragsgegner zu Recht die gesundheitliche\nEignung des Antragstellers für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst\nverneint. Er ist nicht polizeidienstfähig. Aufgrund der bei ihm mehrfach\naufgetretenen Harnsteinbildung (Urolithiasis) und der zur Vorbeugung eines\nRezidivs erforderlichen Steinmetaphylaxe ist für den Antragsteller die\nWahrnehmung bestimmter Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes mit einem deutlich\nerhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, das vom Antragsgegner als Dienstherrn\naus Gründen der Fürsorgepflicht nicht hinnehmbar ist.\n\n22\n\nDer Antragsteller war in der Vergangenheit erstmalig aufgrund einer akuten\nHarnsteinbildung vom 26. bis 28. Juni 2016 in stationärer Behandlung (vgl. den\nBericht des L. Klinikums F. vom 26. Juni 2016, Bl. 45 des Verwaltungsvorgangs\n(VV)). Danach kam es bereits mehrfach zu einem Rezidiv, weswegen der\nAntragsteller erneut vom 27. bis 30. April 2019, vom 23. bis 25. Mai 2019 und\nvom 5. bis 6. Juni 2019 stationär in Behandlung war (vgl. jeweils den Bericht\ndes F1. Krankenhauses P. vom 29. April 2019 (Bl. 43 VV), vom 24. Mai 2019 (Bl.\n41 VV) und vom 6. Juni 2019 (Bl. 39 VV)). In allen drei vorgenannten\nArztberichten wird eine fachurologische Weiterbehandlung mit einer\nSteinmetaphylaxe empfohlen. Eine solche Metaphylaxe besteht nach den im\nangegriffenen Bescheid vom 5. Mai 2020 wiedergegebenen polizeiärztlichen\nAusführungen und der ergänzenden polizeiärztlichen Stellungnahme vom 15. Juni\n2020 (Bl. 51 VV) im Wesentlichen in einer reichlichen Flüssigkeitszufuhr und\neiner Mischkost unter Meidung von Mich/Milchprodukten und Schwarztee. Zu den\nerforderlichen Verhaltensregeln gehört vor allem das Einhalten einer\nausreichenden, gleichmäßig über den Tag verteilten Trinkmenge, um eine\nUrinproduktion von mehr als 2 Litern täglich sicherzustellen. Dazu ist es\nschon bei normaler körperlicher Belastung erforderlich, deutlich mehr als zwei\nLiter gleichmäßig über den Tag verteilt zu trinken. Bei körperlichen\nBelastungen und hohen Außentemperaturen kann die erforderliche Trinkmenge auch\num ein Mehrfaches höher sein (6 bis 8 Liter). Das Rezidivrisiko liegt\nunbehandelt bei 50 – 80 %, unter risikoadaptierter Metaphylaxe bei nur 10 – 15\n%. Neben den metabolisch bedingten Risikofaktoren eines Rezidivs gehören aber\nauch sozial-berufliche Besonderheiten wie u. a. Schichtdienst,\nPausenregelungen, Verpflegungsmöglichkeiten, häufige Außen- und Reisetätigkeit\nzu den Risikofaktoren, die ein Rezidiv begünstigen. Die Einhaltung der\nMetaphylaxe ist schon nach einmaligem Auftreten eines Steins erforderlich,\numso mehr jedoch bei Rezidiven.\n\n23\n\nDiese polizeiärztlichen Ausführungen sind nachvollziehbar und werden vom\nAntragsteller nicht in Zweifel gezogen. Von den sich danach ergebenden\nmedizinischen Vorgaben zur Gesunderhaltung des Antragstellers ausgehend ist er\nnicht – wie aber im Sinne der Polizeidienstfähigkeit erforderlich – zu jeder\nZeit, an jedem Ort und in jeder Stellung, die seinem statusrechtlichen Amt im\nPolizeivollzugsdienst entspricht, einsetzbar. Zu den Aufgaben des\nPolizeivollzugsdienstes gehören längere Einsätze im Wach- und Wechseldienst\nsowie geschlossene Einsätze in der Bereitschaftspolizei. Der Antragsgegner hat\nnachvollziehbar darauf hingewiesen, dass in solchen Einsatzlagen die\nEinhaltung der Metaphylaxe vor allem in Bezug auf die nötige\nFlüssigkeitszufuhr nicht gewährleistet ist. Namentlich bei der\nBereitschaftspolizei kommt es bereits durch das Tragen einer bis zu 20 kg\nschweren Schutzausrüstung regelmäßig zu einer erhöhten körperlichen Belastung,\ndie für den Antragsteller zu einem gesteigerten Bedarf an Flüssigkeitszufuhr\nführt. Dies wird bei ebenfalls regelmäßig vorkommenden höheren\nAußentemperaturen sowie weiteren Belastungen wie körperlichen\nAuseinandersetzungen mit Rechtsbrechern und der Anwendung unmittelbaren Zwangs\nnoch verstärkt. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass es dem Antragsteller in\nsolchen Situationen nicht möglich ist, den Einsatz zwecks ausreichender\nTrinkpausen (und ggf. erneut für das nachfolgende Urinieren) zu unterbrechen.\nIst die Einhaltung der Metaphylaxe in wesentlichen Aufgabenbereichen des\nPolizeivollzugsdienstes nicht gewährleistet, besteht nach den obigen\nAusführungen für den Antragsteller eine hohe Wahrscheinlichkeit für ernsthafte\ngesundheitliche Beeinträchtigungen (Rezidivrisiko 50 – 80 %), die für den\nAntragsgegner unter Fürsorgegesichtspunkten nicht hinnehmbar sind.\n\n24\n\nVgl. zur Ablehnung eines Polizeibewerbers wegen eines Nierensteinleidens im\nErgebnis auch VG Köln, Urteil vom 23. August 2019 – 19 K 5922/17 –, juris, Rn.\n31 ff.\n\n25\n\nAnders als der Antragsteller meint, spielt es keine Rolle, dass er derzeit\nsymptom- und beschwerdefrei ist und nach den Attesten des Facharztes für\nUrologie Dr. F2. vom 20. Januar 2020 und 8. April 2020 (Bl. 36 f. VV) kein\nAnhalt für eine Steinbildung bzw. aktuell kein urologischer Handlungsbedarf\nbei asymptomatischer Papillenspitzenverkalkung der rechten Niere besteht. Der\nAntragsgegner hat die gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst\nhier nicht deswegen verneint, weil der Antragsteller aktuell an einer\nbehandlungsbedürftigen Harn- oder Nierensteinbildung leidet. Vielmehr stützt\nsich der Antragsgegner darauf, dass beim Antragsteller in der Vergangenheit\nmehrfach eine akute Urolithiasis aufgetreten und er zur Vorbeugung einer\nneuerlichen Steinbildung auf eine Metaphylaxe angewiesen ist, deren Einhaltung\nim Polizeivollzugsdienst nicht gewährleistet werden kann. Eine – unstreitig\nnicht gegebene – derzeit akut verlaufende Steinbildung ist damit nicht Grund\nfür die Ablehnung des Antragstellers.\n\n26\n\nOhne Erfolg rügt der Antragsteller, der Polizeiarzt habe ihn nicht selbst\nuntersucht und seine gesundheitliche Situation nicht individuell gewürdigt,\nsondern nur medizinische Literatur zur Harnsteinbildung allgemein\nwiedergegeben. Anhaltspunkte, warum eine eigene Untersuchung durch den\nPolizeiarzt in Anbetracht der zahlreichen vom Antragsteller im\nVerwaltungsverfahren vorgelegten aktuellen und aussagekräftigen (fach-)\närztlichen Unterlagen erforderlich sein könnte, sind weder vom Antragsteller\ndargelegt noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar oder vom\nAntragsteller substantiiert unter Vorlage ärztlicher Atteste vorgetragen, dass\nund warum die vom Polizeiarzt angeführten allgemeinen Vorgaben einer\nSteinmetaphylaxe für ihn – den Antragsteller – aufgrund individueller\nBesonderheiten nicht gelten sollten.\n\n27\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des\nStreitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Von einer Halbierung des Auffangwertes\nsieht die Kammer ab, weil das Antragsbegehren des vorläufigen Rechtsschutzes\n(Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens) hier auf eine weitgehende Vorwegnahme\nder Hauptsache gerichtet ist (vgl. Ziff. 1.5 Streitwertkatalog für die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit).\n\n28\n\n**Rechtsmittelbelehrung:**\n\n29\n\n(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann\ninnerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht\nDüsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105\nDüsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das\nOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster\nentscheidet.\n\n30\n\nDie Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des\nelektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische\nBehördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt\nwerden.\n\n31\n\nDie Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist\nschriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und\nder ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen\n(Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster)\neingeht.\n\n32\n\nDie Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu\nbegründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde\nvorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-\nWestfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033\nMünster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten,\ndie Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben\nist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das\nOberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.\n\n33\n\nDie Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen\nProzessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die\nBeteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für\nProzesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten\nkönnen sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer\nstaatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der\nEuropäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den\neuropäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum\nRichteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die\nzusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen\ndes öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer\nöffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67\nAbs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum\nRechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2\nSatz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den\ndort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.\n\n34\n\nDie Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst\n2-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument\nbedarf es keiner Abschriften.\n\n35\n\n(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des\nUrkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf\n(Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf)\nBeschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land\nNordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.\n\n36\n\nDie Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des\nelektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische\nBehördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu\nProtokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung\ngilt entsprechend.\n\n37\n\nDie Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten\neingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt\noder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später\nals einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des\nFestsetzungsbeschlusses eingelegt werden.\n\n38\n\nDie Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes\n200,-- Euro nicht übersteigt.\n\n39\n\nDie Beschwerdeschrift soll möglichst 2-fach eingereicht werden. Im Fall der\nEinreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.\n\n40\n\nWar der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist\neinzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu\nentscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er\ndie Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses\neinlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft\nmacht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist\nangerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.\n\n
330,527
fg-dusseldorf-2020-07-20-4-k-109520-erb
790
Finanzgericht Düsseldorf
fg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Finanzgerichtsbarkeit
4 K 1095/20 Erb
2020-07-20
2020-08-15 10:00:58
2020-12-10 13:37:38
Beschluss
ECLI:DE:FGD:2020:0720.4K1095.20ERB.00
## Tenor\n\nDas Verfahren wird ausgesetzt.\n\nDer Gerichtshof der Europäischen Union wird um eine Vorabentscheidung zu\nfolgenden Fragen ersucht:\n\nSind die Artikel 63 Absatz 1 und 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der\nEuropäischen Union (AEUV) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung\neines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die\nhinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass der Freibetrag auf die\nSteuerbemessungsgrundlage im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen\nGrundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu\ndieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen\nMitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung\ngekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen\nWohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt\nhätte?\n\nSind die Artikel 63 Absatz 1 und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer\nnationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer\nentgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass\nVerbindlichkeiten aus Pflichtteilen im Fall des Erwerbs von im Inland\nbelegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der\nErbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem\nanderen Mitgliedstaat hatten, nicht abziehbar sind, während diese\nVerbindlichkeiten vollständig von dem Wert des Erwerbs von Todes wegen\nabziehbar wären, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zu dem Zeitpunkt\ndes Todes des Erblassers seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im\nerstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?\n\n \n1\n\n**Gründe:**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\n * 4\n\n1\\. Die Klägerin ist österreichische Staatsangehörige und wohnt seit dem Jahr\n2014 in Österreich. Sie ist die Tochter des Erblassers, der ebenfalls\nösterreichischer Staatsangehöriger war und in Österreich wohnte.\n\n5\n\n * 6\n\n2\\. Der Erblasser war Eigentümer dreier bebauter Grundstücke in Deutschland\nsowie eines unbebauten Grundstücks in Ratingen bei Düsseldorf.\n\n7\n\n * 8\n\n3\\. Der Erblasser setzte mit einem von ihm errichteten Testament die Klägerin\nzu seiner Alleinerbin ein. Seine Ehefrau E und seinen Sohn S setzte er auf\neinen Pflichtteil. Der Erblasser verstarb am 12. August 2018 in Österreich.\n\n9\n\n * 10\n\n4\\. Die Klägerin verpflichtete sich nach dem Tod des Erblassers in einem\nPflichtteilsübereinkommen, als Alleinerbin an E und S zur Berichtigung ihrer\nPflichtteilsansprüche Beträge von ………€ und ………. € zu zahlen. Sie beantragte in\nihrer beim beklagten Finanzamt abgegebenen Erbschaftsteuererklärung, die\nVerbindlichkeiten aus den Pflichtteilen in Höhe von 43 %, mithin in Höhe von\ninsgesamt ………… € von dem Wert ihres Erwerbs von Todes wegen als\nNachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zu diesem Betrag gelangte sie, indem sie\nden Anteil des der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Grundvermögens in\nDeutschland mit einem von ihr ermittelten Wert von …… € mit 43 % des Werts des\ngesamten in den Nachlass fallenden Vermögens von ……. € berechnete. Den Wert\ndes nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögens\n(Kapitalvermögen und ein Grundstück in Spanien) berechnete sie mit …….. €.\n\n11\n\n * 12\n\n5\\. Das beklagte Finanzamt setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer fest.\nDabei unterwarf es nur die in Deutschland belegenen Grundstücke der\nBesteuerung. Den Abzug der Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten lehnte\nes ab, weil diese nicht mit den vorgenannten Grundstücken in wirtschaftlichem\nZusammenhang stünden. Ferner berücksichtigte es bei der Berechnung der\nfestgesetzten Erbschaftsteuer anstatt eines für Kinder des Erblassers an sich\nnach § 16 Absatz 1 Nummer 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes\n(ErbStG) vorgesehenen Freibetrags unter Bezugnahme auf § 16 Absatz 2 ErbStG\nnur einen geminderten Freibetrag.\n\n13\n\n * 14\n\n6\\. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage, die Erbschaftsteuer herabzusetzen.\nIhr stehe der in § 16 Absatz 1 Nummer 2 ErbStG vorgesehene Freibetrag von\n400.000 € ungekürzt zu. § 16 Absatz 2 ErbStG widerspreche dem Unionsrecht.\nFerner widerspreche es dem Unionsrecht, den Abzug der von ihr zu zahlenden\nPflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten nicht zumindest anteilig in Höhe\ndes von ihr berechneten Betrags zuzulassen.\n\n15\n\n * 16\n\n7\\. Das beklagte Finanzamt trägt vor: Gemäß § 16 Absatz 2 ErbStG sei der in §\n16 Absatz 1 Nummer 2 ErbStG vorgesehene Freibetrag um einen Teilbetrag zu\nmindern. Die von der Klägerin zu zahlenden Pflichtteile könnten nach § 10\nAbsatz 6 Satz 2 ErbStG nicht als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden,\nweil sie nicht mit einzelnen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen in\nwirtschaftlichem Zusammenhang stünden.\n\n17\n\n**II.**\n\n18\n\n * 19\n\n8\\. Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind folgende Vorschriften des\ndeutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der Fassung\nder Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 378),\nzuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 23. Juni 2017\n(Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1682), von Bedeutung:\n\n20\n\n * 21\n\n9\\. § 1 Steuerpflichtige Vorgänge\n\n22\n\n(1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen\n\n23\n\n1\\. der Erwerb von Todes wegen;\n\n24\n\n2\\. die Schenkungen unter Lebenden;\n\n25\n\n…\n\n26\n\n * 27\n\n10\\. § 2 Persönliche Steuerpflicht\n\n28\n\n(1) Die Steuerpflicht tritt ein\n\n29\n\n1\\. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit\nseines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der\nErwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) ein Inländer ist, für den\ngesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht). Als Inländer gelten\n\n30\n\na) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen\nAufenthalt haben,\n\n31\n\nb) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im\nAusland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben,\n\n32\n\n…\n\n33\n\n3\\. in allen anderen Fällen für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen im\nSinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht (beschränkte Steuerpflicht).\n\n34\n\n…\n\n35\n\n * 36\n\n11\\. § 3 Erwerb von Todes wegen\n\n37\n\n(1) Als Erwerb von Todes wegen gilt\n\n38\n\n1\\. der Erwerb durch Erbanfall …, durch Vermächtnis … oder auf Grund eines\ngeltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. des Bürgerlichen\nGesetzbuchs);\n\n39\n\n * 40\n\n12\\. § 9 Entstehung der Steuer\n\n41\n\n(1) Die Steuer entsteht\n\n42\n\n1\\. bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, …\n\n43\n\n * 44\n\n13\\. § 10 Steuerpflichtiger Erwerb\n\n45\n\n(1) Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit\nsie nicht steuerfrei ist ... In den Fällen des § 3 gilt als Bereicherung der\nBetrag, der sich ergibt, wenn von dem … Wert des gesamten Vermögensanfalls,\nsoweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach den Absätzen\n3 bis 9 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten … abgezogen werden...\n\n46\n\n(5) Von dem Erwerb sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas\nanderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig\n\n47\n\n1\\. die vom Erblasser herrührenden Schulden…;\n\n48\n\n2\\. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten\nPflichtteilen und Erbersatzansprüchen…\n\n49\n\n(6) Nicht abzugsfähig sind Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem\nZusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach\ndiesem Gesetz unterliegen. Beschränkt sich die Besteuerung auf einzelne\nVermögensgegenstände (§ 2 Absatz 1 Nummer 3 ..), so sind nur die damit in\nwirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig.\n\n50\n\n * 51\n\n14\\. § 15 Steuerklassen\n\n52\n\n(1) Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker\nwerden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden:\n\n53\n\nSteuerklasse I:\n\n54\n\n1\\. der Ehegatte und der Lebenspartner,\n\n55\n\n2\\. die Kinder und Stiefkinder, …\n\n56\n\n * 57\n\n15\\. § 16 Freibeträge\n\n58\n\n(1) Steuerfrei bleibt in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2\nAbsatz 1 Nummer 1 und Absatz 3) der Erwerb\n\n59\n\n1\\. des Ehegatten und des Lebenspartners in Höhe von 500 000 Euro;\n\n60\n\n2\\. der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener\nKinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 in Höhe von 400 000 Euro;\n\n61\n\n…\n\n62\n\n(2) In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) wird\nder Freibetrag nach Absatz 1 um einen Teilbetrag gemindert. Dieser Teilbetrag\nentspricht dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt\nerworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und\nderjenigen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden\nVermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person\nangefallen sind, zum Wert des Vermögens, das insgesamt innerhalb von zehn\nJahren von derselben Person angefallenen ist. Die früheren Erwerbe sind mit\nihrem früheren Wert anzusetzen.\n\n63\n\n * 64\n\n16\\. § 37 Anwendung des Gesetzes\n\n65\n\n…\n\n66\n\n(14) § … § 16 Absatz 1 und 2 in der am 25. Juni 2017 geltenden Fassung sind\nauf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 24. Juni 2017 entsteht.\n\n67\n\n * 68\n\n17\\. Ferner ist folgende Vorschrift des Bewertungsgesetzes (BewG) in der\nFassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (Bundesgesetzblatt Teil I,\nSeite 230), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. November 2016\n(Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2464), von Bedeutung:\n\n69\n\n§ 121 Inlandsvermögen\n\n70\n\nZum Inlandsvermögen gehören:\n\n71\n\n1\\. das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen;\n\n72\n\n2\\. das inländische Grundvermögen; …\n\n73\n\n * 74\n\n18\\. In zivilrechtlicher Hinsicht sind folgende Vorschriften des Allgemeinen\nbürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) für die gesamten deutschen Erbländer der\nÖsterreichischen Monarchie (Justizgesetzsammlung Österreichs Nummer 946/1811),\nzuletzt geändert durch Artikel 6 des am 13. November 2017 kundgemachten\nBundesgesetzes (Bundesgesetzblatt Teil I Nummer 153/2017), von Bedeutung:\n\n75\n\n * 76\n\n19\\. § 756.\n\n77\n\nDer Pflichtteil ist der Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen, der dem\nPflichtteilsberechtigten zukommen soll.\n\n78\n\n * 79\n\n20\\. § 757.\n\n80\n\nPflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen sowie der Ehegatte oder\neingetragene Partner des Verstorbenen.\n\n81\n\n * 82\n\n21\\. § 759.\n\n83\n\nAls Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte\ndessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde.\n\n84\n\n * 85\n\n22\\. § 761.\n\n86\n\n(1) Der Pflichtteil ist in Geld zu leisten…\n\n87\n\n * 88\n\n23\\. § 764.\n\n89\n\n(1) Der Pflichtteilsanspruch ist von der Verlassenschaft und nach der\nEinantwortung von den Erben zu erfüllen…\n\n90\n\n * 91\n\n24\\. § 765.\n\n92\n\n(1) Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt den Anspruch für sich und seine\nNachfolger mit dem Tod des Verstorbenen.\n\n93\n\n(2) Den Geldpflichtteil kann der Pflichtteilsberechtigte erst ein Jahr nach\ndem Tod des Verstorbenen fordern.\n\n94\n\n * 95\n\n25\\. § 778.\n\n96\n\n(1) Auf Antrag eines Pflichtteilsberechtigten wird zur Ermittlung des\nPflichtteils die gesamte Verlassenschaft genau beschrieben und geschätzt.\n\n97\n\n(2) Die Schätzung hat auf den Todestag des Verstorbenen abzustellen. Bis zur\nErfüllung des Geldpflichtteils stehen dem Pflichtteilsberechtigten die\ngesetzlichen Zinsen zu.\n\n98\n\n * 99\n\n26\\. Darüber hinaus sind folgende Vorschriften des deutschen Bürgerlichen\nGesetzbuchs (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002\n(Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 42, 2909; 2003, 738) von Bedeutung:\n\n100\n\n * 101\n\n27\\. § 2303 Pflichtteilsberechtigte; Höhe des Pflichtteils\n\n102\n\n(1) Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der\nErbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen.\nDer Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils…\n\n103\n\n * 104\n\n28\\. § 2311 Wert des Nachlasses\n\n105\n\n(1) Der Berechnung des Pflichtteils wird der Bestand und der Wert des\nNachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt…\n\n106\n\n(2) Der Wert ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Eine vom\nErblasser getroffene Wertbestimmung ist nicht maßgebend.\n\n107\n\n**III.**\n\n108\n\n * 109\n\n29\\. Der Senat setzt das bei ihm anhängige Klageverfahren aus (§ 74 der\nFinanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)\ngemäß Art. 267 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen\nUnion (AEUV) die im Tenor formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die\nEntscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung dieser Fragen ab.\n\n110\n\n * 111\n\n30\\. Der Senat hat Zweifel, ob § 16 Absatz 2 ErbStG mit Artikel 63 Absatz 1 in\nVerbindung mit Artikel 65 AEUV vereinbar ist.\n\n112\n\n * 113\n\n31\\. Der deutsche Gesetzgeber hat als Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 8.\nJuni 2016 in der Rechtssache C-479/14 (ECLI:EU:C:2016:412) in § 16 Absatz 2\nErbStG eine Neuregelung eingeführt. Danach ist für Erwerbe, für welche die\nSteuer nach dem 24. Juni 2017 entsteht (§ 37 Abs. 14 ErbStG), der Freibetrag\ndes § 16 Absatz 1 ErbStG um einen nach Maßgabe des § 16 Absatz 2 Satz 2 und 3\nErbStG zu berechnenden Teilbetrag zu mindern.\n\n114\n\n * 115\n\n32\\. Der Senat hat Zweifel, dass diese Neuregelung mit Art. 63, 65 AEUV in\nihrer Auslegung durch den EuGH zu vereinbaren ist. Der EuGH hat bereits\nentschieden, dass die Benachteiligung des Erwerbers durch den geringeren\nFreibetrag in Höhe von seinerzeit lediglich 2.000 Euro nach § 16 Absatz 2\nErbStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Reform des\nErbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt\nTeil I, Seite 3018) in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1\nNummer 3 ErbStG) nicht mit der Notwen-digkeit gerechtfertigt werden kann, die\nKohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren (EuGH, Urteil vom 17. Oktober\n2013 Rs. C-181/12 ECLI:EU:C:2013:662, Randnr. 61). Ferner hat der EuGH in\neinem § 16 Absatz 2 ErbStG alter Fassung betreffenden\nVertragsverletzungsverfahren entschieden, dass kein Rechtfertigungsgrund für\neine unterschiedliche Behandlung von Erwerbern in den Fällen der\nunbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht besteht (EuGH, Urteil vom 4.\nSeptember 2014 Rs. C-211/13 ECLI:EU:C:2014:2148, Randnr. 49 ff.). Zudem hat\nGeneralanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen vom 12. Juni 2013 in der\nRechtssache C-181/12 (ECLI:EU:C:2013:384) unter Randnr. 84 f. ausgeführt, dass\nder Freibetrag des § 16 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG dem Erwerber in den Fällen\nder beschränkten Steuerpflicht ungekürzt zuzustehen habe. Eine Kürzung dieses\nFreibetrags hat Generalanwalt Mengozzi abgelehnt, obgleich nach den\nAusführungen des Senats in seinem der Rechtssache C-181/12 zugrunde liegenden\nVorlagebeschluss vom 2. April 2012 unter Randnr. 16 rechnerisch auch die\nGewährung des Freibetrags in Höhe von etwa 62 % in Betracht gekommen wäre.\n\n116\n\n * 117\n\n33\\. Der Senat hat auch Zweifel, ob § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG mit Artikel 63\nAbsatz 1 in Verbindung mit Artikel 65 AEUV vereinbar ist.\n\n118\n\n * 119\n\n34\\. Im Streitfall liegt ein Fall der beschränkten Steuerpflicht vor, weil\nweder der Erblasser noch die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in\nDeutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten (§ 2 Absatz 1\nNummer 3 Satz 1 ErbStG). Das beklagte Finanzamt hat deshalb nur das\ninländische Grundvermögen der Besteuerung unterworfen (§ 121 Nummer 2 BewG).\n\n120\n\n * 121\n\n35\\. § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG hat im Streitfall zur Folge, dass die\nKlägerin von ihrem Erwerb von Todes wegen die von ihr zu erfüllenden\nVerbindlichkeiten aus den Pflichtteilen ihrer Mutter und ihres Bruders\nüberhaupt nicht gemäß § 10 Absatz 5 Nummer 2 ErbStG als\nNachlassverbindlichkeiten abziehen kann. Denn nach § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG\nsind in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht, in denen sich die\nBesteuerung auf einzelne Vermögensgegenstände beschränkt (§ 2 Absatz 1 Nummer\n3 ErbStG), nur die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden\nund Lasten abzugsfähig.\n\n122\n\n * 123\n\n36\\. Nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH) liegt ein\nvon § 10 Absatz 6 Satz 1 und 2 ErbStG vorausgesetzter wirtschaftlicher\nZusammenhang nur dann vor, wenn die Schulden oder Lasten bestimmten zum\nNachlass gehörenden Vermögensgegenständen zugeordnet werden können. Die\nBemessung des Pflichtteils nach dem Wert des Nachlasses (§ 2311 BGB) begründet\nhiernach keinen wirtschaftlichen Zusammenhang, sondern allenfalls einen\nrechtlichen Zusammenhang der Pflichtteilverbindlichkeit mit den zum Nachlass\ngehörenden Vermögensgegenständen (BFH, Urteil vom 22. Juli 2015 II R 12/14,\nSammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Band 250, Seite 225).\n\n124\n\n * 125\n\n37\\. Entsprechendes gilt nach Überzeugung des Senats im Streitfall für den der\nMutter und dem Bruder der Klägerin nach österreichischem Recht zustehenden\nPflichtteil. Auch diese Ansprüche können keinem bestimmten zur Verlassenschaft\ngehörenden Vermögensgegenstand zugeordnet werden. Vielmehr ist nach § 756 ABGB\nder Pflichtteil lediglich ein Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen,\nder dem Pflichtteilsberechtigten zukommen soll. Nach § 759 ABGB bemisst sich\ndie Höhe der pflichtteilsberechtigten Person nach der Hälfte dessen, was ihr\nnach der gesetzlichen Erbfolge zustünde. Gemäß § 761 Absatz 1 Satz 1 ABGB ist\nder Pflichtteil grundsätzlich in Geld zu leisten.\n\n126\n\n * 127\n\n38\\. § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG führt demnach im Streitfall dazu, dass die\nKlägerin noch nicht einmal einen Teilbetrag der von ihr zu erfüllenden\nPflichtteile ihrer Mutter und ihres Bruders als Nachlassverbindlichkeiten\ngemäß § 10 Absatz 5 Nummer 2 ErbStG abziehen kann. Hätte der Erblasser im\nZeitpunkt seines Todes oder hätte die Klägerin in diesem Zeitpunkt in\nDeutschland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und läge\ndeshalb ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht vor (§ 2 Absatz 1 Nummer 1\nSatz 2 Buchstabe a ErbStG), könnte die Klägerin die Pflichtteile ihrer Mutter\nund ihres Bruders als Nachlassverbindlichkeiten uneingeschränkt gemäß § 10\nAbsatz 5 Nummer 2 ErbStG von ihrem Erwerb von Todes wegen abziehen.\n\n128\n\n * 129\n\n39\\. Nach Auffassung des Senats ist es zweifelhaft, dass diese\nunterschiedliche Behandlung von Inländern und von nicht in Deutschland\nwohnenden Personen durch § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG mit Artikel 63 Absatz 1\nin Verbindung mit Artikel 65 AEUV zu vereinbaren ist. Der EuGH hat in Bezug\nauf Erbschaften bereits entschieden, dass zu den Maßnahmen, die als\nBeschränkungen des Kapitalverkehrs nach Artikel 63 Absatz 1 AEUV verboten\nsind, solche gehören, die eine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirken,\nder in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig war, in dem sich die\nbetreffenden Vermögensgegenstände befinden und der den Erwerb von Todes wegen\nbesteuert (EuGH, Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131\nRandnr. 44; vom 17. Oktober 2013 Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Randnr. 23\nsowie vom 26. Mai 2016 Rs. C-244/15, ECLI:EU:C:2016:359 Randnr. 28).\nUnzulässig ist es hiernach, bei der Besteuerung eines Erwerbs von Todes wegen\nzwischen zum Zeitpunkt ihres Todes gebietsansässigen und zu diesem Zeitpunkt\ngebietsfremden Personen zu unterschieden, wie etwa durch Vorschriften über die\nbeschränkte Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten (EuGH, Urteile vom 11.\nDezember 2003 Rs. C-364/01, ECLI:EU:C:2003:665 Randnr. 76; vom 11. September\n2008 Rs. C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489 Randnr. 46; vom 11. September 2008 Rs.\nC-43/07, ECLI:EU:C:2008:490 Randnr. 38).\n\n
330,531
lsgbw-2020-07-20-l-4-ba-364618
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 BA 3646/18
2020-07-20
2020-08-15 10:01:03
2020-12-10 13:37:39
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen\nvom 11. September 2018 abgeändert und der Tenor wie folgt gefasst:\n\nDie Bescheide der Beklagten vom 22. März 2016 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 werden insoweit aufgehoben, als die\nBeklagte feststellte, dass in der Beschäftigung der Beigeladenen als Notärztin\nab 1. August 2015 Versicherungspflicht in der Rentenversicherung besteht.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nVon den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger vier Fünftel und die Beklagte\nein Fünftel. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind in beiden\nRechtszügen nicht zu erstatten.\n\nDer Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000,00 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status der\nBeigeladenen in ihrer Tätigkeit für den Kläger als Notärztin im Rettungsdienst\nstreitig. \n--- \n| 2 \n--- \n| Träger des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg (vgl. § 2 Gesetz über den\nRettungsdienst [RDG]) sind die beiden baden-württembergischen Landesverbände\ndes D. R. K. (DRK; Vereinbarung mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und\nSozialordnung Baden-Württemberg vom 22. April 1976), wobei die Durchführung\ndes Rettungsdienstes für den Rettungsdienstbereich des Landkreises R. auf den\nKläger übertragen wurde. Dieser hat die für eine bedarfsgerechte Versorgung\nnotwendigen Strukturen in Form von Einrichtungen und deren personelle und\nsächliche Ausstattung vorzuhalten. Dementsprechend betreibt der Kläger die\nintegrierte Rettungsleitstelle (vgl. § 6 RDG) mit Sitz in R., insgesamt fünf\nRettungswachen (vgl. § 7 RDG) mit drei Notarztstandorten, sowie\nRettungsfahrzeuge (§ 8 RDG) mit der entsprechenden Ausstattung. Zur\nSicherstellung der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst schlossen die\nKassenärztlichen Vereinigungen in Baden-Württemberg, die Landesärztekammer\nBaden-Württemberg, die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft, die\nLandesverbände der Kostenträger und die Rettungsdienstorganisationen die\n„Rahmenvereinbarung über die Mitwirkung von an der vertragsärztlichen\nVersorgung teilnehmenden Ärzten (Vertragsärzten) und Nichtvertragsärzten sowie\nvon Krankenhausärzten im Rettungsdienst nach § 10 des Rettungsdienstgesetzes\nBaden-Württemberg (RDG) mit Anlage 1 und 3“, die am 1. Januar 1994 in Kraft\ntrat (im Folgenden: Rahmenvereinbarung). Nach § 1 Abs. 1 der Vereinbarung\nwirken gemäß § 10 Abs. 1 RDG geeignete Ärzte im Rettungsdienst mit (Notärzte),\nwobei die Eignungsvoraussetzungen durch Satzung der Landesärztekammer\nfestgelegt wird. Die Krankenhausträger sind im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit\nverpflichtet, Ärzte gegen Kostenausgleich zur Verfügung zu stellen. Die\nniedergelassenen Ärzte wirken im Rahmen des Sicherstellungsauftrags nach § 75\nAbs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit. Nach Abs. 2 der Regelung\narbeiten Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenhausträger bei der Erfüllung\ndieser Aufgaben eng zusammen. Die Landesärztekammer wirkt auf die Beteiligung\nvon Nichtvertragsärzten nach Maßgabe dieser Rahmenvereinbarung hin. Im\nHinblick auf die Tätigkeit der Notärzte enthält die Rahmenvereinbarung u.a.\nfolgende Regelung \n--- \n| 3 \n--- \n| „§ 3 \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Der Notarzt übernimmt die ärztliche Versorgung des Notfallpatienten am\nEinsatzort und erforderlichenfalls während des Transports in eine für die\nweitere Versorgung geeignete Einrichtung sowie die Dokumentation des\nEinsatzes. Er ist während seines Einsatzes gegenüber dem\nRettungsdienstpersonal fachlich weisungsbefugt. \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Der Notarzt erreicht den Einsatzort mit dem Notarztwagen, einem\nNotarzteinsatzfahrzeug oder einem anderen Fahrzeug. Für die Benutzung eines\nPrivatfahrzeugs im Rahmen des Rettungsdienstes ist von den Trägern des\nRettungsdienstes eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbehalt abzuschließen.\nDie Kosten dieser Versicherung sind Kosten der Notärzte (Anhang A. 5.2 zum\nKostenblatt). \n--- \n| 6 \n--- \n| 3\\. Die Träger des Rettungsdienstes verpflichten sich, den Notarzt nach\nbeendetem Einsatz, soweit erforderlich, zu seinem Fahrzeug bzw. seinem\nStandort zurückzubringen.“ \n--- \n| 7 \n--- \n| Auf der Grundlage des gemäß § 3 RDG vom Innenministerium Baden-Württemberg\nerstellten „Rettungsdienstplans 2014 Baden-Württemberg“ (im Folgenden:\nRettungsdienstplan) wird im Rettungsdienstbereich des Klägers an den\njeweiligen Notarztstandorten ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) im 24-Stunden-\nDienst an sieben Tage pro Woche besetzt. Das NEF dient dem schnellen\nHeranführen des Notarztes an den Notfallort, wobei die medizinisch-technische\nAusrüstung die Primärversorgung von Notfallpatienten ermöglicht. Das NEF wird\ndabei im Rahmen des Rendevous-Systems eingesetzt, d.h. der Notarzt wird mit\ndem NEF zum Notfallort gefahren und trifft dort mit dem Rettungswagen (RTW)\nzusammen. Der RTW dient der Versorgung von Patienten, die vital gefährdet sind\nbzw. bei denen die Ausstattung eines RTW erforderlich ist oder bei denen die\nErforderlichkeit zu erwarten ist (Stabilisieren und Aufrechterhalten der\nVitalfunktionen vor und während des Transports; vgl. Nr. 4.1\nRettungsdienstplan). Für die notärztliche Besetzung der NEF werden geeignete\nÄrzte mit der grundsätzlichen Bereitschaft, an der notärztlichen Versorgung im\nRettungsdienst mitzuwirken, eingesetzt. Diese stellen dem Kläger die jeweils\nerbrachten Dienste monatlich in Rechnung. Die Vergütung erfolgt in Form eines\nFestbetrags für jede geleistete Stunde und einer Einsatzpauschale; sie betrug\nim August 2017 pro Stunde 27,00 EUR zuzüglich einer Einsatzpauschale von 70,00\nEUR ab dem dritten Einsatz innerhalb einer Schicht bzw. im August 2018 pro\nStunde zwischen 34,00 EUR und 35,00 EUR (so die Angaben des Klägers im\nSchriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. August 2017, Bl. 41 SG-Akte, bzw.\nvom 20. August 2018, Bl. 81 SG-Akte). Die Organisation der Notarztdienste, die\nim Regelfall in Form eines werktäglichen Dienstes (9,5 bzw. 13,5 Stunden über\nNacht) und eines Wochenenddienstes (24 Stunden) geleistet werden, haben die am\njeweiligen Notarztstandort an der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst\nteilnehmenden Ärzte übernommen. Dabei erstellt der von ihnen bestimmte sog.\nÄrztliche Leiter des Notarztstandorts die Dienstpläne anhand der von den\nteilnehmenden Ärzten zuvor nach Lage und Anzahl der Notarztdienste geäußerten\nWünsche. Die diensthabenden Notärzte haben sich für den Fall einer Alarmierung\ndurch die Leitstelle am Notarztstandort, wo ihnen während der einsatzfreien\nZeit ein Notarztzimmer zur Verfügung steht, bzw. in ihrer Praxis\n(niedergelassene Ärzte) oder im häuslichen Bereich zur Abholung durch das NEF\nbereitzuhalten. Sie können dabei beliebigen Tätigkeiten nachgehen, ggf. auch\nschlafen, da Dienste ganz ohne Einsatz nicht selten vorkommen Die\nEntscheidung, ob im Falle eines Rettungseinsatzes ein Notarzt hinzugezogen\nwird, wird seitens der Leitstelle getroffen. Im Falle eines entsprechenden\nEinsatzes wird das NEF mit dem Notarzt und einem Rettungsassistenten besetzt\n(vgl. § 9 Abs. 1 RDG), der das Fahrzeug zum Einsatzort fährt. Während des\nEinsatzes hat der Notarzt in medizinischen Fragestellungen gegenüber dem\nweiteren vor Ort anwesenden Rettungsdienstpersonal ein Weisungsrecht (vgl. § 3\nRahmenvereinbarung). \n--- \n| 8 \n--- \n| Die im November 1971 geborene S. E. (SE, im Folgenden Beigeladene), die am\nZ. Klinikum als Ärztin versicherungspflichtig beschäftigt ist, nahm im August\n2015 im Rettungsdienstbezirk des Klägers eine Tätigkeit als Notärztin im\nRettungsdienst auf. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 24. Juli 2015 schloss sie mit dem Kläger den „Vertrag Freiwilliger\nNotarzt Landkreis R.“ mit folgendem Inhalt: \n--- \n| 10 \n--- \n| „**Vorbemerkung:** \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Notarztdienst ist Bestandteil des Rettungsdienstes, der für den\nLandkreis R. im einschlägigen Bereich Plan geregelt ist. Die Bereitstellung\nund Organisation des Notarztdienstes obliegt nach dem Bereichsplan den\nKrankenhäusern im Landkreis. Bei diesen sind jedoch nicht genügend Ärzte mit\nder Qualifikation zum Notarztdienst beschäftigt, weshalb ist seit Jahren\nergänzend einen freiwilligen Notarztdienst von qualifizierten Ärzten gibt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) wird, besetzt durch einen\nRettungsassistenten, samt medizinisch-technischer Ausstattung vom Kläger\ngestellt und betrieben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Auch die Organisation des freiwilligen Notarztdienstes wäre Sache der\nKrankenhäuser. Die Verpflichtung zur Sicherstellung der notärztlichen\nVorhaltung verbleibt im Versorgungsbereich der Kliniken im Landkreis R. Dies\ngilt insbesondere für den Fall, dass der „freiwillige Notarztdienst“ nicht\nausreichend Notärzte zur Besetzung des Notarztdienstes stellen kann. \n--- \n| 14 \n--- \n| Aufgrund der größeren Sachnähe hat sich das DRK als Träger des\nRettungsdienstes bereit erklärt, einige organisatorische Aufgaben und die\nAuszahlung der Vergütung zu übernehmen. Das DRK handelt insoweit im Auftrag\nund für Rechnung der Krankenhäuser und der Krankenkassen. \n--- \n| 15 \n--- \n| **Art der Tätigkeit:** \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Teilnahme am Notarztdienst ist freiwillig und wird als freiberufliche\nTätigkeit übernommen. Die Vertragspartner stimmen darin überein, dass durch\ndiese Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird. \n--- \n| 17 \n--- \n| Auch unter dem Aspekt des Steuer- und Sozialversicherungsrecht sind sich die\nunterzeichnenden einig, dass kein Arbeitsverhältnis und keine\nArbeitnehmerschaft des Notarztes begründet werden soll. Steuer- und\nSozialversicherungsbeiträge sowie sonstige Abgaben führt der Notarzt selbst\nab. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Notarzt übernimmt zur Durchführung medizinischer Dienstleistungen die\nmedizinische Versorgung und Betreuung anvertrauter Patienten, das Mitführen\nvon Betäubungsmitteln im Einsatz, die Begleitung von Patiententransporten, die\nselbstständige Sicherstellung der medizinischen Einsatzbereitschaft des\nNEF/RTW unter Einschluss der damit zusammenhängenden Dokumentationspflicht\n(vollständige Erstellung eines lesbaren Einsatzprotokolls, sowie die zeitnahe\nErfassung in einem EDV-System Nadocdatenbank). \n--- \n| 19 \n--- \n| Sofern der Notarzt/die Notärztin als Arbeitnehmer bei einer Klinik\nangestellt ist, muss diese Nebentätigkeit dem jeweiligen Arbeitgeber\nschriftlich angezeigt werden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Notarzt ist darüber hinaus selbst verantwortlich für die Vereinbarkeit\ndieser Vereinbarung mit gegebenenfalls von ihm einzuhaltenden\narbeitsvertraglichen Verpflichtungen im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber. \n--- \n| 21 \n--- \n| Den Umfang seiner notärztlichen Tätigkeit liegt jeder Notarzt selbst fest. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die am Notarztdienst teilnehmenden Ärzte sind eigenverantwortlich\nmedizinisch tätig. \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Ärztliche Leiter des Notarztstandorts erstellt auf Grundlage von\nEinteilungswünschen der mitwirkenden Notärzte einen monatlichen Dienstplan und\nteilt diesen den Notärzten mit. Es besteht kein Anspruch auf eine Einteilung\nzum Notarztdienst. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der veröffentlichte Dienstplan ist verbindlich. Im Verhinderungsfall ist es\nAufgabe des verhinderten Notarztes, selbst für Ersatz zu sorgen. Der Ärztliche\nLeiter des Notarztstandorts und die Rettungsleitstelle sind unverzüglich über\nden vorgenommenen Diensttausch zu informieren. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der diensthabende Notarzt hat seine lückenlose Einsatzbereitschaft\nsicherzustellen. Die Einsatzbereitschaft darf erst beendet werden, wenn der\nablösende Notarztdienst bereit ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Notarzt/die Notärztin hat sich während seiner Dienstzeit zur Abholung im\nKrankenhaus O. oder bei der Rettungswache O. bereitzuhalten. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Teilnahme am Notarztdienst setzt voraus \n... \n--- \n| 28 \n--- \n| **Qualitätsmanagement:** \n... \n--- \n| 29 \n--- \n| **Qualifikation:** \n... \n--- \n| 30 \n--- \n| **Weisungsfreiheit, Weisungsrechte:** \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Notarzt ist in der ärztlichen Therapiefreiheit nicht weisungsgebunden.\nFür die Delegation von Leistungen an nichtärztliches Personal trägt der\nNotarzt die Verantwortung. Er ist in diesem Sinne weisungsbefugt gegenüber den\nRettungsassistenten in medizinischen und medizinisch-organisatorischen Fragen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Notarzt ist sich bewusst und akzeptiert, dass er während seiner\nTätigkeit den Handlungsempfehlungen und Leitlinien des Rettungsdienstbereichs\nR. unterliegt. \n--- \n| 33 \n--- \n| **Vergütung:** \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Vergütung für geleistete Einsätze und für die Dienstbereitschaft richtet\nsich nach der jeweils gültigen Tarifregelung, die zwischen der\nKassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, der Landesärztekammer Baden-\nWürttemberg und den Kostenträgern vereinbart wird. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Vergütung schließt alle vom Notarzt erbrachten Leistungen,\neinschließlich Dokumentation, ein. \n--- \n| 36 \n--- \n| **Tätigkeitsnachweis:** \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Notarztdienstplan wird dem DRK vom Ärztlichen Leiter des\nNotarztstandorts gemeldet. Der Notarzt selbst teilt Art und Umfang seiner\ntatsächlichen Inanspruchnahme dem DRK schriftlich mit. Das DRK ist berechtigt\nhierfür ein Formular vorzugeben. \n--- \n| 38 \n--- \n| **Versicherungen:** \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Kläger] schließt für die „freiwillige Notärzte“ eine Unfall-und\nHaftpflichtversicherung ab. \n... \n--- \n| 40 \n--- \n| **Abrechnung:** \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Abrechnung und Auszahlung der Vergütung erfolgt monatlich jeweils bis\nzum Ende des 2. darauffolgenden Monats. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Auszahlung erfolgt brutto. Für die Erklärung und Abführung von Steuern\nund sonstigen Abgaben ist der Notarzt selbst verantwortlich. \n--- \n| 43 \n--- \n| **Vertragsdauer:** \n--- \n| 44 \n--- \n| Dieser Vertrag wird zum 01.08.2015 wirksam. Beide Seiten können das\nVertragsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich\nkündigen.“ \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Beigeladene übernahm nachfolgend in der Regel monatlich einen\nwerktäglichen Dienst (13,5 Stunden über Nacht) und einen Wochenenddienst (24\nStunden). Entsprechend war sie – so die Angaben des Klägers – zwischen August\n2015 und Mai 2017 einmal 15 Stunden und im Übrigen zwischen 24 und 39,5\nStunden tätig und erzielte dabei Vergütungen zwischen 607,30 EUR und 1.518,70\nEUR. \n--- \n| 46 \n--- \n| Am 9. November 2015 beantragte die Beigeladene die Feststellung des\nsozialversicherungsrechtlichen Status in ihrer Tätigkeit als Notärztin für den\nKläger mit dem Ziel festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliege und legte\nhierzu den mit dem Kläger geschlossenen „Vertrag Freiwilliger Notarzt\nLandkreis R.“ vom 24. Juli 2015 vor. \n--- \n| 47 \n--- \n| Mit Anhörungsschreiben vom 19. Januar 2016 informierte die Beklagte die\nKlägerin sowie die Beigeladene, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über das\nVorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Sie legte die Kriterien\nfür die Abgrenzung einer Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit dar\nund führte zahlreiche Merkmale auf, die für ein abhängiges\nBeschäftigungsverhältnis sprächen. Demgegenüber lägen Merkmale für eine\nselbständige Tätigkeit nicht vor. Der Kläger machte im Rahmen einer\numfangreichen Stellungnahme sodann Ausführungen zur Rolle der Notärzte im\nRettungsdienst Baden-Württemberg und dabei insbesondere zu den gesetzlichen\nGrundlagen für die Gewinnung und Bereitstellung von Notärzten, der\nintegrierten Leitstelle und zur Aufgabenverteilung nach der erwähnten\nRahmenvereinbarung. Darüber hinaus legte er dar, dass und aus welchen Gründen\ndie von der Beklagten aufgeführten, für ein Beschäftigungsverhältnis\nsprechenden Gesichtspunkte nicht durchgreifend seien. \n--- \n| 48 \n--- \n| Mit an die Beigeladene und den Kläger gerichteten Bescheiden vom 22. März\n2016 führte die Beklagte nachfolgend aus, die Tätigkeit der Beigeladenen als\nNotärztin beim Kläger seit 1. August 2015 werde im Rahmen eines abhängigen\nBeschäftigungsverhältnisses ausgeübt. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe\nVersicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie\nnach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 1.\nAugust 2015. Wie schon in ihrem Anhörungsschreiben führte sie folgende für ein\nabhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale auf: der Ärztliche\nLeiter lege die Dienste im Voraus fest, die Dienstzeiten seien durch den\nDienstplan vorgegeben (Seite 2 Abs. 3 des Vertrages), es bestehe eine\nVerpflichtung, die Patienten zu behandeln, eine Ablehnung von Patienten sei\nnicht möglich, es erfolge eine Lenkung der Einsätze durch die Leitstelle mit\nWeisungsbefugnis der Leitstelle (§ 6 Abs. 1 Satz 1 RDG), die Rettungswache\nhabe das erforderliche Personal bereitzuhalten, somit auch den Notarzt, woraus\nsich die Anwesenheitspflicht auf der Rettungswache ergebe (§ 7 Abs. 1 Satz 1\nRDG), bei Schadensereignissen erfolgten gemäß Rettungsdienstplan die\nKoordinierung sowie Weisungen medizinisch-organisatorischer Art durch den\nleitenden Notarzt, die Beigeladene sei gegenüber dem Rettungsdienstpersonal in\nfachlicher Hinsicht weisungsbefugt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RDG), Unterschiede zum\nRettungsdienst hinsichtlich der Verpflichtung zur Behandlung, zum Antritt und\nzur Dauer des Dienstes seien nicht ersichtlich, der Auftraggeber müsse\nsicherstellen, dass Notärzte regelmäßig fortgebildet werden (§ 9 Abs. 3 Satz 1\nRDG), die Tätigkeit werde in Zusammenarbeit mit fest angestellten Mitarbeitern\ndes Auftraggebers ausgeübt und es bestehe eine Dokumentationspflicht der\nEinsätze (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 RDG). Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit\nlägen nicht vor. Die vom Kläger im Rahmen der Anhörung geltend gemachten\nGesichtspunkte (Notärzte seien gemäß § 10 Abs. 1 RDG keine Angestellte der\nLeistungsträger, die Vertragsparteien gingen von einer selbständigen Tätigkeit\naus, eine soziale Schutzbedürftigkeit bestehe aufgrund der Höhe der Vergütung\nnicht, die Höhe der Vergütung erfolge aufgrund landesrechtlicher Regelung, in\nmedizinisch-fachlichen Entscheidungen liege Selbstständigkeit mit\nWeisungsbefugnis gegenüber den Besatzungen der Einsatzfahrzeuge vor, keine\npersönliche Dienstverpflichtung) rechtfertigten keine abweichende Beurteilung.\nHiergegen erhob der Kläger Widerspruch. \n--- \n| 49 \n--- \n| Am 23. Mai 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, den\nsozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen in ihrer Tätigkeit als\nNotärztin mit dem Ziel festzustellen, dass keine Beschäftigung vorliege.\nDiesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2016 als\nunzulässig ab, da sie mit Bescheid vom 22. März 2016 über den\nsozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen als Notärztin bereits\nentschieden habe. \n--- \n| 50 \n--- \n| Nachfolgend begründete der Kläger seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom\n22. März 2016 und machte geltend, die Beklagte gehe zum Teil von falschen\nAnnahmen aus und nehme einseitige Gewichtungen vor. Sie gehe zu Unrecht davon\naus, dass die Dienstplangestaltung durch ihre Mitarbeiter vorgenommen werde.\nVielmehr werde dieser in Eigenregie aufgrund interner Absprachen der Notärzte\nam jeweiligen Standort erstellt, wobei die Dienstplanwünsche der beteiligten\nNotärzte berücksichtigt würden. Die Beigeladene habe jedoch keinen\nRechtsanspruch darauf, Notarztdienste zu übernehmen, was gegen ein\nBeschäftigungsverhältnis spreche. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass die\nDienstzeiten nach einem Dienstplan einzuhalten seien, sei dem\nentgegenzuhalten, dass für die Beigeladene jederzeit die Möglichkeit bestehe,\nDienste zu tauschen oder ersatzweise andere Notärzte zu benennen. Dies\nrelativiere die Verbindlichkeit des Dienstplans und jegliche daraus\nabgeleitete Abhängigkeit. Soweit die Verpflichtung zur Behandlung aller\nNotfallpatienten im Rahmen eines übernommenen Dienstes angeführt werde,\nbestehe diese Verpflichtung im Rahmen eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens\ndes Klägers und des diensthabenden Notarztes im Rahmen eines öffentlich-\nrechtlichen Systems der Daseinsvorsorge, für das er keine Garantenstellung\ntrage. Er schulde gegenüber niemanden einen Erfolg oder eine umfassende\nDienstleistung, sondern ausschließlich die Bereitstellung des NEF. Die\nBeigeladene werde daher nicht „im Dienst“ des Klägers tätig. Soweit die\nBeklagte von einer Anwesenheitspflicht der Beigeladenen auf der Rettungswache\nausgehe, sei dies unzutreffend. In den Rettungswachen halte sich das bei ihm\nangestellte nichtärztliche Personal auf. Die Notarztstandorte seien\neigenständig und befänden sich in Baden-Württemberg meist an den\nKrankenhäusern. Je nach Wohnort und dem Verfahren im Einzelfall würden\nNotärzte auch zu Hause oder in ihrer Praxis abgeholt. Im Hinblick auf die\nangesprochene Weisungsbefugnis des Leitenden Notarztes sei darauf hinzuweisen,\ndass dieser keine Funktion oder Dienststellung bei ihm habe, sondern vielmehr\nvom Landrat nach Katastrophenschutzrecht berufen werde und nur bei seltenen\nGroßschadensereignissen auftrete. Richtig sei zwar, dass die Beigeladene das\nnichtärztliche Personal (Rettungsassistenten, Rettungssanitäter) anweisen\nkönne, wenn sie einen Notarztdienst übernommen habe und ein gemeinsamer\nEinsatz erfolge. Allerdings liege darin kein Indiz für ein\nAbhängigkeitsverhältnis in Form der Einbindung in seine Organisation. Die\nfachliche Weisungsbefugnis hochqualifizierter Mediziner gegenüber\nnichtärztlichem Personal stelle vielmehr ein zentrales statusbildendes Merkmal\nfür Freiberuflichkeit dar. Soweit die Beklagte meine, es bestünden keine\nUnterschiede zwischen der Tätigkeit der Beigeladenen und dem sonstigen\nPersonal, sei darauf hinzuweisen, dass er den Rettungsassistenten und\nRettungssanitätern den Dienstplan vorgebe, diese persönlich erscheinen\nmüssten, er einen arbeitsrechtlichen Rechtsanspruch auf Erbringung der Dienste\nhabe und diese den fachlichen Weisungen seiner Rettungsdienstleitung\nunterlägen. Demgegenüber habe er keinen Rechtsanspruch gegen die Beigeladene\nauf Übernahme von Diensten. Ärzte beschäftige er nicht. Sachlich falsch sei\ndie Annahme der Beklagten, dass er für die Fortbildung der Notärzte zuständig\nsei. Da er weder für die Gestellung der Ärzte zuständig sei, erstrecke sich\nsein Fortbildungsauftrag auch nur auf das nichtärztliche Personal. Soweit die\nZusammenarbeit mit seinem fest angestellten Personal angesprochen worden sei,\nbetreffe diese Zusammenarbeit auch das Personal anderer\nRettungsdienstorganisationen, ohne dass daraus ein Abhängigkeitsverhältnis\nkonstruiert würde. Zudem handele es sich um eine kooperative, nicht aber\nabhängige Zusammenarbeit. Dokumentationspflichten träfen im Übrigen alle Ärzte\nin jeglichen Tätigkeiten, so dass dieser Gesichtspunkt für die Abgrenzung\neiner Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit ungeeignet sei. Soweit\nim Rahmen der Beurteilung ausschließlich auf die Abläufe während der\nDienstzeiten der Beigeladenen abgestellt worden sei, sei dieser Ansatz\nproblematisch, da es für selbständige Tätigkeiten typisch sei, Termine mit\nKunden, Behörden und Dritten einzuhalten, wenn ein Auftrag angenommen worden\nsei. Das Kriterium sei wenig aussagekräftig, zumal von der Beigeladenen\nmonatlich nur ein oder zwei Dienste, noch dazu nach freier eigener\nEntscheidung übernommen würden. Soweit auf die Weisungsbefugnis der Leitstelle\nabgestellt werde, sei zwar richtig, dass er die Leitstelle betreibe,\nallerdings bestehe die Weisungsbefugnis aus hoheitlichen Gründen gegenüber\njedermann und sie werde aus öffentlich-rechtlicher Sicht nicht von ihm,\nsondern wegen des zu Grunde liegenden Beleihungsverhältnisses vom Land Baden-\nWürttemberg ausgeübt. Soweit die Beklagte davon ausgehe, die Beigeladene\nerbringe Leistungen in seinem Namen sei dies unzutreffend. Er erbringe keine\nNotarztleistungen und erwecke nach außen auch nicht diesen Eindruck. Die\nNotarztleistungen wurden gegenüber den Patienten und deren Krankenkassen\ngesondert abgerechnet. Soweit er dies im Rahmen der landesweiten\nRahmenvereinbarung technisch übernehme, handle es sich um eine untergeordnete\nDienstleistung und nicht um eine Abrechnung im eigenen Namen. Die Beigeladene\nund die übrigen Notärzte trügen auch keine Dienstkleidung, die durch Logos\noder ähnliches auf ihn verweisen würden. Im Hinblick auf das herangezogene\nfehlende Unternehmerrisiko unterliege die Beklagte einer Fehlvorstellung, da\nnach der Rechtsprechung ein solches bereits dann zu bejahen sei, wenn die\nGefahr bestehe, dass eine langjährige und hochqualifizierte Ausbildung nicht\nfür Dienstleistungen zu einer angemessenen Vergütung genutzt werden könne.\nVorliegend bestehe zudem das Risiko, trotz eines bestehenden Wunsches auf dem\nMonatsdienstplan keine Berücksichtigung zu finden und innerhalb einer\nDienstzeit durch eine geringe Einsatzzahl nur ein geringes Honorar zu\nerhalten. Die Tätigkeit der Beigeladenen sei insgesamt als selbstständige\nTätigkeit zu werten, da kein Vertrag vorliege, der ihm einen Anspruch auf\nArbeitsleistung zuweise, angesichts des Mangels an Notärzten aus\nwirtschaftlicher Sicht keinerlei Abhängigkeit der Beigeladenen von ihm bestehe\nund der baden-württembergische Gesetzgeber auf die freiwillige Mitarbeit von\nNotärzten in einem kooperativen, nicht aber abhängigen System gesetzt habe. \n--- \n| 51 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheiden vom 2. November 2016 wies die Widerspruchsstelle\nder Beklagten die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 22. März\n2016 und 22. Juni 2016 zurück. \n--- \n| 52 \n--- \n| Am 30. November 2016 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 22. März 2016\nin der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 beim\nSozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren Klage, diesen aufzuheben und\nfestzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als freiwillige Notärztin\nim Rettungsdienstbereich R. eine selbstständige Tätigkeit sei, und wiederholte\nund vertiefte sein wesentliches Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Den\nnachfolgend gestellten Hilfsantrag, festzustellen, dass die Tätigkeit der\nBeigeladenen eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Viertes\nBuch Sozialgesetzbuch (SGB IV) darstelle, begründete er damit, dass die\nBeigeladene monatlich nur ein bis zwei Dienste übernehme und damit im\nKalenderjahr nur für etwa 20 Tage tätig sei, weshalb eine geringfügige\nBeschäftigung vorliege, da die Grenze von 70 Tagen im Kalenderjahr nicht\nüberschritten werde. \n--- \n| 53 \n--- \n| Die Beklagte trat der Klage entgegen. \n--- \n| 54 \n--- \n| Das SG lud SE mit Beschluss vom 4. September 2017 zu dem Verfahren bei. Mit\nUrteil vom 11. September 2018 hob das SG - entsprechend des vom Kläger in der\nmündlichen Verhandlung gestellten Antrags - den Bescheid vom 22. März 2016 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 und den Bescheid\nvom 22. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November\n2016 auf und stellte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als freiwillige\nNotärztin im Rettungsdienstbereich R. eine selbstständige Tätigkeit sei und\nkeine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung\nsowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Zur Begründung führte es\naus, von den für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und\nabhängiger Beschäftigung entwickelten Kriterien seien für die Einstufung der\nTätigkeit eines Notarztes im Rettungsdienst mangels entsprechender\nAussagekraft die Kriterien des Unternehmerrisikos, der Eingliederung in eine\nfremde Arbeitsorganisation und das Nutzen fremder Arbeitsmittel ohne\nBedeutung. Insoweit werde die Tätigkeit dadurch bestimmt, dass den Notärzten\nein bestimmter Stundensatz gezahlt werde, die sich nicht an einem\nunternehmerischen Erfolg, sondern an der Dauer der erbrachten\nBereitschaftsdienstleistung sowie der Zahl der konkreten Einsätze orientiere.\nDer Rettungsdienst sei davon geprägt, Vorsorge vor allgemeinen Notfällen und\nfür Katastrophenfälle zu leisten und im Notfall zu helfen. Er sei also von der\nBereitschaft und der Erbringung von Notfalleinsätzen und gerade nicht von\neinzelnen ärztlichen Diensten, wie sie die Grundlage der Gebührenordnung für\nÄrzte darstelle, geprägt. Insoweit sei es kein Argument für oder gegen die\nSelbstständigkeit eines Notarztes, wenn er wegen eines festen Stundensatzes\nnicht das Risiko trage, Arbeitsleistungen zu erbringen, ohne eine Vergütung\ndafür zu erhalten. Weiter führte das SG aus, die Tätigkeit als Notarzt könne\nsowohl in Form einer abhängigen Beschäftigung als auch selbstständigen\nTätigkeit erbracht werden und für den sozialversicherungsrechtlichen Status\nsei entscheidend, wie die Tätigkeit der Beigeladenen im Verhältnis zum Kläger\nim Einzelnen organisiert und ausgestaltet sei. Dabei sei zunächst von den\nzwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden auszugehen, wonach\nkein Beschäftigungsverhältnis begründet werde. Der Kläger sei dem Notarzt\ngegenüber fachlich nicht weisungsbefugt und die Planung der Notarzteinsätze\ndurch den Leiter des Notarztstandortes erfolge in Abstimmung mit dem\njeweiligen Notarzt, wobei dieser verpflichtet sei, die in der Einsatzplanung\nvorgesehenen Einsätze wahrzunehmen. Spreche der Vertrag danach für die\nVereinbarung einer selbständigen Tätigkeit, müsse dies vor den tatsächlichen\nVerhältnissen bestehen können, was vorliegend der Fall sei. So sei die\nBeigeladene in tatsächlicher Hinsicht keinem Weisungsrecht des Klägers\nunterlegen. Dass Notarzteinsätze von einer zentralen Leitstelle geleitet und\nkoordiniert würden, liege in der Natur der Sache und stelle kein taugliches\nKriterium gegen eine selbstständige Tätigkeit dar. Ein Weisungsrecht lasse\nsich auch aus den erstellten Dienstplänen nicht herleiten, da die jeweiligen\nEinsätze der Beigeladenen nur aufgrund der vorher mitgeteilten Wünsche\nzustande kämen und Dienste im Übrigen auch mit anderen Kollegen getauscht\nwerden könnten oder selbstständig nach Ersatzkräften gesucht werden könne. Die\nBeigeladene sei auch in die Betriebsorganisation des Klägers nicht integriert.\nZwar stelle der Kläger dem Notarzt die gesamte medizinisch-technische\nAusstattung sowie das zum Einsatz kommende NEF zur Verfügung, jedoch habe die\nBeigeladene nicht die Wartung und die Vervollständigung des zur Verfügung\ngestellten Materials zu übernehmen. Auch der Umstand, dass die Beigeladene\nsich im Rahmen ihres Diensteinsatzes im Krankenhaus O. oder bei der\nRettungswache O. bereithalten müsse, führe nicht zwingend zu einer\nEingliederung in den Betriebsablauf der Klägerin, da es der Beigeladenen\nfreistehe, sich während dieser Zeit anderweitig zu beschäftigen oder zu\nschlafen. \n--- \n| 55 \n--- \n| Gegen das ihr am 24. September 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am\n12. Oktober 2018 beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und sich gegen\ndie Auffassung des SG gewandt, wonach die Fragen des Unternehmerrisikos, der\nEingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und das Nutzen fremder\nArbeitsmittel bei der Beurteilung der Tätigkeit eines Notarztes im\nRettungsdienst ohne Bedeutung sei. Vielmehr seien diese Kriterien mit dem\nentsprechenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzubeziehen. Soweit das SG in\ndiesem Zusammenhang die Vergütung der Notärzte nach einem bestimmten\nStundensatz aufführe, handele es sich um ein klassisches Merkmal für eine\nabhängige Beschäftigung. Hinsichtlich der Eingliederung in eine von fremder\nSeite vorgegebene Arbeitsorganisation seien die Verhältnisse nach Aufnahme des\nDienstes entscheidend. Die Freiwilligkeit der Beigeladenen bezüglich der\neinzelnen Einsätze sei als Indiz für eine Selbstständigkeit ungeeignet, da\nauch jedem Beschäftigungsverhältnis Freiwilligkeit zugrunde liege und auch in\neinem Arbeitsverhältnis ein Arbeitgeber inhaltlich und zeitlich keine anderen\nArbeiten verlangen könne, als arbeitsvertraglich vereinbart seien. Die\nMöglichkeit, Aufträge abzulehnen oder anzunehmen spreche zwar für das\nVorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, jedoch seien auch im Rahmen\nabhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die\nes dem Arbeitnehmer weitgehend überließen, ob er im Anforderungsfall tätig\nwerde oder ein Angebot ablehne. Soweit die Beigeladene nach Annahme eines\nDienstes diesen noch hat tauschen können, berühre dies nicht die rechtliche\nEinstufung der ausgeübten Tätigkeit, dies stelle sich lediglich als Frage der\npraktischen Organisation der Arbeitsplanung dar. Eine tatsächlich bestehende\nEingliederung in den Betrieb des Dienstherrn trete im Übrigen nicht deshalb in\nseiner Bedeutung zurück, weil sie in der Eigenart der zu erbringenden Leistung\nbegründet sei. Angesichts dessen sei die Beigeladene sowohl zeitlich als auch\nörtlich in die Betriebsorganisation des Klägers eingegliedert. Die Tätigkeit\nsei zudem nicht allein durch die Notfalleinsätze geprägt, vielmehr umfasse\nihre Tätigkeit auch die Präsenzpflicht während der gesamten Zeit des\nBereitschaftsdienstes. Übernehme die Beigeladene Notarztdienste, so erfolge\nihre Eintragung in einen Dienstplan, wobei sie von diesem Augenblick an Teil\nder fremden Betriebsorganisation des Klägers sei. Nach einer entsprechenden\nZusage habe sie keine relevante Möglichkeit, noch Einfluss auf Zeit und Ort\nihrer Tätigkeit zu nehmen. Sie habe folglich keine größeren Entscheidungs-\noder Gestaltungsspielräume als ein in der Klinik abhängig beschäftigter\nNotarzt. Im Rahmen dieser Eingliederung habe die Beigeladene Weisungen der\nLeitstelle Folge zu leisten und sei selbst gegenüber dem nichtärztlichen\nPersonal im Einsatz weisungsbefugt. Mit ihrem Tätigwerden erfülle sie einen\nBetriebszweck der Klägerin. Damit überwögen die Kriterien einer abhängigen\nBeschäftigung. \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 57 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. September 2018 aufzuheben\nund die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen. \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Kläger beantragt, \n--- \n| 59 \n--- \n| die Berufung zurückzuweisen. \n--- \n| 60 \n--- \n| Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Er hat auf das\nkooperative Modell der Notarztversorgung gemäß § 10 RDG und der\nRahmenvereinbarung hingewiesen, wonach dem Kläger nicht die Bereitstellung von\nNotärzten obliege. Vielmehr solle sich der Bereichsausschuss nach § 5 RDG\nfreiwilliger Ärzte bedienen und wo dies nicht gelinge oder ausreiche, seien\ndie Krankenhäuser zu verpflichten. Er sei im Ergebnis nur einer von vielen\nBeteiligten an einem Versorgungssystem, das auf Kooperation zwischen Ärzten,\nKrankenhäusern, Krankenkassen/Unfallversicherungsträgern und\nSanitätsorganisationen beruhe. Arbeitsvertragliche Abhängigkeitsverhältnisse\nseien einem solchen, auf Gleichordnung angelegten Kooperationssystem fremd. Er\nsei bspw. auch nicht Schuldner der Vergütungen der Ärzte, sondern habe diese\nlediglich zum Zwecke einer effektiven Abwicklung im Kooperationssystem\ngesammelt abzurechnen und durchzuleiten. Der vorliegende Sachverhalt weiche\ninsbesondere erheblich von jenem ab, der der Senatsentscheidung vom 18. Mai\n2020 (L 4 BA 2288/18) zu Grunde liege. So gebe es keine Verträge mit den\nKrankenhäusern, in denen er die Gewinnung oder Bereitstellung von Notärzten\nübernommen habe, er verfüge nicht über einen angestellten Notarzt, in seinem\nRettungsdienstbereich würden die Dienstpläne der Notärzte von diesen selbst\nund nicht von ihm erstellt und zwischen ihm und der Beigeladenen gebe es keine\noriginären Regelungen über die Vergütungshöhe. Diese werde vielmehr zwischen\nden gesetzlichen Krankenkassen einerseits und den Krankenhäusern bzw.\nÄrzteorganisationen andererseits eigenständig vereinbart. Ihm habe auch\nniemals die Rechtsmacht zugestanden, die Beigeladene zu einem Dienst zu\nverpflichten. Die Besonderheit bei der statusrechtlichen Beurteilung\nfreiwilliger Notarzttätigkeiten bestehe darin, dass große Teile der üblichen\nAbgrenzungskriterien ungeeignet seien. Soweit Notärzte in Abläufe eingebunden\nseien, an denen er maßgeblich beteiligt sei, seien die Abläufe bis ins Detail\ngesetzlich und durch die Natur der Sache vorgegeben; es handele sich nicht um\narbeitgebertypische Betriebsstrukturen. Das SG habe daher zutreffend\nherausgearbeitet, dass der Gesichtspunkt des Unternehmerrisikos und die\nNutzung fremder Arbeitsmittel nicht herangezogen werden könne. Fraglich sei,\nob die Frage seiner Weisungsbefugnis hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der\nArbeitsleistung weiterführe, da die Notärzte völlig frei über die Annahme oder\nAblehnung von Diensten entscheiden könnten. Zweifel erwecke auch die\nBetrachtungsweise, dass es auf die Verhältnisse nach Übernahme eines Dienstes\nankomme, da dann lediglich ein Einzelvertrag über wenige Stunden beurteilt\nwürde. Ungeeignet für die Beurteilung sei nach der jüngsten Rechtsprechung des\nBundessozialgerichts (BSG) in den Honorararzturteilen vom 4. Juni 2019 (u.a. B\n12 R 12/18 R, B 12 KR 14/18 R, B 12 R 22/18 R, jeweils in juris) auch die\nWeisungsfreiheit, da die ärztliche Heilkunde von Ärzten in aller Regel\naufgrund ihrer besonderen Qualifikation weisungsfrei ausgeübt werde. Dies\nliege in der Natur der Sache und gebe für die Statusentscheidung nichts her.\nAus dieser Betrachtungsweise folge umgekehrt, dass auch die arzttypischen\nWeisungsbefugnisse gegenüber geringer qualifiziertem Personal nichts für die\nStatusbeurteilung hergebe. Soweit sich der Senat in seiner Entscheidung vom\n18. Mai 2020 (a.a.O.) im Kern auf den Gesichtspunkt der Eingliederung gestützt\nhabe, bestehe die Besonderheit, dass dieses Gepräge nicht von ihm, der\nSanitätsorganisationen, stamme, sondern vom Gesetz- und Planungsgeber. Eine\nsolche „Vorgabe von oben“ lasse sich für alle in der genannten Entscheidung\ndargelegten Einzelaspekte nachweisen. Die Landessozialgerichte dreier\nBundesländer (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 20. März 2015 – L 1 KR\n105/13 - und 14. September 2017 – L 1 KR 404/15 - , LSG Nordrhein-Westfalen,\nUrteil vom 8. Februar 2017 – L 8 R 162/15 - LSG Hessen, Urteil vom 11. April\n2019 – L 8 KR 487/17) hätten aus dem Umstand, dass die Notarzttätigkeit im\nRettungsdienst derartigen gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Vorgaben zu\nfolgen habe und der Natur der Sache nach nicht anders organisiert werden\nkönne, geschlossen, dass das Kriterium der Einbindung in die sog.\nRettungskette für die Statusentscheidung ungeeignet sei. Somit könne die\nStatusentscheidung nur an Gesichtspunkte anknüpfen, die durchweg für\nSelbstständigkeit sprächen. So sei in dem mit der Beigeladenen geschlossenen\nschriftlichen Vertrag Selbstständigkeit zugrunde gelegt worden, der\nGesetzgeber sei von einem kooperativen System ohne abhängige Beschäftigung\nausgegangen, Notärzte benötigten typischerweise nicht den sozialen Schutz der\nVersicherungspflicht, für ein Beschäftigungsverhältnis sei es äußerst\nungewöhnlich, wenn der Auftraggeber/Arbeitgeber die Höhe der Vergütung nicht\nselbst beeinflusse, die Beigeladene schulde ihre Dienste nicht\nhöchstpersönlich und könne jederzeit für gleich qualifizierten Ersatz sorgen,\nim Außenauftritt erscheine die Beigeladene nicht als seine Vertreterin oder\nMitarbeiterin, er beschäftige keine eigenen Ärzte, die Beigeladene habe weder\nan Dienstbesprechungen teilzunehmen, noch befasste sie sich mit Tätigkeiten,\ndie nicht unmittelbar der öffentlich-rechtlichen Ordnung des Rettungsdienstes\nzu entnehmen seien und es stünden ihm hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art\nder notärztlichen Tätigkeit kaum Weisungsbefugnisse zu, da der Standort des\nNEF auch ihm durch den Bereichsplan vorgegeben sei. In dem angefochtenen\nBescheid seien im Übrigen auch die Regelungen des § 8 SGB IV nicht hinreichend\nbeachtet. Denn die Tätigkeit der Beigeladenen sei im Hinblick auf ihre\nhauptberufliche Tätigkeit im Krankenhaus auf weit weniger als 70 Arbeitstage\nbegrenzt und werde im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV auch nicht berufsmäßig\nausgeübt. Schließlich bestehe wegen der erfolgten Befreiung keine\nVersicherungspflicht in der Rentenversicherung. Insoweit hat er den Bescheid\nder Beklagten vom 3. Februar 2006 vorgelegt. Soweit der Senat in seinem Urteil\nvom 18. Mai 2020 (a.a.O.) im Übrigen eine versicherungsfreie unständige\nTätigkeit gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)\nverneint habe, weil eine Beschränkung der Tätigkeit auf weniger als eine Woche\nnicht vereinbart worden sei, sei diese Betrachtung widersprüchlich. Denn wegen\nder Freiheit der Beigeladenen, nach eigenem Gutdünken Schichten zu übernehmen,\nkönne eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überhaupt nur dann\nhergeleitet werden, wenn ein Einzelvertrag über die jeweils übernommene\nSchicht unterstellt werde. Ein solcher Einzelvertrag aber sei stets auf 12\noder max. 24 Stunden Dienstzeit beschränkt und damit unständig. \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt. \n--- \n| 62 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des SG und des Senats\nsowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 63 \n--- \n| 1\\. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151\nAbs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch\nim Übrigen zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1\nSGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch\neinen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. \n--- \n| 64 \n--- \n| 2\\. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom\n22. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016,\nmit dem die Beklagte zum einen gegenüber der Beigeladenen und zum anderen\ngegenüber dem Kläger entschied, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als\nNotärztin seit 1. August 2015 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses\nausübt und dementsprechend Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und\nRentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Als\nVerwaltungsakt mit Doppelwirkung belastet den Kläger als Dritten gleichermaßen\nauch den an die Beigeladene gerichteten Bescheid vom 22. März 2016. Der Senat\nlegt das Begehren des Klägers daher dahingehend aus (§ 123 SGG), dass er die\nBescheide der Beklagten vom 22. März 2016 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 einerseits originär und\nandererseits als Drittbetroffener angefochten hat. Die Klage war als\nAnfechtungsklage zulässig. \n--- \n| 65 \n--- \n| Soweit der Kläger im Klageverfahren mit der Feststellungsklage (vgl. § 55\nAbs. 1 Nr. 1 SGG) neben der Feststellung, die Beigeladene unterliege in ihrer\nTätigkeit als freiwillige Notärztin keiner Versicherungspflicht in der\nKranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der\nArbeitsförderung auch die Feststellung begehrte, die Tätigkeit der\nBeigeladenen als freiwillige Notärztin sei eine selbständige Tätigkeit,\nhandelt es sich um eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. BSG, Urteil\nvom 26. Februar 2019 – B 12 R 8/18 R – juris), weshalb die Klage insoweit\nunzulässig war. \n--- \n| 66 \n--- \n| Soweit der Kläger sich erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am\n11. September 2018 auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 wandte, mit dem die\nBeklagte seinen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen\nStatus der Beigeladenen vom 23. Mai 2016 als unzulässig zurückwies, lag eine\nunzulässige Klageerweiterung vor. Dabei handelt es sich um eine Änderung der\nKlage, die gemäß § 99 SGG nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten\neinwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Dies ist\nvorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat in die Klageänderung weder\nausdrücklich noch stillschweigend eingewilligt und die Änderung der Klage\nerweist sich nicht als sachdienlich. Denn die geänderte Klage ist unzulässig,\nda der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 zum Zeitpunkt der Einbeziehung in\ndas Klageverfahren bereits bestandskräftig war (vgl. § 77 SGG) und damit nicht\nmehr Gegenstand einer zulässigen Anfechtungsklage sein konnte. \n--- \n| 67 \n--- \n| 3\\. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet. Nachdem der\nBescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage\nbereits bestandskräftig und gemäß § 77 SGG zwischen den Beteiligten in der\nSache bindend war, hätte das SG diesen Bescheid in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 nicht aufheben dürfen, weshalb das\nangefochtene Urteil insoweit aufzuheben ist. Darüber hinaus hätte das SG auch\nder teilweise unzulässigen Feststellungsklage nicht stattgeben dürfen, weshalb\ndas Urteil des SG auch insoweit aufzuheben ist. Entgegen der Ansicht des SG\nübte die Beigeladene ihre Tätigkeit als Notärztin im Rettungsdienst seit 1.\nAugust 2015 nicht als Selbstständige aus, sondern im Rahmen eines abhängigen\nBeschäftigungsverhältnisses, weshalb Versicherungspflicht in der Kranken- und\nPflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Eine\nRentenversicherungspflicht der Beigeladenen in dieser Tätigkeit bestand nicht.\nDenn mit Bescheid vom 3. März 2006 befreite die Beklagte die Beigeladene ab\n18. Januar 2006 in ihrer Tätigkeit als Ärztin von der\nRentenversicherungspflicht. Das SG hätte den Bescheid vom 22. März 2016 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 daher lediglich\ninsoweit aufheben dürfen, gleichermaßen insoweit aber auch den an die\nBeigeladene gerichteten, den Kläger als Drittbetroffenen belastenden Bescheid\nvom 22. März 2016 aufheben müssen. Aufzuheben waren im Übrigen die dem\nentgegenstehenden Feststellungen. Aus Gründen der Klarheit hat der Senat den\nTenor neu gefasst. \n--- \n| 68 \n--- \n| a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine\nEntscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten\nbeantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle\noder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung\nbereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die\nBeklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine\nBeschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in\nAbsätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in\nAbweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen\nVersicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz\n1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem\nrückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der\nSelbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten\nAnfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung\nder Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen\nverhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6). \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Beklagte war für die von der Beigeladenen beantragte Feststellung\nzuständig, weil für die streitige Zeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 9.\nNovember 2015 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet\nwar. Entsprechende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Etwas Gegenteiliges wird\nvon den Beteiligten auch nicht behauptet. \n--- \n| 70 \n--- \n| b) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr.\n1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Krankenversicherung nach § 5\nAbs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1\nElftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach\n§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen\nArbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1\nSGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.\nGemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine\nTätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des\nWeisungsgebers. \n--- \n| 71 \n--- \n| Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine\nBeschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich\nabhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der\nFall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem\nnach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des\nArbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei\nDiensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden\nTeilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine\nselbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das\nVorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die\neigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und\nArbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig\ntätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG,\nUrteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom\n30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober\n2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 –, BSG, Urteil vom 30. März 2015 – B 12\nKR 17/13 R – juris, Rn. 15 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der\nanhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger\nBeschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG],\nNichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR\n21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung\n(zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris,\nRn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.;\nBSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. –\njeweils m.w.N.). \n--- \n| 72 \n--- \n| Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen.\nTatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten\nUmstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen\nBeschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich\naus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich\nZulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst\ndas Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen\ngetroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung\nerschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen\nVereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende\nSchlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht\nder nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung\nrechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts\nunbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.\nZu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von\nihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil\nvom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt,\ndass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den\nVereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74\n– juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn.\n16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17 –\njeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert\nwird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl.\nhierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris,\nRn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16). \n--- \n| 73 \n--- \n| Für die Beurteilung der Tätigkeit von sog. Honorarärzten gelten keine\nabweichenden Maßstäbe. Insoweit führte das BSG in seinen Entscheidungen vom 4.\nJuni 2019 (u.a. B 12 R 12/18 R – juris, Rn. 19 f; B 12 KR 14/18 R – juris, Rn.\n24 f; B 12 R 22/18 R – juris, Rn. 17 f.) aus, dass die Bezeichnung als\nHonorararzt kein besonderes ärztliches Tätigkeitsbild im\nsozialversicherungsrechtlichen Sinne kennzeichnet und auch die Abgrenzung\nzwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht abstrakt für bestimmte\nBerufs- und Tätigkeitsbilder erfolgt. Es ist daher möglich, dass ein und\nderselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen\nin ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als\nselbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgeblich sind stets die konkreten\nUmstände des individuellen Sachverhalts. Die sozialversicherungsrechtliche\nBeurteilung ist auch nicht dadurch vorgeprägt, dass sog. Honorararztverträge\nin der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bisher überwiegend als freie\nDienstverhältnisse qualifiziert werden. Denn es besteht kein vollständiger\nGleichklang des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs mit dem\nBeschäftigungsbegriff nach § 7 SGB IV. \n--- \n| 74 \n--- \n| c) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beigeladene im Rahmen ihrer\nEinsätze für den Kläger in der Zeit ab 1. August 2015 abhängig beschäftigt. \n--- \n| 75 \n--- \n| aa) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind die im Folgenden\ndargestellten Umstände, die der Senat aufgrund des Gesamtinhalts des\nVerfahrens, insbesondere den Maßgaben des RDG und des Rettungsdienstplans, der\nRahmenvereinbarung und dem zwischen dem Kläger und der Beigeladenen\nabgeschlossenen Vertrag vom 24. Juli 2015 feststellt. \n--- \n| 76 \n--- \n| Rechtliche Grundlage, auf der die Beigeladene tätig wird, sind der auf der\nGrundlage des RDG erstellte Rettungsdienstplan und die getroffene\nRahmenvereinbarung sowie der mit der Beigeladenen abgeschlossene „Vertrag\nFreiwilliger Notarzt Landkreis R.“, in dem die Beteiligten eine\nRahmenvereinbarung über ihre Mitwirkung im Rettungsdienst der Beigeladenen als\nNotärztin trafen. Danach betreibt der Kläger im Rettungsdienst für den\nLandkreis R. die integrierte Leitstelle, die Rettungswachen und\nRettungsfahrzeuge mit der entsprechenden Ausstattung. In personeller Hinsicht\nwerden dabei für den Kläger insbesondere Rettungssanitäter und\nRettungsassistenten tätig, die Beschäftigte des Klägers sind. Für die\n24-Stunden-Besetzung der NEF stehen im Bereich der drei Rettungswachen, an\ndenen diese stationiert sind (Notarztstandorte) geeignete Ärzte mit der\ngrundsätzlichen Bereitschaft, an der notärztlichen Versorgung im\nRettungsdienst teilzunehmen, zur Verfügung. Diese erstellen in eigener\norganisatorischer Verantwortung die hierfür erforderlichen Dienstpläne. Dies\nerfolgt durch den von den teilnehmenden Ärzten bestimmten sog. Ärztlichen\nLeiter des Notarztstandorts, anhand der von den entsprechenden Ärzten zuvor\nnach Lage und Anzahl der Notarztdienste geäußerten Wünsche. Die monatlichen\nDienstpläne werden intern veröffentlicht und damit für die eingeteilten\nNotärzte verbindlich. Im Verhinderungsfall ist es Aufgabe des verhinderten\nArztes, selbst für Ersatz zu sorgen. Dies kann dadurch erfolgen, dass Dienste\ngetauscht werden oder der Dienst von einer sonstigen geeigneten Ersatzperson\nübernommen wird. Im Falle einer solchen Dienständerung hat der verhinderte\nNotarzt den Ärztlichen Leiter des Notarztstandorts und die Leitstelle\nunverzüglich hierüber zu unterrichten. Während seines Dienstes hat sich der\ndiensthabende Arzt am Notarztstandort bzw. ggf. auch in seiner Praxis oder\nseinem häuslichen Bereich bereitzuhalten. Die integrierte Leitstelle steuert\nalle Einsätze im Rettungsdienst. Sie ist gegenüber allen im Rettungsdienst\nMitwirkenden bis zum Eintreffen am Einsatz- bzw. Notfallort weisungsbefugt;\nsie alarmiert insbesondere auch den Notarzt. Nach dessen Alarmierung begibt\nsich das Einsatzteam bestehend aus dem diensthabenden Notarzt und einem\nRettungsassistenten, ggf. nach vorheriger Abholung des Notarztes am\nabweichenden Aufenthaltsort, mit dem NEF zum Einsatzort. Hinsichtlich der\nVersorgung des Notfallpatienten ist der Notarzt gegenüber dem\nRettungsassistenten sowie dem ggf. vor Ort anwesenden weiteren\nRettungsdienstpersonal weisungsbefugt. Dabei bestimmt der Notarzt Art und\nUmfang der Primärversorgung vor Ort, die entsprechende Weiterversorgung auf\ndem ggf. erforderlichen Weitertransport sowie das entsprechende\nZielkrankenhaus. Die Vergütung des eingesetzten Notarztes erfolgt nach dessen\nRechnungsstellung an den Kläger, wobei jede Stunde mit einem Festbetrag\nvergütet wird (bspw. 2017: ca. 27,00 EUR; 2018: ca. 34,00/35,00 EUR),\nzuzüglich einer Einsatzpauschale ab dem dritten Einsatz je Dienstschicht\n(80,00 EUR). \n--- \n| 77 \n--- \n| bb) Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist der Senat unter\nBerücksichtigung der vorliegenden Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung\ngelangt, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Dienste als Notärztin im\nZeitraum seit 1. August 2015 in einem Beschäftigungsverhältnis zum Kläger\nsteht. \n--- \n| 78 \n--- \n| Für die Beurteilung ist auf die jeweiligen Einzeleinsätze der Beigeladenen\nabzustellen. Nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Beteiligten und\ndem Vorbringen des Klägers wird unter Berücksichtigung der von den am\nnotärztlichen Dienst teilnehmenden Ärzten geäußerten Wünschen vom Ärztlichen\nLeiter des Notarztstandortes jeweils monatlich ein Dienstplan erstellt, der\nveröffentlicht bzw. den eingeteilten Notärzten mitgeteilt wird. Soweit der\nDienstplan veröffentlicht ist, ist er ausweislich des zwischen den Beteiligten\ngeschlossenen Vertrages verbindlich („Der veröffentlichte Dienstplan ist\nverbindlich.“). Hierdurch entsteht die rechtliche Verpflichtung der\nBeigeladenen gegenüber dem Kläger, den zugesagten Dienst zu leisten. Im\nVerhinderungsfall ist es - entsprechend der weiteren vertraglichen Regelung -\nAufgabe des verhinderten Notarztes, selbst für Ersatz zu sorgen. In diesem\nFall hat er den Ärztlichen Leiter des Notarztstandortes und die\nRettungsleitstelle unverzüglich über den vorgenommenen Diensttausch zu\ninformieren. Bei derartigen vertraglichen Beziehungen, denen ein sog.\nRahmenvertrag zugrunde liegt, der die allgemeine Grundlage für die Abwicklung\neinzelner Aufträge enthält, ist jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die\nnach Annahme des einzelnen Auftrags während dessen Durchführung bestehen\n(ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR\n16/13 R – juris, Rn. 19 sowie Urteile vom 4. Juni 2019, a.a.O.). Soweit der\nKläger daher geltend macht, die Beigeladene könne ihre Dienste frei und\nunabhängig selbst bestimmen, indem sie sich für Dienste bereit erkläre, es für\nsie jedoch keine Verpflichtung gebe, eine bestimmte Anzahl von Diensten zu\nübernehmen und sie auch keinen Anspruch darauf habe, die gewünschten oder\ngenerell Dienste zu übernehmen, lässt sich hieraus die Ausübung einer\nselbstständigen Tätigkeit nicht herleiten. \n--- \n| 79 \n--- \n| Im Hinblick auf die Gewichtung der für und gegen eine abhängige\nBeschäftigung sprechenden Gesichtspunkte sind vorliegend ebenso wie in den vom\nBSG am 4. Juni 2019 entschiedenen Verfahren die Besonderheiten gerade der\närztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. In den erwähnten Entscheidungen hat\ndas BSG in Bezug auf die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus insoweit deutlich\ngemacht, dass einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig\noder selbstständig kennzeichnen, von vorneherein nicht als ausschlaggebende\nAbgrenzungskriterien herangezogen werden können. So handeln Ärzte bei\nmedizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und\neigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne weiteres auf eine\nselbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies schon deshalb nicht, weil\nnach ganz herrschender Meinung selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu\nqualifizieren sind. Umgekehrt kann auch nicht allein wegen der Benutzung von\nEinrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses zwingend eine abhängige\nBeschäftigung angenommen werden (Urteile vom 4. Juni 2019, B 12 R 12/18 R –\njuris, Rn. 26; B 12 KR 14/18 R – juris, Rn. 31; B 12 R 22/18 R – juris, Rn.\n26). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen auch für die Tätigkeit der\nBeigeladenen im Rahmen ihrer Einsätze als Notärztin im Rettungsdienst für den\nKläger. Auch die Beigeladene ist hinsichtlich ihrer medizinischen Maßnahmen\nzur Behandlung und Versorgung der Notfallpatienten frei und\neigenverantwortlich und keinen Weisungen unterworfen. Entsprechend ist in dem\nzwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag unter der Überschrift\n„Weisungsfreiheit, Weisungsrechte“ ausdrücklich ausgeführt, dass der Notarzt\nin der ärztlichen Therapiefreiheit nicht weisungsgebunden ist und § 3 der\nRahmenvereinbarung bestimmt, dass der Notarzt die ärztliche Versorgung des\nNotfallpatienten am Einsatzort und erforderlichenfalls auch während des\nTransports zu einem Krankenhaus übernimmt. \n--- \n| 80 \n--- \n| Diese Weisungsfreiheit steht der Eingliederung eines auf Honorarbasis\ntätigen Arztes in den Betrieb seines Auftraggebers nicht entgegen. In den\nerwähnten Urteilen vom 4. Juni 2019 hat das BSG deutlich gemacht, dass\nWeisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb weder in einem\nRangverhältnis zueinander stehen noch stets kumulativ vorliegen müssen. Eine\nEingliederung gehe auch nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht des\nKrankenhauses einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind\nschon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine\npersönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer\nBeschäftigung, jedoch keine abschließenden Bewertungskriterien. Der Senat habe\nbereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts\n(BAG) zu Chefärzten ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog.\nDiensten höherer Art, wobei man heute von Hochqualifizierten oder Spezialisten\nsprechen würde, aufs stärkste eingeschränkt sein könne. Dennoch könne die\nDienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von\nder Ordnung des Betriebes erhalte, in deren Dienst die Arbeit verrichtet\nwerde. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinere sich in solchen\nFällen zur „funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“. Dieses\nvom Senat entwickelte Kriterium der Weisungsgebundenheit habe der Gesetzgeber\nwie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7\nAbs. 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen (Urteile vom 4. Juni 2019, B 12\nR 12/18 R – juris, Rn. 29; B 12 KR 14/18 R – juris, Rn. 34; B 12 R 22/18 R –\njuris, Rn. 30). \n--- \n| 81 \n--- \n| (1) Ausgehend von diesen Ausführungen, denen sich der Senat schon in seiner\nEntscheidung vom 18. Mai 2020 (a.a.O.) zu einem vergleichbaren Sachverhalt\nvollumfänglich angeschlossen hat, teilt der Senat die Auffassung der\nBeklagten, dass die notärztliche Tätigkeit der Beigeladenen ihr Gepräge durch\ndie Ordnung des Betriebes des Klägers erhält und sie im Rahmen ihrer Dienste\nin dessen Strukturen eingegliedert ist, was maßgebliches Indiz für das\nVorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist. \n--- \n| 82 \n--- \n| Im Rahmen seines Versorgungsauftrags als Träger des Rettungsdienstes, die\ndie Notfallrettung und den Krankentransport umfasst, stellt der Kläger die\ntechnischen, baulichen und sonstigen stationären Anlagen (u.a. Meldesystem,\nRettungswachen, integrierte Leitstelle) sowie die sächliche (u.a.\nRettungsfahrzeuge) und personelle Ausstattung (u.a. Rettungssanitäter,\nRettungsassistenten) zur Verfügung, im Rahmen dessen auch die notärztliche\nVersorgung erfolgt. Nach Alarmierung des diensthabenden Notarztes durch die\nintegrierte Leitstelle ist dieser verpflichtet, sich entsprechend der von der\nLeitstelle erfolgenden Steuerung des Einsatzes so schnell wie möglich an den\nAufenthaltsort des Notfallpatienten zu begeben. Dieser Einsatz erfolgt im\nRegelfall mit einem Fahrzeug des Klägers, insbesondere einem NEF, das über\neine Ausstattung für die erforderliche Primärversorgung verfügt, und von einem\nRettungsassistenten, mithin einem Beschäftigten des Klägers, gesteuert wird.\nSoweit der Notarzt am Einsatzort mit einem RTW des Klägers und der\nentsprechenden Besatzung zusammentrifft, erfolgt die medizinische Versorgung\nunter Heranziehung dieses RTW und der Unterstützung des weiteren\nRettungsdienstpersonals des Klägers. Für den Fall, dass ein Transport des\nNotfallpatienten zum Krankenhaus und eine Betreuung durch den Notarzt\nerforderlich ist, übernimmt er diese Versorgung gemeinsam mit dem\nRettungspersonal des Klägers. Dabei ist die Beigeladene gegenüber dem weiteren\nRettungsdienstpersonal in medizinischen Fragen weisungsbefugt. Die\ndargestellte Nutzung der sächlichen Mittel des Klägers sowie das\nZusammenwirken mit dessen Rettungsdienstpersonal macht deutlich, dass die\nBeigeladene im Rahmen ihrer Einsätze in die Strukturen des Betriebes des\nKlägers eingebunden ist und dabei im Kernbereich seiner Aufgaben\narbeitsteilig, und zwar mit Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeitern des\nKlägers in medizinischen Fragen zusammenwirkt. Während eines Notarztdienstes\nist die Beigeladene zudem an die Weisungen der integrierten Leitstelle\ngebunden, die in eigener Verantwortung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung\ndes Notarztes entscheidet, dessen Alarmierung veranlasst und auch seine\nAnfahrt an den Einsatzort steuert. Ausweislich des mit dem Kläger\ngeschlossenen Vertrags muss die Beigeladene dabei ihre lückenlose\nEinsatzbereitschaft sicherstellen und sich während ihrer Dienstzeit -\nunabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort - zur Abholung bereithalten. Ihre\nEinsatzbereitschaft darf sie zudem erst dann beenden, wenn der ablösende\nNotarzt dienstbereit ist. Damit ist die Beigeladene auch verpflichtet, im\nBedarfsfall, d.h. bei nicht rechtzeitigem Dienstantritt des im Anschluss\ndiensthabenden Notarztes, ihren Dienst über den zuvor gewünschten und im\nDienstplan vorgesehene Umfang hinaus fortzusetzen. Die Beigeladene hat im\nVerhinderungsfall - soweit der Dienstplan veröffentlicht und damit verbindlich\nwurde - im Übrigen auch unverzüglich die Rettungsleitstelle und den Ärztlichen\nLeiter des Notarztstandorts über den vorgenommenen Diensttausch zu\ninformieren. Ausweislich des mit dem Kläger geschlossenen Vertrags unterliegt\ndie Beigeladene während ihres Dienstes schließlich auch den\nHandlungsempfehlungen und Leitlinien des Rettungsdienstbereichs R. (vgl.\n„Weisungsfreiheit, Weisungsrechte“, Satz 4), mithin innerdienstlichen\nWeisungen des Klägers. Die Beigeladene übt ihre notärztliche Tätigkeit daher\nin der betrieblichen Ordnung des Klägers aus und ist damit in dessen Betrieb\neingegliedert. Soweit die Beigeladene ihre Bereitschaftszeit außerhalb\nkonkreter Einsätze nach eigenem Belieben, insbesondere auch mit privaten\nVerrichtungen verbringen kann, ändern diese Gestaltungsmöglichkeiten nichts an\nihrer Eingliederung in den Betrieb des Klägers während der Ausübung des von\nihr aufgenommenen Dienstes. Es liegt insgesamt ein arbeitsteiliges\nZusammenwirken vor. Dem steht nicht entgegen, dass der dem Kläger übertragene\nRettungsdienst ebenso wie die notärztliche Versorgung eine öffentlich-\nrechtliche Aufgabe darstellt und auf der Grundlage des RDG, des\nRettungsdienstplanes sowie weiteren Vereinbarungen durchgeführt wird und dem\nKläger dabei keine ausdrückliche Verpflichtung auferlegt wurde, selbst dafür\nSorge zu tragen, dass die benötigten Notärzte bereitstehen. \n--- \n| 83 \n--- \n| Soweit das SG und ihm folgend der Kläger anknüpfend an das Urteil des LSG\nBerlin-Brandenburg vom 25. März 2015 (a.a.O.) die Auffassung vertritt, dass\nder Gesichtspunkt der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation im\nRahmen der rechtlichen Beurteilung der Tätigkeit eines Notarztes im\nRettungsdienst vor dem Hintergrund der durch Gesetz und sonstigen\nRechtsvorschriften geschaffenen Strukturen mit einem auf Gleichordnung\nangelegten Kooperationssystem zwischen den beteiligten Stellen gänzlich außer\nBetracht zu bleiben habe, überzeugt dies den Senat nicht. Diese Ansicht steht\nbereits in Widerspruch zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, der Gegenteiliges regelt.\nDanach wird als Anhaltspunkte und mithin typisches Merkmal für eine\nBeschäftigung vom Gesetzgeber gerade die Eingliederung in eine\nArbeitsorganisation genannt und neben der „Tätigkeit nach Weisungen“ als\nzentrales Kriterium für eine nichtselbstständige Tätigkeit explizit\naufgeführt. Eine Sonderregelung für bestimmte Berufsgruppen oder gar die\nGruppe der Notärzte im Rettungsdienst sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Der\nSenat sieht keinen überzeugenden Grund, das in Rede stehende Merkmal im Rahmen\nder zu treffenden Gesamtabwägung der für und gegen eine abhängige\nBeschäftigung sprechenden Gesichtspunkte von vorneherein unberücksichtigt zu\nlassen, weil es für die Statusentscheidung – so der Kläger im\nBerufungsverfahren – ungeeignet sei. Insbesondere stützen die vom LSG Berlin-\nBrandenburg (a.a.O.) in der herangezogenen Entscheidung angestellten\nErwägungen die insoweit vertretene Auffassung des Klägers nicht. Denn jener\nEntscheidung lag kein mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbarer\nSachverhalt zu Grunde. In jenem Verfahren war die Frage zu beurteilen, ob der\nNotarzt, der einen Honorarvertrag mit einem Krankenhausträger abgeschlossen\nhatte, im Rahmen seiner Einsätze im Rettungsdienst Beschäftigter des\nKrankenhausträgers war oder eine selbständige Tätigkeit ausübte. Soweit das\nLSG Berlin-Brandenburg (a.a.O. juris, Rn 65) daher ausgeführt hat, dass\nangesichts der Umstände, die die Ausübung der konkret zu beurteilenden\nTätigkeit prägen, der Frage der Eingliederung in eine fremde\nArbeitsorganisation „keine Aussagekraft“ zukomme, beruhte dies allein darauf,\ndass die Tätigkeit eben nicht in der Betriebsstruktur des Vertragspartners,\nsondern in der eines Dritten ausgeübt wurde. Die Erwägungen des LSG Berlin-\nBrandenburg lassen sich auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt daher\nnicht übertragen. Vorliegend ist nicht das Verhältnis eines Notarztes zum\nKrankenhausträger im Rahmen seiner Tätigkeit im Rettungsdienst zu beurteilen,\nsondern das Verhältnis des Notarztes zum Träger des Rettungsdienstes während\nseiner notärztlichen Tätigkeit im Rettungsdienst. \n--- \n| 84 \n--- \n| Soweit der Kläger geltend macht, selbst zur Gestellung von Notärzten nicht\nverpflichtet zu sein, trifft zu, dass es gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 RDG zu den\ngesetzlichen Aufgaben der Krankenhausträger gehört, geeignete Notärzte für die\nTätigkeit im Rettungsdienst zur Verfügung zu stellen. Zudem haben sich\nausweislich der Rahmenvereinbarung auch die kassenärztlichen Vereinigungen und\ndie Landesärztekammer bereit erklärt, an der Bereitstellung geeigneter Ärzte\nmitzuwirken. Allerdings ist nicht vorgegeben, in welcher Form dies geschieht\nund die Mitverantwortung der Krankenhausträger bei der Gestellung von\ngeeigneten Ärzten für den Notarztdienst lässt nicht darauf schließen, dass die\nim Rettungsdienst von den Notärzten wahrgenommenen Dienste letztlich auch den\nKrankenhausträgern zugerechnet werden können. Schließlich dienen die Notärzte\nim Rahmen der in Rede stehenden Dienste – entsprechend den obigen Darlegungen\n– gerade dem Betriebszweck der Träger des Rettungsdienstes und sie erbringen\ndiese Dienste nicht auf Grund ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht gegenüber dem\nKrankenhausträger, sondern aus freien Stücken neben ihren insoweit bestehenden\narbeitsvertraglichen Verpflichtungen als Krankenhausarzt. Der Senat sieht auch\nkeinen hinreichenden Grund dafür, der Eingliederung der Beigeladenen in die\nOrganisationsstruktur des Klägers allein deshalb eine nur untergeordnete\nBedeutung beizumessen, weil die wesentlichen Grundlagen des\nRettungsdienstsystems auf den Vorgaben des RDG beruhen und die eingesetzten\nNotärzte damit Teil der sog. Rettungskette sind und eine Eingliederung in die\nfremde Betriebsstruktur damit möglicherweise schon der Natur der Sache nach zu\nbejahen ist. Entsprechendes vermag der Senat insbesondere nicht aus dem vom\nKläger herangezogenen Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom\n8. Februar 2017 (a.a.O.) herzuleiten, das im konkreten Einzelfall eine solche\nbetriebliche Eingliederung des Notarztes verneinte, weil der Kläger, eine von\neiner kreisangehörigen Stadt als Träger des Rettungsdienstes gegründeter\nVerein, selbst über keine Arbeitsorganisation verfügte, weil die sächliche\nInfrastruktur mit RTW und NEF (einschließlich der jeweiligen personellen\nBesetzung), Leitstelle, Rettungswache, Aufenthaltsraum für Notärzte,\nFunkempfänger etc. nicht vom Kläger, sondern von der Stadt zur Verfügung\ngestellt wurde. Im Gegensatz dazu verfügt der Kläger als Träger des\nRettungsdienstes vorliegend über die komplette Infrastruktur, in die die\nBeigeladene bei Ausübung ihrer notärztlichen Dienste eingegliedert ist. Auch\ndem weiteren, vom Kläger herangezogenen Urteil des Hessischen\nLandessozialgerichts vom 11. April 2019 (a.a.O.) lagen im Hinblick auf das\nRettungswesen Strukturen zu Grunde, die mit jenen im vorliegenden Verfahren\nnicht vergleichbar sind. Auch der in diesem Verfahren klagende Landkreis als\nTräger des Rettungsdienstes verfügte selbst nicht über die erforderlichen\nBetriebsmittel (Rettungswache, Fahrzeuge, Ausrüstung) zur Erfüllung seiner\nAufgaben; diese wurden ihm ebenso wie personelle Mittel von städtischer Seite\nzur Verfügung gestellt. Vor diesem Hintergrund verneinte der Senat eine dem\nklagenden Landkreis selbst zurechenbare strukturierte Arbeitsorganisation, in\ndie der in jenem Verfahren beigeladene Notarzt hätte eingegliedert sein\nkönnen. Aus den vom Kläger zur Stützung seiner Rechtsauffassung herangezogenen\nUrteilen vermag der Senat daher keine abweichende Beurteilung herzuleiten. \n--- \n| 85 \n--- \n| Soweit die von der Beigeladenen zu erbringende Leistung daher nur innerhalb\nder vom Kläger vorgegebenen Struktur in enger Zusammenarbeit und Abstimmung\nmit anderen erbracht werden kann und schon aus Gründen, die in der Natur der\nSache liegen, eine Eingliederung der Beigeladenen in den Betrieb des Klägers\nzu bejahen ist, liegt ein maßgebliches, für eine Beschäftigung sprechendes\nMerkmal vor. Dies gilt unabhängig davon, dass im Einzelfall – wie dies beim\nKläger der Fall ist – nicht gewünscht ist, eine Beschäftigung zu begründen. \n--- \n| 86 \n--- \n| (2) Relevante Indizien, die für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit\nsprechen, vermag der Senat nicht zu erkennen. \n--- \n| 87 \n--- \n| Die Beigeladene trägt im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin zu 1 kein\nnennenswertes, das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägendes Unternehmerrisiko,\nwas im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss\nvom 16. Oktober 2010 – B 12 KR 100/09 B – juris, Rn. 10; ständige\nRechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 8. Juli 2016 – L 4 R 4979/15 –\njuris, Rn. 46). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines\nSelbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit\nder Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der\ntatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil\nvom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris). Aus dem (allgemeinen) Risiko,\naußerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft\ngegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko\nbezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR\n16/13 R – juris, Rn. 36). Vorliegend trug die Beigeladene kein relevantes\nVerlustrisiko. Ihre Tätigkeit erforderte keine relevanten Betriebsmittel und\nihre Arbeitskraft setzte sie im Wesentlichen nicht mit der Gefahr des\nVerlustes ein. So erhielt sie für die erbrachten Dienste eine Vergütung, die\nnach geleisteten Stunden, zuzüglich einer Pauschale ab dem dritten Einsatz pro\nSchicht bemessen war. Das Risiko, nicht wie gewünscht arbeiten zu können, weil\nder Ärztliche Leiter des Notarztstandorts die Dienste anderweitig vergibt,\nstellt kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer\ntrifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden\nbezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist (vgl. Senatsurteile vom 23.\nJanuar 2004 – L 4 KR 3083/02 – juris, Rn. 20 und 27. März 2015 – L 4 R 5120/13\n– nicht veröffentlicht). Es muss deshalb ein Wagnis bestehen, das über\ndasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko\nwird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur\nkein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch\nKosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder\nfrüher getätigte Investitionen brachliegen (Senatsurteile vom 23. Januar 2004\n– L 4 KR 3083/02 –, 27. März 2015 – L 4 R 5120/13 – a.a.O. und 18. Mai 2018 –\nL 4 KR 3961/15 – juris, Rn. 52; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.\nDezember 2009 – L 16 R 5/08 – juris, Rn. 38). Dies war bei der Beigeladenen\nnicht der Fall. \n--- \n| 88 \n--- \n| Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Einsatz eigenen\nKapitals bzw. eigener Betriebsmittel keine notwendige Voraussetzung für eine\nselbständige Tätigkeit ist (BSG, Urteil vom 27. März 1980 – 12 RK 26/79 –\njuris, Rn. 23). Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder\nandere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten\n(vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – juris, Rn. 25; Urteil\ndes Senats vom 16. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 95). Mit ihrer\nTätigkeit als Notärztin übte die Beigeladene eine solche Tätigkeit aus. Für\ndie Ausübung dieser hochqualifizierten Tätigkeit war weder der Einsatz eigenen\nKapitals erforderlich, noch benötigte die Beigeladene hierfür relevante\nBetriebsmittel. Entsprechend misst der Senat diesem Gesichtspunkt auch nur\ngeringe Bedeutung bei. \n--- \n| 89 \n--- \n| Soweit für die Beigeladene keine Verpflichtung bestand, nach Aufnahme in den\nmonatlichen Dienstplan den entsprechenden Dienst tatsächlich auch anzutreten,\nvielmehr die Möglichkeit bestand, im Verhinderungsfall den Dienst mit einem\nanderen Notarzt zu tauschen oder anderweitig für Ersatz zu sorgen, stellt die\nMöglichkeit den Dienst einem Dritten zu übertragen ein Indiz für das Vorliegen\neiner selbständigen Tätigkeit dar, da Beschäftigte ihre Arbeitsverpflichtung\nim allgemeinen persönlich zu erbringen haben. \n--- \n| 90 \n--- \n| Für eine selbständige Tätigkeit kann darüber hinaus zwar der in dem\ngeschlossenen Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Beteiligten sprechen,\nkeine abhängige Beschäftigung zu begründen. Allerdings kommt es auf eine\nentsprechende vertragliche Abrede nur dann entscheidend an, wenn die\ntatsächlichen Umstände in etwa gleichermaßen für eine Selbstständigkeit oder\nfür eine Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R\n– juris, Rn. 13; Urteil vom 26. Januar 1982 - 12 BK 44/81 – juris, Rn. 3).\nDies ist vorliegend aber nicht der Fall. \n--- \n| 91 \n--- \n| Relevante weitere, für eine selbständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkt\nsind nicht ersichtlich. Insbesondere misst der Senat dem vorgebrachten\nUmstand, dass Notärzte typischerweise nicht den sozialen Schutz der\nVersicherungspflicht benötigten, die Beigeladene im Außenauftritt nicht als\nseine Vertreterin oder Mitarbeiterin auftrete, er keine eigenen Ärzte\nbeschäftige, die Beigeladene nicht an Dienstbesprechungen teilzunehmen habe\nund ihm hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der notärztlichen Tätigkeit kaum\nWeisungsbefugnisse zustünden, nur geringe Bedeutung bei. \n--- \n| 92 \n--- \n| (3) Unter Abwägung aller Merkmale führt das Gesamtbild der Tätigkeit der\nBeigeladenen für den Kläger zum Vorliegen einer Beschäftigung. Ausschlaggebend\ndafür ist in erster Linie der Grad der Einbindung der Beigeladenen in die\nArbeitsabläufe und die Organisationsstruktur des Klägers. Mit dem Antritt\nihres jeweiligen Dienstes dient die Beigeladene dem Kläger als Träger des\nRettungsdienstes mit den ihm obliegenden Aufgabenbereich der Notfallrettung\nund des Krankentransports und damit dem Betriebszweck des Klägers, in dessen\nOrganisation sie eingebunden ist. Die für eine Selbständigkeit sprechenden\nAspekte können den vor diesem Hintergrund bestehenden Eindruck einer\nabhängigen Beschäftigung nicht durchgreifend erschüttern. \n--- \n| 93 \n--- \n| Auch das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 18. Dezember 2013 – L 2 R\n64/10 – juris) und das LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 28. April 2015 –\nL 7 R 60/12 – juris) haben in diesem Sinne nach Abwägung der für und gegen\neine Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte die Tätigkeit eines Notarztes im\nRettungsdienst als Beschäftigung angesehen. \n--- \n| 94 \n--- \n| (4) Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass damit zu rechnen sei,\ndass sich die Sanitätsorganisationen an der organisatorischen Mitwirkung der\nNotarztversorgung zurückzögen, wenn an ihr „überobligationsmäßiges“ Verhalten\nnun die Sozialversicherungspflicht von Notärzten geknüpft werde, dies ferner\nzu einer zusätzlichen Belastung der gesetzlichen Krankenkassen als eigentliche\nSchuldner der Vergütung der Notärzte führe und zudem der Notarztmangel weiter\ngefördert werde, da die mit den Vergütungen verbundenen Abzüge die Tätigkeit\nunattraktiver machten, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der\ndurch Art. 1a Nr. 2 und 3 Gesetz zur Stärkung der Heil- und\nHilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG) vom 4.\nApril 2017 (BGBl. I, S. 778) zum 11. April 2017 in Kraft getretene Regelung\ndes § 23c Abs. 2 SGB IV auf die angesprochene Problematik bereits reagiert\nhat. Danach sind Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im\nRettungsdienst nicht beitragspflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben einer\nBeschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden\nwöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes (Nr. 1) oder einer Tätigkeit als\nzugelassenen Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt\nwerden (Nr. 2). Eine abweichende Beurteilung in der vorliegend zu\nbeurteilenden statusrechtlichen Streitigkeit lässt sich hieraus allerdings\nnicht herleiten. Denn die Vorschrift beinhaltet keine statusrechtliche\nEinordnung der Notärzte im Rettungsdienst. Sie setzt vielmehr gerade voraus,\ndass diese Tätigkeit im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen\nBeschäftigung ausgeübt werden kann und regelt angesichts der herausragenden\ngesellschaftlichen Bedeutung der Sicherstellung der ärztlichen Akutversorgung\nim Notfall lediglich die Beitragsbefreiung in einer solchen Tätigkeit\n(KassKomm/Ziegelmeier, § 23c SGB IV Rn. 11). \n--- \n| 95 \n--- \n| (5) In der Tätigkeit als Notärztin besteht für die Beigeladene keine\nVersicherungspflicht in der Rentenversicherung. Als Beschäftigte ist die\nBeigeladene zwar gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig, allerdings\nwurde sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 1 SGB VI mit Bescheid der Beklagten vom\n3. Februar 2006 ab 18. Januar 2006 von der Versicherungspflicht befreit. Nach\nden Ausführungen in diesem Bescheid gilt diese Befreiung für die Tätigkeit als\nÄrztin, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen\nVersorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der\nBerufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw. Beiträge in gleicher\nHöhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen\nRentenversicherung zu zahlen wären. Anhaltspunkte dafür, dass diese\nVoraussetzungen nicht mehr erfüllt wären, sind angesichts der von der\nBeigeladenen weiterhin ausgeübten Tätigkeit als Ärztin im Z. Klinikum nicht\nersichtlich. \n--- \n| 96 \n--- \n| (6) Demgegenüber ist die Beigeladene versicherungspflichtig in der Kranken-,\nPflege- und Arbeitslosenversicherung. Eine geringfügige Beschäftigung, die\nnach § 27 Abs. 2 SGB III und § 7 Abs. 1 SGB V zur Versicherungsfreiheit des\nBeschäftigten führen kann, liegt bei der Beigeladenen in der für den Kläger\nausgeübten Tätigkeit nicht vor. \n--- \n| 97 \n--- \n| Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung des\nGesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5.\nDezember 2012 (BGBl. I, S. 2474) und der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung\ndes Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und mehr Schutz der\nArbeitslosenversicherung vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I, S. 2651) liegt eine\ngeringfügige Beschäftigung vor, wenn (1.) das Arbeitsentgelt aus dieser\nBeschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 EUR nicht übersteigt, (2.) die\nBeschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate (ab 1.\nJanuar 2019: drei Monate) oder 50 Arbeitstage (ab 1. Januar 2019: 70\nArbeitstage) nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus\nvertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig\nausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 EUR im Monat übersteigt. \n--- \n| 98 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV sind nicht erfüllt. Das\nArbeitsentgelt aus der Beschäftigung der Beigeladenen überstieg regelmäßig\n450,00 EUR im Monat. Dies entnimmt der Senat den Angaben des Klägers im\nSchriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. August 2017, wonach die\nBeigeladene monatliche Vergütungen zwischen 607,10 EUR und 1.518,70 EUR\nerzielte. Anhaltspunkte dafür, dass seither diesbezüglich eine relevante\nÄnderung eingetreten ist, sind nicht ersichtlich. Entsprechendes behauptet\nauch der Kläger nicht. \n--- \n| 99 \n--- \n| Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV sind nicht erfüllt. Der\nzwischen dem Kläger und der Beigeladenen geschlossene Vertrag enthält\nkeinerlei Regelung, die den Einsatz der Beigeladenen für den Kläger innerhalb\neines Kalenderjahres auf längstens zwei bzw. drei Monate oder 50 bzw. 70\nArbeitstage begrenzte. Auch aus der Eigenart der Tätigkeit ergibt sich keine\nsolche Begrenzung. Darauf dass die Beigeladene – wie vom Kläger im\nKlageverfahren geltend gemacht – tatsächlich nur an ca. 20 Tagen tätig ist,\nkommt es nicht an. \n--- \n| 100 \n--- \n| Eine unständige, in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfreie\nTätigkeit nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III lag ebenfalls nicht vor. Danach sind\nversicherungsfrei Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie\nberufsmäßig ausüben (Satz 1). Unständig ist eine Beschäftigung, die auf\nweniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder\nim Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (Satz 2). Eine solche\nBeschränkung auf weniger als eine Woche ist nicht vereinbart. Der zwischen den\nBeteiligten geschlossene Vertrag enthält keine entsprechende Regelung. Auch\naus der Natur der Sache ergab sich bei fehlender Absehbarkeit von Häufigkeit\nund Dauer der Einsätze eine zwingende Begrenzung auf unter eine Woche nicht.\nDaran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beigeladene tatsächlich nur ca.\nzweimal monatlich eine Dienstschicht übernimmt. \n--- \n| 101 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155\nAbs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da nur die Beklagte Berufung\neingelegt hat und sie nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört,\nfinden im Berufungsverfahren nach § 197a SGG die VwGO und das\nGerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Die außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat (vgl.\n§ 154 Abs. 3 VwGO). \n--- \n| 102 \n--- \n| 5\\. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2\nSGG) nicht vorliegen. \n--- \n| 103 \n--- \n| 6\\. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz\n1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG endgültig\nfestgesetzt. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von\n5.000,00 EUR, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen\nBeschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende\nSozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine\nGesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 63 \n--- \n| 1\\. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151\nAbs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch\nim Übrigen zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1\nSGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch\neinen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. \n--- \n| 64 \n--- \n| 2\\. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom\n22. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016,\nmit dem die Beklagte zum einen gegenüber der Beigeladenen und zum anderen\ngegenüber dem Kläger entschied, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als\nNotärztin seit 1. August 2015 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses\nausübt und dementsprechend Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und\nRentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Als\nVerwaltungsakt mit Doppelwirkung belastet den Kläger als Dritten gleichermaßen\nauch den an die Beigeladene gerichteten Bescheid vom 22. März 2016. Der Senat\nlegt das Begehren des Klägers daher dahingehend aus (§ 123 SGG), dass er die\nBescheide der Beklagten vom 22. März 2016 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 einerseits originär und\nandererseits als Drittbetroffener angefochten hat. Die Klage war als\nAnfechtungsklage zulässig. \n--- \n| 65 \n--- \n| Soweit der Kläger im Klageverfahren mit der Feststellungsklage (vgl. § 55\nAbs. 1 Nr. 1 SGG) neben der Feststellung, die Beigeladene unterliege in ihrer\nTätigkeit als freiwillige Notärztin keiner Versicherungspflicht in der\nKranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der\nArbeitsförderung auch die Feststellung begehrte, die Tätigkeit der\nBeigeladenen als freiwillige Notärztin sei eine selbständige Tätigkeit,\nhandelt es sich um eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. BSG, Urteil\nvom 26. Februar 2019 – B 12 R 8/18 R – juris), weshalb die Klage insoweit\nunzulässig war. \n--- \n| 66 \n--- \n| Soweit der Kläger sich erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am\n11. September 2018 auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 wandte, mit dem die\nBeklagte seinen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen\nStatus der Beigeladenen vom 23. Mai 2016 als unzulässig zurückwies, lag eine\nunzulässige Klageerweiterung vor. Dabei handelt es sich um eine Änderung der\nKlage, die gemäß § 99 SGG nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten\neinwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Dies ist\nvorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat in die Klageänderung weder\nausdrücklich noch stillschweigend eingewilligt und die Änderung der Klage\nerweist sich nicht als sachdienlich. Denn die geänderte Klage ist unzulässig,\nda der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 zum Zeitpunkt der Einbeziehung in\ndas Klageverfahren bereits bestandskräftig war (vgl. § 77 SGG) und damit nicht\nmehr Gegenstand einer zulässigen Anfechtungsklage sein konnte. \n--- \n| 67 \n--- \n| 3\\. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet. Nachdem der\nBescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage\nbereits bestandskräftig und gemäß § 77 SGG zwischen den Beteiligten in der\nSache bindend war, hätte das SG diesen Bescheid in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 2. November 2016 nicht aufheben dürfen, weshalb das\nangefochtene Urteil insoweit aufzuheben ist. Darüber hinaus hätte das SG auch\nder teilweise unzulässigen Feststellungsklage nicht stattgeben dürfen, weshalb\ndas Urteil des SG auch insoweit aufzuheben ist. Entgegen der Ansicht des SG\nübte die Beigeladene ihre Tätigkeit als Notärztin im Rettungsdienst seit 1.\nAugust 2015 nicht als Selbstständige aus, sondern im Rahmen eines abhängigen\nBeschäftigungsverhältnisses, weshalb Versicherungspflicht in der Kranken- und\nPflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Eine\nRentenversicherungspflicht der Beigeladenen in dieser Tätigkeit bestand nicht.\nDenn mit Bescheid vom 3. März 2006 befreite die Beklagte die Beigeladene ab\n18. Januar 2006 in ihrer Tätigkeit als Ärztin von der\nRentenversicherungspflicht. Das SG hätte den Bescheid vom 22. März 2016 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 daher lediglich\ninsoweit aufheben dürfen, gleichermaßen insoweit aber auch den an die\nBeigeladene gerichteten, den Kläger als Drittbetroffenen belastenden Bescheid\nvom 22. März 2016 aufheben müssen. Aufzuheben waren im Übrigen die dem\nentgegenstehenden Feststellungen. Aus Gründen der Klarheit hat der Senat den\nTenor neu gefasst. \n--- \n| 68 \n--- \n| a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine\nEntscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten\nbeantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle\noder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung\nbereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die\nBeklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine\nBeschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in\nAbsätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in\nAbweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen\nVersicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz\n1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem\nrückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der\nSelbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten\nAnfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung\nder Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen\nverhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6). \n--- \n| 69 \n--- \n| Die Beklagte war für die von der Beigeladenen beantragte Feststellung\nzuständig, weil für die streitige Zeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 9.\nNovember 2015 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet\nwar. Entsprechende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Etwas Gegenteiliges wird\nvon den Beteiligten auch nicht behauptet. \n--- \n| 70 \n--- \n| b) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr.\n1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Krankenversicherung nach § 5\nAbs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1\nElftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach\n§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen\nArbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1\nSGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.\nGemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine\nTätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des\nWeisungsgebers. \n--- \n| 71 \n--- \n| Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine\nBeschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich\nabhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der\nFall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem\nnach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des\nArbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei\nDiensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden\nTeilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine\nselbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das\nVorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die\neigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und\nArbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig\ntätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG,\nUrteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom\n30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober\n2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 –, BSG, Urteil vom 30. März 2015 – B 12\nKR 17/13 R – juris, Rn. 15 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der\nanhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger\nBeschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG],\nNichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR\n21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung\n(zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris,\nRn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.;\nBSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. –\njeweils m.w.N.). \n--- \n| 72 \n--- \n| Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen.\nTatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten\nUmstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen\nBeschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich\naus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich\nZulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst\ndas Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen\ngetroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung\nerschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen\nVereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende\nSchlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht\nder nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung\nrechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts\nunbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.\nZu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von\nihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil\nvom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt,\ndass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den\nVereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74\n– juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris, Rn.\n16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – juris, Rn. 17 –\njeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert\nwird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl.\nhierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris,\nRn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16). \n--- \n| 73 \n--- \n| Für die Beurteilung der Tätigkeit von sog. Honorarärzten gelten keine\nabweichenden Maßstäbe. Insoweit führte das BSG in seinen Entscheidungen vom 4.\nJuni 2019 (u.a. B 12 R 12/18 R – juris, Rn. 19 f; B 12 KR 14/18 R – juris, Rn.\n24 f; B 12 R 22/18 R – juris, Rn. 17 f.) aus, dass die Bezeichnung als\nHonorararzt kein besonderes ärztliches Tätigkeitsbild im\nsozialversicherungsrechtlichen Sinne kennzeichnet und auch die Abgrenzung\nzwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht abstrakt für bestimmte\nBerufs- und Tätigkeitsbilder erfolgt. Es ist daher möglich, dass ein und\nderselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen\nin ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als\nselbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgeblich sind stets die konkreten\nUmstände des individuellen Sachverhalts. Die sozialversicherungsrechtliche\nBeurteilung ist auch nicht dadurch vorgeprägt, dass sog. Honorararztverträge\nin der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bisher überwiegend als freie\nDienstverhältnisse qualifiziert werden. Denn es besteht kein vollständiger\nGleichklang des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs mit dem\nBeschäftigungsbegriff nach § 7 SGB IV. \n--- \n| 74 \n--- \n| c) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beigeladene im Rahmen ihrer\nEinsätze für den Kläger in der Zeit ab 1. August 2015 abhängig beschäftigt. \n--- \n| 75 \n--- \n| aa) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind die im Folgenden\ndargestellten Umstände, die der Senat aufgrund des Gesamtinhalts des\nVerfahrens, insbesondere den Maßgaben des RDG und des Rettungsdienstplans, der\nRahmenvereinbarung und dem zwischen dem Kläger und der Beigeladenen\nabgeschlossenen Vertrag vom 24. Juli 2015 feststellt. \n--- \n| 76 \n--- \n| Rechtliche Grundlage, auf der die Beigeladene tätig wird, sind der auf der\nGrundlage des RDG erstellte Rettungsdienstplan und die getroffene\nRahmenvereinbarung sowie der mit der Beigeladenen abgeschlossene „Vertrag\nFreiwilliger Notarzt Landkreis R.“, in dem die Beteiligten eine\nRahmenvereinbarung über ihre Mitwirkung im Rettungsdienst der Beigeladenen als\nNotärztin trafen. Danach betreibt der Kläger im Rettungsdienst für den\nLandkreis R. die integrierte Leitstelle, die Rettungswachen und\nRettungsfahrzeuge mit der entsprechenden Ausstattung. In personeller Hinsicht\nwerden dabei für den Kläger insbesondere Rettungssanitäter und\nRettungsassistenten tätig, die Beschäftigte des Klägers sind. Für die\n24-Stunden-Besetzung der NEF stehen im Bereich der drei Rettungswachen, an\ndenen diese stationiert sind (Notarztstandorte) geeignete Ärzte mit der\ngrundsätzlichen Bereitschaft, an der notärztlichen Versorgung im\nRettungsdienst teilzunehmen, zur Verfügung. Diese erstellen in eigener\norganisatorischer Verantwortung die hierfür erforderlichen Dienstpläne. Dies\nerfolgt durch den von den teilnehmenden Ärzten bestimmten sog. Ärztlichen\nLeiter des Notarztstandorts, anhand der von den entsprechenden Ärzten zuvor\nnach Lage und Anzahl der Notarztdienste geäußerten Wünsche. Die monatlichen\nDienstpläne werden intern veröffentlicht und damit für die eingeteilten\nNotärzte verbindlich. Im Verhinderungsfall ist es Aufgabe des verhinderten\nArztes, selbst für Ersatz zu sorgen. Dies kann dadurch erfolgen, dass Dienste\ngetauscht werden oder der Dienst von einer sonstigen geeigneten Ersatzperson\nübernommen wird. Im Falle einer solchen Dienständerung hat der verhinderte\nNotarzt den Ärztlichen Leiter des Notarztstandorts und die Leitstelle\nunverzüglich hierüber zu unterrichten. Während seines Dienstes hat sich der\ndiensthabende Arzt am Notarztstandort bzw. ggf. auch in seiner Praxis oder\nseinem häuslichen Bereich bereitzuhalten. Die integrierte Leitstelle steuert\nalle Einsätze im Rettungsdienst. Sie ist gegenüber allen im Rettungsdienst\nMitwirkenden bis zum Eintreffen am Einsatz- bzw. Notfallort weisungsbefugt;\nsie alarmiert insbesondere auch den Notarzt. Nach dessen Alarmierung begibt\nsich das Einsatzteam bestehend aus dem diensthabenden Notarzt und einem\nRettungsassistenten, ggf. nach vorheriger Abholung des Notarztes am\nabweichenden Aufenthaltsort, mit dem NEF zum Einsatzort. Hinsichtlich der\nVersorgung des Notfallpatienten ist der Notarzt gegenüber dem\nRettungsassistenten sowie dem ggf. vor Ort anwesenden weiteren\nRettungsdienstpersonal weisungsbefugt. Dabei bestimmt der Notarzt Art und\nUmfang der Primärversorgung vor Ort, die entsprechende Weiterversorgung auf\ndem ggf. erforderlichen Weitertransport sowie das entsprechende\nZielkrankenhaus. Die Vergütung des eingesetzten Notarztes erfolgt nach dessen\nRechnungsstellung an den Kläger, wobei jede Stunde mit einem Festbetrag\nvergütet wird (bspw. 2017: ca. 27,00 EUR; 2018: ca. 34,00/35,00 EUR),\nzuzüglich einer Einsatzpauschale ab dem dritten Einsatz je Dienstschicht\n(80,00 EUR). \n--- \n| 77 \n--- \n| bb) Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist der Senat unter\nBerücksichtigung der vorliegenden Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung\ngelangt, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Dienste als Notärztin im\nZeitraum seit 1. August 2015 in einem Beschäftigungsverhältnis zum Kläger\nsteht. \n--- \n| 78 \n--- \n| Für die Beurteilung ist auf die jeweiligen Einzeleinsätze der Beigeladenen\nabzustellen. Nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Beteiligten und\ndem Vorbringen des Klägers wird unter Berücksichtigung der von den am\nnotärztlichen Dienst teilnehmenden Ärzten geäußerten Wünschen vom Ärztlichen\nLeiter des Notarztstandortes jeweils monatlich ein Dienstplan erstellt, der\nveröffentlicht bzw. den eingeteilten Notärzten mitgeteilt wird. Soweit der\nDienstplan veröffentlicht ist, ist er ausweislich des zwischen den Beteiligten\ngeschlossenen Vertrages verbindlich („Der veröffentlichte Dienstplan ist\nverbindlich.“). Hierdurch entsteht die rechtliche Verpflichtung der\nBeigeladenen gegenüber dem Kläger, den zugesagten Dienst zu leisten. Im\nVerhinderungsfall ist es - entsprechend der weiteren vertraglichen Regelung -\nAufgabe des verhinderten Notarztes, selbst für Ersatz zu sorgen. In diesem\nFall hat er den Ärztlichen Leiter des Notarztstandortes und die\nRettungsleitstelle unverzüglich über den vorgenommenen Diensttausch zu\ninformieren. Bei derartigen vertraglichen Beziehungen, denen ein sog.\nRahmenvertrag zugrunde liegt, der die allgemeine Grundlage für die Abwicklung\neinzelner Aufträge enthält, ist jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die\nnach Annahme des einzelnen Auftrags während dessen Durchführung bestehen\n(ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR\n16/13 R – juris, Rn. 19 sowie Urteile vom 4. Juni 2019, a.a.O.). Soweit der\nKläger daher geltend macht, die Beigeladene könne ihre Dienste frei und\nunabhängig selbst bestimmen, indem sie sich für Dienste bereit erkläre, es für\nsie jedoch keine Verpflichtung gebe, eine bestimmte Anzahl von Diensten zu\nübernehmen und sie auch keinen Anspruch darauf habe, die gewünschten oder\ngenerell Dienste zu übernehmen, lässt sich hieraus die Ausübung einer\nselbstständigen Tätigkeit nicht herleiten. \n--- \n| 79 \n--- \n| Im Hinblick auf die Gewichtung der für und gegen eine abhängige\nBeschäftigung sprechenden Gesichtspunkte sind vorliegend ebenso wie in den vom\nBSG am 4. Juni 2019 entschiedenen Verfahren die Besonderheiten gerade der\närztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. In den erwähnten Entscheidungen hat\ndas BSG in Bezug auf die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus insoweit deutlich\ngemacht, dass einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig\noder selbstständig kennzeichnen, von vorneherein nicht als ausschlaggebende\nAbgrenzungskriterien herangezogen werden können. So handeln Ärzte bei\nmedizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und\neigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne weiteres auf eine\nselbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies schon deshalb nicht, weil\nnach ganz herrschender Meinung selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu\nqualifizieren sind. Umgekehrt kann auch nicht allein wegen der Benutzung von\nEinrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses zwingend eine abhängige\nBeschäftigung angenommen werden (Urteile vom 4. Juni 2019, B 12 R 12/18 R –\njuris, Rn. 26; B 12 KR 14/18 R – juris, Rn. 31; B 12 R 22/18 R – juris, Rn.\n26). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen auch für die Tätigkeit der\nBeigeladenen im Rahmen ihrer Einsätze als Notärztin im Rettungsdienst für den\nKläger. Auch die Beigeladene ist hinsichtlich ihrer medizinischen Maßnahmen\nzur Behandlung und Versorgung der Notfallpatienten frei und\neigenverantwortlich und keinen Weisungen unterworfen. Entsprechend ist in dem\nzwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag unter der Überschrift\n„Weisungsfreiheit, Weisungsrechte“ ausdrücklich ausgeführt, dass der Notarzt\nin der ärztlichen Therapiefreiheit nicht weisungsgebunden ist und § 3 der\nRahmenvereinbarung bestimmt, dass der Notarzt die ärztliche Versorgung des\nNotfallpatienten am Einsatzort und erforderlichenfalls auch während des\nTransports zu einem Krankenhaus übernimmt. \n--- \n| 80 \n--- \n| Diese Weisungsfreiheit steht der Eingliederung eines auf Honorarbasis\ntätigen Arztes in den Betrieb seines Auftraggebers nicht entgegen. In den\nerwähnten Urteilen vom 4. Juni 2019 hat das BSG deutlich gemacht, dass\nWeisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb weder in einem\nRangverhältnis zueinander stehen noch stets kumulativ vorliegen müssen. Eine\nEingliederung gehe auch nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht des\nKrankenhauses einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind\nschon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine\npersönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer\nBeschäftigung, jedoch keine abschließenden Bewertungskriterien. Der Senat habe\nbereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts\n(BAG) zu Chefärzten ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog.\nDiensten höherer Art, wobei man heute von Hochqualifizierten oder Spezialisten\nsprechen würde, aufs stärkste eingeschränkt sein könne. Dennoch könne die\nDienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von\nder Ordnung des Betriebes erhalte, in deren Dienst die Arbeit verrichtet\nwerde. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinere sich in solchen\nFällen zur „funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“. Dieses\nvom Senat entwickelte Kriterium der Weisungsgebundenheit habe der Gesetzgeber\nwie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7\nAbs. 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen (Urteile vom 4. Juni 2019, B 12\nR 12/18 R – juris, Rn. 29; B 12 KR 14/18 R – juris, Rn. 34; B 12 R 22/18 R –\njuris, Rn. 30). \n--- \n| 81 \n--- \n| (1) Ausgehend von diesen Ausführungen, denen sich der Senat schon in seiner\nEntscheidung vom 18. Mai 2020 (a.a.O.) zu einem vergleichbaren Sachverhalt\nvollumfänglich angeschlossen hat, teilt der Senat die Auffassung der\nBeklagten, dass die notärztliche Tätigkeit der Beigeladenen ihr Gepräge durch\ndie Ordnung des Betriebes des Klägers erhält und sie im Rahmen ihrer Dienste\nin dessen Strukturen eingegliedert ist, was maßgebliches Indiz für das\nVorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist. \n--- \n| 82 \n--- \n| Im Rahmen seines Versorgungsauftrags als Träger des Rettungsdienstes, die\ndie Notfallrettung und den Krankentransport umfasst, stellt der Kläger die\ntechnischen, baulichen und sonstigen stationären Anlagen (u.a. Meldesystem,\nRettungswachen, integrierte Leitstelle) sowie die sächliche (u.a.\nRettungsfahrzeuge) und personelle Ausstattung (u.a. Rettungssanitäter,\nRettungsassistenten) zur Verfügung, im Rahmen dessen auch die notärztliche\nVersorgung erfolgt. Nach Alarmierung des diensthabenden Notarztes durch die\nintegrierte Leitstelle ist dieser verpflichtet, sich entsprechend der von der\nLeitstelle erfolgenden Steuerung des Einsatzes so schnell wie möglich an den\nAufenthaltsort des Notfallpatienten zu begeben. Dieser Einsatz erfolgt im\nRegelfall mit einem Fahrzeug des Klägers, insbesondere einem NEF, das über\neine Ausstattung für die erforderliche Primärversorgung verfügt, und von einem\nRettungsassistenten, mithin einem Beschäftigten des Klägers, gesteuert wird.\nSoweit der Notarzt am Einsatzort mit einem RTW des Klägers und der\nentsprechenden Besatzung zusammentrifft, erfolgt die medizinische Versorgung\nunter Heranziehung dieses RTW und der Unterstützung des weiteren\nRettungsdienstpersonals des Klägers. Für den Fall, dass ein Transport des\nNotfallpatienten zum Krankenhaus und eine Betreuung durch den Notarzt\nerforderlich ist, übernimmt er diese Versorgung gemeinsam mit dem\nRettungspersonal des Klägers. Dabei ist die Beigeladene gegenüber dem weiteren\nRettungsdienstpersonal in medizinischen Fragen weisungsbefugt. Die\ndargestellte Nutzung der sächlichen Mittel des Klägers sowie das\nZusammenwirken mit dessen Rettungsdienstpersonal macht deutlich, dass die\nBeigeladene im Rahmen ihrer Einsätze in die Strukturen des Betriebes des\nKlägers eingebunden ist und dabei im Kernbereich seiner Aufgaben\narbeitsteilig, und zwar mit Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeitern des\nKlägers in medizinischen Fragen zusammenwirkt. Während eines Notarztdienstes\nist die Beigeladene zudem an die Weisungen der integrierten Leitstelle\ngebunden, die in eigener Verantwortung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung\ndes Notarztes entscheidet, dessen Alarmierung veranlasst und auch seine\nAnfahrt an den Einsatzort steuert. Ausweislich des mit dem Kläger\ngeschlossenen Vertrags muss die Beigeladene dabei ihre lückenlose\nEinsatzbereitschaft sicherstellen und sich während ihrer Dienstzeit -\nunabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort - zur Abholung bereithalten. Ihre\nEinsatzbereitschaft darf sie zudem erst dann beenden, wenn der ablösende\nNotarzt dienstbereit ist. Damit ist die Beigeladene auch verpflichtet, im\nBedarfsfall, d.h. bei nicht rechtzeitigem Dienstantritt des im Anschluss\ndiensthabenden Notarztes, ihren Dienst über den zuvor gewünschten und im\nDienstplan vorgesehene Umfang hinaus fortzusetzen. Die Beigeladene hat im\nVerhinderungsfall - soweit der Dienstplan veröffentlicht und damit verbindlich\nwurde - im Übrigen auch unverzüglich die Rettungsleitstelle und den Ärztlichen\nLeiter des Notarztstandorts über den vorgenommenen Diensttausch zu\ninformieren. Ausweislich des mit dem Kläger geschlossenen Vertrags unterliegt\ndie Beigeladene während ihres Dienstes schließlich auch den\nHandlungsempfehlungen und Leitlinien des Rettungsdienstbereichs R. (vgl.\n„Weisungsfreiheit, Weisungsrechte“, Satz 4), mithin innerdienstlichen\nWeisungen des Klägers. Die Beigeladene übt ihre notärztliche Tätigkeit daher\nin der betrieblichen Ordnung des Klägers aus und ist damit in dessen Betrieb\neingegliedert. Soweit die Beigeladene ihre Bereitschaftszeit außerhalb\nkonkreter Einsätze nach eigenem Belieben, insbesondere auch mit privaten\nVerrichtungen verbringen kann, ändern diese Gestaltungsmöglichkeiten nichts an\nihrer Eingliederung in den Betrieb des Klägers während der Ausübung des von\nihr aufgenommenen Dienstes. Es liegt insgesamt ein arbeitsteiliges\nZusammenwirken vor. Dem steht nicht entgegen, dass der dem Kläger übertragene\nRettungsdienst ebenso wie die notärztliche Versorgung eine öffentlich-\nrechtliche Aufgabe darstellt und auf der Grundlage des RDG, des\nRettungsdienstplanes sowie weiteren Vereinbarungen durchgeführt wird und dem\nKläger dabei keine ausdrückliche Verpflichtung auferlegt wurde, selbst dafür\nSorge zu tragen, dass die benötigten Notärzte bereitstehen. \n--- \n| 83 \n--- \n| Soweit das SG und ihm folgend der Kläger anknüpfend an das Urteil des LSG\nBerlin-Brandenburg vom 25. März 2015 (a.a.O.) die Auffassung vertritt, dass\nder Gesichtspunkt der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation im\nRahmen der rechtlichen Beurteilung der Tätigkeit eines Notarztes im\nRettungsdienst vor dem Hintergrund der durch Gesetz und sonstigen\nRechtsvorschriften geschaffenen Strukturen mit einem auf Gleichordnung\nangelegten Kooperationssystem zwischen den beteiligten Stellen gänzlich außer\nBetracht zu bleiben habe, überzeugt dies den Senat nicht. Diese Ansicht steht\nbereits in Widerspruch zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, der Gegenteiliges regelt.\nDanach wird als Anhaltspunkte und mithin typisches Merkmal für eine\nBeschäftigung vom Gesetzgeber gerade die Eingliederung in eine\nArbeitsorganisation genannt und neben der „Tätigkeit nach Weisungen“ als\nzentrales Kriterium für eine nichtselbstständige Tätigkeit explizit\naufgeführt. Eine Sonderregelung für bestimmte Berufsgruppen oder gar die\nGruppe der Notärzte im Rettungsdienst sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Der\nSenat sieht keinen überzeugenden Grund, das in Rede stehende Merkmal im Rahmen\nder zu treffenden Gesamtabwägung der für und gegen eine abhängige\nBeschäftigung sprechenden Gesichtspunkte von vorneherein unberücksichtigt zu\nlassen, weil es für die Statusentscheidung – so der Kläger im\nBerufungsverfahren – ungeeignet sei. Insbesondere stützen die vom LSG Berlin-\nBrandenburg (a.a.O.) in der herangezogenen Entscheidung angestellten\nErwägungen die insoweit vertretene Auffassung des Klägers nicht. Denn jener\nEntscheidung lag kein mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbarer\nSachverhalt zu Grunde. In jenem Verfahren war die Frage zu beurteilen, ob der\nNotarzt, der einen Honorarvertrag mit einem Krankenhausträger abgeschlossen\nhatte, im Rahmen seiner Einsätze im Rettungsdienst Beschäftigter des\nKrankenhausträgers war oder eine selbständige Tätigkeit ausübte. Soweit das\nLSG Berlin-Brandenburg (a.a.O. juris, Rn 65) daher ausgeführt hat, dass\nangesichts der Umstände, die die Ausübung der konkret zu beurteilenden\nTätigkeit prägen, der Frage der Eingliederung in eine fremde\nArbeitsorganisation „keine Aussagekraft“ zukomme, beruhte dies allein darauf,\ndass die Tätigkeit eben nicht in der Betriebsstruktur des Vertragspartners,\nsondern in der eines Dritten ausgeübt wurde. Die Erwägungen des LSG Berlin-\nBrandenburg lassen sich auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt daher\nnicht übertragen. Vorliegend ist nicht das Verhältnis eines Notarztes zum\nKrankenhausträger im Rahmen seiner Tätigkeit im Rettungsdienst zu beurteilen,\nsondern das Verhältnis des Notarztes zum Träger des Rettungsdienstes während\nseiner notärztlichen Tätigkeit im Rettungsdienst. \n--- \n| 84 \n--- \n| Soweit der Kläger geltend macht, selbst zur Gestellung von Notärzten nicht\nverpflichtet zu sein, trifft zu, dass es gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 RDG zu den\ngesetzlichen Aufgaben der Krankenhausträger gehört, geeignete Notärzte für die\nTätigkeit im Rettungsdienst zur Verfügung zu stellen. Zudem haben sich\nausweislich der Rahmenvereinbarung auch die kassenärztlichen Vereinigungen und\ndie Landesärztekammer bereit erklärt, an der Bereitstellung geeigneter Ärzte\nmitzuwirken. Allerdings ist nicht vorgegeben, in welcher Form dies geschieht\nund die Mitverantwortung der Krankenhausträger bei der Gestellung von\ngeeigneten Ärzten für den Notarztdienst lässt nicht darauf schließen, dass die\nim Rettungsdienst von den Notärzten wahrgenommenen Dienste letztlich auch den\nKrankenhausträgern zugerechnet werden können. Schließlich dienen die Notärzte\nim Rahmen der in Rede stehenden Dienste – entsprechend den obigen Darlegungen\n– gerade dem Betriebszweck der Träger des Rettungsdienstes und sie erbringen\ndiese Dienste nicht auf Grund ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht gegenüber dem\nKrankenhausträger, sondern aus freien Stücken neben ihren insoweit bestehenden\narbeitsvertraglichen Verpflichtungen als Krankenhausarzt. Der Senat sieht auch\nkeinen hinreichenden Grund dafür, der Eingliederung der Beigeladenen in die\nOrganisationsstruktur des Klägers allein deshalb eine nur untergeordnete\nBedeutung beizumessen, weil die wesentlichen Grundlagen des\nRettungsdienstsystems auf den Vorgaben des RDG beruhen und die eingesetzten\nNotärzte damit Teil der sog. Rettungskette sind und eine Eingliederung in die\nfremde Betriebsstruktur damit möglicherweise schon der Natur der Sache nach zu\nbejahen ist. Entsprechendes vermag der Senat insbesondere nicht aus dem vom\nKläger herangezogenen Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom\n8. Februar 2017 (a.a.O.) herzuleiten, das im konkreten Einzelfall eine solche\nbetriebliche Eingliederung des Notarztes verneinte, weil der Kläger, eine von\neiner kreisangehörigen Stadt als Träger des Rettungsdienstes gegründeter\nVerein, selbst über keine Arbeitsorganisation verfügte, weil die sächliche\nInfrastruktur mit RTW und NEF (einschließlich der jeweiligen personellen\nBesetzung), Leitstelle, Rettungswache, Aufenthaltsraum für Notärzte,\nFunkempfänger etc. nicht vom Kläger, sondern von der Stadt zur Verfügung\ngestellt wurde. Im Gegensatz dazu verfügt der Kläger als Träger des\nRettungsdienstes vorliegend über die komplette Infrastruktur, in die die\nBeigeladene bei Ausübung ihrer notärztlichen Dienste eingegliedert ist. Auch\ndem weiteren, vom Kläger herangezogenen Urteil des Hessischen\nLandessozialgerichts vom 11. April 2019 (a.a.O.) lagen im Hinblick auf das\nRettungswesen Strukturen zu Grunde, die mit jenen im vorliegenden Verfahren\nnicht vergleichbar sind. Auch der in diesem Verfahren klagende Landkreis als\nTräger des Rettungsdienstes verfügte selbst nicht über die erforderlichen\nBetriebsmittel (Rettungswache, Fahrzeuge, Ausrüstung) zur Erfüllung seiner\nAufgaben; diese wurden ihm ebenso wie personelle Mittel von städtischer Seite\nzur Verfügung gestellt. Vor diesem Hintergrund verneinte der Senat eine dem\nklagenden Landkreis selbst zurechenbare strukturierte Arbeitsorganisation, in\ndie der in jenem Verfahren beigeladene Notarzt hätte eingegliedert sein\nkönnen. Aus den vom Kläger zur Stützung seiner Rechtsauffassung herangezogenen\nUrteilen vermag der Senat daher keine abweichende Beurteilung herzuleiten. \n--- \n| 85 \n--- \n| Soweit die von der Beigeladenen zu erbringende Leistung daher nur innerhalb\nder vom Kläger vorgegebenen Struktur in enger Zusammenarbeit und Abstimmung\nmit anderen erbracht werden kann und schon aus Gründen, die in der Natur der\nSache liegen, eine Eingliederung der Beigeladenen in den Betrieb des Klägers\nzu bejahen ist, liegt ein maßgebliches, für eine Beschäftigung sprechendes\nMerkmal vor. Dies gilt unabhängig davon, dass im Einzelfall – wie dies beim\nKläger der Fall ist – nicht gewünscht ist, eine Beschäftigung zu begründen. \n--- \n| 86 \n--- \n| (2) Relevante Indizien, die für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit\nsprechen, vermag der Senat nicht zu erkennen. \n--- \n| 87 \n--- \n| Die Beigeladene trägt im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin zu 1 kein\nnennenswertes, das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägendes Unternehmerrisiko,\nwas im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss\nvom 16. Oktober 2010 – B 12 KR 100/09 B – juris, Rn. 10; ständige\nRechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 8. Juli 2016 – L 4 R 4979/15 –\njuris, Rn. 46). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines\nSelbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit\nder Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der\ntatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil\nvom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris). Aus dem (allgemeinen) Risiko,\naußerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft\ngegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko\nbezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR\n16/13 R – juris, Rn. 36). Vorliegend trug die Beigeladene kein relevantes\nVerlustrisiko. Ihre Tätigkeit erforderte keine relevanten Betriebsmittel und\nihre Arbeitskraft setzte sie im Wesentlichen nicht mit der Gefahr des\nVerlustes ein. So erhielt sie für die erbrachten Dienste eine Vergütung, die\nnach geleisteten Stunden, zuzüglich einer Pauschale ab dem dritten Einsatz pro\nSchicht bemessen war. Das Risiko, nicht wie gewünscht arbeiten zu können, weil\nder Ärztliche Leiter des Notarztstandorts die Dienste anderweitig vergibt,\nstellt kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer\ntrifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden\nbezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist (vgl. Senatsurteile vom 23.\nJanuar 2004 – L 4 KR 3083/02 – juris, Rn. 20 und 27. März 2015 – L 4 R 5120/13\n– nicht veröffentlicht). Es muss deshalb ein Wagnis bestehen, das über\ndasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko\nwird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur\nkein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch\nKosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder\nfrüher getätigte Investitionen brachliegen (Senatsurteile vom 23. Januar 2004\n– L 4 KR 3083/02 –, 27. März 2015 – L 4 R 5120/13 – a.a.O. und 18. Mai 2018 –\nL 4 KR 3961/15 – juris, Rn. 52; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.\nDezember 2009 – L 16 R 5/08 – juris, Rn. 38). Dies war bei der Beigeladenen\nnicht der Fall. \n--- \n| 88 \n--- \n| Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Einsatz eigenen\nKapitals bzw. eigener Betriebsmittel keine notwendige Voraussetzung für eine\nselbständige Tätigkeit ist (BSG, Urteil vom 27. März 1980 – 12 RK 26/79 –\njuris, Rn. 23). Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder\nandere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten\n(vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – juris, Rn. 25; Urteil\ndes Senats vom 16. April 2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 95). Mit ihrer\nTätigkeit als Notärztin übte die Beigeladene eine solche Tätigkeit aus. Für\ndie Ausübung dieser hochqualifizierten Tätigkeit war weder der Einsatz eigenen\nKapitals erforderlich, noch benötigte die Beigeladene hierfür relevante\nBetriebsmittel. Entsprechend misst der Senat diesem Gesichtspunkt auch nur\ngeringe Bedeutung bei. \n--- \n| 89 \n--- \n| Soweit für die Beigeladene keine Verpflichtung bestand, nach Aufnahme in den\nmonatlichen Dienstplan den entsprechenden Dienst tatsächlich auch anzutreten,\nvielmehr die Möglichkeit bestand, im Verhinderungsfall den Dienst mit einem\nanderen Notarzt zu tauschen oder anderweitig für Ersatz zu sorgen, stellt die\nMöglichkeit den Dienst einem Dritten zu übertragen ein Indiz für das Vorliegen\neiner selbständigen Tätigkeit dar, da Beschäftigte ihre Arbeitsverpflichtung\nim allgemeinen persönlich zu erbringen haben. \n--- \n| 90 \n--- \n| Für eine selbständige Tätigkeit kann darüber hinaus zwar der in dem\ngeschlossenen Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Beteiligten sprechen,\nkeine abhängige Beschäftigung zu begründen. Allerdings kommt es auf eine\nentsprechende vertragliche Abrede nur dann entscheidend an, wenn die\ntatsächlichen Umstände in etwa gleichermaßen für eine Selbstständigkeit oder\nfür eine Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R\n– juris, Rn. 13; Urteil vom 26. Januar 1982 - 12 BK 44/81 – juris, Rn. 3).\nDies ist vorliegend aber nicht der Fall. \n--- \n| 91 \n--- \n| Relevante weitere, für eine selbständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkt\nsind nicht ersichtlich. Insbesondere misst der Senat dem vorgebrachten\nUmstand, dass Notärzte typischerweise nicht den sozialen Schutz der\nVersicherungspflicht benötigten, die Beigeladene im Außenauftritt nicht als\nseine Vertreterin oder Mitarbeiterin auftrete, er keine eigenen Ärzte\nbeschäftige, die Beigeladene nicht an Dienstbesprechungen teilzunehmen habe\nund ihm hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der notärztlichen Tätigkeit kaum\nWeisungsbefugnisse zustünden, nur geringe Bedeutung bei. \n--- \n| 92 \n--- \n| (3) Unter Abwägung aller Merkmale führt das Gesamtbild der Tätigkeit der\nBeigeladenen für den Kläger zum Vorliegen einer Beschäftigung. Ausschlaggebend\ndafür ist in erster Linie der Grad der Einbindung der Beigeladenen in die\nArbeitsabläufe und die Organisationsstruktur des Klägers. Mit dem Antritt\nihres jeweiligen Dienstes dient die Beigeladene dem Kläger als Träger des\nRettungsdienstes mit den ihm obliegenden Aufgabenbereich der Notfallrettung\nund des Krankentransports und damit dem Betriebszweck des Klägers, in dessen\nOrganisation sie eingebunden ist. Die für eine Selbständigkeit sprechenden\nAspekte können den vor diesem Hintergrund bestehenden Eindruck einer\nabhängigen Beschäftigung nicht durchgreifend erschüttern. \n--- \n| 93 \n--- \n| Auch das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 18. Dezember 2013 – L 2 R\n64/10 – juris) und das LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 28. April 2015 –\nL 7 R 60/12 – juris) haben in diesem Sinne nach Abwägung der für und gegen\neine Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte die Tätigkeit eines Notarztes im\nRettungsdienst als Beschäftigung angesehen. \n--- \n| 94 \n--- \n| (4) Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass damit zu rechnen sei,\ndass sich die Sanitätsorganisationen an der organisatorischen Mitwirkung der\nNotarztversorgung zurückzögen, wenn an ihr „überobligationsmäßiges“ Verhalten\nnun die Sozialversicherungspflicht von Notärzten geknüpft werde, dies ferner\nzu einer zusätzlichen Belastung der gesetzlichen Krankenkassen als eigentliche\nSchuldner der Vergütung der Notärzte führe und zudem der Notarztmangel weiter\ngefördert werde, da die mit den Vergütungen verbundenen Abzüge die Tätigkeit\nunattraktiver machten, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der\ndurch Art. 1a Nr. 2 und 3 Gesetz zur Stärkung der Heil- und\nHilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG) vom 4.\nApril 2017 (BGBl. I, S. 778) zum 11. April 2017 in Kraft getretene Regelung\ndes § 23c Abs. 2 SGB IV auf die angesprochene Problematik bereits reagiert\nhat. Danach sind Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im\nRettungsdienst nicht beitragspflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben einer\nBeschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden\nwöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes (Nr. 1) oder einer Tätigkeit als\nzugelassenen Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt\nwerden (Nr. 2). Eine abweichende Beurteilung in der vorliegend zu\nbeurteilenden statusrechtlichen Streitigkeit lässt sich hieraus allerdings\nnicht herleiten. Denn die Vorschrift beinhaltet keine statusrechtliche\nEinordnung der Notärzte im Rettungsdienst. Sie setzt vielmehr gerade voraus,\ndass diese Tätigkeit im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen\nBeschäftigung ausgeübt werden kann und regelt angesichts der herausragenden\ngesellschaftlichen Bedeutung der Sicherstellung der ärztlichen Akutversorgung\nim Notfall lediglich die Beitragsbefreiung in einer solchen Tätigkeit\n(KassKomm/Ziegelmeier, § 23c SGB IV Rn. 11). \n--- \n| 95 \n--- \n| (5) In der Tätigkeit als Notärztin besteht für die Beigeladene keine\nVersicherungspflicht in der Rentenversicherung. Als Beschäftigte ist die\nBeigeladene zwar gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig, allerdings\nwurde sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 1 SGB VI mit Bescheid der Beklagten vom\n3. Februar 2006 ab 18. Januar 2006 von der Versicherungspflicht befreit. Nach\nden Ausführungen in diesem Bescheid gilt diese Befreiung für die Tätigkeit als\nÄrztin, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen\nVersorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der\nBerufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw. Beiträge in gleicher\nHöhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen\nRentenversicherung zu zahlen wären. Anhaltspunkte dafür, dass diese\nVoraussetzungen nicht mehr erfüllt wären, sind angesichts der von der\nBeigeladenen weiterhin ausgeübten Tätigkeit als Ärztin im Z. Klinikum nicht\nersichtlich. \n--- \n| 96 \n--- \n| (6) Demgegenüber ist die Beigeladene versicherungspflichtig in der Kranken-,\nPflege- und Arbeitslosenversicherung. Eine geringfügige Beschäftigung, die\nnach § 27 Abs. 2 SGB III und § 7 Abs. 1 SGB V zur Versicherungsfreiheit des\nBeschäftigten führen kann, liegt bei der Beigeladenen in der für den Kläger\nausgeübten Tätigkeit nicht vor. \n--- \n| 97 \n--- \n| Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung des\nGesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5.\nDezember 2012 (BGBl. I, S. 2474) und der ab 1. Januar 2019 geltenden Fassung\ndes Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und mehr Schutz der\nArbeitslosenversicherung vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I, S. 2651) liegt eine\ngeringfügige Beschäftigung vor, wenn (1.) das Arbeitsentgelt aus dieser\nBeschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 EUR nicht übersteigt, (2.) die\nBeschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate (ab 1.\nJanuar 2019: drei Monate) oder 50 Arbeitstage (ab 1. Januar 2019: 70\nArbeitstage) nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus\nvertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig\nausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 EUR im Monat übersteigt. \n--- \n| 98 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV sind nicht erfüllt. Das\nArbeitsentgelt aus der Beschäftigung der Beigeladenen überstieg regelmäßig\n450,00 EUR im Monat. Dies entnimmt der Senat den Angaben des Klägers im\nSchriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. August 2017, wonach die\nBeigeladene monatliche Vergütungen zwischen 607,10 EUR und 1.518,70 EUR\nerzielte. Anhaltspunkte dafür, dass seither diesbezüglich eine relevante\nÄnderung eingetreten ist, sind nicht ersichtlich. Entsprechendes behauptet\nauch der Kläger nicht. \n--- \n| 99 \n--- \n| Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV sind nicht erfüllt. Der\nzwischen dem Kläger und der Beigeladenen geschlossene Vertrag enthält\nkeinerlei Regelung, die den Einsatz der Beigeladenen für den Kläger innerhalb\neines Kalenderjahres auf längstens zwei bzw. drei Monate oder 50 bzw. 70\nArbeitstage begrenzte. Auch aus der Eigenart der Tätigkeit ergibt sich keine\nsolche Begrenzung. Darauf dass die Beigeladene – wie vom Kläger im\nKlageverfahren geltend gemacht – tatsächlich nur an ca. 20 Tagen tätig ist,\nkommt es nicht an. \n--- \n| 100 \n--- \n| Eine unständige, in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfreie\nTätigkeit nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III lag ebenfalls nicht vor. Danach sind\nversicherungsfrei Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie\nberufsmäßig ausüben (Satz 1). Unständig ist eine Beschäftigung, die auf\nweniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder\nim Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (Satz 2). Eine solche\nBeschränkung auf weniger als eine Woche ist nicht vereinbart. Der zwischen den\nBeteiligten geschlossene Vertrag enthält keine entsprechende Regelung. Auch\naus der Natur der Sache ergab sich bei fehlender Absehbarkeit von Häufigkeit\nund Dauer der Einsätze eine zwingende Begrenzung auf unter eine Woche nicht.\nDaran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beigeladene tatsächlich nur ca.\nzweimal monatlich eine Dienstschicht übernimmt. \n--- \n| 101 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155\nAbs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da nur die Beklagte Berufung\neingelegt hat und sie nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört,\nfinden im Berufungsverfahren nach § 197a SGG die VwGO und das\nGerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Die außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat (vgl.\n§ 154 Abs. 3 VwGO). \n--- \n| 102 \n--- \n| 5\\. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2\nSGG) nicht vorliegen. \n--- \n| 103 \n--- \n| 6\\. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz\n1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG endgültig\nfestgesetzt. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von\n5.000,00 EUR, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen\nBeschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende\nSozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine\nGesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden. \n---\n\n
330,542
lg-schweinfurt-2020-08-10-23-o-80219
272
Landgericht Schweinfurt
lg-schweinfurt
Schweinfurt
Bayern
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
23 O 802/19
2020-08-10
2020-08-16 10:00:49
2020-12-10 13:37:40
Endurteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.809,78 € nebst Zinsen in\nHöhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 zu\nzahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Seat Exeo ST nebst\nFahrzeugschlüsseln und -papieren.\n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten der\naußergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen in Höhe\nvon 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 zu zahlen.\n\n3\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n4\\. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14% und die Beklagte 86%\nzu tragen.\n\n5\\. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung von Sicherheit in\nHöhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.\n\nBeschluss\n\nDer Streitwert wird auf 18.900 € festgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\nDie Parteien streiten um Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag\nüber einen vom so genannten VW-Abgasskandal betroffenen Pkw.\n\nDer Kläger kaufte am 16.10.2013 in Burglauer bei der Firma Autodienst Bi1.\neinen gebrauchten Seat Exeo ST, mit einer Laufleistung von 15 km für 18.900 €\n(Anlage K1). Der Kläger zahlte den Kaufpreis und bekam den Seat übereignet.\n\nIm Seat ist ein Dieselmotor vom Typ EA 189 der Beklagten eingebaut.\n\nDer Dieselmotor EA 189 der Beklagten war zur Optimierung der Stickstoff-\nEmissionswerte ursprünglich flächendeckend herstellerseits mit einer Software\nversehen, welche erkennt, ob das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur\nErmittlung der Emissionswerte oder im üblichen Straßenverkehr betrieben wird.\nAuf dem Prüfstand initiierte die eingebaute Software im Hinblick auf den\nStickoxidausstoß ein anderes Motorprogramm als im Normalbetrieb, so dass der\nMotor auf dem Prüfstand während des Prüfstandtests die gesetzlich vorgegebenen\nund im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte einhält. Unter realen\nFahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug hingegen mit einer\ngeringeren Abgasrückführungsrate betrieben, so dass die im Prüfstand erzielten\nStickoxidwerte überschritten werden.\n\nSeit Juli 2017 kündigte das Kraftfahrtbundesamt den Eigentümern von Fahrzeugen\nmit dem Dieselmotor EA 189 an, dass für den Fall der Nichtdurchführung eines\nUpdates der Motorsoftware mit der Untersagung des weiteren Betriebs des\nFahrzeugs auf öffentlichen Straßen zu rechnen sei.\n\nDie Beklagte bot in der Folgezeit auf ihre Kosten an, die Dieselfahrzeuge mit\ndem Motor EA 189 mittels einer überarbeiteten Version der Motorsoftware\nnachzurüsten.\n\nDer Kläger hatte sich am 28.12.2018 zur Musterfeststellungsklage angemeldet\nund hat sich von dieser mit Wirkung zum 27.09.2019 wieder abgemeldet.\n\nVorgerichtlich forderte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit\nSchriftsatz vom 11.11.2019 (Anlage K13) die Beklagte unter Berufung darauf,\ndass der Kaufvertrag über den Seat Exeo Folge falscher Angaben über dessen\nAbgaswerte gewesen und die Beklagte daher für die Rückabwicklung des\nKaufvertrags einstandspflichtig sei, zur Erstattung des Kaufpreises unter\nAnrechnung einer Nutzungsentschädigung auf, wobei er von einer\nGesamtlebenslaufleistung von 350.000 km ausging.\n\nDer Kläger behauptet, den Seat nicht erworben zu haben, wenn ihm bekannt\ngewesen wäre, dass das Fahrzeug über eine Abschalteinrichtung verfüge, um im\nFalle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte einzuhalten. Es handele sich\nhierbei um eine Betrugssoftware. Die Beklagte habe hier aus eigenem\nGewinnstreben und um die Marktführerschaft auf dem Markt für Personenfahrzeuge\nzu erreichen, diese Motoren entwickelt. Die Entwicklungsingenieure hätten das\nProblem gehabt, die Grenzwerte mit legalen Mitteln nicht einhalten zu können.\nDas gewählte Vorgehen sei ohne Kenntnis des Vorstands, derart bei den\nMotorserien aller konzernangehöriger Fabrikate vorzugehen, nicht denkbar. Für\nden Kläger sei für den Kauf des Fahrzeugs indes die angepriesenen niedrigen\nAbgaswerte ausschlaggebend gewesen. Mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug\nhabe er auf Grund der geschilderten Manipulation nunmehr einen Wertverlust\nerlitten.\n\nDer Klägerin meint, die Beklagte schuldet ihm die Erstattung des Kaufpreises\nunter dem Gesichtspunkt der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Eine\netwaige Nutzungsentschädigung sei auf Grundlage einer Gesamtlebenslaufleistung\nvon 300.000 km in Ansatz zu bringen.\n\nEr meint ferner, die Beklagte habe ihn von den Kosten der vorgerichtlichen\nRechtsverfolgung freizustellen, welche aus einer 2,0-Gebühr zu errechnen\nseien.\n\nMit seiner der Beklagten am 18.12.2019 zugestellten Klage beantragt der Kläger\nwie folgt:\n\n„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 18.900,00 nebst\nZinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 17.10.2013 bis 2.11.2019 und seither von\nfünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer im Termin zu\nbeziffernde Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung\ndes Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 26.11.2019 mit der\nRücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug\nbefindet.\n\n3\\. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen\nRechtsverfolgung in Höhe von Euro 1.680,28 nebst Zinsen in Höhe von fünf\nProzentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2019 zu zahlen.“\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndie Klage abzuweisen.\n\nDie Beklagte ist der Auffassung, es liege keine unzulässige\nAbschaltvorrichtung vor, da im Laufe des Fahrzeugbetriebs die Wirksamkeit des\nEmissionskontrollsystems nicht reduziert werde. Das Fahrzeug verfüge auch\nunverändert über die erteilte EG-Typengenehmigung mit der Abgasnorm EU 5.\nLetztlich habe die Software des Seat Exeo für den Kläger völlig kostenfrei\nnachgerüstet werden können, ohne dass dies negative Auswirkungen auf das\nFahrzeug habe. Die ursprünglich eingebaute Motorsoftware sei üblich für den\nerforderlichen Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand. Es sei insofern auch\nüblich und gemeinhin bekannt, dass die Werte, die im Testbetrieb (sog. NEFZ)\nermittelt werden würden, im Straßenbetrieb nicht zu erreichen wären.\n\nDer Pkw des Klägers sei technisch sicher und uneingeschränkt\ngebrauchstauglich.\n\nDie Beklagte habe mithin nicht getäuscht. Außerdem habe die Beklagte\nhinsichtlich einer vermeintlichen Täuschung keinen Vorsatz gehabt. Nach\nderzeitigem Ermittlungsstand sei die Entscheidung, die Motorsoftware zu\nverändern, jedenfalls nicht von Mitarbeitern der Vorstandsebene getroffen\nworden. Der Vorstand der Beklagten habe nach derzeitigem Stand keine Kenntnis\ngehabt. Auch habe die Beklagte nicht sittenwidrig gehandelt. Zudem habe die\nBeklagte nicht mit Schädigungsvorsatz gehandelt.\n\nAußerdem seien etwaige Ansprüche des Klägers auch seit dem 31.12.2018\nverjährt. So müsse im Angesicht der Medienberichterstattung zur Dieselthematik\nseit Herbst 2015 sowie der Freischaltung einer Internetseite zur Überprüfung\nder Fahrzeuge angenommen werden, dass der Kläger seit Herbst 2015 Kenntnis von\nder Dieselthematik und seiner individuellen Betroffenheit hatte oder hätte\nhaben können. Der Kläger habe daher ohne Weiteres bereits 2015 Klage erheben\nkönnen. Dies sei auch nicht unzumutbar gewesen. Soweit der Kläger sich\nhingegen zunächst zur Musterfeststellungsklage angemeldet habe, entfalte dies\nkeine Verjährungshemmung, da dieser Anschluss rechtsmissbräuchlich erfolgt\nsei. Dem Kläger sei von Anfang an nicht daran gelegen gewesen, seine Ansprüche\ngegen die Beklagte im Rahmen der Musterfeststellungsklage geltend zu machen.\nDie Bevollmächtigten hätten den Kläger lediglich zum Zwecke der\nVerjährungshemmung zur Musterfeststellung angemeldet, ohne aber jemals\nvorgehabt zu haben, dass der Kläger am Verfahren vollständig teilnehme.\n\nDer Kläger hat in der öffentlichen Sitzung vom 22.06.2020 den letzten\nKilometerstand des Seat unter Vorlage eines Lichtbildes mit 120.256 km\nangegeben (Blatt 236 der Akte), was durch die Beklagte unstreitig gestellt\nworden ist (a.a.O.).\n\n## Gründe\n\nDer Antrag zu 3.) ist in der aus dem obigen Tenor ersichtlichen Art unter\nBeachtung des Willens des Klägers (§ 308 ZPO) anpassend auszulegen gewesen.\n\nDies vorausgeschickt, ist die Klage zulässig (sogleich unter A.), im\ntenorierten Umfang begründet (unter B.) und im Übrigen unbegründet (sodann\nunter C.).\n\nA.\n\nDie Klage ist zulässig.\n\nDies gilt insbesondere hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2.). Das für\ndie begehrte Feststellung erforderliche Interesse im Sinne des § 256 ZPO folgt\ndaraus, dass die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten der\nerleichterten Vollstreckung des Leistungsantrags zu Ziffer 1.) dient und\nhierzu gemäß §§ 765, 756 ZPO erforderlich ist (vgl. BGH, NJW 2000, 2663\n[2664]).\n\nB.\n\nDie Klage ist im tenorierten Umfang begründet.\n\nI.\n\nDer Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises\n(abzüglich der Zahlung einer Nutzungsentschädigung) unter dem Gesichtspunkt\ndes Schadensersatzes gemäß §§ 826 Abs. 1, 31 BGB, Zug um Zug gegen Übergabe\nund Übereignung des streitgegenständlichen Seat Exeo nebst Fahrzeugschlüsseln\nund -papieren.\n\n1\\. Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten\nverstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem anderen\nzum Ersatz des hieraus resultierenden Schadens verpflichtet. Diese\nVoraussetzungen sind hier erfüllt.\n\na) Das Verhalten der Beklagten verstieß gegen die guten Sitten (so nunmehr\nauch BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS; vgl. dazu bereits\nOLG München, Urteile jeweils vom 15.01.2020 zum Az.: 20 U 3219/18, BeckRS\n2020, 89, bzw. Az.: 20 U 3247/18, BeckRS 2020, 90, sowie Urteile vom\n17.12.2019, Az.: 18 U 3363/19, BeckRS 2019, 33717 und vom 15.10.2019, Az.: 24\nU 797/19, BeckRS 2019, 25424; OLG Karlsruhe, MDR 2019, 1189; OLG Koblenz, NJW\n2019, 2237; umfassend dazu Heese, NJW 2019, 257).\n\naa) Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die nach Inhalt oder\nGesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen\nund Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht\nDenkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und\nSittenordnung nicht vereinbar ist (siehe Teichmann, in: Jauernig, Bürgerliches\nGesetzbuch, 17. Auflage 2018, § 826 Rdnrn. 4 ff.). Ein Unterlassen ist dann\nsittenwidrig, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Dass\ndas Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig\nerscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. So ist insbesondere die\nVerfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten im Grundsatz selbst\ndann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist. Hinzutreten\nfür die Annahme eines objektiv sittenwidrigen Verhaltens muss eine nach den\nMaßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und gemäß des als ‚anständig‘\nGeltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem\nverfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung\noder den eintretenden Folgen ergeben kann (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 79.\nAuflage 2020, § 826 Rdnr. 4 m.w.N.).\n\nDie Beklagte hat bei den von ihr hergestellten Dieselmotoren vom Typ EA 189\ndurch den Einbau einer Erkennungssoftware bewirkt, dass der Testlauf auf einem\nAbgasprüfstand erkannt und sodann der Motor in einem Modus geregelt wird, bei\ndem die gesetzlichen Grenzwerte der VO (EG) 715/2007 über die Typengenehmigung\nvon leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) für\nAbgase eingehalten werden, während in den tatsächlichen Fahrphasen ein\nVielfaches des gesetzlich zulässigen Abgasgrenzwertes ausgestoßen wird. Dieser\nMechanismus zur aktiven Unterdrückung der tatsächlichen Schadstoffemissionen\nim für die Betriebsgenehmigung des Fahrzeugs relevanten Prüfbetrieb ist als so\ngenannte „Abschalteinrichtung“ rechtswidrig gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO\n(EG) 715/2007.\n\nGemäß Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 liegt eine Abschalteinrichtung vor, wenn\nes sich um ein Konstruktionsteil handelt, das sonstige Parameter ermittelt, um\ndie Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu\ndeaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter\nBedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwarten sind, verringert\nwird. Bei der verbauten Software handelt es sich um ein derartiges\nKonstruktionsteil. Denn diese Software ermittelt Parameter zum Erkennen des\nStraßenbetriebs und schaltet hierfür die Abgasrückführung teilweise so ab,\ndass weniger Abgase wieder in den Ansaugbereich des Motors gelangen. Hierdurch\nwird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert (siehe etwa OLG\nKoblenz, NJW 2019, 2237 [2238]; LG München II, Urteil vom 15.12.2016, Az. 12 O\n1482/16, BeckRS 2016, 124448; vgl. auch Faßbender, NJW 2017, 1995 [1999] - so\nauch die Rspr. des LG Schweinfurt, vgl. etwa Urteile vom 10.02.2020 zum Az. 23\nO 560/19 oder jeweils vom 03.02.2020 zu den Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19).\n\nDie genannte europäische Regelung basiert auf der Sorge der EU-Mitgliedstaaten\nüber die Luftverschmutzung und den hiervon ausgehenden Gefahren für die Umwelt\nsowie die Gesundheit der Bürger (Erwägungsgrund 7 VO [EG] 715/2007) und ist\nErgebnis des im März 2001 durch die Kommission initiierten Programms „Saubere\nLuft für Europa“ (Erwägungsgrund 4 der VO [EG] 715/2007). Zur Verbesserung der\nLuftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte hat es die\nKommission insbesondere für erforderlich erachtet, eine erhebliche Minderung\nder Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zu erreichen (Erwägungsgrund 6 VO\n[EG] 715/2007). Dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen der Festsetzung der\nEmissionsgrenzwerte nach Euro 5 und Euro 6 davon ausging, dass diese\nGrenzwerte im normalen Fahrbetrieb und gerade nicht nur auf dem Prüfstand\neingehalten werden, ergibt sich ausdrücklich aus den Erwägungsgründen der\nVerordnung (EG) 715/2007, in denen es heißt:\n\n„Es sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, um striktere\nEmissionsgrenzwerte einzuführen, einschließlich der Senkung von\nKohlendioxidemissionen, und um sicherzustel - len, dass sich die Grenzwerte\nauf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwen - dung beziehen“\n\n(Erwägungsgrund 12 der VO [EG] 715/2007).\n\nFerner heißt es\n\n„Überprüfungen können erforderlich sein, um zu gewährleisten, dass die bei der\nTypgenehmi - gungsprüfung gemessenen Emissionen denen im praktischen\nFahrbetrieb entsprechen.“ (Erwägungsgrund 15 der VO [EG] 715/2007).\n\nDiese Regelungen wären überflüssig, ginge der Verordnungsgeber davon aus, dass\nsein Emissionsregelwerk lediglich im Prüfstandmodus im Rahmen der\nTypengenehmigung eingehalten werden soll.\n\nEin Ausnahmetatbestand gemäß Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007, der die\nRechtswidrigkeit entfallen ließe, ist vorliegend nicht einschlägig. Zwar\nentfällt die Rechtswidrigkeit der Verwendung von Abschalteinrichtungen im\nSinne des Art. 5 Abs. 2 S. 2 Buchst. a) der VO (EG) 715/2007, wenn die\nEinrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu\nschützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Diese\nVoraussetzungen liegen aber bereits deshalb nicht vor, da lediglich der\npunktuelle, vorübergehende Einsatz von Abschalteinrichtungen privilegiert ist\n(vgl. Faßbender, NJW 2017, 1995 [1999]).\n\nEin Durchschnittskäufer darf und kann mithin erwarten, dass die im Prüfbetrieb\nlaufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv\nbleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im\nTestzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die staatliche Regulierung\nzulässiger Stickoxidausstoßgrenzen Makulatur (vgl. auch LG Arnsberg, Urteil\nvom 14.06.2017, Az. 1 O 182/16, BeckRS 2017, 114379).\n\nMit der Konstruktion und dem Vertrieb von Dieselmotoren des Typs EA 189 unter\nVerschweigen der genannten gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung zum Zweck\ndes Weiterverkaufs hat die Beklagte eine schädigende Handlung vorgenommen.\n\nEs bestand eine Pflicht der Beklagten, jeden Endverbraucher ihrer Produkte\ndarüber aufzuklären, dass in der Motorsteuerung eine Software verbaut wurde,\ndie dafür sorgt, dass der Schadstoffausstoß nur im Prüfbetrieb die angegebenen\nGrenzwerte einhält. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte „nur\nden Motor“ hergestellt hat, das Fahrzeug aber von einer dritten, mit der\nBeklagten nicht identischen, Person vertrieben worden ist. Unter\nBerücksichtigung eines bei lebensnaher Betrachtung vorliegenden Informations-\nund Wissensgefälles zwischen dem Käufer als Verbraucher und dem Hersteller\n(des Motors) durfte und musste der Verbraucher davon ausgehen, dass das von\nihm erworbene Fahrzeug die Schadstoffgrenzwerte nicht nur im Prüfbetrieb,\nsondern auch unter Realbedingungen im Straßenverkehr (jedenfalls weitgehend)\neinhält (vgl. OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 20 U 3219/18, BeckRS\n2020, 89).\n\nDie Offenbarungspflicht und bei deren Missachtung auch die Täuschung zum\nNachteil des Klägers ergibt sich zudem daraus, dass die Verwendung der\nManipulationssoftware durch die Beklagte dazu geführt hat, dass das vom Kläger\nerworbene Fahrzeug unter kaufrechtlichen Aspekten im Zeitpunkt der Übergabe\nmangelhaft war. Denn ein Durchschnittskäufer darf im Sinne des § 434 Abs. 1 S.\n2 Nr. 2 Alt. 2 BGB erwarten, dass die im Prüfbetrieb laufenden\nstickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und\nnicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert oder nur im Testzyklus\naktiviert werden. Das den geltenden Abgasvorschriften entsprechende\nEmissionsverhalten eines Motors stellt eine Eigenschaft dar, die für die\ngeschuldete Beschaffenheit im Sinne des § 432 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB maßgeblich\nist (vgl. BGH, NJW 2019, 1133 unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG\nBamberg vom 20.09.2017 zum Az.: 6 U 5/17, BeckRS 2016, 130330; ferner BGH, NJW\n2019, 1950; so auch OLG Ko - blenz, NJW 2019, 2246 [2247]; OLG Nürnberg, NZV\n2018, 315 [1. LS]; OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2018, Az. 18 U 134/17, BeckRS\n2018, 4574 - bespr. durch Ring, SVR 2018, 219 [dort: 220]; OLG Jena, NZV 2018,\n571 [571] m. Anm. Lempp OLG München, NJW-RR 2017, 1238 1239); siehe zudem\nGutzeit, JuS 2019, 649 [651] oder Ring, SVR 2017, 441 [442 f. m.w.N.).\n\nSoweit die Beklagte vorträgt, dass es zwischen dem Prüfbetrieb und dem\nFahrbetrieb auf der Straße ‚naturgemäß‘ zu einer Abweichung bzgl. des\nSchadstoffausstoßes kommen könne und dies Verbrauchern auch bewusst sei, wird\nverkannt, dass es sich vorliegend nicht um geringfügige Abweichungen handelt,\ndie damit verbunden sind, dass der reale Fahrbetrieb nur simuliert wird.\nVielmehr geht es um Abweichungen, die sich daraus ergeben, dass der simulierte\nFahrbetrieb mit dem realen Fahrbetrieb auf Grund der Abschalteinrichtung rein\ngar nichts mehr zu tun hat. Der Verbraucher, und hier der Kläger, kann und\ndarf (bei durchaus sich ergebenden Abweichungen zwischen Werten im Prüf- und\nFahrbetrieb) erwarten, dass die Genese der Werte jedenfalls nicht durch eine\nAbschaltvorrichtung mittels gesonderter ‚Betriebsmodi‘ verfälscht wird.\n\nBei Würdigung der Gesamtumstände ist das Verschweigen des Einsatzes der\nAbschalteinrichtung auch unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen\nAnstandsmaßstabs als sittenwidrig zu bewerten, da ein derartiges Verhalten mit\nden Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar ist und von einem\nredlichen und rechtstreuen Verbraucher auch nicht erwartet werden kann. Gerade\ndas heimliche, planvoll angelegte Vorgehen der Beklagten unter Ausnutzung\neines eigenen Informations- und Wissensvorsprungs gegenüber dem ahnungslosen\nVerbraucher lässt das Verhalten der Beklagten als rechtlich sittenwidrig\nerscheinen und ist keinesfalls nur als Gesetzesverstoß anzusehen. Die\nManipulation konnte von einem Verbraucher als technischen Laien nicht erkannt\nwerden, so dass die Beklagte von vornherein einkalkulierte, dass die\nManipulation nicht entdeckt werden wird. Dies erscheint vor allem vor dem\nHintergrund besonders verwerflich, da die Entscheidung zum Kauf eines\nKraftfahrzeugs, zumindest für den durchschnittlichen Verbraucher, mit einem\nerheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist, der bei lebensnaher\nBetrachtung auf einer wohl überlegten und abwägenden Entscheidung fußt (LG\nPaderborn, Urteil vom 07.04.2017, Az. 2 O 118/16, BeckRS 2017, 108460; LG\nSchweinfurt, Urteile vom 10.02.2020 zum Az. 23 O 560/19 oder jeweils vom\n03.02.2020 zu den Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19).\n\nEs verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, dass\ndie Beklagte eine Software eingesetzt hat, welche die Einhaltung der\ngesetzlichen Umweltstandards bewusst ‚vorspielt‘, um damit ein dem\ngesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und\nUmweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten. Die objektive\nSittenwidrigkeit der schädigenden Handlung rührt daraus, dass die Beklagte\ngegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstieß und durch den\nflächendeckenden, millionenfachen Vertrieb der betroffenen Fahrzeuge bzw. der\nMotoren nicht nur eine Schädigung der Umwelt unmittelbar, sondern auch der\nGesundheit anderer Menschen sowie die Schädigung einer Vielzahl von Menschen\nan ihrem Vermögen in Kauf genommen hat. Ferner wurden Millionen Kunden über\ndie Eigenschaften der von ihnen gekauften Fahrzeuge und Motoren getäuscht. Der\nEinsatz der Software diente - andere Motive sind nicht vorstellbar - dem\nZweck, zur Kostenreduzierung und möglicherweise zur Umgehung technischer\nProbleme rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der\nAbgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen\nPrüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dieses Gewinnstreben um den\nPreis der bewussten Täuschung von einer Vielzahl von Kunden gibt dem Handeln\nder Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (so nunmehr BGH, Urteil vom\n25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS; siehe aber bereits OLG Koblenz, NJW 2019,\n2237 [2239] oder OLG Köln, NZV 2019, 249 [251]; bejahend zur Sittenwidrigkeit\nsiehe ferner die Nachw. bei Förster, in: Hau/Posek [Hrsg.], BeckOK BGB, 54.\nEdition, Stand: 01.05.2020, § 826 Rdnrn. 57a ff.; vgl. ferner Heese, NJW 2019,\n257 [259] und Gutzeit, JuS 2019, 649 [655]).\n\nbb) Durch den Umstand, dass die mangelhafte Motorsoftware mit einem unter\nUmständen für die Beklagte geringen Aufwand nachgerüstet werden kann, wird die\nAnnahme eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten nicht ausgeschlossen.\n\nSoweit namentlich § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Ansprüche wegen so genannter\nunerheblicher Mängel ausschließt, liegt dem eine normative Korrektur dafür zu\nGrunde, dass das Vertragsrecht Sekundäransprüche ohne positiven Nachweis eines\nVerschuldens (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB - vermutetes Verschulden) etabliert.\n§ 826 BGB setzt demgegenüber sowohl eine Sittenwidrigkeit des Handelns als\nauch die positive Feststellung vom Vorliegen eines Vorsatzes (siehe dazu\nunten) voraus. Derjenige, der die Tatbestandsvoraussetzungen einer solchen\nvorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfüllt, ist indessen nicht ebenso\nschutzbedürftig wie ein Verkäufer, der sich Ansprüchen wegen eines\nunerheblichen Mangels ausgesetzt sieht, ohne dass dabei sein Verschulden\npositiv nachgewiesen werden müsste.\n\nUnabhängig davon ist die ursprünglich installierte Motorsoftware durchaus ein\nerheblicher Umstand. Ob ein Umstand „erheblich“ ist, bemisst sich auf\nGrundlage einer Interessenabwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls.\nDabei wird im Kaufrecht zwar in der Regel von der Unerheblichkeit solcher\nSachmängel ausgegangen, deren Beseitigungsaufwand unterhalb der Bagatellgrenze\nvon weniger als einem Prozent des Kaufpreises liegt (BGH, NJW 2005, 3490\n[3493] mit Bespr. durch Witt, NJW 2005, 3468). Allerdings ist vorliegend nicht\nallein der Aufwand einer Nachrüstung der Software im Verhältnis zum Kaufpreis\neinzustellen, sondern vielmehr eine umfassende Interessensabwägung für die\nFrage nach der Erheblichkeit vorzunehmen (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1289 [1291]).\nFür die Erheblichkeit spricht hernach vorliegend schon, dass allgemein bekannt\ndas Kraftfahrtbundesamt die Beseitigung der ursprünglichen Motorsoftware\nangeordnet hat und anderenfalls die Betriebserlaubnis in Gefahr stand (vgl.\ndazu LG Hagen, Urteil vom 18.10.2016, Az. 3 O 66/16, JURIS). Eine\nNachrüstungsmaßnahme, die vorher behördlich geprüft und genehmigt werden muss,\nist aber nicht als unerheblich anzusehen (LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016,\nAz. 16 O 790/16, JURIS).\n\nIn diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass das Vertrauen in die\nBeklagte, die vorliegend allein in der Lage ist, die vom Kraftfahrtbundesamt\nbeanstandete Software zu beseitigen, durch deren heimliches Vorgehen\nerschüttert ist. Da ein Fahrzeug ein langlebiges und hochwertiges\nWirtschaftsgut ist, das im Laufe seiner Nutzung ständig gepflegt, gewartet und\nrepariert werden muss, bedarf es der ständigen Leistung des Herstellers, weil\ndieser Wartungsintervalle und -maßnahmen vorgibt und die Ersatzteile\nproduziert. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte nur den Motor, das\nelementarste Teil des Fahrzeugs, hergestellt hat. Das erfordert ebenfalls ein\ngewisses Vertrauen in deren Zuverlässigkeit, das durch die heimliche\nInstallation der zu beseitigenden Abschaltvorrichtung nachhaltig gestört ist\n(siehe LG Stuttgart, Urteil vom 30.06.2017, Az. 20 O 425/16, BeckRS 2017,\n114797).\n\nDie Möglichkeit der Softwarenachrüstung ließe die „Erheblichkeit“ des\nVerhaltens der Beklagten unabhängig von diesen Erwägungen auch aus dem Grunde\nnicht ‚entfallen‘, weil im Falle einer Softwarenachrüstung ein berechtigter\nMangelverdacht bezüglich neuer Mängel begründet wird, was gleichermaßen\nerheblich ist (siehe LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016, Az. 2 O 83/16, JURIS).\nNegative Auswirkungen auf andere Parameter des Seat Exeo und dessen Marktpreis\nsind insoweit ernstlich zu befürchten. Angesichts der gerichtsbekannt\nweiterhin unklaren und in der Tagespresse fortlaufend dokumentierten\nEntwicklung ist selbst noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung\nberechtigterweise zu befürchten, dass sich die Nachrüstung nachhaltig negativ\nauf den Verbrauch, die Abgaswerte oder die Haltbarkeit von Fahrzeugbauteilen\nauswirken wird. Berechtigt ist diese Annahme, da aus dem mit der Täuschung auf\ndem Prüfstand durch die Beklagte eingegangenen unternehmerischen Risiko von\nStrafzahlungen, Schadensersatzklagen und Imageverlust aus Käufersicht nur der\nSchluss gezogen werden kann, dass es für die Reduzierung der Abgasrückführung\nim Fahrbetrieb aus Sicht der Beklagten wichtige, wenn nicht sogar zwingende\ntechnische Gründe gab. Ebenso wenig wurden die Beweggründe für die von der\nBeklagten installierte Abschaltlogik offenbart, welche den Kläger in die Lage\nversetzen würden, zu beurteilen, welche Folgen die Beseitigung der\nUmschaltlogik für den Seat Exeo haben würde (siehe dazu LG Stuttgart, Urteil\nvom 30.06.2017, Az. 20 O 425/16, BeckRS 2017, 114797). Eine stattgehabte\nSoftwarenachrüstung begründet zudem die berechtigte Annahme, dass der\nMarktpreis nachhaltig sinken und somit ein merkantiler Minderwert entstehen\nwird (vgl. LG Kempten, Urteil vom 29.03.2017, Az. 13 O 808/16, BeckRS 2017,\n106279; LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016, Az. 2 O 83/16, JURIS). Denn es ist\n- wie nicht zuletzt die Eingangszahlen entsprechender Klagen beim Landgericht\nSchweinfurt und andernorts ersehen lassen - davon auszugehen, dass viele\ngeschädigte Kunden auf Grund des Verhaltens der Beklagten die Rückabwicklung\nvon Kaufverträgen anstreben und daher die Händler bzw. die Beklagte den\nGebrauchtwagenmarkt mit zurückgegebenen Fahrzeugen überschwemmen werden. Diese\nBefürchtung des Klägers ist jedenfalls nachvollziehbar und wird auch von der\nBeklagten nicht mit Sicherheit ausgeräumt.\n\nb) Dem Kläger ist durch die sittenwidrige Handlung der Beklagten ein Schaden\nin Form der kaufvertraglichen Verpflichtung über den streitgegenständlichen\nSeat Exeo mit der manipulierten Motorsoftware entstanden.\n\nDer Abschluss jenes Vertrages in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen\nMotorsoftware begründet eine ungewollte, wirtschaftlich nachteilige\nVerpflichtung (vgl. OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 20 U 3219/18,\nBeckRS 2020, 89; Hesse, NJW 2019, 257 [260] m.w.N. oder Gutzeit, JuS 2019, 649\n[655]). Dass der Vertrag für den Kläger wirtschaftlich nachteilig ist, zeigt\nsich bereits daran, dass ein objektiv vernünftiger, durchschnittlicher Kunde\nein Fahrzeug nicht erwerben würde, wenn die Beklagte vor dem Kauf darauf\nhinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und der Kunde\ndarum mit Schwierigkeiten hinsichtlich der Betriebserlaubnis durch ein\nEinschreiten des Kraftfahrtbundesamtes rechnen muss.\n\nDer Kläger wurde in seiner Dispositionsfreiheit verletzt, so dass ihr Vermögen\nnunmehr mit einer ungewollten Verbindlichkeit negativ belastet ist. Nicht\nentscheidend ist dabei, ob der Kauf des Fahrzeugs für den Kläger einen\nmessbaren Vermögensnachteil durch einen entstehenden Wertverlust bewirkt. Die\nBelastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit stellt bereits einen Schaden\nim Sinne des § 826 BGB dar (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19,\nJURIS sowie NJW-RR 2015, 275 [276] und NJW 2004, 2971 [2972] m.w.N.). Die\ntäuschungsbedingte Verleitung des Klägers zu einem Vertragsschluss ist selbst\nbei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung für den Anspruch aus\n§ 826 BGB haftungsauslösend (vgl. ferner BGH, NJW-RR 2005, 611 [612] sowie NJW\n1998, 302 [304]), da in Folge der Täuschung der Beklagten der Kläger in seinem\nRecht beeinträchtigt ist, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu\nbestimmen (siehe BGH, NJW 2010, 2506 [2507]).\n\nDas Gericht verkennt hierbei nicht, dass oft fraglich ist, ob ein Käufer\ntatsächlich Wert auf ein umweltschonendes Fahrzeug legt oder ein besonderes\nUmweltbewusstsein hatte. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass jeder Käufer\nund auch der hiesige Kläger sowohl auf sachmangelfreie Eigenschaften des\nMotors als zentrales Element eines Fahrzeuges als auch auf eine unter\nregelgerechten Bedingungen zu Stande gekommene ordnungsgemäße Zulassung des\nFahrzeuges als Voraussetzung für dessen uneingeschränkte Benutzung im\nStraßenverkehr Wert legen. Dabei wäre es auch unerheblich, wenn im Wege der\nManipulation in erster Linie die Stickstoffemissionen manipuliert worden wären\nund der Kläger sich zu diesem Wert keine Gedanken gemacht hätte. Wesentlich\nist die Tatsache der Manipulation als solche, die sich auf den Vorgang der\nPrüfung des Fahrzeuges und somit auch auf die Typengenehmigung als solche\nsowie auf die Zulassung auswirkte. Wären mangelhafte Dieselmotoren der\ngenannten Art von der Beklagten nicht in Verkehr gebracht worden, hätte der\nKläger ein mit einem solchen Motor ausgestattetes Fahrzeug nicht erwerben\nkönnen. Hätte die Beklagte die Funktionsweise der Software bei Markteinführung\ndes Motors EA 189 offengelegt, wäre ohnehin der von dem Kläger 2013 gekaufte\nSeat Exeo in dieser Form wegen zeitnahen Einschreitens des\nKraftfahrtbundesamtes nicht mehr (weiter-)verkauft worden, wie die Entwicklung\nnach dem tatsächlichen Bekanntwerden der Manipulation zeigt. Kein vernünftiger\nKunde würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der Zulassung\neinlassen und ein solches Fahrzeug erwerben (vgl. dazu insges. LG Kiel, Urteil\nvom 18.05.2018, Az. 12 O 371/17, BeckRS 2018, 8903 oder LG Kleve, Urteil vom\n31.03.2017, Az. 3 O 252/16, BeckRS 2017, 106026; siehe zudem BGH, NJW 1995,\n2361 [2. LS]; so auch schon LG Schweinfurt in den Urteilen vom 10.02.2020 zum\nAz. 23 O 560/19 oder jeweils vom 03.02.2020 zu den Az.: 23 O 439/19 und 23 O\n539/19).\n\nUnbeschadet dieser Erwägungen besteht ferner eine Äquivalenz von Leistung und\nGegenleistung vorliegend gerade nicht. Der Seat Exeo, der mit der\nmanipulierten Software versehen war, bleibt unabhängig von der konkreten Höhe\nhinter dem Wert eines Fahrzeugs zurück, das eine solche Software nicht\naufweist (§ 291 ZPO), so dass die Eingehung der vertraglichen Verbindlichkeit\nohne weiteres auch einen Vermögensschaden beim Kläger hervorgerufen hat.\n\nDie Möglichkeit der Durchführung eines Softwareupdates ändert an der ungewollt\neingegangenen Verbindlichkeit nichts.\n\nGegen das Vorliegen eines Schadens zum Nachteil des Klägers spricht außerdem\nnicht, dass vorliegend zufällig die Firma Autodienst Bieberich aus Burglauer\nzwischen dem Kläger und die Beklagte als Herstellerin des Motors getreten ist\n(vgl. insoweit auch OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2244]). Das Bestehen\nvertraglicher Ansprüche gegen den Verkäufer schließt deliktische Ansprüche\ngegen einen Dritten nicht aus.\n\nDer Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses ist auch vom Schutzzweck\nder Norm umfasst. Der Schaden tritt bei dem Kläger nicht nur zufällig ein. Er\ntrifft genau den, den er ausschließlich treffen kann: Den Käufer des mit dem\nMotor versehenen Fahrzeugs. Die Gefahr einer uferlosen Haftung bei\nWeiterverkauf des Fahrzeugs besteht nicht, da in jenen Fällen der Schaden bei\ndem jeweiligen Veräußerer entfiele.\n\nc) Die sittenwidrige, schädigende Handlung ist der Beklagten gemäß § 31 BGB\nzuzurechnen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19; JURIS; so schon OLG\nKoblenz, NJW 2019, 2237 [2242] und OLG Köln, NZV 2019, 249 [252]).\n\nDie Haftung juristischer Personen setzt bei § 826 BGB voraus, dass ein\nverfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und\nsubjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklichen muss (vgl. BGH, NJW 2017,\n250 [1. LS]).\n\nDer Umstand, dass die Verwendung einer Abschalteinrichtung bei den\nDieselmotoren der Serie EA 189 ausnahmslos bei jedem Motor dieser Serie\nauffindbar ist, begründet bereits eine tatsächliche Vermutung dahingehend,\ndass eine Entscheidung dafür, die Motoren mit dieser Einstellung planvoll und\nabsichtlich zu produzieren und in den Verkehr zu bringen, angesichts der\nTragweite und Risiken für den Gesamtzusammenhang eines so agierenden Konzerns\ndurch die Geschäftsleitung selbst getroffen wurde und damit der Beklagten\ngemäß § 31 BGB zurechenbar ist (OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2242]; LG\nKrefeld, Urteil vom 19.07.2017, Az. 7 O 147/16, JURIS).\n\nMit Blick darauf hat der Kläger, der keine Kenntnisse über innerbetriebliche\nAbläufe bei der Beklagten haben kann - und welche ihrerseits wiederum nicht\nzur Selbstbezichtigung verpflichtet werden kann - substantiiert und schlüssig\nUmstände vorgetragen, die ein kollusives Verhalten mehrerer Personen bedingen\nund entweder ein Versagen unternehmensinterner Kontroll- und\nAufsichtsmaßnahmen oder aber eine Einbindung maßgeblicher Entscheidungsträger\nim Konzern der Beklagten voraussetzen (vgl. ebenso OLG Koblenz, NJW 2019, 2237\n[2242] oder LG Würz - burg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O 862/16, BeckRS\n2018, 1691; siehe auch OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 20 U 3219/18,\nBeckRS 2020, 89 m.w.N. oder Hesse, NJW 2019, 257 [260 f.]). Es ist davon\nauszugehen, dass gemäß § 31 BGB ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der\nBeklagten Kenntnis von der Manipulation hatte. Die Beklagte, die allein über\nentsprechende Kenntnisse verfügen könnte, hat sich insofern nicht eingelassen.\nIm Hinblick auf gesetzliche Pflichten, wie namentlich in §§ 76, 77, 91 Abs. 2\nAktG normiert, ist davon auszugehen, dass bei der Beklagten organisatorische\nMaßnahmen (u.a. etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling -\nvgl. Koch, in: Hüffer/Koch [Hrsg.], AktG, 14. Auflage 2020, § 91 Rdnr. 10) in\nder Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für\nalle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch\nKontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist (vgl. auch LG Kleve, Urteil vom\n31.03.2017, Az. 3 O 252/16, BeckRS 2017, 106026; LG Krefeld, Urteil vom\n19.07.2017, Az. 7 O 147/16, JURIS). Die Beeinflussung der Motorsoftware einer\nganzen Motorreihe erscheint als eine solche wesentliche Entscheidung, so dass\nhier erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die unternehmenswesentliche\nEntscheidung nicht unterhalb der Vorstandsebene getroffen und vor den\nVorständen „verheimlicht“ worden ist. So oder so läge aber bei dem andernfalls\ndann verbleibenden Szenario eines unkontrollierten Verhaltens einzelner\nunfähiger Mitarbeiter ein Organisationsmangel vor, den sich die Beklagte in\ngleicher Weise zurechnen lassen muss (LG Würzburg, Urteil vom 23.02.2018, Az.\n71 O 862/16, BeckRS 2018, 1691; Hesse, NJW 2019, 257 [260]).\n\nDie Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die geeignet wären, die vom\nKläger vorgetragenen Grundlagen einer Zurechnung gemäß § 31 BGB zu widerlegen.\nSie hat sich insoweit eines Sachvortrags enthalten. Indem die Beklagte nicht\nqualifiziert vorgetragen hat, hat sie gegen die sie treffende sekundäre\nDarlegungslast verstoßen (vgl. Bacher, in: Vorwerk/Wolf [Hrsg.], BeckOK ZPO,\n36. Edition, Stand 01.03.2020, § 284 Rdnrn. 84 ff.). Der Beklagten wäre\nzumutbar gehalten gewesen, zu der Tatsache, wer im Unternehmen tatsächlich\ngehandelt haben soll, näher vorzutragen (vgl. OLG Koblenz, NJW 2019, 2237\n[2241]; LG Würzburg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O 862/16, BeckRS 2018,\n1691; siehe auch die Rspr. des LG Schweinfurt, Urteile vom 10.02.2020 [Az. 23\nO 560/19] oder jeweils vom 03.02.2020 [Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19]).\n\nd) Die Schadenszufügung erfolgte auch vorsätzlich.\n\nEine Schädigungsabsicht erfordert § 826 BGB nicht; ein bedingter Vorsatz\nreicht aus. Dabei muss der Schädiger nicht im Einzelnen wissen, welche oder\nwie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden. Vielmehr reicht es\naus, dass die Richtung, in der sich sein Verhalten zur Schädigung anderer\nPersonen auswirken könnte, sowie die Art des möglicherweise eintretenden\nSchadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen wird (vgl.\nBGH, NJW 2004, 2971 [2973]). Der Vorsatz enthält ein Wissens- und ein\nWollenselement. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz\nbezieht, im Fall des § 826 BGB also die Schädigung des Klägers, gekannt bzw.\nvorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Das setzt voraus, dass\nder Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und\nbilligend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 550 [552]). Dies\nvorausgeschickt, liegt ein Schädigungsvorsatz der Beklagten vor.\n\nDer Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung ist mit Vorsatz der\nhandelnden Personen erfolgt. Dies ergibt sich daraus, dass die beschriebene\nFunktionalität der Steuerung des Abgasrückführungssystems nur durch die\nkomplexe Gestaltung der Software erreicht werden konnte, was nur vorsätzlich\ndenkbar ist. Die Manipulation der Abgaswerte zielt nicht nur auf eine Umgehung\nvon Umweltvorschriften ab, deren Einhaltung der Allgemeinheit dienen, sondern\nauch auf die individuelle Vermögensdisposition des Kunden. Die Kunden sollten\nzum Kauf eines Fahrzeugs bewegt werden, obwohl es zwingende umweltrechtliche,\nunionsrechtliche Vorschriften nicht einhält und deshalb mit einem Makel\nbehaftet ist. Den verantwortlichen Entscheidern bei der Beklagten war die\nBedeutung ihres Verschweigens für die Beeinflussung jener Entscheidung der\nKunden bewusst. Den verantwortlichen Organen bei der Beklagten war nach der\nallgemeinen Lebenserfahrung bewusst, dass die Kunden auf Grund des\nVerschweigens des Einsatzes der Abschalteinrichtung die Entscheidung zum Kauf\nauf Basis einer fehlerhaften bzw. unvollständigen Tatsachengrundlage trafen,\ndie sie bei der gebotenen Aufklärung entweder überhaupt nicht oder aber nur zu\nanderen Konditionen getroffen hätten. Derartige Schäden als Folgen ihrer\nvorsätzlichen Handlungsweise nahmen sie zumindest billigend in Kauf.\nAngesichts der Gesamtumstände bestehen hier an einer vorsätzlichen\nHandlungsweise der Organe der Beklagten keine vernünftigen Zweifel (vgl. auch\nLG Paderborn, Urteil vom 07.04.2017, Az. 2 O 118/16, BeckRS 2017, 108460).\n\n2\\. Als Rechtsfolge der unerlaubten Handlung muss die Beklagte dem Kläger\ndaher Schadensersatz leisten, §§ 249 ff. BGB.\n\nGrundsätzlich ist der Schadensersatzanspruch, der auf die Befreiung einer\ndurch Täuschung eingegangen vertraglichen Verbindlichkeit abzielt, in Art und\nUmfang nur gegen den direkten Vertragspartner möglich (vgl. Wagner, in:\nMünchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 Rdnr. 53). Ein Anspruch\nauf Rückabwicklung des Kaufvertrages kann aber auch gegenüber Dritten bestehen\n(vgl. OLG München, Urteil vom 20.08.1999, Az. 14 U 860/98, BeckRS 1999,\n11751), was vorliegend umso mehr deshalb gelten muss, weil die Beklagte sicher\nwusste, dass der Seat Exeo mit dem von ihr hergestellten Dieselmotor EA 189\nweiterverkauft werden wird. Die Beklagte schuldet damit den Ausgleich der\nvertraglich geleisteten Kaufpreiszahlung gegen Rückgabe und -übereignung des\nSeat samt der Fahrzeugschlüssel und -unterlagen seitens des Klägers.\n\nAuf den Zahlungsanspruch hat der Kläger angesichts des Verbots der\nschadensersatzrechtlichen Bereicherung sich allerdings anspruchsmindernd einen\nNutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer anrechnen zu lassen (BGH, Urteil\nvom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS; so schon OLG Koblenz, NJW 2019, 2237\n[2245]; LG Wuppertal, Urteil vom 16.01.2018, Az.: 4O 295/17, BeckRS 2018, 1446\nin Anlehnung an § 346 Abs. 1 BGB; LG Würzburg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O\n862/16, BeckRS 2018, 1691; a.A. [= keine Anrechnung] Hesse, NJW 2019, 257\n[262]). Ausweislich des in der Sitzung des Landgerichts vom 22.06.2020\nvorgelegten Lichtbildes hatte der mit einer Laufleistung von 15 km als\nGebrauchtwagen erworbene Seat (Anlage K1) des Klägers zuletzt eine\nGesamtkilometerlaufleistung von 120.256 km. Dies hat die Beklagte in\nunstreitig gestellt (Blatt 236 der Akte). Hieraus folgt eine Nutzungsstrecke\nvon 120.241 km (= 120.256 km Endstand abzgl. 15 km Anfangsstand). Der\nErmittlung des Werts der Gebrauchsvorteile ist die Annahme zu Grunde zu legen,\ndass ein Fahrzeug einen gewissen Gebrauchswert besitzt, der sich durch die für\ndiesen Fahrzeugtyp noch zu erwartende Gesamtlaufleistung bestimmt und durch\ndie Benutzung - messbar an gefahrenen Kilometern - linear aufgezehrt wird\n(vgl. LG Ber - lin, Urteil vom 31.07.2014, Az. 5 O 90/13, JURIS). Der\nGesamtwert des Fahrzeugs und die tatsächlich gefahrenen Kilometer sind in das\nVerhältnis zur zu erwartenden Gesamtlaufleistung zu setzten. Der Wert der\ngezogenen Nutzungen berechnet sich darum wie folgt:\n\n„Gesamtwert des Pkw x gefahrene Kilometer zu erwartende Gesamtlaufleistung.“\n\nAls Gesamtwert ist der Bruttokaufpreis des Fahrzeugs zu Grunde zu legen (siehe\nBGH, NJW 2014, 2435 [2435]). Die zu erwartende und durchschnittliche\nGesamtfahrleistung schätzt das Gericht entsprechend der allgemeinen\nVerkehrserwartung gemäß § 287 ZPO auf 250.000 Kilometer.\n\nEs ergibt sich daher aus der Formel\n\n18.900 € Gesamtwert x 120.241 gefahrene km\n\n250.000 km Gesamtlaufleistung\n\nein Nutzungswert von 9.090,22 €. Somit verbleibt ein Zahlungsanspruch in Höhe\nvon 9.809,78 € (18.900 € - 9.090,22 €).\n\n3\\. Dieser Anspruch des Klägers ist nicht verjährt.\n\nGemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre und beginnt\nmit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der\nGläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des\nSchuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§\n199 Abs. 1 BGB). Hierbei wird gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB der Lauf der\nVerjährungsfrist allerdings für solche Ansprüche gehemmt, für die der\nGläubiger zunächst eine Musterfeststellungsklage erhebt.\n\nDies vorausgeschickt, ist in Folge einer Hemmung der Verjährungsfrist entgegen\nder Ansicht der Beklagten keine Verjährung eingetreten.\n\nEs kann dahinstehen, ob der Kläger bereits im Jahr 2015 Kenntnis von der\nkonkreten Beschaffenheit der in seinem Seat Exeo verwendeten Motorsoftware und\nden hieraus folgenden Umständen hatte oder hätte haben müssen mit der Folge,\ndass die Regelverjährung von 3 Jahren am 31.12.2018 geendet hätte. Denn der\nKläger hat sich noch vor Ablauf dieses Tages der Musterfeststellungklage\nangeschlossen und auf diese Weise für die Dauer von 6 Monaten (vgl. § 204 Abs.\n2 BGB) nach im weiteren Verlauf wiederum erfolgter Abmeldung von jenem\nMusterverfahren die Verjährung rechtzeitig gehemmt.\n\nDieses Vorgehen des Klägers verstieß nicht gegen § 242 BGB, so dass es ihm\nnicht verwehrt ist, sich auf diese Hemmung zu berufen.\n\nIn diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es namentlich im Regelfall keinen\nRechtsmissbrauch begründet, wenn ein Gläubiger ausschließlich zum Zwecke der\nVerjährungshemmung etwa eine Gütestelle anriefe (BGH, Urteil vom 25.05.2016,\nAz. IV ZR 197/15, BeckRS 2016, 10404). Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten\nwird in diesen Fällen vielmehr erst dann anzunehmen sein, wenn schon vor der\nEinreichung des Antrags für den Gläubiger erkennbar feststeht, dass der\nSchuldner sich auf das Güteverfahren nicht einlassen wird (vgl. auch BGH, NJW\n2016, 233 [236]). Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Gläubiger sich bei\nsolch einer Sachlage mit der Wahl eines von ihm als nicht zielführend\nerkannten „Hemmungsmittels“ deshalb rechtsmissbräuchlich verhielte, weil er\nden Erfolg des mit Verjährungshemmung versehenen Antrags für ihn erkennbar gar\nnicht erreichen kann.\n\nEben dieser Maßstab hat auch für das vom Kläger vorliegend gewählte\nMusterfeststellungsverfahren zu gelten. Die Anmeldung zum Musterverfahren kann\ngerade nicht grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich gewertet werden, sondern\nallein in den Fällen, in denen der Kläger die Ziele gar nicht erreichen möchte\nbzw. erreichen kann, die über das Musterfeststellungsverfahren erreicht werden\nkönnten. Eben solch ein Sachverhalt ist hier aber nicht ersichtlich. Soweit\ndie Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren Ende Dezember 2018 und die\nAbmeldung im September 2019 im Zusammenhang mit der hiesigen Individualklage\nerfolgt ist, liegt auf Grund des während des Anschlusses verstrichenen\nZeitraums vielmehr nahe, dass der Kläger seine Ansprüche zunächst tatsächlich\nmittels des Musterverfahrens verfolgen wollte und sich erst anschließend zu\neinem abweichenden rechtlichen Vorgehen entschlossen hat. So hat der Kläger\nmit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.01.2020 (Blatt 105 der Akte) entsprechend\nvortragen lasse, dass der Wechsel hin zur Individualklage Folge der\ngestiegenen Erfolgsaussichten gewesen sei. Solch ein Wechsel in der\nRechtsverfolgungsstrategie ist zulässig und nicht als rechtsmissbräuchlich zu\nbewerten.\n\nII.\n\nAuf den somit zur Zahlung ausstehenden Betrag schuldet die Beklagte des\nKlägers zugleich ab dem 19.12.2019 Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten\nüber dem Basiszinssatz gemäß §§ 291 S. 1, 288 BGB. Für den Zinsbeginn ist der\nauf die Zustellung der Klageschrift vom 18.12.2019 folgende Tag maßgeblich (§\n187 BGB analog - BGH, NJW-RR 1990, 518 [519]).\n\nIII.\n\nDaneben hat der Kläger gegen die Beklagte auch Anspruch auf Ersatz der\nvorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 887,03 €. Dies folgt aus\n§§ 826, 249 Abs. 1 BGB, da solche Kosten Teil des zu ersetzenden Schadens\nsind.\n\nDer Höhe nach richten sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch nur\nnach dem Anspruch, den der Kläger berechtigterweise verlangen kann. Demnach\nkann der Kläger die Rechtsanwaltskosten nur nach einem zutreffenden\nForderungswert von 9.809,78 € verlangen.\n\nFerner sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Gebühr über das\n1,3-fache hinaus liegen nicht vor. Gemäß Nr. 2300 VV RVG beträgt die\nGeschäftsgebühr 0,5 bis 2,5 Gebühren, wobei eine Gebühr von mehr als 1,3 nur\ngefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.\nWelche Gebühr der Rechtsanwalt im Einzelfall verdient hat, ist gemäß § 14 RVG\nzu bestimmen, wonach der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter\nBerücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit\nder anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der\nEinkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem\nErmessen bestimmt. Eine besondere Schwierigkeit der Sache kann nicht erkannt\nwerden. Schwierig ist eine Tätigkeit im Sinne des § 14 RVG dann, wenn\nerhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, unabhängig\ndavon, ob diese auf juristischem oder tatsächlichem Gebiet liegen. Der\nvorliegende Fall spielt hingegen vornehmlich in den Bereichen des Kauf- und\nDeliktsrechts, welche keinerlei Spezialkenntnisse erfordern. Der Umstand, dass\nzu der Frage der rechtlichen Bewertung der „Abgasskandalfälle“ bei Erhebung\nder Klage noch keine obergerichtliche Rechtsprechung existierte, ändert hieran\nnichts. Letztlich sind auch die technischen Probleme der jeweiligen Fahrzeuge\nnicht so schwierig, dass sie eine Erhöhung des Gebührensatzes rechtfertigen.\n\nEine besondere Bedeutung der Sache für den Kläger ist überdies nicht dargetan\nund auch nicht ersichtlich.\n\nDemnach ergibt sich aus einem Gegenstandswert bis zu 10.000 € bei einer\n1,3-fachen Gebühr aus dem Gebührenwert von 558 € zuzüglich Auslagenpauschale\nund Umsatzsteuer ein ersatzfähiger Betrag in Höhe von 887,03 €.\n\nAus den bereits dargestellten Gründen schuldet die Beklagte auf diesen Betrag\nauch Prozesszinsen.\n\nC.\n\nIm Übrigen ist die Klage unbegründet Zur Vermeidung von Wiederholungen werden\ndie obigen Ausführungen sinngemäß in Bezug genommen.\n\nDer Kläger hat unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten Anspruch auf\nweitergehende Zahlungen. I.\n\nInsbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Verzinsung des\nzurückzuzahlenden Kaufpreises (unter Abzug einer Nutzungsentschädigung) in\nHöhe von 4% seit dem Fahrzeugkauf. Soweit namentlich § 849 BGB einen solchen\nZinsanspruch ohne Rücksicht auf die Verzugsvoraussetzungen gewährt, setzt dies\ngemäß Wortlaut der Vorschrift eine Entziehung oder Beschädigung einer Sache\nvoraus. Daran fehlt es vorliegend. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der\nVerzinsung deliktischer Ansprüche ab Schadensentstehung lässt sich\ndemgegenüber aus § 849 BGB nicht ableiten (OLG Oldenburg, Urteil vom\n26.11.2019, Az.: 2 U 29/19, BeckRS 2019, 30442; siehe auch Spindler, in:\nHau/Poseck [Hrsg.], BeckOK BGB, 54. Edition, Stand: 01.05.2020, § 849 Rdnr. 1\nm.w.N.).\n\nII.\n\nDie Beklagte ist nicht mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Seat Exeo\nin Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff. BGB.\n\nZwar kann Annahmeverzug grundsätzlich auch dadurch eintreten, dass der\nBeklagten mit einem auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageerhebung das\nwörtliche Angebot auf Entgegennahme des Audi A3 gemacht wird (siehe BGH, NJW\n1997, 581 [581]), jedoch setzt Annahmeverzug zugleich stets voraus, dass der\ndie Leistung, so wie sie geschuldet wird, angeboten wird (Grüne - berg, in:\nPalandt, 79. Auflage 2020, BGB, § 293 Rdnr. 9). Der Eintritt des\nAnnahmeverzuges scheitert hier indessen daran, dass der Kläger mit seiner\nKlage die Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung eines deutlich zu\nniedrigen Vorteilsausgleichs begehrt und damit eine weitaus höhere Zahlung\nfordert, als geschuldet. Eine solche Zu-viel-Forderung hindert den Eintritt\ndes Annahmeverzugs (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.12.2019, Az.: 12 U 583/19,\nBeckRS 2019, 32695).\n\nVor diesem Hintergrund konnte auch die mit anwaltichem Schriftsatz vom\n11.11.2019 (Anlage K13) erfolgte Forderung zur Erstattung des Kaufpreises Zug\num Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Seat keinen Annahmeverzug der\nBeklagten begründen. Zugleich ist die Beklagte damit vorgerichtlich auch nicht\nihrerseits in (Schuldner-)Verzug geraten.\n\nD.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; soweit der Kläger in seiner\nAntragsfassung die Bezifferung des abzuziehenden Nutzungsentschädigung\nschlussendlich offengelassen hat, waren seine dahingehende Ausführungen der\nKlagebegründung zu beachten. Ein Unterliegen ist damit allein in der Höhe des\nklägerisch zu gering angesetzten Nutzungsersatzes einzustellen gewesen.\n\nDie Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1\nund 2 ZPO.\n\nE.\n\nDie Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG in Verbindung\nmit § 3 ZPO. Hierbei war dem Feststellungsantrag zu 2.) ebenso wenig ein\neigenständiger Wert zuzumessen (OLG Naumburg, NJW-RR 2012, 1213 [LS]) wie dem\nAntrag zu 3.), da es sich bei letzterem um eine Nebenforderung im Sinne des §\n43 Abs. 1 BGB handelt.\n\n
330,645
ovgni-2020-08-14-13-mn-28320
601
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
ovgni
Niedersachsen
13 MN 283/20
2020-08-14
2020-08-21 10:00:46
2020-12-10 13:37:54
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag wird verworfen.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.\n\n \n\nDer Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.\n\n \n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\n**I.** Der Antragsteller betreibt in A-Stadt zwei Eventhallen, in welchen er\npro Monat jeweils sechs bis zehn Veranstaltungen durchführt. Das von ihm\nbetriebene „C.“ bietet Sitzplätze für ca. 1.100 Gäste. Dort finden vornehmlich\nHochzeits- Abitur- und Familienfeiern mit 450 bis 800 Gästen statt. Die\nEventhalle „D.“ bietet Sitzplätze für ca. 250 Gäste. Dort finden kleinere\nVeranstaltungen wie Henna-Abende, Geburtstage und Verlobungsfeiern statt. Der\nAntragsteller wendet sich gegen eine Beschränkung der Teilnehmerzahl\nderartiger Veranstaltungen durch die (6.) Niedersächsischen Verordnung zur\nNeuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 -\nNiedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226,\n257), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen\nCorona-Verordnung vom 31. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 260).\n\n2\n\n \n\n**II.** Der sinngemäß gestellte Antrag,\n\n3\n\n \n\ndie Regelung des § 1 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bis zur\nEntscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers vorläufig außer\nVollzug zu setzen,\n\n4\n\n \n\nhat keinen Erfolg.\n\n5\n\n \n\nDiese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5\nVwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz\nim Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Eyermann, VwGO, 15.\nAufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung\ndurch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN\n172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung\nder ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.\n\n6\n\n \n\n**1.** Der Antrag ist bereits unzulässig.\n\n7\n\n \n\n**a.** Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs.\n1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft.\n\n8\n\n \n\nDie Niedersächsische Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem\nLandesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in\nVerbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen:\nSenatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, juris Rn. 16 ff.).\n\n9\n\n \n\n**b.** Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als\nnormerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet.\n\n10\n\n \n\nDas Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für\nSoziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des\nGemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien,\nVertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt\ngeändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des\nBeschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen\nLandesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am\n18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).\n\n11\n\n \n\n**c.** Die Antragsteller ist zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der\nEntscheidung durch den Senat antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1\nVwGO.\n\n12\n\n \n\n**aa.** Der Antragsteller ist durch die Neuregelung in § 1 Abs. 4 und Abs. 5\nder Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 31. Juli 2020 erstmals\nantragsbefugt.\n\n13\n\n \n\nIm Laufe des vorliegenden Verfahrens hat der Antragsgegner § 1 Abs. 4 und 5\nder Niedersächsischen Corona-Verordnung mit Verordnung zur Änderung der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung vom 31. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 260) wie\nfolgt ergänzt (Ergänzung unterstrichen):\n\n14\n\n \n\n(3) 1In der Öffentlichkeit sowie in den für die Öffentlichkeit zugänglichen\nund für einen Besuchs- oder Kundenverkehr geöffneten Einrichtungen jeglicher\nArt hat jede Person soweit möglich einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu\nanderen Personen einzuhalten (Abstandsgebot). 2Satz 1 gilt nicht gegenüber\nsolchen Personen, die dem Hausstand der pflichtigen Person oder einem weiteren\nHausstand oder einer Gruppe von nicht mehr als 10 Personen angehören. […]\n\n15\n\n \n\n(4) 1Zusammenkünfte und Ansammlungen von Menschen im öffentlichen Raum und im\nRahmen von Feiern in dafür außerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung\ngestellten Räumlichkeiten dürfen nicht mehr als 10 Personen umfassen.\n2Abweichend von Satz 1 sind mehr als 10 Personen zulässig, wenn\n\n16\n\n \n\n1\\. die Zusammenkunft oder die Ansammlung ausschließlich aus Angehörigen im\nSinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) besteht, […]\n\n17\n\n \n\n3\\. dies in den nachfolgenden Regelungen dieser Verordnung ausdrücklich\nzugelassen ist.\n\n18\n\n \n\n(5) Unter Einhaltung der Anforderungen nach Absatz 3 Sätze 1 und 2, auch in\naußerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten, ist die\nTeilnahme an \n1\\. Hochzeitsfeiern und standesamtlichen Trauungen sowie entsprechenden\nJubiläen \n2\\. Feiern aus Anlass einer Taufe, Erstkommunion, Firmung, Konfirmation,\nhumanistischen Jugendfeier, Bat Mizwa, Bar Mizwa und ähnlichen Feiern sowie \n3\\. Beerdigungen nach einem Gottesdienst oder einer ähnlichen Zeremonie beim\nletzten Gang zur Grab- oder Beisetzungsstelle und während des Aufenthalts an\nder Grab- oder Beisetzungsstelle.\n\n19\n\n \n\nzulässig, jedoch mit jeweils nicht mehr als 50 Personen.\n\n20\n\n \n\nDamit ist der Antragsteller erstmals von dieser Regelung betroffen, die sich\nbis zum 31. Juli 2020 nicht auf Feiern in außerhalb der eigenen Wohnung zur\nVerfügung gestellten Räumlichkeiten bezog (vgl. Senatsbeschl. v. 29.7.2020 -\n13 MN 280/20 -, juris). Die entsprechende Antragsänderung mit Schriftsatz vom\n7. August 2020 erachtet der Senat als sachdienlich.\n\n21\n\n \n\n**bb.** Die Antragsbefugnis des Antragstellers scheitert nicht daran, dass er\nselbst kein Teilnehmer an entsprechenden Feiern ist.\n\n22\n\n \n\nDer Senat hat hierzu bereits im Beschluss vom 29. Juli 2020 - 13 MN 280/20 -,\njuris Rn. 9 ff., ausgeführt:\n\n23\n\n \n\nNach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische\nPerson stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren\nAnwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt\nzu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser\nBestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im\nSinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN\n1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -,\njuris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass die\nAntragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest\nals möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten\nRechtssatz in ihren subjektiven Rechten verletzt wird. Die Antragsbefugnis\nfehlt, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise\nsubjektive Rechte der Antragstellerin verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt.\nv. 17.1.2001 - BVerwG 6 CN 4.00 -, juris Rn. 10; grundlegend: Urt. v.\n24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Senatsurt. v. 20.12.2017 - 13 KN\n67/14 -, juris Rn. 65).\n\n24\n\n \n\nNach diesem Maßstab ist die Antragsbefugnis wegen einer möglichen Verletzung\nder Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 Abs. 1 GG gegeben.\n\n25\n\n \n\nArt. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der\nSchutz dieses Grundrechts ist einerseits umfassend angelegt, wie die Erwähnung\nvon Berufswahl, Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz sowie\nBerufsausübung zeigt. Andererseits schützt es aber nur vor solchen\nBeeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Es\ngenügt also nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten\nUmständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfaltet. Das ist bei vielen\nNormen der Fall. Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit liegt\nvielmehr erst dann vor, wenn die Norm, auf die die Maßnahme gestützt ist,\nberufsregelnde Tendenz hat. Das heißt allerdings nicht, dass die\nBerufstätigkeit unmittelbar betroffen sein muss. Es kann vielmehr auch\nvorkommen, dass eine Norm die Berufstätigkeit selbst unberührt lässt, aber im\nBlick auf den Beruf die Rahmenbedingungen verändert, unter denen er ausgeübt\nwerden kann. In diesem Fall ist der Berufsbezug ebenfalls gegeben. Das gilt\nauch für durch Verordnungen auferlegte Teilnahmebeschränkungen. Sie berühren\nArt. 12 Abs. 1 GG dann, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen\nZusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine\nberufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfG, Urt. v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94 -,\nBVerfGE 95, 267, juris Rn. 135).\n\n26\n\n \n\nDie hier streitgegenständliche Teilnahmebeschränkung bei den in § 1 Abs. 5 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung genannten Feiern und Veranstaltungen\nverändert die Rahmenbedingungen, unter denen der Antragsteller seiner\nVeranstaltertätigkeit nachgehen kann. Teilnehmerbeschränkungen stehen in engem\nZusammenhang mit den Möglichkeiten, Räumlichkeiten, die mehr als die\nbeschränkte Teilnehmerzahl zulassen, am Markt anzubieten, und regeln damit\nobjektiv, wofür diese Räumlichkeiten nicht genutzt werden können.\n\n27\n\n \n\nHieran hält der Senat fest.\n\n28\n\n \n\nAus einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten\nGewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition\ndürfte der Antragsteller seine Antragsbefugnis im vorliegenden Verfahren\nhingegen nicht herleiten können. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten\nBestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung\nbetroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem\nGesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der\nEigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -,\nBVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91\n-, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).\n\n29\n\n \n\n**d.** Dem Antrag fehlt jedoch das erforderliche Rechtsschutzinteresse.\n\n30\n\n \n\nDas Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Antragsteller seine Rechtsstellung\nmit der begehrten gerichtlichen Entscheidung derzeit nicht verbessern kann.\nDies ist der Fall, wenn der Antrag, selbst wenn er ansonsten zulässig und\nbegründet wäre, dem Antragsteller keinen Nutzen bringen könnte (vgl. BVerfG,\nKammerbeschl. v. 10.6.2020 - 2 BvR 297/20 -, juris Rn. 14; Senatsbeschl. v.\n29.6.2020 - 13 MN 244/20 -, juris Rn. 6; v. 20.12.2017 - 13 KN 67/14 -, juris\nRn. 68).\n\n31\n\n \n\n**aa.** Würde dem Antrag stattgegeben, so hätte dies für den Antragsteller\nnicht nur keinen Nutzen; seine Rechtsposition verschlechterte sich sogar.\n\n32\n\n \n\nMit vorläufiger Außervollzugsetzung des § 1 Abs. 5 der Niedersächsischen\nCorona-Verordnung fände der § 1 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung\nauf die in § 1 Abs. 5 der Verordnung genannten Feiern Anwendung, was zu einem\nAnsammlungsverbot von mehr als 10 Personen in den Räumlichkeiten des\nAntragstellers führte. § 1 Abs. 5 stellt (allein) eine Privilegierung\neinzelner Feierlichkeiten gegenüber dem Ansammlungsverbot des § 1 Abs. 4 dar\n(vgl. Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 17). Es ist\ninsbesondere nicht so, dass § 1 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung\neine eigenständige Regelung nur in Bezug auf Feierlichkeiten trifft, die nicht\nvon § 1 Abs. 5 der Verordnung erfasst sind.\n\n33\n\n \n\n**bb.** Auch eine vorläufige Außervollzugsetzung ausschließlich des letzten\nHalbsatzes des § 1 Abs. 5 Nr. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung\nverbesserte die Rechtsstellung des Antragstellers nicht.\n\n34\n\n \n\n§ 1 Abs. 5 der Corona-Verordnung lautete in diesem Fall:\n\n35\n\n \n\n(5) Unter Einhaltung der Anforderungen nach Absatz 3 Sätze 1 und 2, auch in\naußerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten, ist die\nTeilnahme an \n1\\. Hochzeitsfeiern und standesamtlichen Trauungen sowie entsprechenden\nJubiläen \n2\\. Feiern aus Anlass einer Taufe, Erstkommunion, Firmung, Konfirmation,\nhumanistischen Jugendfeier, Bat Mizwa, Bar Mizwa und ähnlichen Feiern sowie \n3\\. Beerdigungen nach einem Gottesdienst oder einer ähnlichen Zeremonie beim\nletzten Gang zur Grab- oder Beisetzungsstelle und während des Aufenthalts an\nder Grab- oder Beisetzungsstelle. \n \nzulässig,\n\n36\n\n \n\nAusdrücklich wäre damit die Personenstärke bei derartigen Feiern nicht\ngeregelt. Feiern von nur 10 Personen sind vorstellbar, so dass die Anwendung\nvon § 1 Abs. 4 der Verordnung nicht gegen Denkgesetze und anerkannte\nErfahrungssätze verstieße.\n\n37\n\n \n\nEine Ausnahme von dem Ansammlungsverbot des § 1 Abs. 4 Satz 1 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung muss aber gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3\nder Niedersächsischen Corona-Verordnung _ausdrücklich_ zugelassen werden. Eine\nausdrückliche Ausnahme von § 1 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung\nwürde durch § 1 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nach\nAußervollzugsetzung des Halbsatzes nicht bewirkt.\n\n38\n\n \n\n**cc.** Der im Ergebnis begehrte Ausspruch, _abweichend von § 1 Abs. 4 Satz\n1_(und damit ohne Beschränkung der Personenzahl) sei die Teilnahme an\nHochzeitsfeiern zulässig, wäre eine unzulässige Normergänzung.\n\n39\n\n \n\nGegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist die\nGültigkeit einer Rechtsvorschrift. Die Norm muss - wie es in § 47 Abs. 1 Nr. 1\nVwGO heißt und auch für § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gilt - "erlassen", also\njedenfalls bereits verkündet sein. Eine Normenkontrolle, die auf Erlass einer\nuntergesetzlichen Regelung gerichtet ist, ist daher unstatthaft. Kommt das\nOberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass die Rechtsvorschrift\n(teilweise) ungültig ist, so erklärt es sie nach § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1\nVwGO (teilweise) für unwirksam. Ein Rechtsgrund für eine Unwirksamkeit kann\ndarin liegen, dass der Normgeber unter Verstoß gegen höherrangiges Recht einen\nbestimmten Sachverhalt nicht berücksichtigt und damit eine rechtswidrige,\nunvollständige Regelung erlassen hat. Zielt ein Normenkontrollantrag dagegen\nauf Ergänzung einer vorhandenen Norm, ohne deren Wirksamkeit in Frage zu\nstellen, ist der Weg der Normenkontrolle nicht eröffnet. Auch der Wortlaut des\n§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist eindeutig und lässt keinen Raum für Ergänzungen\ndes Tenors über die Feststellung der Unwirksamkeit hinaus. Das\nNormenkontrollgericht hat sich auf die (teilweise) Kassation von\nRechtsvorschriften zu beschränken und muss sich nicht zu Möglichkeiten einer\nFehlerbehebung verhalten. Es ist nicht Aufgabe des Normenkontrollverfahrens,\neine bestimmte Art der Fehlerbehebung durch Feststellungen, die über den\nAusspruch der Unwirksamkeit hinausgehen, in den Raum zu stellen, bevor der\nNormgeber darüber entschieden hat. Denn es ist grundsätzlich Sache des\nNormgebers, welche Konsequenzen er aus der gerichtlich festgestellten\nFehlerhaftigkeit zieht. Das folgt aus der im Gewaltenteilungsgrundsatz\nangelegten Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe. Auch die\nVerpflichtung des Normgebers, die Entscheidungsformel im Falle der Erklärung\nals unwirksam nach § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ebenso zu\nveröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre, spricht dafür,\ndass eine stattgebende Normenkontrollentscheidung (nur) die (teilweise)\nKassation der Norm zur Folge hat. Mit dem actus contarius der Veröffentlichung\nwird spiegelbildlich zur Verkündung inter omnes Kenntnis von der Unwirksamkeit\nvermittelt und der Rechtsschein der Norm verlässlich beseitigt. Damit verträgt\nsich ein Ausspruch nicht, der die Ergänzungsbedürftigkeit einer Norm zum\nGegenstand hat (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urt. v. 16.4.2015 - BVerwG 4 CN\n2.14 -, BVerwGE 152, 55, 56 f. - juris Rn. 4 m.w.N.).\n\n40\n\n \n\n**2.** Der Antrag wäre zudem aber auch unbegründet.\n\n41\n\n \n\nNach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag\neine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile\noder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im\nVerfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines\nNormenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren\ndes einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung,\ndass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein\nwird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47\nAbs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen\ndringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg\nhaben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu\neiner Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall\nkann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer\nEntscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter\nBerücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder\nder Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick\nauf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen\nHauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten\ndes Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer\nbeantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu\nentscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn\neine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber\nErfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte\neinstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos\nbliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe\nmüssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer\nwiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener\nErfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl.\nv. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines\nBebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -,\njuris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe\neines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B\n170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung\nund Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v.\n11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die\nAusschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).\n\n42\n\n \n\nUnter Anwendung dieser Grundsätze bliebe ein Antrag gegen die\nTeilnahmebeschränkung auf 50 Personen bei den in § 1 Abs. 5 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung geregelten Feiern und Veranstaltungen ohne\nErfolg. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag wäre\nvoraussichtlich unbegründet (a.). Zudem überwiegen die für den weiteren\nVollzug der Verordnung sprechenden Gründe die vom Antragsteller geltend\ngemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung (b.).\n\n43\n\n \n\n**a.** Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag bliebe\nvoraussichtlich ohne Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen\nPrüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die in § 1 Abs. 5 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Teilnehmerbegrenzung formell\nund materiell rechtmäßig ist.\n\n44\n\n \n\n**aa.** Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in\nVerbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und\nBekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz -\nIfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt\ndurch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von\nnationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28.\nMärz 2020 geänderten Fassung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser\nRechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen\nRegelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, drängen\nsich dem Senat nicht auf (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v.\n9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020\n- 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v.\n6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v.\n30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 - 20 CS\n20.611 -, juris 17 f.).\n\n45\n\n \n\n**bb.** Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war\naufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der\nVerordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher\nVorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S.\n487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65),\nbetätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit,\nSoziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.\n\n46\n\n \n\n**cc.** Die in § 1 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete\nTeilnehmerbegrenzung dürfte auch die materiellen Voraussetzungen des § 32 Satz\n1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG erfüllen.\n\n47\n\n \n\nNach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach\nden §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung\nentsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten\nerlassen werden.\n\n48\n\n \n\nDie tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz\n1 IfSG sind angesichts der herrschenden Corona-Pandemie erfüllt, wie der Senat\nzuletzt im Beschluss vom 29. Juni 2020 - 13 MN 244/20 -, juris Rn. 15 bis 21,\nfestgestellt hat. Seitdem hat sich keine wesentliche Veränderung der Sachlage\nergeben. Der Mittelwert der in den vergangenen 7 Tagen neu Erkrankten ist im\nVergleich zu Ende Juni 2020 seit Anfang August 2020 sogar erhöht und aktuell\nannähernd verdoppelt (siehe\nhttps://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/\n(Stand 14.8.2020)).\n\n49\n\n \n\nDie Teilnehmerbegrenzung bei den in § 1 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-\nVerordnung genannten Feiern verstößt weder gegen die Berufsfreiheit des\nAntragstellers als Veranstalter (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen die allgemeine\nHandlungsfreiheit der Veranstaltungsteilnehmer (Art. 2 Abs. 1 GG) noch gegen\nden allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder die Glaubens-\nGewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG).\n\n50\n\n \n\n**(1)** Soweit die Teilnehmerbegrenzung in die Freiheitsgrundrechte des\ngewerblichen Veranstalters (Art. 12 Abs. 1 GG) oder der Teilnehmer (Art. 2\nAbs. 1 GG) eingreift, ist der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt.\nSie hält gegenwärtig die sich aus der Beschränkung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG\nin Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ sowie aus\ndem Gebot der Verhältnismäßigkeit in inhaltlicher Hinsicht („soweit“) und\nzeitlicher Hinsicht („solange“) ergebenden strengen Grenzen ein (vgl. zum\nFolgenden Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500 -, juris Rn.\n17ff.).\n\n51\n\n \n\n**(a)** Der Verordnungsgeber verfolgt mit der Teilnehmerbegrenzung das\nlegitime Ziel, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu\nschützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine\nÜberlastung des Gesundheitssystems infolge eines exponentiellen Anstiegs von\nAnsteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Die angeordnete Beschränkung\nder Teilnehmerzahl bei den in § 1 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-\nVerordnung genannten Feiern und Veranstaltungen auf 50 Personen ist geeignet,\ndie Infektionsgefahr einzudämmen, da sie physische Kontakte, Zusammenkünfte in\nForm von geschlossenen Veranstaltungen, und das damit einhergehende\nInfektionsrisiko reduziert.\n\n52\n\n \n\n**(b)** Der Verordnungsgeber darf die angeordnete Begrenzung von geschlossenen\nVeranstaltungen auf eine bestimmte Teilnehmerzahl gegenwärtig voraussichtlich\nnoch für erforderlich halten.\n\n53\n\n \n\nZum einen ist es nachvollziehbar, dass eine Feier ein spezifisch hohes\nInfektionsrisiko begründet. Eine Feier zeichnet sich dadurch aus, dass ganz\nbestimmte Einzelpersonen zusammenkommen und deshalb eine innere Verbundenheit\nzwischen den Teilnehmern besteht. Feiern sind daher typischerweise in\nbesonderem Maße auf zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation aller\nTeilnehmer angelegt. Insbesondere Hochzeitsfeiern aber auch die anderen vom\nAntragsteller veranstalteten Feierlichkeiten zeichnen sich durch eine Stimmung\nder Geselligkeit, Ausgelassenheit und Herzlichkeit aus und sind damit auf\nphysischen Kontakt ausgerichtet. Beim Feiern kommt es typischerweise zu\nengeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren Kontakten zwischen\nzahlreicheren Personen als bei anderen Anlässen (vgl. Bayerischer VerfGH,\nEntscheidung v. 15.5.2020, Vf. 34-VII-20, juris Rn. 12). Alkoholgenuss\nverstärkt dieses Verhalten, ist aber keine zwingende Voraussetzung. Dazu ist\ndie Verweildauer bei Veranstaltungen typischerweise relativ lang. Auf die\nBegründung von Infektionsketten durch Familienfeiern und andere\nVeranstaltungen weist auch das RKI in seinen täglichen Situationsberichten hin\n(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html\n(Stand: 12.8.2020).\n\n54\n\n \n\nZum anderen ist die Wertung des Verordnungsgebers nachvollziehbar, dass es\nauch und gerade bei Veranstaltungen wie den in § 1 Abs. 5 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung genannten kein im Vergleich zur\nTeilnehmerbegrenzung gleich effektives, die Veranstalter und Teilnehmer\nweniger belastendes Mittel gibt, diesem spezifischen Infektionsrisiko zu\nbegegnen. Die zahlenmäßige Beschränkung der Teilnehmerzahl reduziert die\nAnzahl möglicher Kontakte von vornherein. Dagegen hinge die Effektivität von\nweitergehenden Abstandsvorschriften und einem Maskengebot maßgeblich vom\nVerhalten der Beteiligten ab. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung,\ndass sich ein gewisser Anteil von Personen bereits in alltäglichen\nSituationen, sei es absichtlich oder unabsichtlich, nicht an solche\nSchutzmaßnahmen hält. Kommt ein überschwänglicher Moment wie etwa eine\nHochzeitsfeier hinzu, den man mit Freunden und Familie begeht, so entspricht\ndie Unterschreitung von Abständen der menschlichen Natur, selbst im Angesicht\neiner fortdauernden Pandemie und selbst bei einer bußgeldbewehrten Untersagung\ndieses Verhaltens.\n\n55\n\n \n\nAuch erscheint die Annahme, die Teilnehmer einer Hochzeitsfeier würden sich\nfür die gesamte Dauer der Veranstaltung gleichmäßig über die zur Verfügung\nstehende Fläche verteilen, realitätsfern, sodass eine Teilnehmerbegrenzung\nanhand der zur Verfügung stehenden Fläche nicht gleichermaßen geeignet wäre,\nInfektionsgefahren zu verhüten. Maßnahmen zur Rückverfolgung von\nInfektionsketten nach einer festgestellten Infektion sind bereits nicht in der\nLage, die Entstehung von Infektionen während der Veranstaltung zu verhindern.\n\n56\n\n \n\nRechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Festlegung der Grenze auf\ngerade 50 Personen in Räumlichkeiten. Aus Gründen der Rechtssicherheit und\nRechtsklarheit ist eine zahlenmäßige Grenzziehung angezeigt. Die Festsetzung\nder zulässigen Höchstanzahl von Teilnehmern gehört zum Einschätzungsspielraum\ndes Verordnungsgebers (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.7.2020 - 20 NE\n20.1500 -, juris Rn. 23). Dass die konkrete Begrenzung auf 50 Personen\nvorliegend die Grenzen dieses Spielraums verlassen hätte, ist unter\nBerücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung und bei typisierender\nBetrachtung der Veranstaltungen auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist\nein Vergleich mit anderen Bundesländern nicht ergiebig, da hiernach allenfalls\nfestgestellt werden könnte, dass dortige Begrenzungen als innerhalb des\nEinschätzungsspielraums befindlich angesehen werden dürften, nicht jedoch, wo\ndieser Spielraum endet.\n\n57\n\n \n\n**(c)** Die Teilnehmerbegrenzung bei Hochzeitsfeiern ist voraussichtlich auch\nangemessen.\n\n58\n\n \n\nDabei wiegt der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der gewerblichen\nVeranstalter gemäß Art. 12 Abs. 1 GG nicht allzu schwer, da die Begrenzung dem\nVeranstalter die Wirtschaftsgrundlage nur teilweise entzieht. Es verbleibt die\nMöglichkeit der Aufteilung der Räumlichkeiten und das Veranstalten von Feiern\ninnerhalb der Teilnehmergrenzen. Abgesehen davon ist es gewerblichen\nVeranstaltern wieder möglich, ihre Räumlichkeiten für Veranstaltungen,\ninsbesondere kulturelle Veranstaltungen, für bis zu 500 Personen zur Verfügung\nzu stellen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) oder\nfür Kongresse anzubieten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 2 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung). Dabei sind allerdings die\ndiesbezüglichen Einschränkungen (Teilnahme im Sitzen, Hygienekonzept,\nDokumentation, Mund-Nase-Bedeckung außerhalb des Sitzplatzes) einzuhalten. Mit\nBlick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines möglichen\nerneuten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die\nhochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie einer\nÜberlastung des Gesundheitswesens ist der Eingriff daher voraussichtlich\nangemessen.\n\n59\n\n \n\n**(2)** Die Teilnehmerbegrenzung bei Hochzeitsfeiern verletzt voraussichtlich\nauch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.\n\n60\n\n \n\nDer allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber,\nwesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln\n(vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 -\njuris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365,\n385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt,\nallerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem\nDifferenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je\nnach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für\ndie Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an\nVerhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz\nder Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab,\ndessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils\nbetroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen\n(vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 -\njuris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 -\njuris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400,\n416 - juris Rn. 79).\n\n61\n\n \n\nHiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die\nInfektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl.\nv. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte\nBeachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl.\nOVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die\nsachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen\nGefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch\nalle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen\nder Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch\nöffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter\nunternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20\n-, juris Rn. 62).\n\n62\n\n \n\n**(a)** Dass für den regulären Betrieb einer Gastronomie keine absolute\nObergrenze für die Anzahl der Gäste gilt, begründet keinen Gleichheitsverstoß.\n\n63\n\n \n\nDies lässt sich damit begründen, dass der persönliche Zuschnitt und der\nCharakter von Feiern regelmäßig eine gegenüber der sonstigen Gastronomie stark\nerhöhte Mobilität der Teilnehmer zwischen den Tischen erwarten lassen, mit\nentsprechend stärker steigendem Infektionsrisiko bei steigender Teilnehmerzahl\n(vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500 -, juris Rn. 29) .\nEs bestehen im Hinblick auf die innere Verbundenheit der Teilnehmer sowie Art\nund Dauer der Zusammenkunft typisierbare sachliche Unterschiede zu\nGastronomieaufenthalten.\n\n64\n\n \n\nDer Senat sieht sich veranlasst, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen,\ndass nach seiner Auffassung eine Ansammlung im Rahmen von Feiern im Sinn des §\n1 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung immer dann vorliegt,\nwenn ein einheitlicher, die anwesenden Personen verbindender Anlass zum Feiern\ngegeben ist. Sie kann nicht durch Einhaltung des Abstandsgebotes künstlich in\nzwei Feiern aufgeteilt werden. Eine solche Aufteilung wäre vielmehr eine\nUmgehung des § 1 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Wenn etwa\neine Geburtstagsfeier von mehr als 10 Personen mit einem Essen in einem\nRestaurant gefeiert werden soll, indem sich die Teilnehmer auf verschiedene\nTische in derselben Räumlichkeit verteilen, so dürfte dies grundsätzlich nicht\nmit § 1 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vereinbar sein\n(wohl anders die FAQ der Antragsgegnerin,\nhttps://www.niedersachsen.de/Coronavirus/antworten_auf_haufig_gestellte_fragen_faq/antworten-\nauf-haufig-gestellte-fragen-faq-186686.html). Derartige Umgehungen können\nnicht unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung als Vergleich herangezogen\nwerden.\n\n65\n\n \n\n**(b)** Auch ein Vergleich mit der weitgehend unbeschränkten Zulässigkeit von\nHochzeitsfeiern in der eigenen Wohnung überzeugt nicht.\n\n66\n\n \n\n§ 1 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung legt fest, dass physische\nKontakte einer Person außerhalb der eigenen Wohnung nur erlaubt sind, wenn die\nin den Absätzen 3 und 4 genannten Bedingungen eingehalten werden. Entgegen der\nFormulierung und der Stellung in der Vorschrift stellt § 1 Abs. 2 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung inhaltlich kein Verbot von physischem\nKontakt außerhalb der eigenen Wohnung dar, von dem in Fällen des § 1 Abs. 3\nund Abs. 4 abgewichen werden kann. Es handelt sich vielmehr strukturell um\neine Ausnahme dahingehend, dass § 1 Abs. 3 und Abs. 4 der Niedersächsischen\nCorona-Verordnung nicht auf physische Kontakte innerhalb der eigenen Wohnung\nanwendbar sind (siehe zu diesem Verhältnis auch Senatsbeschl. v. 29.7.2020 -\n13 MN 280/20 -, juris Rn. 22).\n\n67\n\n \n\nDer Verordnungsgeber wollte auf diesem Wege die Privatsphäre des Einzelnen von\nden Eingriffen der Verordnung ausnehmen. Bei dem Begriff der eigenen Wohnung\nim Sinne des § 1 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat sich der\nVerordnungsgeber ersichtlich von dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der\nWohnung nach Art. 13 GG leiten lassen und damit in vertretbarer Weise die\nAnwendbarkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung beschränkt. Art. 13 GG\ngewährleistet dem Einzelnen einen „elementaren Lebensraum“ im Hinblick auf\nseine Menschenwürde und im Interesse seiner freien Entfaltung (BVerfG, Beschl.\nv. 26.5.1976 - 2 BvR 294/76 -, juris Rn. 30; v. 2.3.2006 - 2 BvR 2099/04 -,\njuris Rn. 116). Hierbei geht der Senat nicht davon aus, dass § 1 Abs. 2 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung den gesamten Schutzbereich des Art. 13 GG\nerfassen will. Die von Art. 13 GG mit geschützten beruflich genutzten Räume\n(Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, vgl BVerfG, Beschl. v. 7.9. 2006 - 2\nBvR 1141/04 -, juris Rn. 16 m.w.N.) fallen nicht hierunter, wie schon ein\nVergleich mit § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zeigt, der\nauch Regelungen für Einrichtungen trifft, die für einen Besuchs- und\nKundenverkehr geöffnet sind. Eine Privilegierung des elementaren Lebensraums\ndes Einzelnen gegenüber Räumlichkeiten, die allein wirtschaftlichen Interessen\ndienen, stellt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.\n\n68\n\n \n\n**(c)** Es liegt auch keine rechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung\ngegenüber den Veranstaltern kultureller Veranstaltungen für bis zu 500\nPersonen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) oder von\nKongressen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-\nVerordnung) vor. Derartige Veranstaltungen unterliegen den speziellen\nhygienerechtlichen Beschränkungen des § 24 Abs. 2 der Niedersächsischen\nCorona-Verordnung. Insbesondere müssen die Besucher an diesen Veranstaltungen\nausschließlich sitzend teilnehmen und einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Derart\nstrikte Restriktionen sind für die in § 1 Abs. 5 der Verordnung genannten\nFeierlichkeiten nicht vorgeschrieben und auch nicht ernsthaft vorstellbar.\nDarüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass es dem Antragsteller freisteht,\nkulturelle Veranstaltungen oder Kongresse selbst anzubieten.\n\n69\n\n \n\n**(d)** Auch ein Verweis auf Wettbewerbsnachteile gegenüber Anbietern in\nangrenzenden Bundesländern überzeugt nicht, denn der Gleichheitssatz bindet\njeden Träger der öffentlichen Gewalt allein in seinem Zuständigkeitsbereich\n(vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 151).\n\n70\n\n \n\n**(3)** Die Beschränkung der Teilnehmerzahl bei den von § 1 Abs. 5 der\nNiedersächsischen Corona-Verordnung genannten Feierlichkeiten verletzt die\ndurch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Glaubens-, Gewissens- und\nBekenntnisfreiheit der Feierwilligen nicht. Allerdings haben die dort\ngeregelten Feierlichkeiten einen religiösen oder weltanschaulichen\nHintergrund. Der Antragsteller veranstaltet jedoch keine religiösen oder\nweltanschaulichen Zeremonien, sondern lediglich Feierlichkeiten aus deren\nAnlass. Für etwaige vorangehende religiösen Zeremonien bietet § 23 der\nVerordnung hinreichende Möglichkeiten. Dem religiös/weltanschaulichen\nHintergrund trägt die Privilegierung der Feierlichkeiten durch § 1 Abs. 5 der\nVerordnung angemessen Rechnung.\n\n71\n\n \n\n**b.** Schließlich überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnung\nsprechenden Gründe die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe für die\neinstweilige Außervollzugsetzung.\n\n72\n\n \n\nDas Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Außervollzugsetzung der\nangefochtenen Regelung ist im Hinblick auf die anderweitigen Möglichkeiten der\nwirtschaftlichen Nutzbarkeit des Anwesens nicht von überdurchschnittlichem\nGewicht (vgl. oben II. 2. a) cc) (1) (c)). Der Antragsteller könnte seine\nRäumlichkeiten insbesondere für Kongresse, Tagungen und kulturelle\nVeranstaltungen anbieten. Er ist nicht auf die von ihm bisher durchgeführten\nVeranstaltungen beschränkt. Auf diese Weise dürfte es ihm möglich sein, die\nmonatlich anfallenden Fixkosten zumindest teilweise abzudecken.\n\n73\n\n \n\nDer Antragsteller wird durch die Verordnung wettbewerbsmäßig auch nicht\nverdrängt. Er kann zwar keine Feiern mit über 50 Personen in geschlossenen\nRäumen mehr anbieten, dies trifft jedoch alle seine niedersächsischen\nWettbewerber. Wenn der Antragsteller insoweit vorübergehend durch in anderen\nBundesländern ansässige Anbieter wegen der dortigen Möglichkeit größerer\nVeranstaltungen verdrängt werden sollte, so wäre dies aufgrund der föderalen\nGliederung der Bundesrepublik Deutschland hinzunehmen. Es ist im Hinblick auf\ndie steigenden Fallzahlen und die häufige Identifizierung von Familienfeiern\nals Infektionsquellen zudem nicht abzusehen, dass es über einen längeren\nZeitraum bei den großzügigen Regelungen anderer Bundesländer bleibt.\n\n74\n\n \n\nDas derart gewichtete Interesse des Antragstellers setzt sich nicht gegen das\nöffentliche Interesse an einem ununterbrochenen weiteren Vollzug der\nVerordnung für die Dauer eines etwaigen Normenkontrollverfahrens in der\nHauptsache durch. Denn ohne diesen bliebe die Möglichkeit, eine weitere\ngeeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung\nder Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch\nmit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang\n(vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350\n- juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, (irreversibel) ungenutzt\nund würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der erneuten\nErkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen\nbei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von\nMenschen auch nach derzeitigen Erkenntnissen weiter erhöhen (vgl. zu dieser\nGewichtung: BVerfG, Beschl. v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10;\nBeschl. v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).\n\n75\n\n \n\n**III.** Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs.\n1 VwGO).\n\n76\n\n \n\n**IV.** Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1\nGKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der\nHauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert\nim Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen\n(vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, juris Rn. 29). Dieser\nStreitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der\nVerordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.\n\n77\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5\ni.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).\n\n \n\n* * *\n\n![Abkürzung Fundstelle](/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-\ninfo.gif)Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können\nSie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in\nIhre Favoriten als Lesezeichen einfügen.\', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true,\nABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und\nverwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten: \nhttp://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid;=MWRE200003211&psml;=bsndprod.psml&max;=true\n\n
330,650
vg-dusseldorf-2020-08-14-24-l-147620
842
Verwaltungsgericht Düsseldorf
vg-dusseldorf
Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
24 L 1476/20
2020-08-14
2020-08-21 10:00:57
2020-12-10 13:37:55
Beschluss
ECLI:DE:VGD:2020:0814.24L1476.20.00
## Tenor\n\n**1\\. Der Antrag wird abgelehnt.**\n\n**Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.**\n\n**2\\. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.**\n\n \n1\n\n**Gründe:**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\nDie Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige und reiste am 16. März 2019\nin die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie im Mai 2019 im serbischen\nGeneralkonsulat Herrn O. J. geheiratet hat.\n\n4\n\nUnter dem 18. Juni 2019 beantragte die Antragstellerin bei der\nAusländerbehörde der Stadt X. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §\n30 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), hilfsweise gemäß § 25 Abs. 4 AufenthG (vgl.\nBl. 314 ff. der Beiakte).\n\n5\n\nNachdem sich die Antragstellerin im September 2019 von ihrem Ehemann getrennt\nhat, begann sie am 15. Oktober 2019 eine Ausbildung als Fachkraft im\nGastgewerbe in dem Restaurant S. in L. .\n\n6\n\nDie Antragstellerin beantragte am 21. Oktober 2019 bei dem Antragsgegner die\nErteilung einer Ausbildungsduldung (vgl. Bl. 259 der Beiakte). Der\nAusbildungsvertrag war dem Antrag nicht beigefügt. Die Antragstellerin legte\ndiesen im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Antragsgegner am 20.\nFebruar 2020 vor (vgl. Niederschrift, Bl. 280 der Beiakte).\n\n7\n\nDer Antragsgegner hörte die Antragstellerin am 9. März 2020 zu der\nbeabsichtigten Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung\nan (Bl. 305 der Beiakte). Zur Begründung führte er aus, dass der\nVersagungsgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG greife, da sie bei\nAntragstellung nicht drei Monate im Besitz einer Duldung gewesen sei. Zugleich\nhörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer beabsichtigten\nAusweisung, der unter Androhung der zwangsweisen Abschiebung beabsichtigten\nAufforderung zur Ausreise nach Serbien sowie zum Erlass eines auf drei Jahre\nab Abschiebung bzw. Ausreise zu befristenden Einreise- und Aufenthaltsverbots\nan.\n\n8\n\nDaraufhin führte die Antragstellerin aus, dass sich die beantragte\nAusbildungsduldung nach der Fassung des § 60a Abs. 2 S. 2 AufenthG zur Zeit\nder Antragstellung richte, da sie in diesem Zeitpunkt Inhaberin einer\nFiktionsbescheinigung gewesen sei. Diese Tatbestandvoraussetzungen lägen vor,\nohne dass ein Ausschlussgrund greife. § 60c sei demgegenüber erst am 1. Januar\n2020 in Kraft getreten. Insoweit sei § 104 Abs. 16 AufenthG zu beachten. Zudem\nsei in dem bis zum 31. Dezember 2019 gültigen Ausbildungserlass des\nInnenministeriums NRW niedergelegt gewesen, dass eine Ausbildungsduldung auch\nan Personen erteilt werden könne, die eine Aufenthaltserlaubnis oder – wie sie\n– eine Fiktionsbescheinigung hätten.\n\n9\n\nDer Antragsgegner hörte die Antragstellerin sodann zu der beabsichtigten\nAblehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie zu den\nbereits mit Anhörungsschreiben vom 9. März 2020 angekündigten Maßnahmen an\n(Bl. 318). Zur Begründung der beabsichtigten Versagung einer\nAusbildungsduldung führte er weitergehend aus, dass § 60 c Abs. 2 Nr. 2\nAufenthG anzuwenden sei, da die von der Antragstellerin begonnene Ausbildung\nerst am 20. Februar 2020 durch Vorlage eines Ausbildungsvertrages nachgewiesen\nworden sei. Zudem sei nicht ersichtlich, aus welchem Erlass eine Anwendung der\nRegelungen zur Ausbildungsduldung auch auf Personen erfolge, die eine\nFiktionsbescheinigung oder eine Aufenthaltserlaubnis innehätten.\n\n10\n\nDie Antragstellerin nahm am 16. April 2020 ihren Antrag auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis zum Ehegattenzusammenzug zurück (Bl. 329). Es werde\nlediglich der Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gestellt. Unter\ndem 22. April 2020 stellte sie klar, dass auch der Antrag nach § 25 Abs. 4\nAufenthG zurückgenommen worden sei.\n\n11\n\nUnter dem 27. April 2020 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut zu\nder beabsichtigten Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer\nAusbildungsduldung sowie zu einer Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung\nund zum Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots an (Bl. 341 der\nBeiakte). Zur Begründung führte er weitergehend aus, dass die Antragstellerin\nerst durch die Rücknahme ihres Antrags auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis am 16. bzw. 22. April 2020 in den Anwendungsbereich der\nAusbildungsduldung falle. Im Übrigen wiederholte er im Wesentlichen seine\nAusführungen aus dem bisherigen Verwaltungsverfahren.\n\n12\n\nDaraufhin führte die Antragstellerin aus, dass die Bedingung einer\ndreimonatigen Duldung erst zum 1. März 2020 ins Gesetz aufgenommen worden sei\nund damit im Zeitpunkt der Antragstellung nicht gegolten habe. Sie habe\nerwarten dürfen, dass über ihren Antrag mit Blick auf § 75 VwGO bis zum 31.\nDezember 2019, jedenfalls aber vor dem 1. März 2020 entschieden werde.\nSchließlich habe sie jedenfalls bei Antragstellung am 15. Oktober 2019 einen\nRechtsanspruch auf Duldung gehabt.\n\n13\n\nMit Ordnungsverfügung vom 8. Mai 2020 lehnte der Antragsgegner den Antrag der\nAntragstellerin auf Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Berufsausbildung ab\n(Ziffer 1), wies sie auf ihre Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG hin\nund gab ihr Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise binnen acht Wochen (Ziffer\n2). Für den Fall, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht innerhalb dieser Frist\nnachkomme, drohte er die zwangsweise Abschiebung nach Serbien an (Ziffer 3)\nund erließ ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren\nab erfolgter Abschiebung, sofern es zur Durchführung der Abschiebung kommt\n(Ziffer 4). Schließlich setzte er eine Gebühr in Höhe von 58,00 Euro fest. Zur\nBegründung führte der Antragsgegner ergänzend aus, dass die Antragstellerin\nauch keinen Rechtsanspruch auf Duldungserteilung gehabt habe, da die\nFiktionswirkung erst mit Rücknahme ihres Antrags auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis erloschen und sie zur Ausreise verpflichtet gewesen sei.\nDaher sei der Anwendungsbereich des § 60a AufenthG erst ab diesem Zeitpunkt\neröffnet gewesen. Zudem habe die Antragstellerin auch nicht über eine\nArbeitserlaubnis verfügt. Da es sich bei dem erlaubten Aufenthalt nach § 81\nAbs. 3 AufenthG nicht um einen Aufenthaltstitel i.S.d. § 4 AufenthG handele,\nder entsprechend § 4 Abs. 2 AufenthG a.F. bzw. § 4a AufenthG zur Ausübung\neiner Erwerbstätigkeit berechtigte, hätte ihr auch keine Arbeitserlaubnis\nerteilt werden können. Die Übergangsregelung des § 104 Abs. 16 AufenthG sei\nnicht anwendbar, da sie bis zum 31. Dezember 2019 nicht im Besitz einer\nDuldung gewesen sei und ihr die Ausübung der Beschäftigung auch nicht erlaubt\nworden sei. Auch § 104 Abs. 17 AufenthG finde keine Anwendung.\n\n14\n\nDie Klägerin erhob am 18. Mai 2020 Klage (24 K 2491/20), über die noch nicht\nentschieden ist. Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffern\n2 bis 4 der Ordnungsverfügung vom 8. Mai 2020 anzuordnen (24 L 868/20), nahm\nsie am 12. Juni 2020 zurück, nachdem der Antragsgegner ihr aufgrund der\naktuellen Corona-Pandemie eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG bis zum\n8. Juli 2020 erteilte.\n\n15\n\nMit Schreiben vom 23. Juli 2019 wies der Antragsgegner die Antragstellerin\ndarauf hin, dass seit dem 22. Mai 2020 eine Einreise nach Serbien wieder ohne\njede Einschränkung möglich sei. Daher werde er aufenthaltsbeendende Maßnahmen\ngegen sie einleiten. Sie müsse ohne weitere Ankündigung mit ihrer Abschiebung\nrechnen.\n\n16\n\nDie Antragstellerin hat am 31. Juli 2020 einen Eilantrag gestellt. Sie trägt\nvor, dass sie bei einer Aufenthaltsbeendigung ihre Ausbildung abbrechen\nmüsste, was nicht wieder gut zu machende Nachteile für sie hätte. Die\nOrdnungsverfügung vom 8. Mai 2020 sie nicht offensichtlich rechtmäßig.\n\n17\n\nSie beantragt wörtlich,\n\n18\n\n**die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.**\n\n19\n\nDer Antragsgegner beantragt,\n\n20\n\n**den Antrag abzulehnen.**\n\n21\n\nZur Begründung bezieht er sich auf seinen Vortrag aus dem Hauptsacheverfahren\nund trägt ergänzend vor, dass der Antragstellerin die Ausübung einer\nBeschäftigung weiterhin nicht erlaubt sei. Die bis zum 10. September 2020\ngültige Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG sei mit der Nebenbestimmung\n„Erwerbstätigkeit nicht erlaubt“ erteilt worden. Darüber hinaus sei das\nAusbildungsverhältnis durch Aufhebungsvertrag vom 22. Mai 2020 zum 31. Mai\n2020 beendet worden.\n\n22\n\nHinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der\nGerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners\nergänzend Bezug genommen.\n\n23\n\n**II.**\n\n24\n\nDie Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr die Kammer den Rechtsstreit zur\nEntscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).\n\n25\n\nDer Antrag hat keinen Erfolg.\n\n26\n\nEr ist bereits teilweise unzulässig (1.). Soweit er zulässig ist, ist er\nunbegründet (2.).\n\n27\n\n**1.** Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der\nHauptsache erhobenen Klage (24 K 2491/20) gegen die Ordnungsverfügung des\nAntragsgegners vom 8. Mai 2020 ist nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO nur\nstatthaft, soweit sich die Antragstellerin gegen die darin enthaltene\nAbschiebungsandrohung wendet. Insoweit kommt der in der Hauptsache erhobenen\nKlage abweichend von § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, da\ndiese gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. § 112 Gesetz über die Justiz im Land\nNordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen – JustG NRW) kraft\nGesetzes entfällt.\n\n28\n\nEin Antrag, der darauf gerichtet wäre,\n\n29\n\n**dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die\nAntragstellerin bis zu einer Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren 24 K\n2491/20 nicht abzuschieben und ihr für diesen Zeitraum eine Ausbildungsduldung\nnebst Beschäftigungserlaubnis zu erteilen,**\n\n30\n\nwäre demgegenüber nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen\nzulässig.\n\n31\n\n**2.** Sowohl der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage\ngegen die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 8. Mai 2020\nenthaltene Abschiebungsandrohung (a) als auch ein – schon nicht gestellter –\nAntrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (b) sind unbegründet.\n\n32\n\n**a)** Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO ist unbegründet.\n\n33\n\nDie Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach\n§ 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO beurteilt sich danach, ob das öffentliche\nInteresse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung\ndas private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung überwiegt.\nMaßgebliches Kriterium für die Abwägung der Interessen durch das Gericht sind\ndie Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren. Ergibt die im Rahmen\ndes vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche und gebotenen summarische\nPrüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung,\ndass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das\nInteresse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Denn an der\nVollziehung rechtswidriger hoheitlicher Maßnahmen kann kein öffentliches\nInteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtmäßig,\nüberwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit.\n\n34\n\nNach diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten der\nAntragstellerin aus. Denn es ist nach summarischer Prüfung nach Aktenlage\ndavon auszugehen, dass die Abschiebungsandrohung in der Ordnungsverfügung des\nAntragsgegners vom 8. Mai 2020 rechtmäßig ist.\n\n35\n\nDie Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1\nAufenthG. Danach ist die in § 58 Abs. 1 S. 1 AufenthG vorgesehene Abschiebung\neines Ausländers unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und\n30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen, wobei gemäß § 59 Abs. 2\nAufenthG in der Androhung der Staat bezeichnet werden soll, in den der\nAusländer abgeschoben werden soll. Die formellen und materiellen\nRechtmäßigkeitsvoraussetzungen liegen nach bisheriger Aktenlage vor.\n\n36\n\nDie Abschiebungsandrohung ist formell rechtmäßig. Sie ist insbesondere in der\ngemäß a§ 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG gebotenen Schriftform samt Begründung\nergangen.\n\n37\n\nDie Abschiebungsandrohung begegnet auch keinen materiellen Bedenken.\nGrundvoraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung ist das\nVorliegen der gesetzlichen Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG. Danach\nist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen\nAufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach\ndem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. Die\nAntragstellerin ist ausreisepflichtig, da sie keinen nach § 4 Abs. 1 S. 1\nAufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt. Zudem besteht auch kein\nAufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei.\n\n38\n\nAuch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung\nliegen nach Aktenlage vor. Der Antragstellerin wurde mit der Ausreisefrist von\n8 Wochen nach Zustellung des Bescheides eine den Vorgaben des § 59 Abs. 1 Satz\n1 bis 4 AufenthG entsprechende, in Anbetracht der Dauer ihres Aufenthalts im\nBundesgebiet angemessene Frist gesetzt. Zudem ist der Zielstaat der\nAbschiebung (Serbien) benannt.\n\n39\n\nUnerheblich ist an dieser Stelle, ob die Antragstellerin einen Anspruch auf\nErteilung einer Ausbildungsduldung hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde\ndie Abschiebungsandrohung nach der gesetzlichen Regelung des § 59 Abs. 3 Satz\n1 AufenthG hierdurch nicht rechtswidrig. Danach steht dem Erlass der Androhung\ndas Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende\nAussetzung der Abschiebung nicht entgegen.\n\n40\n\n**b)** Auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123\nAbs. 1 VwGO wäre unbegründet.\n\n41\n\nNach § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag\neine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn\ndie Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die\nVerwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich\nerschwert werden könnte. Das setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs.\n2, 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines materiellen\nAnspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch),\nund die besondere Eilbedürftigkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit bei Abwägung\naller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten\n(Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht hat.\n\n42\n\nDiese Voraussetzungen liegen nicht vor.\n\n43\n\nDie Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Unterlassung\naufenthaltsbeendender Maßnahmen glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3, 920 Abs. 2,\n294 ZPO).\n\n44\n\nDer Antragsgegner ist berechtigt, die Antragstellerin abzuschieben.\n\n45\n\nGemäß § 58 Abs. 1 AufenthG ist der Ausländer abzuschieben, wenn die\nAusreisepflicht vollziehbar ist (aa), eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde\noder diese abgelaufen ist (bb), und die freiwillige Erfüllung der\nAusreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen\nSicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint\n(cc). Darüber hinaus muss eine vollziehbare Abschiebungsandrohung nach § 59\nAbs. 1 AufenthG vorliegen oder eine solche ausnahmsweise verzichtbar sei (dd)\nund es dürfen keine Abschiebungsverbote oder Abschiebungshindernisse vorliegen\n(ee). Diese Voraussetzungen liegen vor.\n\n46\n\n**aa)** Die Antragstellerin ist vollziehbar ausreisepflichtig.\n\n47\n\nDie – bereits festgestellte – Ausreisepflicht der Antragstellerin ist gemäß §\n58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vollziehbar, da sie unerlaubt in die Bundesrepublik\nDeutschland eingereist ist. Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist die Einreise\neines Ausländers in das Bundesgebiet unerlaubt, wenn er den nach § 4\nerforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Letzteres ist hier der Fall.\nDie Antragstellerin hat vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet nicht das\nerforderliche Visum (vgl. hierzu § 6 AufenthG) eingeholt. Als serbische\nStaatsangehörige bedurfte sie zwar als sog. Anhang-II-Staater nach Art. 20\nSchengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), Art. 6 der VO (EU) 2016/399 –\nSchengener Grenzkodex (SGK), Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II Nr. 1\nder Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (EG-VisaVO) für einen Aufenthalt, der 90 Tage\nje Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, grundsätzlich keines Visums.\nIndes ist ein visumsfreier Aufenthalt nur dann als rechtmäßig im Sinne des §\n81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG anzusehen, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck\nnur auf einen Kurzaufenthalt gemäß Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO gerichtet ist.\nDabei ist maßgeblich, welche Absichten der Betroffene im Zeitpunkt der\nEinreise in Bezug auf die Aufenthaltsdauer hat. Ein Staatsangehöriger eines\nder in Anhang II der EG-VisaVO genannten Staaten begründet demnach dann keinen\nrechtmäßigen Aufenthalt, wenn er bereits bei der Einreise die Absicht hat,\nsich länger als 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet aufzuhalten.\n\n48\n\nVgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),\nBeschluss vom 11. November 2015 – 18 B 387/15 –, juris, Rn. 3 m.w.N.;\nSchleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 2019 – 11\nB 163/18 –, juris, Rn. 17 m.w.N.\n\n49\n\nHiervon ausgehend ist die Antragstellerin unerlaubt im Sinne des § 14 Abs. 1\nNr. 2 AufenthG eingereist, weil sie schon bei der Einreise einen\nDaueraufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigte, jedoch nicht im Besitz des für\neinen solchen langfristigen Aufenthalt erforderlichen nationalen Visums war.\nDies folgt aus ihren Angaben gegenüber dem Antragsgegner im Rahmen der\npersönlichen Vorsprache vom 5. März 2020. Aus der im Verwaltungsvorgang\nbefindlichen Niederschrift folgt, dass die Antragstellerin angegeben hat, sie\nsei am 16. März 2019 nach Deutschland eingereist, um ihren Mann zu heiraten\nund auf Dauer in Deutschland die Ehe zu führen.\n\n50\n\n**bb)** Wie bereits ausgeführt wurde der Antragstellerin in der\nOrdnungsverfügung vom 8. Mai 2020 eine den Vorgaben des § 59 Abs. 1 Satz 1 bis\n4 AufenthG entsprechende Ausreisefrist gesetzt, die im Zeitpunkt der\ngerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufen ist.\n\n51\n\n**cc)** Die Überwachung der Ausreise ist auch erforderlich, da die\nAntragstellerin nicht binnen der gesetzten Ausreisefrist ausgereist ist (vgl.\n§ 58 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG).\n\n52\n\n**dd)** Des Weiteren enthält die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 8.\nMai 2020 auch eine vollziehbare Abschiebungsandrohung i.S.d. § 59 Abs. 1\nAufenthG. Auch insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen\nwerden.\n\n53\n\n**ee)** Schließlich liegen weder Abschiebungsverbote noch\nAbschiebungshindernisse vor.\n\n54\n\n**(1)** Insbesondere hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erteilung der\nbegehrten Ausbildungsduldung glaubhaft gemacht.\n\n55\n\nRechtsgrundlage hierfür ist §§ 60a Abs. 2 S. 3, 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2\nAufenthG. Danach ist eine Duldung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 zu\nerteilen, wenn der Ausländer in Deutschland im Besitz einer Duldung nach § 60a\nist und eine in Nummer 1 genannte Berufsausbildung aufnimmt. Nach Ziffer 1 a\nder Vorschrift handelt es sich dabei um eine qualifizierte Berufsausbildung in\neinem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf.\nDiese Voraussetzung liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin\nim maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine\nBerufsausbildung (mehr) ausübt, da nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag\ndes Antragsgegners das Ausbildungsverhältnis durch Aufhebungsvertrag vom 22.\nMai 2020 zum 31. Mai 2020 beendet wurde.\n\n56\n\n**(2)** Ferner hat die Antragstellerin auch keinen Anspruch auf Erteilung\neiner Duldung nach § 60c Abs. 6 S. 1 AufenthG glaubhaft gemacht. Danach wird\ndem Ausländer einmalig eine Duldung für sechs Monate zum Zweck der Suche nach\neinem weiteren Ausbildungsplatz zur Aufnahme einer Berufsausbildung nach\nAbsatz 1 erteilt, wenn das (vorherige) Ausbildungsverhältnis beendet wurde.\n\n57\n\nDiese Voraussetzungen liegen zwar vor, da die Antragstellerin in einem\nAusbildungsverhältnis zu dem Restraunt S. in L. stand, welches bis zum 14.\nSeptember 2021 dauern sollte und welches durch Vertragsaufhebung vorzeitig im\nMai 2020 beendet wurde.\n\n58\n\nWenngleich der Wortlaut des § 60c Abs. 6 S. 1 AufenthG keine weiteren\nAnspruchsvoraussetzungen benennt, insbesondere wohl keine vorherige\nAusbildungsduldung voraussetzen dürfte,\n\n59\n\nvgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2020 – 8 L 783/20 –, n.v.,\nS. 3 des Beschlussabdrucks,\n\n60\n\nsteht einem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Duldung nach § 60\nc Abs. 6 S. 1 AufenthG aber zumindest entgegen, dass ihr die Aufnahme der\nvorzeigt beendeten Berufsausbildung – zu Recht – nie erlaubt worden ist.\nAndernfalls könnte das in § 4a Abs. 4 2. Hs. AufenthG für Ausländer, die – wie\ndie Antragstellerin – keinen Aufenthaltstitel besitzen, normierte Verbot, eine\nandere Erwerbstätigkeit (als die Ausübung einer Saisonbeschäftigung, vgl. § 4a\nAbs. 4 Hs. 1 AufenthG) auszuüben, solange und soweit die zuständige Behörde\ndie Ausübung der anderen Erwerbstätigkeit nicht erlaubt hat, umgangen werden.\nIn diesem Zusammenhang sei mit Blick auf die Ausführungen der Antragstellerin\nim Hauptsacheverfahren darauf hingewiesen, dass § 32 Abs. 2 Nr. 2 der\nVerordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländer\n(Beschäftigungsverordnung) lediglich vom Zustimmungserfordernis der\nBundesagentur für Arbeit – und nicht auch vom Erlaubnisvorbehalt der\nAusländerbehörde – befreit.\n\n61\n\nDie Antragstellerin hatte auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis\nzur Aufnahme einer (ersten) Berufsausbildung. Gemäß § 60c Abs. 1 S. 3 AufenthG\nist die Beschäftigungserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen für die\nErteilung der Ausbildungsduldung zu erteilen. Letzteres ist aber nicht der\nFall. Denn der Erteilung einer Ausbildungsduldung steht ein Ausschlussgrund\nnach § 60a Abs. 6 AufenthG entgegen (vgl. § 60c Abs. 2 Nr. 1).\n\n62\n\nGemäß § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG in der ab dem 1. März 2020 gültigen\nFassung darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer\nErwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn er Staatsangehöriger eines\nsicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem\n31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es\nsei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1\ndes Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein\nAsylantrag nicht gestellt wurde. Danach ist der Antragstellerin als\nStaatsangehörige eines sicheren Herkunftsstaates (vgl. § 29a Absatz 2 AsylG\ni.V.m. Anlage II), die keinen Asylantrag gestellt hat, die Ausübung einer\nErwerbstätigkeit verboten.\n\n63\n\nEntgegen der Ansicht der Antragstellerin findet die Übergangsvorschrift des §\n104 Abs. 16 AufenthG keine Anwendung. Danach gilt für Beschäftigungen, die\nInhabern einer Duldung bis zum 31. Dezember 2019 erlaubt wurden, § 60a Absatz\n6 in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung (a.F.), fort. § 60a Abs. 6\nAufenthG a.F. sah ein Erwerbstätigkeitsverbot nicht vor, wenn ein\nStaatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates – wie hier – keinen\nAsylantrag gestellt hat. Indes weist der Antragsgegner insoweit zu Recht\ndarauf hin, dass der Antragstellerin, selbst wenn sie mit Blick auf die\nfehlende Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG Inhaberin einer\n(fiktiven) Duldung gewesen wäre, eine Beschäftigung nicht bis zum 31. Dezember\n2019 – oder auch danach – erlaubt worden ist.\n\n64\n\nEntgegen der Annahme der Antragstellerin hätte der Antragsgegner ihr die\nAufnahme der Ausbildung auch nicht bis zum 31. Dezember 2019 – und damit nach\nalter Rechtslage – erlauben müssen. Dies bereits deshalb nicht, weil die\nAntragstellerin schon keinen bescheidungsfähigen Antrag gestellt hat. Ihrem\nAntrag vom 21. Oktober 2019 waren keinerlei Unterlagen beigefügt. Sie legte\nihren Berufsausbildungsvertrag dem Antragsgegner erst am 20. Februar 2020 vor.\n\n65\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n66\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1\nGerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffern 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs\nfür die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.\n\n67\n\n**Rechtsmittelbelehrung:**\n\n68\n\n(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann\ninnerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht\nDüsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105\nDüsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das\nOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster\nentscheidet.\n\n69\n\nDie Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des\nelektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische\nBehördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt\nwerden.\n\n70\n\nDie Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist\nschriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und\nder ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen\n(Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster)\neingeht.\n\n71\n\nDie Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu\nbegründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde\nvorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-\nWestfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033\nMünster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten,\ndie Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben\nist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das\nOberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.\n\n72\n\nDie Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen\nProzessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die\nBeteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für\nProzesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten\nkönnen sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer\nstaatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der\nEuropäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den\neuropäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum\nRichteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die\nzusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen\ndes öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer\nöffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67\nAbs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum\nRechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2\nSatz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den\ndort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.\n\n73\n\nDie Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst\nzweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches\nDokument bedarf es keiner Abschriften.\n\n74\n\n(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des\nUrkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf\n(Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf)\nBeschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land\nNordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.\n\n75\n\nDie Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a\nVwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des\nelektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische\nBehördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu\nProtokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung\ngilt entsprechend.\n\n76\n\nDie Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten\neingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt\noder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später\nals einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des\nFestsetzungsbeschlusses eingelegt werden.\n\n77\n\nDie Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes\n200,-- Euro nicht übersteigt.\n\n78\n\nDie Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der\nEinreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.\n\n79\n\nWar der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist\neinzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu\nentscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er\ndie Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses\neinlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft\nmacht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist\nangerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.\n\n
332,223
olgce-2020-10-05-3-ss-4020
603
Oberlandesgericht Celle
olgce
Niedersachsen
3 Ss 40/20
2020-10-05
2020-10-23 10:00:46
2020-12-10 13:39:15
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. Kleinen\nStrafkammer des Landgerichts Hildesheim vom 3. März 2020 mit den\nFeststellungen aufgehoben\n\n \n\na) im Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in den Fällen III. 3 bis 8\nder Urteilsgründe und wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung im\nFall III. 9 der Urteilsgründe;\n\n \n\nb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.\n\n \n\n2\\. Das Verfahren hinsichtlich der Fälle III. 3 bis 5 der Urteilsgründe wird\neingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die\nnotwendigen Auslagen des Angeklagten.\n\n \n\n3\\. Im nach Teileinstellung verbleibenden Umfang der Aufhebung wird die Sache\nzu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibendenden Kosten\ndes Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts\nHildesheim zurückverwiesen.\n\n \n\n4\\. Die weitergehende Revision wird verworfen.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDas Amtsgericht Alfeld hat den Angeklagten am 18. Juni 2019 wegen Fahrens ohne\nFahrerlaubnis in acht Fällen, wegen Unterschlagung und wegen Urkundenfälschung\nzu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.\n\n2\n\n \n\nAuf die Berufung des Angeklagten hat die 7. kleine Strafkammer des\nLandgerichts Hildesheim mit Urteil vom 3. März 2020 das Urteil des\nAmtsgerichts im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch geändert und insgesamt\ndahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis\nin acht Fällen und wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter\nEinbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Alfeld vom 6. November 2018\nverhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei\nMonaten verurteilt wird.\n\n3\n\n \n\nNach den Feststellungen fuhr der Angeklagte, ohne im Besitz einer\nFahrerlaubnis zu sein, am 16. und 19. Oktober 2017 jeweils mit dem Pkw …\nseiner Lebensgefährtin von seinem Wohnort E.. nach B. M., um dort auf dem\nGrundstück des Zeugen B. Arbeiten im Garten durchzuführen (Fälle III. 1 und\n2). Weiterhin fuhr der Angeklagte mit dem besagten Pkw in dem Zeitraum von\nFebruar bis Mitte April 2018 an mindestens drei Tagen von seinem Haus in E. zu\ndem Bauernhof der Eheleute H. und T. in D., um dort zu arbeiten, und\nanschließend wieder zurück (Fälle III. 3 bis 5). Am 15., 16. und 18. Mai 2018\nlieh sich der Angeklagte jeweils den Pkw … der Eheleute aus, steuerte diesen\nvom Hof und brachte ihn an den genannten Tagen später wieder zurück, wobei er\nauch bei den Rückfahrten am Steuer des Fahrzeugs saß (Fälle III. 6 bis 8).\nSchließlich hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte im März 2018\nvon der Zeugin H. 250 € in bar erhielt, um an einem Pferdeanhänger anstehende\nReparaturen und anschließend die fällige TÜV-Abnahme durchführen zu lassen.\nNachdem der Angeklagte am 14. März 2018 den Pferdeanhänger ohne vorherige\nReparatur zur TÜV-Abnahme vorgestellt hatte und die Plakette nicht erteilt\nworden war, entschloss er sich, den nach Begleichung der Gebühr verbleibenden\nBetrag von 176,88 € für sich zu behalten und den Eheleuten H. eine Reparatur\nund erfolgreiche TÜV-Abnahme vorzuspiegeln. Zu diesem Zweck brachte er eine\nvon einem anderen Fahrzeug abgelöste TÜV-Plakette mit einer Laufzeit bis\nDezember 2018 an dem Pferdeanhänger an (Fall III. 9).\n\n4\n\n \n\nGegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er rügt\ndas Verfahren und die Verletzung materiellen Rechts.\n\n \n\nII.\n\n5\n\n \n\nDie Revision des Angeklagten hat zum Teil Erfolg.\n\n6\n\n \n\n1\\. Soweit der Angeklagte in den Fällen III. 3 bis 5 der Urteilsgründe wegen\nFahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist, ist das Urteil aufzuheben\nund das Verfahren gemäß \n§ 354 Abs. 1 StPO einzustellen, weil insoweit das im Revisionsverfahren nicht\nbehebbare Verfahrenshindernis der Unwirksamkeit von Anklage und\nEröffnungsbeschluss besteht.\n\n7\n\n \n\nDie Generalstaatsanwaltschaft hat ihren entsprechenden Antrag wie folgt\nbegründet:\n\n8\n\n \n\n„Es fehlt an der Prozessvoraussetzung einer wirksamen Anklage, soweit es die\nin der Anklageschrift unter Ziffer 4. - 7. aufgeführten Taten des Fahrens ohne\nFahrerlaubnis, wobei das Verfahren in der Hauptverhandlung in Bezug auf eine\nvon Ihnen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde (Bl. 102 Bd. I d.A.), und\ndie diesen entsprechenden Taten 3. - 5. des Urteils betrifft. Hier war\nlediglich ein Zeitraum von Februar 2018 bis 12.05.2018 angegeben, in dem der\nAngeklagte die Fahrten „mindestens einmal monatlich“ unternommen haben soll.\nDie Anklageschrift hat die zur Last gelegte Tat sowie Ort und Zeit ihrer\nBegehung aber so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen\nVorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist.\nDie Tat muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen, die\nderselbe Täter möglicherweise auch begangen hat, unterscheiden lassen. Es darf\nnach der Anklageschrift nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das\nGericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Fehlt es hieran,\nist die Anklage unwirksam (BGH, Beschl. v. 15.12.1995 – 2 StR 501/95; zit.\nnach beck-online; Schmitt in Meier-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., 2020, §\n200 Rn. 7). Diesen Anforderungen an die Konkretisierung der Taten wird die\nvorliegende Anklageschrift für die dort unter Ziffer 4. - 7.genannten Taten\ndes Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Hinblick auf den angegebenen weiten\nTatzeitraum von mehr als drei Monaten und den unbestimmten Tattag nicht\ngerecht; sie ist insoweit unwirksam. Die Taten lassen sich gerade nicht\nhinreichend von anderen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, die der Angeklagte\nmöglicherweise ebenfalls in dem angegebenen Tatzeitraum mit dem genannten\nFahrzeug zwischen den angegebenen Orten begangen hat, was bereits durch das\n„mindestens einmal monatlich“ nahegelegt wird, unterscheiden.\n\n9\n\n \n\nDa die insoweit unwirksame Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen\nwurde (Bl. 59 Bd. I d.A.), hat dies auch die Unwirksamkeit des\nEröffnungsbeschlusses für die unter Ziffer 4. - 7. der Anklage genannten Taten\nzur Folge (Schmitt in Meier-Goßner/Schmitt, § 200 Rn 26).\n\n10\n\n \n\nWegen des bestehenden Verfahrenshindernisses ist das angefochtene Urteil,\nsoweit es die Taten zu 3. - 5. betrifft, aufzuheben und das Verfahren gemäß §\n354 \nAbs. 1 StPO einzustellen. Weil das Verfahrenshindernis bereits bei\nEntscheidung des Tatgerichts vorlag, kommt eine Einstellung nach § 206a StPO\nnicht in Betracht (OLG Celle, Beschluss vom 22.07.2007 – 32 Ss 20/07 –; zit.\nnach beck-online).“\n\n11\n\n \n\nDem tritt der Senat bei.\n\n12\n\n \n\nDie Tatbeschreibung in der Anklage muss umso konkreter sein, je größer die\nallgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere\nStraftaten gleicher Art verübt hat (BGH, Urteil vom 28. April 2006 – 2 StR\n174/05, NStZ 2006, 649 mwN).\n\n13\n\n \n\nZwar erfüllt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anklageschrift\nin bestimmten Fällen von Serienstraftaten bereits dann ihre\nUmgrenzungsfunktion, wenn sie den Verfahrensgegenstand durch den zeitlichen\nRahmen der Tatserie, die Nennung der Höchstzahl der nach dem Anklagevorwurf\ninnerhalb dieses Rahmens begangenen Taten, das Tatopfer und die wesentlichen\nGrundzüge des Tatgeschehens bezeichnet (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013\n– 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49 m. Anm. Ferber; vom 11. Januar 1994 – 5 StR\n682/93, BGHSt 40, 44; vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153). Diese\nRechtsprechung ist indes für Fälle einer Vielzahl sexueller Übergriffe\ngegenüber Kindern entwickelt worden, die häufig erst nach längerer Zeit\nangezeigt werden und deshalb oftmals aufgrund von Erinnerungsproblemen eine\nIndividualisierung nach Tatzeit und exaktem Geschehensablauf nicht\nermöglichen. Sie hat Ausnahmecharakter und ist auf Fälle beschränkt, in denen\n„typischerweise“ bei einer Serie gleichartiger Handlungen einzelne Taten etwa\nwegen Zeitablaufs oder wegen Besonderheiten in der Beweislage nicht mehr genau\nvoneinander unterschieden werden können und es anderenfalls zu „gewichtigen“\noder „erheblichen Lücken in der Strafverfolgung“ kommen würde (so BGH,\nBeschluss vom 12. Januar 2011 – GSSt 1/10, BGHSt 56, 109; Urteil vom 28. April\n2006 – 2 StR 174/05, NStZ 2006, 649; Beschluss vom 29. Juli 1998 – 1 StR\n94/98, BGHSt 44, 153; gegen Ausnahmecharakter: Becker in Löwe-Rosenberg, StPO,\n27. Aufl., § 243 Rn. 43). Diese Rechtsprechung kommt auch bei\nBetäubungsmitteldelikten zur Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1995 –\n3 StR 48/95, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 15; OLG Hamm, Urteil vom 22.\nNovember 2000 – 2 Ss 908/00, StraFo 2001, 92).\n\n14\n\n \n\nAuf Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ist sie indes nicht zu übertragen\n(vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Juni 1996 – 1 Ss 131/96, OLGSt StPO §\n200 Nr. 5). Der Straftatbestand des § 21 StVG setzt eine Handlung im\nöffentlichen Verkehrsraum voraus (vgl. § 2 Abs. 1 StVG) und bringt daher schon\naufgrund der äußeren Wahrnehmbarkeit nicht „typischerweise“ Besonderheiten in\nder Beweislage mit sich, wie sie häufig in Fällen des sexuellen Missbrauchs\nvon Kindern oder des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln anzutreffen sind.\nDie Geltung des regulären Konkretisierungsmaßstabs für Straftaten nach \n§ 21 StVG lässt auch nicht befürchten, dass dadurch gewichtige oder erhebliche\nLücken in der Strafverfolgung entstehen. Hinzu kommt, dass bei Ausdehnung der\nRechtsprechung zu Serienstraftaten auf Delikte am unteren Rande der\nStrafbarkeit der nach der Entscheidung des Großen Senats zu beachtende\nAusnahmecharakter in ein Regelverhältnis umgekehrt werden würde, was nach der\nEntscheidung des Großen Senats ersichtlich nicht gewollt ist.\n\n15\n\n \n\n2\\. Die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in den Fällen III. 6 bis\n8 und wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung im Fall III. 9 der\nUrteilsgründe hat keinen Bestand (§ 349 Abs. 4 StPO), weil die Beweiswürdigung\ninsoweit einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.\n\n16\n\n \n\na) Zwar ist die Würdigung der Beweise vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§\n261 StPO). Das Revisionsgericht hat aber zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung\ndes Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa, weil sie Lücken oder\nWidersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesichertem\nErfahrungswissen nicht in Einklang steht. (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014\n– 1 StR 655/13, juris; Sander in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261, Rn.\n182; jew. mwN). Insbesondere in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht\nund die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das\nGericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht\nalle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine\nÜberlegungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87,\nBGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1). Dabei darf sich das Tatgericht nicht\ndarauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit einer Aussage\nsprechen können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander\nzu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die\nGlaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 -\n2 StR 394/08, juris; Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR 700/13, juris).\n\n17\n\n \n\nb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung nicht gerecht.\n\n18\n\n \n\nDer Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht hat die\nFeststellungen zu den Taten III. 6 bis 8 der Urteilsgründe maßgeblich auf die\nAussage der Zeugin H. gestützt. Diese habe „in überzeugender Weise“ ausgesagt,\ndass dem Angeklagten an den drei genannten Tagen der PKW … auf seine Bitte hin\nleihweise überlassen worden sei. Bei den Daten sei sie „sich absolut sicher“,\nweil sie „die Überlassung des Fahrzeugs damals in einem Kalender vermerkt“\nhabe. Der Zeuge T. vermochte demgegenüber nur zu bestätigen, dass seine\nEhefrau schon im Jahr 2018 die Angewohnheit gehabt habe, sich „viele Dinge“ in\nIhrem Kalender zu notieren, und dass der Angeklagte sich den PKW … ausgeliehen\nhabe, weil er damit Fahrten habe durchführen wollen. Der Zeuge könne „heute\nnicht mehr sagen“, wie oft und wann dies gewesen sei, es sei „aber mehrfach“\ngewesen.\n\n19\n\n \n\nZwar hat hiernach die Aussage des Zeugen T. diejenige der Zeugin H. in\nRandbereichen bestätigt, so dass eine reine „Aussage-gegen-\nAussage“-Konstellation nicht vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November\n2019 – 5 StR 451/19, juris; Urteil vom \n21\\. Januar 2004 – 1 StR 379/03, NStZ 2004, 635, 636). Dennoch ist die Aussage\nder Zeugin H. hier von so entscheidender Bedeutung, dass ihre Würdigung\ndurchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, weil das Landgericht sich an\ndieser Stelle nicht mit der Entwicklung der Aussage auseinandergesetzt hat,\ndie der Beweiswürdigung zu den Taten III. 3 bis 5 zu entnehmen ist. Danach hat\ndie Zeugin H. nämlich „zuerst“ bekundet, dass es „nach ihrer Erinnerung“\nzwischen ihr und dem Angeklagten nach dem auf ihrem Hof durchgeführten Fest\nkeine direkten Kontakte mehr gegeben habe. Erst auf Vorhalt durch den\nVerteidiger, dass das Hoffest am 6. Mai 2018 stattgefunden habe und der\nAngeklagte nach dem Inhalt der Anklageschrift noch danach, nämlich am 15., 16.\nund 18. Mai 2018 ihren Pkw … geführt haben solle, habe sie sich korrigiert und\nausgeführt, dass sie nach dem Hoffest „doch noch“ Kontakte zu dem Angeklagten\ngehabt habe. Sie sei sich nämlich aufgrund der von ihr vorgenommenen\nKalendereintragungen „absolut sicher“, dem Angeklagten am 15., 16. und 18. Mai\n2018 den Pkw … ausgeliehen zu haben.\n\n20\n\n \n\nDas Landgericht hat lediglich darauf abgestellt, dass es für die\nGlaubwürdigkeit der Zeugin spreche, dass sie „keine Scheu gehabt“ habe,\n„eingetretene Erinnerungsprobleme einzuräumen“. Angesichts der beschriebenen\nAussageentwicklung wäre aber auch zu hinterfragen gewesen, ob die von der\nZeugin bekundete „absolute Sicherheit“ in Bezug auf die Daten originär auf\nihrer Erinnerung oder allein auf dem Vorhalt des Inhalts der Anklageschrift\nberuht. Denn schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist die zeitliche\nOrientierung an herausragenden Ereignissen – hier dem Hoffest – in der Regel\nzuverlässiger als diejenige an Kalenderdaten. In diesem Zusammenhang wäre auch\ndie Konstanz der Aussage über das Ermittlungsverfahren und das Verfahren\nerster Instanz zu beleuchten gewesen. Daran fehlt es. Die Urteilsgründe\nverhalten sich auch nicht dazu, was genau die Zeugin H. in ihren Kalender\neingetragen hat, ob sie sich allein aufgrund des Vorgangs der Eintragung noch\nan die Daten erinnert oder diese später noch einmal – etwa zur Auffrischung\nihrer Erinnerung – eingesehen hat, ob der Kalender den Ermittlungsbehörden\nvorgelegt worden ist und ob er noch existiert.\n\n21\n\n \n\nc) Da auch die Feststellungen zum Fall III. 9 der Urteilsgründe maßgeblich auf\nder Aussage der Zeugin H. beruhen, wirkt sich der vorstehend aufgezeigte\nRechtsfehler in der Beweiswürdigung hier ebenfalls aus. Zwar müssen Defizite\neiner Zeugenaussage zu einer bestimmten Tat nicht in jedem Fall durchgreifende\nAuswirkungen auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin insgesamt oder\ndie Glaubhaftigkeit ihrer Aussage zu einer anderen Tat haben. Dies bedarf aber\nder gesamtwürdigenden Erörterung in den Urteilsgründen (vgl. BGH, Urteil vom\n19. November 2008 - 2 StR 394/08, juris; Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR\n700/13, juris). Daran fehlt es hier.\n\n22\n\n \n\n3\\. Im Übrigen ist die Revision unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils\nauf die Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des\nAngeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Feststellungen tragen den\nSchuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in den Fällen III. 1 und 2. Sie\nberuhen insoweit auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Auch gegen die\nZumessung de1r Einzelstrafen für diese Fälle ist aus Rechtsgründen nichts zu\nerinnern.\n\n \n\n* * *\n\n![Abkürzung Fundstelle](/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-\ninfo.gif)Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können\nSie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in\nIhre Favoriten als Lesezeichen einfügen.\', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true,\nABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und\nverwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten: \nhttp://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid;=KORE232632020&psml;=bsndprod.psml&max;=true\n\n
332,355
vg-sigmaringen-2020-10-20-3-k-355319
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 3553/19
2020-10-20
2020-10-29 11:00:53
2020-12-10 13:39:33
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des\nBeigeladenen trägt der Kläger.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von dem Beklagten erteilten\nglücksspielrechtlichen Erlaubnis zugunsten des Beigeladenen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Kläger ist Betreiber der Spielhalle „...“ in der S. S.... in B. B.. Eine\nErlaubnis nach § 33i GewO zum Betrieb dieser Spielhalle wurde ihm am 15.\nJanuar 1998 erteilt. In weniger als 500 m Entfernung (H....) betreibt der\nBeigeladene spätestens seit 2007 alleine die Spielhalle „P.“. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 14. Juni 2017 wurde dem Kläger auf seinen Antrag vom 24. Februar 2016 von\ndem Landratsamt B. (Landratsamt) eine Erlaubnis nach § 41 Abs. 1\nLandesglücksspielgesetz (LGlüG) unter Anerkennung eines Härtefalls gemäß § 51\nAbs. 5 LGlüG für die von ihm betriebene Spielhalle befristet bis zum 28.\nFebruar 2021 erteilt. Die erteilte Erlaubnis umfasste zusätzlich eine\nBefreiung von der Einhaltung des Abstandsgebotes gemäß § 42 Abs. 1 LGlüG. Das\nLandratsamt führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass angesichts des bis\n28. Februar 2021 laufenden Mietvertrages eine unbillige Härte vorliege. Gegen\ndie Verweigerung der beantragten (unbefristeten) Erlaubnis nach § 41 Abs. 1\nLGlüG und gegen die Befristung seiner Härtefallerlaubnis legte der Kläger am\n6. Juli 2017 Widerspruch ein. Dabei bezog er seinen Widerspruch auch auf\nerteilte glücksspielrechtliche Erlaubnisse im Umkreis von 500m Luftlinie um\ndie klägerische Spielhalle herum. \n--- \n| 4 \n--- \n| Ebenfalls am 14. Juni 2017 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen für\ndessen Spielhalle „P.“ eine Erlaubnis nach § 41 Abs. 1 LGlüG unter Anerkennung\neines Härtefalls nach § 51 Abs. 5 LGlüG befristet bis zum 30. Juni 2021.\nBegründet wurde die Erteilung der Härtefallerlaubnis an den Beigeladenen mit\ndessen laufenden Pachtzahlungen bis zum Ende der Laufzeit des Pachtvertrages.\nDer von dem Beigeladenen gegen die Befristung seiner Erlaubnis erhobene\nWiderspruch ist Gegenstand eines weiteren Klageverfahrens vor dem\nVerwaltungsgericht (Az. 3 K 6070/17). \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Regierungspräsidium Tübingen wies mit Schreiben vom 15. Mai 2019 darauf\nhin, dass das Optionsrecht auf Verlängerung des Mietvertrages im Februar 2015,\nund damit nach dem Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes, ausgeübt\nworden sei und zudem ein Kündigungsrecht – mit einer Kündigungsfrist von 12\nMonaten – bestehe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Landratsamt entschied in der Folge mit Bescheid vom 24. Juni 2019 über\nden klägerischen Antrag dergestalt, dass unter Abänderung der Entscheidung vom\n14. Juni 2017 der Antrag des Klägers auf eine glückspielrechtliche Erlaubnis\ninsgesamt abgelehnt wurde. Der Betrieb der Spielhalle über den 31. Juli 2019\nhinaus wurde dem Kläger untersagt. Zur Begründung bezog sich das Landratsamt\nauf die vom Regierungspräsidium ausgeführten Argumente, ein Härtefall liege\nnicht vor. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 25. Juli 2019\nWiderspruch erhoben und nach zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 7.\nAugust 2020 Klage erhoben und begehrt die Erteilung einer\nglückspielrechtlichen Erlaubnis (Verfahren 3 K 2934/20). \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Drittwiderspruch des Klägers gegen die glücksspielrechtliche Erlaubnis\nzugunsten des Beigeladenen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2019\nzurückgewiesen und eine Gebühr von 150,00 Euro festgesetzt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Regierungspräsidium begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit,\ndass der Widerspruch bereits unzulässig sei. Nach der Rechtsprechung des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg seien die dem Konkurrenten erteilten\nHärtefallbefreiungen nicht im Drittwiderspruchsverfahren des Antragstellers zu\nüberprüfen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. April 2018 – 6 S 2250/17,\njuris Rn. 10). Im Falle des Nebeneinanders von Bestandsspielhallen mit und\nohne Härtefallbefreiung bleibe dem unberücksichtigten Spielhallenbetreiber\nnach dem gesetzgeberischen Willen nur die Möglichkeit, selbst einen Antrag auf\nBefreiung nach § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG zu stellen. Eine Auswahlentscheidung\nunter Einbeziehung der Neubewerber finde insoweit nicht statt. Somit schließe\neine auf Basis eines Härtefalls erteilte Spielhallenerlaubnis alle anderen im\nUmkreis von 500 Metern liegenden Spielhallen, denen kein Härtefall erteilt\nwerden könne, von einer Erlaubniserteilung aus. Ungeachtet dessen sei auch\neine drittschützende Norm, deren Verletzung der Kläger geltend machen könne,\nvorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere eine Klagebefugnis aus Art. 12 GG\nkönne nicht abgeleitet werden. § 51 Abs. 5 LGlüG solle erkennbar nur die\nInteressen des jeweiligen Spielhallenbetreibers an der Abwendung einer\nunbilligen Härte schützen, nicht aber die Interessen eines Konkurrenten. Die\ndem Beigeladenen erteilte Härtefallerlaubnis sei angesichts des noch bis zum\n28. Februar 2022 laufenden Pachtvertrages und der damit verbundenen\nMietzinsverpflichtungen nicht zu beanstanden. Eine Anpassung des Betriebes sei\naus rechtlichen Gründen nicht möglich. Mit Vertrag vom 24. März 2010 seien die\nRäumlichkeiten der Spielhalle „P.“ von dem Beigeladenen angemietet und eine\nLaufzeit über 12 Jahre bis zum 28. Februar 2022 festgelegt worden. Die\nRäumlichkeiten seien als Spielhalle vermietet worden, ein\nSonderkündigungsrecht sei nicht eingeräumt worden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner Klage vom 2. August 2019\nweiter. Er ist der Auffassung, dass ein transparentes und chancengleiches\nAuswahlverfahren und eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung gerichtet auf die\nFrage, welcher der konkurrierenden Betreiber seine Spielhalle langfristig\nweiter betreiben dürfe, bisher nicht durchgeführt worden sei. Es bestehe der\nVerdacht, dass der Pachtvertrag des Beigeladenen nicht vor dem Stichtag des\n18. November 2011 geschlossen worden sei, insbesondere der handschriftlichen\nErgänzung des Pachtvertrages sei im Verwaltungsverfahren nicht nachgegangen\nworden. Die bisher unterbliebene Auswahlentscheidung zwischen den\nkonkurrierenden Betreibern verletze den Bewerberverfahrensanspruch des Klägers\nals dem abgelehnten Betreiber. Die diesbezügliche Rechtsprechung des 6. Senats\ndes VGH Baden-Württemberg sei verfassungswidrig. Die Erteilung einer\nHärtefallerlaubnis stehe einer Auswahlentscheidung nicht entgegen. Die\nderzeitige Praxis verstoße offensichtlich gegen die Rechtsschutzgarantie des\nArt. 19 Abs. 4 GG, die Grundrechte der Betreiber aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1\nund Art. 3 GG sowie gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren. Die\nDurchführung eines Auswahlverfahrens könne nicht durch\n„Härtefallentscheidungen“ ersetzt und umgangen werden. Der Pachtvertrag des\nBeigeladenen, der einen Schriftformmangel aufweise, könne keinen Härtefall\nbegründen, da im Falle einer behördlichen Schließung seiner Halle ein\naußerordentliches Kündigungsrecht bestehe. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Kläger beantragt, \n--- \n \n> > | 11 \n--- \n| 1\\. die dem Beigeladenen am 14. Juni 2017 für die Spielhalle „P.“, H.... in\n... B. B., erteilte Erlaubnis bis zum 30. Juni 2021 in der Gestalt des\nWiderspruchbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 2. Juli 2019 wird\naufgehoben, \n--- \n \n> > | 12 \n--- \n| 2\\. die Beklagte wird verpflichtet, zwischen der Spielhalle „...“ des\nKlägers in der S. S.... in ... B. B. und der Spielhalle „P.“ des Beigeladenen\nin der H.... in ... B. B. ein transparentes und chancengleiches\nAuswahlverfahren durchzuführen und eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung\nüber die Erteilung einer langfristigen (15 Jahre) Spielhallenerlaubnis nach §\n41 Abs. 1 LGlüG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n \n> > | 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Auswahlentscheidung erst in\nBetracht komme, nachdem das Vorliegen eines Härtefalls geprüft sei. Die\nInteressen von Spielhallenbetreibern, die sich nicht auf die Härtefallregel\nberufen können, müssten vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Zwecks, eine\nmöglichst geringe Spielhallendichte zu erreichen, zurückstehen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beigeladene beantragt, \n--- \n \n> > | 17 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Beigeladene trägt vor, dass der Pachtvertrag von den Vertragsparteien am\n24. März 2010 persönlich unterzeichnet worden sei. Die handschriftliche\nErgänzung sei auf einem Irrtum hinsichtlich der Verfügungsberechtigung\nzurückzuführen. Der bei der Antragstellung dem Landratsamt vorgelegte\nPachtvertrag vom 24. März 2010 mit einer unkündbaren Vertragslaufzeit bis 28.\nFebruar 2022 sei maßgeblich und wirksam. Die Klage sei unzulässig, da der\nKläger sich nicht auf eine drittschützende Norm berufen könne. Ihm fehle es\nangesichts der Regelung des § 51 Abs. 5 LGlüG auch an einem\nRechtsschutzbedürfnis. § 51 Abs. 5 LGlüG habe, wie sich aus der\nGesetzesbegründung bereits ergebe, allein nur die betroffene Spielhalle im\nBlick, nicht aber eine eventuell mit ihr konkurrierende Nachbarspielhalle.\nEbenso wenig lasse sich Art. 19 Abs. 4 GG ein allgemeiner\nGesetzesvollziehungsanspruch zugunsten des Klägers entnehmen, der unabhängig\nvon der Verletzung eigener Rechte zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der\nangegriffenen Erlaubnis verpflichten würde. Entgegen der Ansicht des Klägers\nsei die Zulassung mehrerer Spielhallen innerhalb eines 500 m Abstandes\ndurchaus möglich, sofern hinsichtlich den Spielhallen jeweils ein Fall einer\nunbilligen Härte vorliegen sollte. Die Prüfung einer unbilligen Härte müsse im\nkonkreten Einzelfall stets vorrangig durchgeführt werden. Die dem Beigeladenen\nerteilte Spielhallenerlaubnis sei rechtmäßig, da in seinem Fall eine unbillige\nHärte nachgewiesen sei. \n--- \n| 19 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die beigezogenen\nBehördenakten und Gerichtsakten (u.a. 3 K 6070/17 und 3 K 2934/20) verwiesen\nund ergänzend Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die vorliegende Drittanfechtungsklage hat keinen Erfolg, denn sie ist\nbereits unzulässig. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Aufhebung der dem Beigeladenen\nerteilten Erlaubnis und der damit verbundenen Teilnahme und Durchführung an\neinem den gesetzlichen Anforderungen genügenden Auswahlverfahren zwischen den\nkonkurrierenden Spielhallen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO ist – soweit wie hier gesetzlich nichts anderes\nbestimmt ist – eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch\nden angegriffenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Demnach\nmuss nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers eine Rechtswidrigkeit des\njeweiligen Hoheitsaktes gerade mit Blick auf die (Grund-)Rechte des Klägers\nmöglich erscheinen. Dem geht die Frage voraus, ob die Rechtssphäre des Klägers\nüberhaupt betroffen ist. Hierzu müssen Bestehen und Reichweite seiner\nsubjektiv-öffentlichen Rechte geklärt und festgestellt werden, ob der im\nStreit stehende Hoheitsakt diese Rechte berührt oder aber unberührt lässt. Die\nEntstehung eines subjektiv-öffentlichen Rechts setzt dabei in personeller\nHinsicht voraus, dass der Kläger Träger des normativ geschützten Interesses,\nalso vom personellen Schutzzweck der Norm erfasst ist. Ein bloßer Rechtsreflex\nvermag indes ebenso wenig eine Rechtsposition bzw. eine Klagebefugnis zu\nbegründen wie eine rein faktisch ermittelte „Betroffenheit“ (vgl.\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. November 2019 – 6\nS 199/19, juris Rn. 21; Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 5\nff.). \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-\nWürttemberg (Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 7 ff. und\nBeschluss vom 16. April 2018 – 6 S 2250/17, juris Rn. 8 f.), der sich die\nKammer nach eigener Prüfung anschließt, vermittelt § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG\neinem unberücksichtigten Spielhallenbetreiber kein subjektiv-öffentliches\nRecht, so dass der Kläger die dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis nicht\nanzugreifen vermag. \n--- \n| 24 \n--- \n| Demnach kann gem. § 51 Abs. 5 LGlüG die zuständige Erlaubnisbehörde zur\nVermeidung unbilliger Härten in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 befristet für\neinen angemessenen Zeitraum auf Antrag von der Einhaltung der Anforderungen\ndes § 42 Absätze 1 und 2 befreien; dabei sind der Zeitpunkt der Erteilung der\nErlaubnis nach § 33 i der Gewerbeordnung sowie der Schutzzweck dieses Gesetzes\nzu berücksichtigen. Der Mindestabstand zu einer anderen Spielhalle darf dabei\n250 m Luftlinie, gemessen von Eingangstür zur Eingangstür, nicht\nunterschreiten. Dem Antrag sind sämtliche für die Entscheidung erforderlichen\nUnterlagen und Nachweise beizufügen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer\nunbilligen Härte sind insbesondere dann gegeben, wenn eine Anpassung des\nBetriebs an die gesetzlichen Anforderungen aus tatsächlichen oder rechtlichen\nGründen nicht möglich oder mit einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht\nvereinbar ist und Investitionen, die im Vertrauen auf den Bestand der nach\nMaßgabe des bisher geltenden Rechts erteilten Erlaubnis getätigt wurden, nicht\nabgeschrieben werden konnten. § 42 Absatz 3 gilt nur für Spielhallen, für die\nzum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes eine Erlaubnis nach § 33 i\nder Gewerbeordnung noch nicht erteilt worden ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Vorschrift des § 51 Abs. 5 LGlüG ist der von dem Kläger geltend gemachte\nDritt- und Individualschutz nicht zu entnehmen. In der hierzu ergangenen\nGesetzesbegründung hat der Gesetzgeber maßgeblich ausgeführt, dass „im Rahmen\ndes Ausführungsgesetzes bei der Ausfüllung der Härteklausel des Artikel 1 § 29\nAbsatz 4 Erster GlüÄndStV adäquate Lösungen des Konflikts zwischen der\nNotwendigkeit, aus Suchtpräventionsgründen die Zahl der Spielhallen zu\nbegrenzen, und den Interessen der Betreiber zu finden“ sind (vgl. den § 51\nAbs. 5 Satz 1 LGlüG zugrundeliegenden Art. 1 § 29 Abs. 4 GlüÄndStV: LT-Drucks.\n15/1570 S. 2; LT-Drucks. 15/2431 S. 3; Verwaltungsgerichtshof Baden-\nWürttemberg, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 10). \n--- \n| 26 \n--- \n| Gegenteiliges lässt sich auch der ausdrücklichen Gesetzesbegründung für das\nLandesglücksspielgesetz, spezifisch § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG, nicht entnehmen,\nda insoweit ausgeführt wird: \n--- \n \n> | 27 \n--- \n| „Für ältere Erlaubnisse ist in Absatz 5 eine Härtefallklausel vorgesehen,\ndie je nach den Verhältnissen im Einzelfall eine befristete Suspendierung von\nden Vorgaben des Verbots der Mehrfachkonzessionen und des Abstandsgebots zu\nanderen Spielhallen ermöglicht. Damit sollen die betroffenen Gewerbetreibenden\nin die Lage versetzt werden, eine Anschlussnutzung der Betriebsräume zum\nBeispiel als Gaststätte oder mit anderer Zielrichtung zu realisieren. Die\nHärtefallklausel ermöglicht bei Mehrfachspielhallen zum Beispiel auch einen\nstufenweisen Rückbau. Soweit die Betriebsräume angemietet wurden, besteht\nzudem die Möglichkeit der Anpassung der Mietverträge. Was die Nutzung der\nGeldspielgeräte anbetrifft, sind diese ohnehin nach den einschlägigen\nBestimmungen nach vier Jahren und damit vor Ablauf der Übergangsfrist\nabgeschrieben. Eine Härtefallentscheidung setzt einen entsprechenden Antrag\ndes Betreibers voraus, dem sämtliche entscheidungserheblichen Unterlagen\nbeizufügen sind.“ (vgl. LT-Drucks. 15/2431 S. 113; Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 10). \n--- \n| 28 \n--- \n| Soweit die Formulierung sich lediglich auf „betroffene“ Spielhallen und\nGewerbetreibende bezieht, ist dem nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass sich\nentsprechende Konkurrenten auf einen Drittschutz und damit einer\nerforderlichen Klagebefugnis berufen könnten und ein Individualschutz\nbeabsichtigt wäre. Die Vorschrift des § 51 Abs. 5 LGlüG vermag nach der\nderzeitigen Gestaltung einen Individualinteressensschutz von Betreibern\nbenachbarter Spielhallen nicht zu begründen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Ein solcher – von dem Kläger berühmter – Drittschutz würde insoweit auch\nerheblich den in § 1 LGlüG und § 1 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV)\nnormierten Zielen entgegenstehen, nämlich insbesondere das Entstehen von\nGlücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine\nwirksame Suchtbekämpfung zu schaffen sowie durch ein begrenztes, eine\ngeeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes\nGlücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und\nüberwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von\nunerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken. Ersichtlich –\nwie insbesondere im Rahmen von § 42 Abs. 1 LGlüG deutlich wird – hat der\nLandesgesetzgeber mit der Umsetzung dieser Maßgaben beabsichtigt, eine\nReduzierung der Spielhallendichte zu erreichen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Es ist auch nicht ersichtlich, dass im Zuge der in dem\nLandesglücksspielgesetz getroffenen Systematik ein Drittschutz für\nkonkurrierende Spielhallen beabsichtigt gewesen wäre. Zwar befindet sich die\nmaßgebliche Norm des § 51 LGlüG nicht in dem Abschnitt 7 (Spielhallen),\nsondern in dem Abschnitt 9 (Schlussvorschriften), was allerdings maßgeblich\nauf die Natur der Übergangsregelung zurückzuführen ist. Erkennbar handelt es\nsich um eine in ihrem Anwendungsbereich im Ergebnis zeitlich eingeschränkte\nNorm, sodass das Fehlen der Norm in dem maßgeblichen Spielhallenabschnitt\nnicht zu der Annahme führen kann, es handele sich nicht um das wesentliche,\ngesetzliche Prüfungsprogramm. Die von dem Kläger vertretene Auffassung, es sei\neine Auswahlentscheidung zu treffen, und erst dann den unterliegenden\nSpielhallen einen Härtefall (sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen)\nzuzusprechen, würde insoweit gerade nicht dazu führen, dass die beabsichtigte\nGesamtkonzentration und -dichte von Spielhallen reduziert wird. Insofern\nverweist § 51 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 LGlüG ausdrücklich auf den Schutzzweck des\nGesetzes (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.\nApril 2018 – 6 S 2250/17, juris Rn. 9). \n--- \n| 31 \n--- \n| Es ist auch nicht erkennbar, dass sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ein allgemeiner\nGesetzesvollziehungsanspruch zugunsten des Kläger herleiten lassen könnte, der\nunabhängig von der Verletzung eigener Rechte zur Prüfung der Rechtmäßigkeit\ndes angegriffenen Verwaltungsakts verpflichten würde, denn die Vorschrift\ngewährleistet Rechtsschutz nur bei der Verletzung eigener Rechte. Darin liegt\neine Strukturentscheidung zu Gunsten des Individualrechtsschutzes. Über den\nSchutz individueller Rechte wird die objektive Rechtskontrolle gesichert (vgl.\nBVerfG, Urteil vom 18. März 2014 – 2 BvE 6/12, BVerfGE 135, 317-433, juris Rn.\n130; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.\nDezember 2013 – 13 A 476/08, juris Rn. 143). \n--- \n| 32 \n--- \n| Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht in Hinblick auf die in Art. 12 GG\ngewährleistete Berufsfreiheit. Der Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit\nist einerseits umfassend angelegt, schützt aber andererseits nur vor solchen\nBeeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Tätigkeit bezogen sind. Der\nSchutzbereich ist daher nicht schon dann eröffnet, wenn eine Rechtsnorm, ihre\nAnwendung oder andere hoheitliche Maßnahmen unter bestimmten Umständen\nRückwirkung auf die Berufsfreiheit entfalten. Die Berufsfreiheit ist aber dann\nberührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst\nbeziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge\nihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs\nstehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben. Dabei ist der\nGrundrechtsschutz nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt.\nVielmehr kann der Abwehrgehalt auch bei faktischen oder mittelbaren\nBeeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren\nWirkungen Eingriffen gleichkommen. Durch die Wahl eines solchen funktionalen\nÄquivalents eines Eingriffs entfällt die Grundrechtsbindung nicht. An der für\ndie Grundrechtsbindung maßgeblichen eingriffsgleichen Wirkung einer\nstaatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen ein bloßer Reflex\neiner nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind (vgl.\nBVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31. August 2009 – 1 BvR 3275/07,\njuris Rn. 10 f.; Nichtannahmebeschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08,\njuris Rn. 21; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni\n2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 23). \n--- \n| 33 \n--- \n| Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers insbesondere in der\nmündlichen Verhandlung insoweit sinngemäß geltend gemacht haben, es bestehe\nein grundrechtlich schutzwürdiges Interesse daran, gewerbliche Betätigungen\nweiterhin an bestehenden, selbst gewählten Orten auszuüben, da erzwungene\nVerlagerungen mit erheblichen Kosten und weiteren Nachteilen verbunden seien\nund darüber hinaus anerkannt sei, dass in Konstellationen, in denen es mehrere\nInteressenten für ein knappes Gut gebe, die Begünstigung des einen gegenüber\nden Unterlegenen eine eingriffsgleiche und damit rechtfertigungsbedürftige\nWirkung habe, weshalb Begünstigungen anderer mit Konkurrentenklagen\nangegriffen werden könnten, kann dem hier nicht gefolgt werden. Zwar mag die\nErteilung der glückspielrechtlichen Erlaubnis zugunsten des Beigeladenen als\nmittelbare Beeinträchtigung des Klägers zu qualifizieren sein, diese kommt in\nihrer Zielsetzung und in ihrer Wirkung jedoch nicht einem Eingriff im\nherkömmlichen Sinne gleich. Denn es ist nicht bereits die Erlaubniserteilung\nan die Beigeladene als solche, die die Rahmenbedingungen der Berufsausübung\ndes Klägers verändert, sondern es bedarf hierzu vielmehr eines weiteren\nHoheitsaktes in Form einer an § 42 Abs. 1 LGlüG anknüpfenden Versagung einer\nErlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle bzw. einer glücksspielrechtlichen\nUntersagungsverfügung nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 GlüStV in Verbindung mit §\n42 Abs. 1 LGlüG (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom\n14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 26). Dass dem Kläger eine Klagebefugnis\nin Hinblick auf Art. 3 GG oder der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2\nAbs. 1 GG für sich beanspruchen könnte, ist – vor dem Hintergrund, dass ein\nHärtefall nicht unmittelbar mit einer gem. § 41 Abs. 1 LGlüG erteilten\nSpielhallenerlaubnis vergleichbar ist, nicht ersichtlich (vgl.\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S\n304/18, juris Rn. 27). \n--- \n| 34 \n--- \n| Insofern kann der Kläger mit dem Argument, dem Beigeladenen wäre zu Unrecht\neine bis zum 30. Juni 2021 befristete Härtefallgenehmigung erteilt worden, da\nder Umstand, dass dieser möglicherweise im Vertrauen auf die alte Rechtslage\neinen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen habe und dies nicht die Annahme\neines Härtefalls im Sinne des § 51 Abs. 5 LGlüG rechtfertige, in dem hier\nmaßgeblichen dreipoligen Verhältnis nicht durchdringen. Vielmehr verbleibt dem\nKläger nach dem gesetzgeberischen Willen nur die Möglichkeit, seinerseits\nglaubhaft zu machen, dass ihm ein Anspruch auf Befreiung von den\nVoraussetzungen des § 42 Abs. 1 LGlüG zusteht (vgl. Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Württemberg, Beschluss vom 16. April 2018 – 6 S 2250/17, juris Rn. 10). \n--- \n| 35 \n--- \n| Diese Möglichkeit verfolgt der Kläger bereits ausdrücklich in dem\nKlageverfahren 3 K 2934/20, in dem er sich gegen die Versagung seiner eigenen\nglückspielrechtlichen Erlaubnis wendet, sodass – nach sachdienlicher Auslegung\ninsbesondere vor dem Hintergrund der Angaben der Prozessbevollmächtigten des\nKlägers in der mündlichen Verhandlung – der in diesem Verfahren gestellte\nAntrag auf Erteilung der begehrten glückspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis\n– und nicht der hier als Ziffer 2 gestellte Verpflichtungsantrag – als\nmaßgeblich erachtet wird. \n--- \n| 36 \n--- \n| Nach alldem bleibt die Klage damit insgesamt ohne Erfolg. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die vorliegende Drittanfechtungsklage hat keinen Erfolg, denn sie ist\nbereits unzulässig. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Aufhebung der dem Beigeladenen\nerteilten Erlaubnis und der damit verbundenen Teilnahme und Durchführung an\neinem den gesetzlichen Anforderungen genügenden Auswahlverfahren zwischen den\nkonkurrierenden Spielhallen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO ist – soweit wie hier gesetzlich nichts anderes\nbestimmt ist – eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch\nden angegriffenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Demnach\nmuss nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers eine Rechtswidrigkeit des\njeweiligen Hoheitsaktes gerade mit Blick auf die (Grund-)Rechte des Klägers\nmöglich erscheinen. Dem geht die Frage voraus, ob die Rechtssphäre des Klägers\nüberhaupt betroffen ist. Hierzu müssen Bestehen und Reichweite seiner\nsubjektiv-öffentlichen Rechte geklärt und festgestellt werden, ob der im\nStreit stehende Hoheitsakt diese Rechte berührt oder aber unberührt lässt. Die\nEntstehung eines subjektiv-öffentlichen Rechts setzt dabei in personeller\nHinsicht voraus, dass der Kläger Träger des normativ geschützten Interesses,\nalso vom personellen Schutzzweck der Norm erfasst ist. Ein bloßer Rechtsreflex\nvermag indes ebenso wenig eine Rechtsposition bzw. eine Klagebefugnis zu\nbegründen wie eine rein faktisch ermittelte „Betroffenheit“ (vgl.\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. November 2019 – 6\nS 199/19, juris Rn. 21; Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 5\nff.). \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-\nWürttemberg (Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 7 ff. und\nBeschluss vom 16. April 2018 – 6 S 2250/17, juris Rn. 8 f.), der sich die\nKammer nach eigener Prüfung anschließt, vermittelt § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG\neinem unberücksichtigten Spielhallenbetreiber kein subjektiv-öffentliches\nRecht, so dass der Kläger die dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis nicht\nanzugreifen vermag. \n--- \n| 24 \n--- \n| Demnach kann gem. § 51 Abs. 5 LGlüG die zuständige Erlaubnisbehörde zur\nVermeidung unbilliger Härten in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 befristet für\neinen angemessenen Zeitraum auf Antrag von der Einhaltung der Anforderungen\ndes § 42 Absätze 1 und 2 befreien; dabei sind der Zeitpunkt der Erteilung der\nErlaubnis nach § 33 i der Gewerbeordnung sowie der Schutzzweck dieses Gesetzes\nzu berücksichtigen. Der Mindestabstand zu einer anderen Spielhalle darf dabei\n250 m Luftlinie, gemessen von Eingangstür zur Eingangstür, nicht\nunterschreiten. Dem Antrag sind sämtliche für die Entscheidung erforderlichen\nUnterlagen und Nachweise beizufügen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer\nunbilligen Härte sind insbesondere dann gegeben, wenn eine Anpassung des\nBetriebs an die gesetzlichen Anforderungen aus tatsächlichen oder rechtlichen\nGründen nicht möglich oder mit einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht\nvereinbar ist und Investitionen, die im Vertrauen auf den Bestand der nach\nMaßgabe des bisher geltenden Rechts erteilten Erlaubnis getätigt wurden, nicht\nabgeschrieben werden konnten. § 42 Absatz 3 gilt nur für Spielhallen, für die\nzum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes eine Erlaubnis nach § 33 i\nder Gewerbeordnung noch nicht erteilt worden ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Vorschrift des § 51 Abs. 5 LGlüG ist der von dem Kläger geltend gemachte\nDritt- und Individualschutz nicht zu entnehmen. In der hierzu ergangenen\nGesetzesbegründung hat der Gesetzgeber maßgeblich ausgeführt, dass „im Rahmen\ndes Ausführungsgesetzes bei der Ausfüllung der Härteklausel des Artikel 1 § 29\nAbsatz 4 Erster GlüÄndStV adäquate Lösungen des Konflikts zwischen der\nNotwendigkeit, aus Suchtpräventionsgründen die Zahl der Spielhallen zu\nbegrenzen, und den Interessen der Betreiber zu finden“ sind (vgl. den § 51\nAbs. 5 Satz 1 LGlüG zugrundeliegenden Art. 1 § 29 Abs. 4 GlüÄndStV: LT-Drucks.\n15/1570 S. 2; LT-Drucks. 15/2431 S. 3; Verwaltungsgerichtshof Baden-\nWürttemberg, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 10). \n--- \n| 26 \n--- \n| Gegenteiliges lässt sich auch der ausdrücklichen Gesetzesbegründung für das\nLandesglücksspielgesetz, spezifisch § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG, nicht entnehmen,\nda insoweit ausgeführt wird: \n--- \n \n> | 27 \n--- \n| „Für ältere Erlaubnisse ist in Absatz 5 eine Härtefallklausel vorgesehen,\ndie je nach den Verhältnissen im Einzelfall eine befristete Suspendierung von\nden Vorgaben des Verbots der Mehrfachkonzessionen und des Abstandsgebots zu\nanderen Spielhallen ermöglicht. Damit sollen die betroffenen Gewerbetreibenden\nin die Lage versetzt werden, eine Anschlussnutzung der Betriebsräume zum\nBeispiel als Gaststätte oder mit anderer Zielrichtung zu realisieren. Die\nHärtefallklausel ermöglicht bei Mehrfachspielhallen zum Beispiel auch einen\nstufenweisen Rückbau. Soweit die Betriebsräume angemietet wurden, besteht\nzudem die Möglichkeit der Anpassung der Mietverträge. Was die Nutzung der\nGeldspielgeräte anbetrifft, sind diese ohnehin nach den einschlägigen\nBestimmungen nach vier Jahren und damit vor Ablauf der Übergangsfrist\nabgeschrieben. Eine Härtefallentscheidung setzt einen entsprechenden Antrag\ndes Betreibers voraus, dem sämtliche entscheidungserheblichen Unterlagen\nbeizufügen sind.“ (vgl. LT-Drucks. 15/2431 S. 113; Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 10). \n--- \n| 28 \n--- \n| Soweit die Formulierung sich lediglich auf „betroffene“ Spielhallen und\nGewerbetreibende bezieht, ist dem nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass sich\nentsprechende Konkurrenten auf einen Drittschutz und damit einer\nerforderlichen Klagebefugnis berufen könnten und ein Individualschutz\nbeabsichtigt wäre. Die Vorschrift des § 51 Abs. 5 LGlüG vermag nach der\nderzeitigen Gestaltung einen Individualinteressensschutz von Betreibern\nbenachbarter Spielhallen nicht zu begründen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Ein solcher – von dem Kläger berühmter – Drittschutz würde insoweit auch\nerheblich den in § 1 LGlüG und § 1 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV)\nnormierten Zielen entgegenstehen, nämlich insbesondere das Entstehen von\nGlücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine\nwirksame Suchtbekämpfung zu schaffen sowie durch ein begrenztes, eine\ngeeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes\nGlücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und\nüberwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von\nunerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken. Ersichtlich –\nwie insbesondere im Rahmen von § 42 Abs. 1 LGlüG deutlich wird – hat der\nLandesgesetzgeber mit der Umsetzung dieser Maßgaben beabsichtigt, eine\nReduzierung der Spielhallendichte zu erreichen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Es ist auch nicht ersichtlich, dass im Zuge der in dem\nLandesglücksspielgesetz getroffenen Systematik ein Drittschutz für\nkonkurrierende Spielhallen beabsichtigt gewesen wäre. Zwar befindet sich die\nmaßgebliche Norm des § 51 LGlüG nicht in dem Abschnitt 7 (Spielhallen),\nsondern in dem Abschnitt 9 (Schlussvorschriften), was allerdings maßgeblich\nauf die Natur der Übergangsregelung zurückzuführen ist. Erkennbar handelt es\nsich um eine in ihrem Anwendungsbereich im Ergebnis zeitlich eingeschränkte\nNorm, sodass das Fehlen der Norm in dem maßgeblichen Spielhallenabschnitt\nnicht zu der Annahme führen kann, es handele sich nicht um das wesentliche,\ngesetzliche Prüfungsprogramm. Die von dem Kläger vertretene Auffassung, es sei\neine Auswahlentscheidung zu treffen, und erst dann den unterliegenden\nSpielhallen einen Härtefall (sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen)\nzuzusprechen, würde insoweit gerade nicht dazu führen, dass die beabsichtigte\nGesamtkonzentration und -dichte von Spielhallen reduziert wird. Insofern\nverweist § 51 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 LGlüG ausdrücklich auf den Schutzzweck des\nGesetzes (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.\nApril 2018 – 6 S 2250/17, juris Rn. 9). \n--- \n| 31 \n--- \n| Es ist auch nicht erkennbar, dass sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ein allgemeiner\nGesetzesvollziehungsanspruch zugunsten des Kläger herleiten lassen könnte, der\nunabhängig von der Verletzung eigener Rechte zur Prüfung der Rechtmäßigkeit\ndes angegriffenen Verwaltungsakts verpflichten würde, denn die Vorschrift\ngewährleistet Rechtsschutz nur bei der Verletzung eigener Rechte. Darin liegt\neine Strukturentscheidung zu Gunsten des Individualrechtsschutzes. Über den\nSchutz individueller Rechte wird die objektive Rechtskontrolle gesichert (vgl.\nBVerfG, Urteil vom 18. März 2014 – 2 BvE 6/12, BVerfGE 135, 317-433, juris Rn.\n130; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.\nDezember 2013 – 13 A 476/08, juris Rn. 143). \n--- \n| 32 \n--- \n| Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht in Hinblick auf die in Art. 12 GG\ngewährleistete Berufsfreiheit. Der Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit\nist einerseits umfassend angelegt, schützt aber andererseits nur vor solchen\nBeeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Tätigkeit bezogen sind. Der\nSchutzbereich ist daher nicht schon dann eröffnet, wenn eine Rechtsnorm, ihre\nAnwendung oder andere hoheitliche Maßnahmen unter bestimmten Umständen\nRückwirkung auf die Berufsfreiheit entfalten. Die Berufsfreiheit ist aber dann\nberührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst\nbeziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge\nihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs\nstehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben. Dabei ist der\nGrundrechtsschutz nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt.\nVielmehr kann der Abwehrgehalt auch bei faktischen oder mittelbaren\nBeeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren\nWirkungen Eingriffen gleichkommen. Durch die Wahl eines solchen funktionalen\nÄquivalents eines Eingriffs entfällt die Grundrechtsbindung nicht. An der für\ndie Grundrechtsbindung maßgeblichen eingriffsgleichen Wirkung einer\nstaatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen ein bloßer Reflex\neiner nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind (vgl.\nBVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31. August 2009 – 1 BvR 3275/07,\njuris Rn. 10 f.; Nichtannahmebeschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08,\njuris Rn. 21; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni\n2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 23). \n--- \n| 33 \n--- \n| Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers insbesondere in der\nmündlichen Verhandlung insoweit sinngemäß geltend gemacht haben, es bestehe\nein grundrechtlich schutzwürdiges Interesse daran, gewerbliche Betätigungen\nweiterhin an bestehenden, selbst gewählten Orten auszuüben, da erzwungene\nVerlagerungen mit erheblichen Kosten und weiteren Nachteilen verbunden seien\nund darüber hinaus anerkannt sei, dass in Konstellationen, in denen es mehrere\nInteressenten für ein knappes Gut gebe, die Begünstigung des einen gegenüber\nden Unterlegenen eine eingriffsgleiche und damit rechtfertigungsbedürftige\nWirkung habe, weshalb Begünstigungen anderer mit Konkurrentenklagen\nangegriffen werden könnten, kann dem hier nicht gefolgt werden. Zwar mag die\nErteilung der glückspielrechtlichen Erlaubnis zugunsten des Beigeladenen als\nmittelbare Beeinträchtigung des Klägers zu qualifizieren sein, diese kommt in\nihrer Zielsetzung und in ihrer Wirkung jedoch nicht einem Eingriff im\nherkömmlichen Sinne gleich. Denn es ist nicht bereits die Erlaubniserteilung\nan die Beigeladene als solche, die die Rahmenbedingungen der Berufsausübung\ndes Klägers verändert, sondern es bedarf hierzu vielmehr eines weiteren\nHoheitsaktes in Form einer an § 42 Abs. 1 LGlüG anknüpfenden Versagung einer\nErlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle bzw. einer glücksspielrechtlichen\nUntersagungsverfügung nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 GlüStV in Verbindung mit §\n42 Abs. 1 LGlüG (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom\n14. Juni 2018 – 6 S 304/18, juris Rn. 26). Dass dem Kläger eine Klagebefugnis\nin Hinblick auf Art. 3 GG oder der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2\nAbs. 1 GG für sich beanspruchen könnte, ist – vor dem Hintergrund, dass ein\nHärtefall nicht unmittelbar mit einer gem. § 41 Abs. 1 LGlüG erteilten\nSpielhallenerlaubnis vergleichbar ist, nicht ersichtlich (vgl.\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 6 S\n304/18, juris Rn. 27). \n--- \n| 34 \n--- \n| Insofern kann der Kläger mit dem Argument, dem Beigeladenen wäre zu Unrecht\neine bis zum 30. Juni 2021 befristete Härtefallgenehmigung erteilt worden, da\nder Umstand, dass dieser möglicherweise im Vertrauen auf die alte Rechtslage\neinen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen habe und dies nicht die Annahme\neines Härtefalls im Sinne des § 51 Abs. 5 LGlüG rechtfertige, in dem hier\nmaßgeblichen dreipoligen Verhältnis nicht durchdringen. Vielmehr verbleibt dem\nKläger nach dem gesetzgeberischen Willen nur die Möglichkeit, seinerseits\nglaubhaft zu machen, dass ihm ein Anspruch auf Befreiung von den\nVoraussetzungen des § 42 Abs. 1 LGlüG zusteht (vgl. Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Württemberg, Beschluss vom 16. April 2018 – 6 S 2250/17, juris Rn. 10). \n--- \n| 35 \n--- \n| Diese Möglichkeit verfolgt der Kläger bereits ausdrücklich in dem\nKlageverfahren 3 K 2934/20, in dem er sich gegen die Versagung seiner eigenen\nglückspielrechtlichen Erlaubnis wendet, sodass – nach sachdienlicher Auslegung\ninsbesondere vor dem Hintergrund der Angaben der Prozessbevollmächtigten des\nKlägers in der mündlichen Verhandlung – der in diesem Verfahren gestellte\nAntrag auf Erteilung der begehrten glückspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis\n– und nicht der hier als Ziffer 2 gestellte Verpflichtungsantrag – als\nmaßgeblich erachtet wird. \n--- \n| 36 \n--- \n| Nach alldem bleibt die Klage damit insgesamt ohne Erfolg. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. \n---\n\n
332,409
olgk-2020-09-22-9-u-13019
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
9 U 130/19
2020-09-22
2020-10-30 11:01:02
2020-12-10 13:39:41
Urteil
ECLI:DE:OLGK:2020:0922.9U130.19.00
## Tenor\n\nAuf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden\nRechtsmittels das am 10.07.2019 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des\nLandgerichts Köln - 23 O 415/18 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt\nneu gefasst:\n\n * 1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.857,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.01.2019 zu zahlen.\n\n * 2\\. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.\n\n * 3\\. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 46 % und die Beklagte zu 54 %.\n\n * 4\\. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n * 5\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n \n1\n\n**G r ü n d e:**\n\n2\n\n**I.**\n\n3\n\nDie Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der\nprivaten Krankenversicherung des Klägers. Streitig sind in zweiter Instanz die\nBeitragserhöhungen in den Tarifen:\n\n4**1) A** | **zum 01.07.2010** | **um 36,80 €** \n---|---|--- \n**2) A** | **zum 01.07.2014** | **um 22,73 €** \n**3) A** | **zum 01.07.2018** | **um 79,99 €** \n5\n\nDer am xx.xx.1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten privat\nkrankenversichert. Im Rahmen dieser Versicherung besteht in der\nKrankheitskostenversicherung Versicherungsschutz in dem Standardtarif A;\nhierzu wurden als AVB die Musterbedingungen für den Standardtarif (MB/ST 2009)\nvereinbart (Anlage BLD 2 im Anlagenhefter, BLD 14, Bl. 408 ff. GA). Auslöser\nder streitigen Beitragserhöhungen waren nach dem Vortrag der Beklagten die\nEntwicklungen der Leistungsausgaben (Bl. 67, 68 GA). Die für die\nstreitgegenständlichen Prämienerhöhungen maßgeblichen Zustimmungen wurden\ndurch den Treuhänder erteilt.\n\n6\n\nDie Beklagte teilte dem Kläger die Prämienerhöhungen zu den jeweiligen\nStichtagen mit Schreiben aus Mai des jeweiligen Jahres mit (vgl. im Einzelnen\nAnlagen KGR 1, KGR 3, KGR 6, Bl. 133 ff., 142 ff., 161 f GA sowie\nAnlagenkonvolut BLD 3 im Anlagenhefter).\n\n7\n\nMit anwaltlichem Schreiben vom 06.12.2018 (Anlage KGR 9, Bl. 182 ff. GA)\nmachte der Kläger gegenüber der Beklagten die Unwirksamkeit der\nPrämienerhöhungen geltend und forderte die Beklagte mit einer Fristsetzung von\nzwei Wochen nach Erhalt des Schreibens zur Rückzahlung der auf diese\nErhöhungen gezahlten Prämienanteile auf.\n\n8\n\nDie Zustellung der am 14.12.2018 bei Gericht eingegangenen Klageschrift\nerfolgte am 21.01.2019 (Bl. 21 R GA). In der am 03.04.2019 zugestellten\nKlageerwiderung vom 25.03.2019 (Bl. 64 ff., 104 GA) hat die Beklagte die\nPrämienerhöhungen zu den jeweiligen Stichtagen mit einem Anstieg der\nLeistungsausgaben begründet und den jeweiligen auslösenden Faktor mitgeteilt\n(Bl. 68 GA). Außerdem hat sie sich auf die aus ihrer Sicht dem Kläger\nrechtsgrundlos zugeflossenen Vermögensvorteile berufen, die sich bei einem\nVergleich der Altersrücklagen ohne jegliche Beitragserhöhung mit der Höhe der\nAltersrücklagen unter Berücksichtigung der Prämienerhöhung ergebe und welche\ndem Kläger im Wege der Saldierung der sich gegenüberstehenden\nBereicherungsansprüche anzurechnen seien. In Höhe dieser anzurechnenden\nkonkreten Vermögensvorteile, die sie mit 5.231,82 € beziffert, hat sie zudem\ndie Hilfsaufrechnung gegen die bezifferte Klageforderung erhoben (Bl. 93 GA).\n\n9\n\nMit Schriftsatz vom 06.05.2019 (Bl.110 ff. GA) hat der Kläger seinen\nFeststellungsantrag zu 1) teilweise für erledigt erklärt. Die Beklagte hat\nsich dieser Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 29.05.2019 (Bl. 207 ff.\nGA) unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen. Mit Schriftsatz vom\n28.05.2019 (Bl.195 GA) hat der Kläger die Klage zu dem verbleibenden\nFeststellungsantrag zu 1., bezogen auf Feststellungen hinsichtlich des Tarifs\n„B“ und zu der insoweit geltend gemachten Zahlungsforderung (1.168,03 €)\nzurückgenommen. Bezüglich dieser Teilklagerücknahme des Klägers hat die\nBeklagte mit Schriftsatz vom 05.06.2019 Kostenantrag gestellt (Bl. 234 GA).\n\n10\n\nDas Landgericht hat die Zahlungs- und Feststellungsklage des Klägers\nabgewiesen. Die in Rede stehenden Prämienanpassungen, deren materielle\nRechtmäßigkeit nicht in Streit stehe, seien in formeller Hinsicht nicht zu\nbeanstanden.\n\n11\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes\neinschließlich der dort gestellten Schlussanträge und der Urteilsbegründung im\nEinzelnen wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.\n\n12\n\nMit seiner form- und fristgerechten Berufung verfolgt der Kläger sein\nerstinstanzliches Klagebegehren weiter. Er macht geltend, dass die\nMitteilungsschreiben nicht den an ihre formelle Rechtmäßigkeit zu stellenden\nAnforderungen genügten. Das Begründungserfordernis des § 203 Abs. 5 VVG solle\nes dem Versicherungsnehmer möglich machen, die grundlegenden Tatsachen, die\nzur Beitragserhöhung geführt haben, in Erfahrung zu bringen und diese\nanschließend auf dieser Grundlage überprüfen zu lassen. Eine bloß formelhafte\nBegründung genüge nicht. Aus der Begründung müsse hervorgehen, welche der nach\n§ 203 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VVG zu betrachtenden Rechtsgrundlagen sich\ngegenüber der ursprünglichen Kalkulation verändert haben. Die Gründe müssten\ndetailliert aufgeführt und auch die konkrete Höhe der Veränderung müsse\nmitgeteilt werden. Andernfalls sei der Versicherungsnehmer nicht in der Lage,\ndie Vertragsanpassung nachzuvollziehen oder zu überprüfen.\n\n13\n\nNach Umstellung seines ursprünglich angekündigten Antrages gemäß\nBerufungsbegründung vom 06.09.2019 (Bl.282, 283), mit welchem er lediglich die\nKlageanträge zu 1. (Feststellungsantrag), 2. (Zahlungsantrag) und 4.\n(Erstattung vorgerichtlicher Kosten) weiterverfolgt hat, beantragt der Kläger\nnunmehr,\n\n14\n\ndas Urteil des Landgerichts Köln vom 10.07.2019 – 23 O 415/18 – aufzuheben und\ndie Beklagte nach Maßgabe der nachfolgenden Anträge zu verurteilen:\n\n15\n\n1) Es wird festgestellt, dass der folgende Feststellungsantrag – auch soweit\ner für erledigt erklärt wurde – ursprünglich zulässig und begründet war:\n\n16\n\nEs wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der\nzwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der\nVersicherungsnummer C unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des\njeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet und der Gesamtbetrag auf insgesamt\n225,24 € zu reduzieren ist:\n\n17\n\nin der Krankheitskostenversicherung im Tarif „A“ die Erhöhungen zum 01.07.2010\num 36,80 €, zum 01.07.2014 um 22,73 € und zum 01.07.2018 um 79,99 €,\n\n18\n\n2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.450,30 € nebst Zinsen hieraus\nin Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab\nRechtshängigkeit zu zahlen.\n\n19\n\n3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte\n\n20\n\na) dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem\nPrämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter 1) aufgeführten\nBeitragserhöhungen gezahlt hat,\n\n21\n\nb) die nach 3 a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über\ndem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.\n\n22\n\n4) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen\nRechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 1.184,05 € freizustellen.\n\n23\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n24\n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n25\n\nDie Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Unter Vertiefung ihres\nerstinstanzlichen Vortrages hält die Beklagte daran fest, dass sämtliche\nErhöhungsschreiben den formellen Voraussetzungen genügten. Sie erhebt zudem\nerneut die Einrede der Verjährung.\n\n26\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu\nden Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die\nSitzungsprotokolle Bezug genommen.\n\n27\n\n**II.**\n\n28\n\nDie zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur in dem aus dem Tenor\nersichtlichen Umfang Erfolg.\n\n29\n\nHinsichtlich des Feststellungsantrages zu 1. haben die Parteien den\nRechtsstreit bereits in erster Instanz übereinstimmend in der Hauptsache für\nerledigt erklärt, wodurch die Rechtshängigkeit dieses Anspruchs von selbst\nbeendet worden ist. Die lediglich noch zu treffende Kostenentscheidung führt\nzu einer Auferlegung der insoweit entstandenen Kosten auf beide Seiten. Soweit\nder Kläger seinen Zahlungsanspruch noch verfolgt, ist dieser in Höhe von\n2.857,44 € begründet. Der Feststellungsantrag zu 3., gerichtet auf Herausgabe\nder – aus Sicht des Klägers – zu Unrecht gezogenen Nutzungen, ist unzulässig.\nEin Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten\nist gleichfalls nicht begründet.\n\n30\n\n1\\. Den auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichteten Klageantrag\nzu 1. in der Fassung des Schriftsatzes vom 23.06.2020 (Bl. 343 f. GA), den der\nKläger in der Sitzung vom 11.08.2020 gestellt hat (Bl.355 GA), haben die\nParteien mit Schriftsätzen vom 06.05.2019 (Bl.110 f. GA) und vom 29.05.2019\n(Bl.207 f. GA) bereits erstinstanzlich übereinstimmend in der Hauptsache für\nerledigt erklärt. Dies wird auf S. 4 des angefochtenen Urteils auch\nausdrücklich festgestellt. Eine Entscheidung des Senats ist insoweit nicht\nveranlasst. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung eines Teils der\nHauptsache ist dieser nicht mehr rechtshängig; insoweit hat das Gericht gemäß\n§ 91 a ZPO nur noch nach den materiellen Kriterien des § 91 Abs. 1 S. 1 über\ndie Kosten zu entscheiden. Das Gericht verliert bzgl. des übereinstimmend für\nerledigt erklärten Teils seine Befugnis, in der Hauptsache zu entscheiden.\nRechtshängig bleibt (nur) der nicht für erledigt erklärte Teil der Hauptsache\n(Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 91 a, Rdnr. 51; BeckOK,\nZPO/Jaspersen, 37. Edition, Stand: 01.07.2020, § 91 a, Rdnr. 25). Der\nGebührenstreitwert ergibt sich fortan nur noch aus dem Wert der\nResthauptsache. Die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender\nTeilerledigungserklärung erhöhen den Streit- und Beschwerdewert nicht, solange\nnoch ein Teil der Hauptsache im Streit ist (BGH, Beschluss vom 14.01.2020 - II\nZR 395/18 - BeckRS 2020, 2998). Der Berufungsantrag des Klägers zu Ziffer 1.\ngeht damit in Leere.\n\n31\n\nDie Kosten hinsichtlich dieses erledigten Teils des Rechtstreits sind gemäß §\n91 a ZPO zu 57 % dem Kläger und zu 43 % der Beklagten aufzuerlegen. Die\nEntscheidung, welche der Parteien die Kosten des erledigten Teils der\nHauptsache zu tragen hat, ist gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des\nbisherigen Sach– und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen. Bei\ndieser Entscheidung sind die Grundgedanken des Kostenrechts gemäß den §§ 91\nff. ZPO zu berücksichtigen, insbesondere der Grundsatz des § 91 ZPO, dass der\nUnterlegene die Kosten des Rechtstreits zu tragen hat. Dies wären vorliegend\nbeide Parteien gewesen, da ohne das erledigende Ereignis (Erklärungen der\nParteien, Mitteilung der auslösenden Faktoren zu den streitgegenständlichen\nBeitragsanpassungen) auf den ursprünglichen Feststellungsantrag des Klägers\nfestzustellen gewesen wäre, dass in der zwischen den Parteien bestehenden\nKrankenversicherung die streitigen Tariferhöhungen zum 01.07.2010 (36,80 €)\nund zum 01.07.2014 (22,73 €) zunächst unwirksam gewesen sind und der Kläger\nnicht zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge verpflichtet gewesen ist.\nDiese Tariferhöhungen waren aus den unter 2. näher dargelegten Gründen wegen\neiner unzureichenden Begründung in den jeweiligen Mitteilungsschreiben der\nBeklagten in formeller Hinsicht zunächst unwirksam und sind erst durch die\nZustellung der Klageerwiderung am 03.04.2019 geheilt und zum 01.06.2019\nwirksam geworden. Bezüglich der Prämienerhöhung zum 01.07.2018 (79,99 €) wäre\nder Feststellungsantrag aus den unter 2. näher dargelegten Gründen dagegen\nunbegründet gewesen.\n\n32\n\n2\\. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB im\nWege der Leistungskondiktion die Rückzahlung geleisteter Erhöhungsbeträge in\ndem Tarif A für den Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2018 in Höhe von\n2.857,44 € nebst anteiligen Verzugszinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB\nverlangen. Die den Betrag von 2.857,44 € übersteigende Forderung unterliegt\nder Abweisung.\n\n33\n\nDie streitgegenständlichen Tariferhöhungen zum 01.07.2010 (36,80 €) und zum\n01.07.2014 (22,73 €) waren wegen einer unzureichenden Begründung in den\njeweiligen Mitteilungsschreiben der Beklagten in formeller Hinsicht unwirksam\nund sind erst durch die Zustellung der Klageerwiderung am 03.04.2019 geheilt\nund zum 01.06.2019 wirksam geworden.\n\n34\n\nIn formeller Hinsicht gilt Folgendes:\n\n35\n\na) Nach § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die\nÄnderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam,\nder auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür\nmaßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. Vorliegend genügen - bis\nauf das Anpassungsschreiben aus Mai 2018 (Anlage KGR 6, Bl. 161 f. GA, Anlage\nBLD 3 im Anlagenband) - die von der Beklagten verfassten Begründungsschreiben\nnebst Anlagen nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung\nder maßgeblichen Gründe im Sinne des §˘203 Abs. 5 VVG.\n\n36\n\nStreitig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, was unter Mitteilung\nder „maßgeblichen Gründe“ im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG zu verstehen ist und\nwelche Angaben die Mitteilung im Einzelnen enthalten muss. „Gründe“ i.S.d. §\n203 Abs. 5 VVG sind jedenfalls die Umstände, die eine Neufestsetzung der\nPrämie inhaltlich rechtfertigen. Da das Anpassungsrecht eine nicht nur\nvorübergehende Veränderung der für die Prämienkalkulation maßgeblichen\nRechnungsgrundlagen im Sinne von § 203 Abs. 2 VVG, § 12 b Abs. 2 VAG bzw. §\n155 Abs. 3 VAG 2016 voraussetzt, muss die Mitteilung daher zumindest\nirgendwelche Aussagen zu diesem Punkt enthalten. Zu den in Rechtsprechung und\nLiteratur vertretenen Ansichten, welche Anforderungen an die Mitteilung gemäß\n§ 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, und zu der vom Senat vertretenen Auffassung\nwird auf die Senatsurteile vom 29.10.2019 (9 U 127/18), vom 17.12.2019 (9 U\n131/18), vom 28.01.2020 (9 U 138/19) sowie vom 21.04.2020 (9 U 174/18)\nverwiesen. Unter inhaltlicher Bezugnahme auf die betreffenden Ausführungen in\nden Senatsurteilen sind hiernach folgende Anforderungen und Grundsätze zu\nbeachten:\n\n37\n\naa) Zunächst ist erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zur\nBegründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren\nVeränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der\nLeistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der\nSterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln, weil die Veränderung zumindest\neiner dieser beiden Rechnungsgrundlagen oder ggf. auch beider in § 155 VAG\nausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung genannt ist.\n\n38\n\nbb) Die Benennung der Rechnungsgrundlage muss auch bezogen auf die konkrete\nPrämienanpassung erfolgen. Nicht ausreichend ist insofern, dass in\nInformationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung\neiner der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen\nkann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für\ndie in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße\nErläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht\nnicht aus. Denn dem Gesetzeswortlaut ist durch die Verwendung des Begriffs\n„maßgeblich“ zu entnehmen, dass nicht eine allgemeine Information oder\nBelehrung über das Prämienanpassungsrecht ausreicht, sondern ein Bezug zu der\nkonkreten Prämienanpassung hergestellt werden muss.\n\n39\n\ncc) Hingegen ist die Angabe der konkreten Höhe der Veränderung oder des sog.\nauslösenden Faktors nicht erforderlich. Denn für die Prämienerhöhung reicht es\naus, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen oder im Gesetz\nfestgelegten Schwellenwert über- oder unterschreitet.\n\n40\n\ndd) Nicht erforderlich ist zudem, dass in der Mitteilung konkret angegeben\nwird, welcher Schwellenwert über- oder unterschritten wurde, der gesetzliche\nFaktor gemäß § 155 VAG (Versicherungsleistungen über 10 % bzw. Sterbetafeln\nüber 5 %) oder ein gegebenenfalls abweichender tariflich vereinbarter\nauslösender Faktor (z.B. § 8 b MB/KK: Versicherungsleistungen über 5 %). Es\nreicht aus, wenn der Versicherungsnehmer dem Gesamtzusammenhang des\nBegründungsschreibens klar entnehmen kann, dass der Versicherer seine Erhöhung\nmit einer Über- oder Unterschreitung des geltenden Faktors begründet.\n\n41\n\nee) Nicht erforderlich ist die Angabe des Namens und der Anschrift des\nTreuhänders in der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG durch den\nVersicherungsnehmer. Da die Unabhängigkeit des Treuhänders nach der\nEntscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2018 (- IV ZR 255/17 -, VersR\n2018, 283 ff.) nicht gerichtlich zu überprüfen ist, ist der Name für den\nVersicherungsnehmer zunächst ohne Bedeutung. Bei Interesse kann er ihn im\nRahmen des ihm zustehenden Auskunftsanspruchs beim Versicherer erfragen.\n\n42\n\nff) Jedenfalls bei gestiegenen Leistungsausgaben ist ebenfalls nicht zwingend\nerforderlich die Nennung der Veränderung weiterer Kriterien, welche die\nPrämienhöhe zumindest auch noch beeinflusst haben, wie bspw. der\nRechnungszins. Insbesondere muss ein konkreter Bezug zwischen der\nstreitgegenständlichen Prämienerhöhung und den veränderten weiteren Faktoren\nin der Begründung nicht hergestellt werden. Denn dies führte zu einer\nerheblichen Erhöhung des Verwaltungsaufwands, der zu Lasten der\nVersicherungsgemeinschaft ginge, ohne dass dem Aufwand ein nur ansatzweise\nentsprechender Nutzen für den einzelnen Versicherungsnehmer gegenüberstünde.\n\n43\n\nGenügt die Mitteilung des Versicherers gemäß § 203 Abs. 5 VVG diesen unter 2.\na), aa) bis ff) genannten, grundsätzlichen Anforderungen, kann der\nVersicherungsnehmer die rechtlichen Voraussetzungen, mit denen der Versicherer\ndie Prämienanpassung begründet, in hinreichendem Maße nachvollziehen.\n\n44\n\nb) Gemessen daran erfüllen die streitgegenständlichen Begründungen aus Mai\n2010 und Mai 2014 nicht die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden\nMindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe.\n\n45\n\nIn dem Mitteilungsschreiben aus Mai 2010 (Anlagen KGR 1, Bl.133 ff. GA, Anlage\nBLD 3 im Anlagenheft) wird die Beitragssteigerung mit gestiegenen „Ausgaben\nfür Gesundheitsleistungen“ begründet (zweiter Absatz des Schreibens), aber\nauch mit einer „gestiegenen Lebenserwartung“. Aus dem Schreiben ergibt sich\njedoch nicht, welche der beiden in § 203 Abs. 2 VVG genannten\nRechnungsgrundlagen sich in welcher Höhe verändert hat. Ebenso fehlt eine –\nauf den konkreten Tarif bezogene – Klarstellung dazu, dass die Veränderung der\n„gestiegenen Ausgaben“ über der gesetzlich bzw. tariflich festgelegten Grenze\nliegt.\n\n46\n\nIn dem Mitteilungsschreiben aus Mai 2014 (KGR 3, Bl. 142 ff. GA, BLD 3 im\nAnlagenheft) wird gleichfalls ein weiterer Anstieg der „Ausgaben für\nVersicherungsleistungen“ als Grund für die Beitragserhöhungen angeführt. Es\nfehlt indes auch hier die Angabe, dass die Veränderung über der gesetzlich\nbzw. tariflich festgelegten Grenze liegt.\n\n47\n\nLediglich das Anpassungsschreiben aus Mai 2018 (KGR 6, Bl.161 ff. GA, BLD 3 im\nAnlagenhefter) erfüllt die vom Senat gestellten Anforderungen und ist daher\nauch in formeller Hinsicht wirksam. In der dem Anschreiben beigefügten\ndetaillierten Erläuterung für die Beitragserhöhungen („Warum passen wir die\nBeiträge an?“) wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte „mindestens\njährlich“ zu einem Vergleich der „erforderlichen mit den kalkulierten\nVersicherungsleistungen“ verpflichtet sei. Ergebe „dieser Vergleich eine\nAbweichung von den definierten Grenzwerten“, sei sie – die Beklagte – zur\nPrüfung der Beiträge verpflichtet, was als „Anspringen“ des „Auslösenden\nFaktors Schaden“ bezeichnet werde. Sodann verweist die Beklagte auf die\nnachfolgende Tabelle und den dort detailliert aufgeführten Tarifen. In dieser\nTabelle auf Seite 2 werden für den Tarif A, geordnet nach Alter und Geschlecht\ndes Versicherungsnehmers, die relevanten Veränderungen konkret dargelegt. So\nwird dort die durchschnittliche Veränderung der Versicherungsleistung\ntarifspezifisch konkret benannt (in diesem Fall 8,15 %, Bl. 167 GA.). Diesen\nErläuterungen kann der Versicherungsnehmer entnehmen, dass Auslöser für die\nErhöhung seiner Beiträge eine Abweichung der Leistungsausgaben oberhalb der\nfür die Tarife festgelegten Prozentsätze gewesen ist.\n\n48\n\nSoweit die Beklagte im Rahmen dieses Verfahrens den auslösenden Faktor mit\n112,6 angegeben hat (S. 5 der Klageerwiderung vom 25.03.2019, Bl. 68 GA), ist\ndies der in dem Mitteilungsschreiben bezeichneten „durchschnittlichen\nVeränderung der Versicherungsleistung“ (vgl. die 4. Spalte in der betreffenden\nTabelle) nicht gleichzusetzen und wird im Hinblick auf die unterschiedlichen\nBegrifflichkeiten auch von dem Leser des Mitteilungsschreibens nicht\ngleichgesetzt werden. Während die §§ 15, 16 KVAV das Verfahren zur Ermittlung\ndes „Auslösenden Faktors“ gesetzlich im Einzelnen regeln und hierzu\ndetaillierte Vorgaben definieren (vgl. etwa § 15 Abs. 2 KVAV: Ermittlung der\ntatsächlichen Grundkopfschäden der letzten drei Beobachtungszeiträume / § 15\nAbs. 3 KVAV: Berechnung der erforderlichen Versicherungsleistungen nach der\nFormel des Abschnitts B der Anlage 2 der KVAV / § 16 KVAV: Verfahren zur\nGegenüberstellung der kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten und der zuletzt\nveröffentlichten Sterbewahrscheinlichkeiten), handelt es sich bei der in dem\nMitteilungsschreiben genannten „durchschnittlichen Veränderung der\nVersicherungsleistungen“ nicht um ein solches gesetzlich klar definiertes\nBerechnungsverfahren, sondern vielmehr um eine rein tatsächliche Angabe. Die\n„durchschnittliche Veränderung der Versicherungsleistungen“ ist – neben\nanderen tatsächlichen Entwicklungen (etwa die Höhe des Rechnungszinses) – von\nmaßgeblicher Bedeutung im Rahmen der tatsächlichen Neuberechnung der Prämie,\nwährend der „Auslösende Faktor“ nach gesetzlich klar definierten Vorgaben\nbestimmt, ob überhaupt eine Überprüfung aller Prämien eines Tarifs stattfindet\n(§ 155 Abs. 3 S. 1, 2 VAG i.V.m. § 203 Abs. 2, S. 4 VVG).\n\n49\n\nInsgesamt genügt daher nur das aus Mai 2018 stammende Anpassungsschreiben den\nvom Senat gestellten Anforderungen an eine Begründung gem. § 203 Abs. 5 VVG.\n\n50\n\nc) Die übrigen unzureichenden Begründungen für die jeweiligen\nPrämienerhöhungen sind mit Zustellung der Klageerwiderung am 03.04.2019\n(Bl.104 GA) an die Prozessbevollmächtigten des Klägers geheilt. Nach Ablauf\nder Frist nach § 203 Abs. 5 VVG werden die vorgenannten Prämienerhöhungen zum\n01.06.2019 grundsätzlich wirksam.\n\n51\n\naa) Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs führt eine etwaige zunächst\nunzureichende Mitteilung der Gründe möglicherweise nur zum Erfolg des\nZahlungsantrags auf Rückzahlung der bis zum geltend gemachten Zeitpunkt\neinschließlich geleisteten Prämienzahlungen, nicht aber auch zum Erfolg des\ndarüber hinaus reichenden Feststellungsantrags, sofern eine ausreichende\nMitteilung der Gründe in den detaillierten Angaben in der Klageerwiderung\nerblickt werden könnte (BGH, Urteil vom 19.12.2018, - IV Z R 255/17 -, VersR\n2018, 283 ff. in juris Rn. 65). Erfolgt eine Mitteilung der Prämienanpassung\nzunächst ohne eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende\nBegründung, wird diese aber später nachgeholt, wird durch den Zugang dieser\nnachgeholten Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie\nangeordnete Frist in Lauf gesetzt, so dass erst von diesem Zeitpunkt an das\nInkrafttreten nach § 203 Abs. 5 VVG zu berechnen ist (BGH, Urteil vom\n19.12.2018, - IV Z R 255/17 -, VersR 2018, 283 ff. in juris Rn. 65; MK/Boetius\na.a.O. § 203 Rn. 1160; Boetius, Private Krankenversicherung a.a.O. § 203 VVG\nRn. 207; **a.A.** und für vollständige Unwirksamkeit: LG Neuruppin, Urteil vom\n25.08.2017, - 1 O 338/16 -, VersR 2018, 469 ff. in juris Rn. 26; Brömmelmeyer\nin Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar z. VVG, 3. Aufl. 2016, § 203 VVG\nRn. 47; Klimke, VersR 2016, 22/24 Ziff. III 1. a) u. b)).\n\n52\n\nbb) Der Senat schließt sich der vom Bundesgerichtshof vertreten Auffassung an.\nZunächst spricht der Wortlaut „werden … wirksam“ gegen die Annahme einer\nendgültigen Unwirksamkeit. Außerdem entspricht es dem Willen des Gesetzgebers,\nan der Rechtslage vor 2008 nichts Wesentliches zu ändern. Dieser Wille würde\nin sein Gegenteil verkehrt, wenn formelle Mängel bei der Mitteilung ein\ndauerhaft beachtliches Wirksamkeitshindernis für eine Prämienanpassung\ndarstellten. Ein solches Wirksamkeitshindernis sollte nicht leichtfertig\naufgestellt werden, da das Recht des Versicherers auf Beitragsanpassungen nach\n§ 203 Abs. 2 VVG ein wesentlicher Stützpfeiler der aufsichtsrechtlich\nangestrebten dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge ist (Brand,\nVersR 2018, 453/457 Ziff. V) und der Versichertengemeinschaft dient. Das\nberechtigte Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers an einer Mitteilung\nder für seine konkrete Prämienanpassung maßgeblichen Gründe wird hinreichend\ndadurch geschützt, dass dieser bis zur Heilung etwaiger Begründungsmängel\nnicht zur Zahlung des erhöhten Beitrages verpflichtet ist.\n\n53\n\ncc) In Anwendung der vorgenannten Grundsätze konnten die unzureichenden\nBegründungen der Beklagten für die streitigen Prämienerhöhungen durch die\nAusführungen in der Klageerwiderung vom 25.03.2019 (Bl.64 ff. GA) geheilt\nwerden. Die Beklagte hat dort die maßgebliche Rechnungsgrundlage\n(Versicherungsleistungen) und den jeweiligen auslösenden Faktor genannt.\nInsoweit hat sie nachvollziehbar dargetan, dass und inwieweit bei den\neinzelnen Erhöhungen der jeweiligen Tarife zu den jeweiligen Stichtagen der\ngesetzliche Schwellenwert von 10 % bzw. der tarifliche Schwellenwert von 5 %\nüberschritten ist.\n\n54\n\nMit Zustellung der Klageerwiderung am 03.04.2019 wurde in Anwendung der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frist des § 203 Abs. 5 VVG in Lauf\ngesetzt, sodass die Prämienerhöhungen in den Tarifen mit einem nur\nunzureichenden Begründungsschreiben jeweils ab 01.06.2019 wirksam geworden\nsind. Die Heilung berührt indes die Begründetheit des bis einschließlich\nDezember 2018 geltend gemachten Rückzahlungsbegehrens nicht.\n\n55\n\nd) Bei den Tarifanpassungen zum 01.07.2010 und zum 01.07.2014 liegt die\nVeränderung bei den Versicherungsleistungen jeweils unter dem gesetzlichen\nSchwellenwert von über 10 %, aber über 5 % (A zum 01.07.2010: 5,63 %, A zum\n01.07.2014: 6,44 %). Diese Anpassungen sind aufgrund der\nBeitragsanpassungsklausel in § 8 a Abs. 4 MB/ST 2009 (Anlage BLD 2 im\nAnlagenhefter; BLD 14, Bl. 408 ff., 415 GA) gerechtfertigt. Hiernach können\nbei einer Veränderung der Schadenwahrscheinlichkeiten von mehr als 5 % die\nBeiträge der betroffenen Beobachtungseinheiten überprüft und, soweit\nerforderlich, mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders angepasst werden;\n„von einer solchen Anpassung wird abgesehen, wenn die Veränderung der\nVersicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.“ Diese Klausel ist\nwirksam. Sie steht insbesondere mit den §§ 12 b Abs. 2 S. 2 VAG a.F., 155 Abs.\n3, S. 2 VAG, 203 Abs. 2 VVG in Einklang, nach denen eine Prämienanpassung nur\ndann zulässig ist, wenn die Veränderung nicht nur vorübergehender Art ist.\n\n56\n\ne) Die zu viel gezahlten Beträge für alle Tarife in Höhe von insgesamt\n2.857,44 € errechnen sich unter Berücksichtigung des konkreten Klagebegehrens,\ndas eine Rückforderung bis einschließlich Dezember 2018 vorsieht (Bl.8, 11,\n13, 16 GA), im Einzelnen wie folgt:\n\n57Tarif | Erhöhung | insgesamt \n---|---|--- \n1) A | ab 01.01.2015 um 36,80 € bis zum 31.12.2018 (48 Monate  48 x 36,80 €) | 1.766,40 € \n2) A | ab 01.01.2015 um 22,73 € bis zum 31.12.2018 (48 Monate  48 x 22,73 €) | 1.091,04 € \n| ergibt insgesamt: | 2.857,44 € \n58\n\nf) Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des geltend\ngemachten Rückzahlungsanspruchs aus Bereicherungsrecht greifen nicht durch.\n\n59\n\naa) Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich der Kläger auf der\nRechtsfolgenseite des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs etwaige\nVorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen nicht anrechnen lassen,\nweil die Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Bereicherungsrecht\ngrundsätzlich keine Anwendung finden. Der Bereicherte – hier die Beklagte –\nkann sich nicht darauf berufen, dass der Entreicherte – hier der Versicherte –\ndurch den Bereicherungsvorgang – hier Zahlung der erhöhten Prämienbeiträge –\nauch Vorteile gehabt hat. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf die\nnur auf objektiven Ausgleich gerichteten Ansprüche aus unberechtigter\nBereicherung nicht anwendbar (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 812 Rdnr.\n72; BGH, Urteil vom 05.11.2002, - XI ZR 381/01 -, NJW 2003, 582 ff. in juris\nRn. 26 m.w.N.; BGH, Kartellsenat, Urteil vom 22.07.2014, - KZR 27/23 -, NJW\n2014, 3089 ff. in juris Rn. 43). Zwar können nach dem Grundsatz von Treu und\nGlauben im Einzelfall Ausnahmen in Betracht kommen (BGH, Kartellsenat, Urteil\nvom 22.07.2014, - KZR 27/23 -, NJW 2014, 3089 ff. in juris Rn. 43), den der\nBundesgerichtshof beim Rückforderungsanspruch nach § 3 HWiG angenommen und\neine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleich in\nentsprechender Anwendung der dafür geltenden Grundsätze vorgenommen hat (BGH,\nUrteil vom 24.04.2007, - XI ZR 17/06 -,NJW 2007, 2401 ff. in juris Rn. 24).\nEin solcher Ausnahmefall ist allerdings vorliegend nicht gegeben.\n\n60\n\nbb) Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Fällen, in denen Lebens- oder\nRentenversicherungen nach § 5 a VVG a.F. nach einem wirksamen Widerspruch nach\n§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB rückgewickelt werden mussten. Zwar hat der\nBundesgerichtshof in diesen Fällen entschieden, dass die\nbereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5 a\nAbs. 2 S. 4 VVG a.F. nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex\nnunc) zu beschränken sind, sondern nur eine Rückwirkung dem Effektivitätsgebot\nentspreche (BGH, Urteil vom 11.11.2015, - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33 ff.\nin juris Rn. 29) und dass der Anspruch auf Prämienrückzahlung nach § 812 Abs.\n1 S. 1 1. Alt. BGB der Höhe nach nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien\numfasse und dem Kläger bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der\njedenfalls faktisch bis zum Widerspruch genossene Versicherungsschutz\nanzurechnen sei (BGH, Urteil vom 11.11.2015, - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33\nff. in juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 07.05.2014, - IV ZR 76/11 -, VersR 2014,\n817 ff. in juris Rn. 45).\n\n61\n\nDiese Fälle sind mit den vorliegenden Fällen eines Rückgewähranspruchs des\nVersicherten nach unwirksamer Prämienerhöhung insoweit nicht vergleichbar, als\neine etwaige Unwirksamkeit einer Prämienerhöhung keine Auswirkungen auf die\nWirksamkeit und den Fortbestand des Krankenversicherungsschutzes sowie die\nHöhe der vereinbarten Prämien bis zum Zeitpunkt der unwirksamen\nPrämienerhöhung hat. Infolge dessen erfolgt bei Unwirksamkeit einer\nPrämienerhöhung – anders als in den Widerspruchsfällen gem. § 5 a VVG a.F. –\nkeine Rückabwicklung des Krankenversicherungsvertrags mit Rückwirkung.\nVielmehr bleibt die beklagte Versicherung nach wie vor zur\nVersicherungsleistung bei Vorliegen eines Versicherungsfalles verpflichtet und\nder Versicherte hat jedenfalls die Prämien in der bisherigen Höhe zu zahlen.\n\n62\n\ncc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die sog. Saldotheorie nicht\nanzuwenden. Die Saldotheorie findet dogmatisch nur bei rechtsunwirksamen\nVerträgen Anwendung, was bei einer unwirksamen Prämienerhöhung nicht der Fall\nist. Der Krankenversicherungsvertrag bleibt im Übrigen mit der bisherigen,\ngeringeren Prämie wirksam. Der vertraglich zugesagte Leistungsanspruch des\nVersicherungsnehmers erhöht sich nicht aufgrund einer Prämienanpassung.\n\n63\n\ndd) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind als anzurechnende\nVermögensvorteile des Versicherungsnehmers nicht in Abzug zu bringen die\nSparprämie (= zur Bildung von Rückstellungen für die im Alter steigenden\nVersicherungsleistungen), die Risikoprämie und der gesetzliche\nBeitragszuschlag (= Erhebung gemäß § 149 VAG und Zuführung zur\nAlterungsrückstellung), die anteilig aus den Prämienbeiträgen gebildet werden.\nDenn es ist keineswegs sicher und auch nicht absehbar, ob und ggf. in welchem\nUmfang der jeweilige Versicherte überhaupt in den Genuss dieser Leistungen\nkommt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherte die dafür geltende\nAltersgrenze noch nicht erreicht hat. Insofern erscheint es angemessen, dass\nallein das Versicherungsunternehmen das rechtliche Risiko trägt, eine\nPrämienanpassung rechtswirksam durchzusetzen (Ossyra, VuR 2018, 373/380 Ziff.\nII.).\n\n64\n\nee) Die Beklagte kann sich gegenüber dem bereicherungsrechtlichen\nRückerstattungsanspruch des Klägers wegen erhöhter Prämien nicht mit Erfolg\nauf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen.\n\n65\n\nSoweit die Beklagte die vereinnahmten erhöhten Prämien zur Erbringung von\nVersicherungsleistungen verwendet hat, ist sie schon deswegen nicht\nentreichert, weil sie durch diese Leistung die ihr aufgrund der jeweiligen\nKrankenversicherungsverträge obliegende Verpflichtung zur Erstattung der\nversicherten Krankheitskosten erfüllt hat und sie damit von einer\nVerbindlichkeit befreit worden ist. Diese Leistungsverpflichtung der Beklagten\nbei Vorliegen eines Versicherungsfalles besteht unabhängig davon, ob die\nPrämienanpassung wirksam ist oder nicht, denn der Krankenversicherungsvertrag\nbesteht fort. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit mit Hilfe des\nrechtsgrundlos Erlangten durch den Bereicherungsschuldner stellt eine\nfortbestehende Bereicherung dar, der Bereicherungsschuldner kann sich\ngrundsätzlich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen (Palandt/Sprau a.a.O. § 818\nRdnr.45, BGH NJW 1985, 2700).\n\n66\n\nSoweit die Beklagte nach ihrem Vortrag aus den eingenommenen erhöhten Prämien\nanteilig Sparprämien, Risikoprämien und den gesetzlichen Beitragszuschlag\ngebildet haben will, entspricht auch dies ihrer Verpflichtung aus dem\nVersicherungsvertrag. Dabei verkennt der Senat nicht, dass ein Unterschied zu\nder Verwendung der erhöhten Prämien zur Erbringung der\nversicherungsvertraglich geschuldeten Leistungen insofern bestehen dürfte, als\neine Verpflichtung zur Bildung entsprechender anteiliger Sparprämien,\nRisikoprämien und des gesetzlichen Beitragszuschlags erst aufgrund der\nPrämienerhöhung entstanden sein wird. Indes hat die Beklagte trotz ihres\numfangreichen Vortrages bisher nicht konkret dargetan, dass es ihr bei einer\ngerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der erhöhten Prämien nicht\nmöglich wäre, die zur Bildung von Sparprämien und gesetzlichen\nBeitragszuschlägen verwendeten erhöhten Prämienanteile wieder zurück zu buchen\noder mit späteren auf diese Prämienanteile zu erbringenden Aufwendungen zu\nverrechnen. Bei der Möglichkeit einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung\nscheidet eine Entreicherung der Beklagten von vornherein aus. Hierzu verhält\nsich der Vortrag der Beklagten nicht.\n\n67\n\ng) Da sich der Kläger auf der Rechtsfolgenseite des bereicherungsrechtlichen\nRückzahlungsanspruchs etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten\nPrämienbeiträgen nicht anrechnen lassen muss, ist auch die von der Beklagten\nin der Klageerwiderung erhobene Hilfsaufrechnung über 5.231,82 € (Bl.93 GA),\ndie auch in zweiter Instanz zu berücksichtigen ist (vgl. die umfassende\nBezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag Bl.312 GA), nicht begründet. Auch\ninsoweit gilt, dass der Bereicherte – hier die Beklagte – sich nicht darauf\nberufen kann, dass der Entreicherte – hier der Versicherte – durch den\nBereicherungsvorgang (Zahlung der erhöhten Prämienbeiträge) auch Vorteile\ngehabt hat.\n\n68\n\nh) Die übrigen Rückzahlungsansprüche des Klägers sind verjährt.\n\n69\n\nDie Zustellung der Klageschrift erfolgte am 21.01.2019 (Bl.21 R GA).\nAllerdings ist die Klage bereits am 14.12.2018 bei Gericht eingegangen (Bl.3\nGA). Die Zustellung wirkt auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück,\nsofern sie „demnächst“ erfolgt (Palandt-Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, §\n204, Rdnr.7). Dies ist vorliegend der Fall mit der Folge, dass die\nverjährungshemmende Wirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bereits mit Eingang\nder Klage bei Gericht am 14.12.2018 eingetreten ist.\n\n70\n\nRückforderungsansprüche des Klägers wegen der bis zum Ende des Jahres 2014\ngeleisteten Mehrprämien sind daher gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Die\nVerjährung zeitlich späterer Rückzahlungsansprüche, also ab 01.01.2015, wurde\ndurch die auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 14.12.2018 rückwirkende\nZustellung der Klageschrift am 21.01.2019 gehemmt.\n\n71\n\nDie Beklagte hat bereits mit ihrer Klageerwiderung vom 25.03.2019 die Einrede\nder Verjährung erhoben. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung war mit der\njeweiligen monatlichen Prämienzahlung entstanden. Der Kläger hatte mit Erhalt\nder jeweiligen Anpassungsschreiben zu den Erhöhungen aus Mai des jeweiligen\nJahres Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen.\n\n72\n\nFür den bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch gilt die dreijährige\nVerjährungsfrist gemäß § 195 BGB, deren Beginn sich nach § 199 Abs. 1 BGB bzw.\n§ 199 Abs. 3 BGB richtet. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige\nVerjährungsfrist gemäß § 195 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn\nbestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist\n(§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden\nUmständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grober\nFahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).\n\n73\n\naa) Für die Entstehung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs\ngemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auf die jeweilige monatliche Prämienzahlung\nabzustellen, weil frühestens mit der jeweiligen monatlichen Zahlung der\nvermeintlich überhöhten Prämie der Rückforderungsanspruch fällig wird und\nentsteht. Die Rückzahlungsforderung ist daher jeweils frühestens mit der\nZahlung der vermeintlich überhöhten Prämie fällig geworden, also entstanden\n(LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, - 1 O 338/16 -, VersR 2018, 469 ff. in\njuris Rn. 40; OLG Köln, Urteil vom 20 U 128/16 -, in juris Rn 14 f.).\n\n74\n\nDie Verjährung beginnt zu dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem\nVersicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist.\nDer Gesetzgeber hat nicht ähnliche Regelungen wie bei dem Widerrufsrecht nach\nVerbraucherschutznormen oder z.B. § 5 a Abs. 1 VVG a.F. getroffen, sondern den\nWirksamkeitszeitpunkt der Beitragserhöhung bis zu dem Zeitpunkt\nhinausgeschoben, in dem der Versicherungsnehmer eine ordnungsgemäße Mitteilung\nüber die Beitragserhöhung erhalten hat (LG Neuruppin, a.a.O.).\n\n75\n\nbb) Die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers\nlag mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben aus Mai des jeweiligen\nJahres vor. Bezogen auf die formelle Unwirksamkeit liegt die Kenntnis bzw.\ngrob fahrlässige Unkenntnis des Klägers als Versicherungsnehmer im Sinne des §\n199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben der\nBeklagten für die betreffenden Tarife vor. Diesen konnte der Kläger nichts\nentnehmen, was ihm die Prüfung der durch die Beklagte aufgestellten Behauptung\nüber die Erforderlichkeit der Beitragsanpassung ermöglicht hätte.\n\n76\n\nSoweit der Gläubiger – hier der Versicherte – von den den Anspruch\nbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder\nohne grob fahrlässige Unkenntnis erlangt haben muss, ist dies hinsichtlich der\nformellen Voraussetzung der Mitteilung über die Beitragserhöhung mit Zugang\nderselben der Fall. Ab diesem Zeitpunkt ist von einer grob fahrlässigen\nUnkenntnis des Klägers in dem Sinne auszugehen, dass er seine Beiträge in\neiner Höhe entrichtet, die auf einer unwirksamen Beitragserhöhung beruht. Es\ngenügt die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, nicht\nerforderlich ist, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend bewertet\n(LG Neuruppin, a.a.O, juris Rn. 42; BGH NJW 2008, 1729 ff. in juris Rn. 26).\n\n77\n\nGrundsätzlich reicht eine Kenntnis aus, die den Berechtigten in die Lage\nversetzt, wenn auch nicht ohne Risiko, eine Feststellungsklage zu erheben (LG\nNeuruppin, a.a.O., in juris Rn. 42, BGH NJW 2013, 1801). Der\nVersicherungsnehmer hat im Hinblick auf das Fehlen der formellen Voraussetzung\nder Mitteilung der wesentlichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG die Kenntnis von\nder Unwirksamkeit dann grob fahrlässig nicht erlangt, wenn er den Mitteilungen\nder in Anspruch genommenen Versicherung über die jeweilige Prämienerhöhung\nganz offensichtlich nichts entnehmen konnte, was ihn die Richtigkeit der von\nder beklagten Versicherung aufgestellten Behauptung über die Erforderlichkeit\nder Beitragserhöhung überprüfen ließ. (LG Neuruppin, a.a.O., in juris Rn. 43).\n\n78\n\nVon einer solchen grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherten vom Fehlen\neiner ausreichenden Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG und einer daraus\nfolgenden – zeitweisen – formellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung bis zur\nVorlage einer ausreichenden Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG durch die\nVersicherung ist vorliegend auszugehen, da in den betreffenden\nAnpassungsmitteilungen der Versicherung nicht einmal die maßgebliche\nRechnungsgrundlage (Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeit), die für\ndie Prämienanpassung verantwortlich war, und die Überschreitung des\ngesetzlichen Schwellenwertes (> 10 %) oder des in den AVB vereinbarten\ngeringeren Schwellenwertes (> 5 %) angegeben wurde.\n\n79\n\nDenn als gesetzliche Voraussetzung für eine Beitragsanpassung ist nach §§ 203\nAbs. 2 VVG, 155 VAG eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Leistungsausgaben\noder Sterbewahrscheinlichkeit“ erforderlich und außerdem muss für die\nRechtsgrundlage „Leistungsausgabe“ der gesetzliche bzw. tarifliche\nSchwellenwert überschritten sein. Soweit diese aus dem Gesetz ersichtlichen\nVoraussetzungen für die jeweils erhöhten Tarife der Krankheitskosten- oder\nKrankentagegeldversicherung in einer Anpassungsmitteilung nicht enthalten\nsind, ist daraus für den betroffenen Versicherten offensichtlich erkennbar,\ndass er die ihm mitgeteilte Beitragsanpassung nicht einmal aufgrund der\nBehauptung der Beklagten anhand der gesetzlich dafür erforderlichen\nVoraussetzungen überprüfen kann.\n\n80\n\nDer Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es aufgrund unklarer\nRechtslage im Hinblick auf die Anforderungen an die Mitteilung der\nmaßgeblichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG an einer Kenntnis bzw. grob\nfahrlässigen Unkenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB fehle. Denn dem Kläger\nwar der Inhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben, insbesondere die Tatsachen,\ndie die zeitweise fehlende Wirksamkeit der Prämienerhöhung begründen, bekannt.\n\n81\n\nZwar können bei besonders unübersichtlicher und verwickelter Rechtslage\nausnahmsweise erhebliche Zweifel den Verjährungsbeginn bis zur Klärung\nausschließen (BGH NJW 1999, 2041; Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, §\n199 Rdnr.27). Eine solche hat der BGH im Falle der Widerspruchsfälle gemäß § 5\na VVG a.F. verneint und hierzu ausgeführt, für eine Unzumutbarkeit der\nKlageerhebung genügt es nicht, dass über die Richtlinienkonformität des § 5 a\nVVG a.F. ein Meinungsstreit bestand, über den der Senat im Jahr 2010 noch\nnicht abschließend entschieden hatte. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im\nSinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine\nRechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Bei\neiner solchen Konstellation sei dem Gläubiger die Erhebung der Klage\njedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer\nhöchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner\ngeltend macht und dadurch zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs\nauszugehen (BGH, Urteil vom 21.02.2018, - IV ZR 385/16 -, VersR 2018, 404 f.\nin juris Rn. 17). So liegt der Fall hier.\n\n82\n\nNachdem der Kläger inzwischen trotz fortbestehenden Meinungsstreits Klage\nerhoben und sich u.a. auch auf den unzureichenden Inhalt der\nAnpassungsschreiben sowie die daraus folgende fehlende Wirksamkeit der\nPrämienanpassung berufen hat, ist ihm eine Klageerhebung trotz des bis heute\nnoch bestehenden Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich\nder Anforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des §\n203 Abs. 5 VVG nicht unzumutbar. Angesichts dessen hätte die Klage auch schon\nfrüher erhoben werden können, weil der Meinungsstreit bis heute nicht\nhöchstrichterlich entschieden ist. Würde man dies anders sehen, könnte in\nsolchen Fällen die Verjährung nie zu laufen beginnen, bis der jeweilige\nMeinungsstreit höchstrichterlich entschieden ist.\n\n83\n\ni) Die Zinsforderung des Klägers folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.\n\n84\n\n3\\. Der in der Berufungsinstanz erstmals mit Schriftsatz vom 23.06.2020\ngeltend gemachte Feststellungsantrag zu 3. (Bl. 343, 344 GA) ist unzulässig.\nDas Landgericht hat die auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur\nHerausgabe der Nutzungen gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hat mit der\nBerufungsbegründung vom 06.09.2019 (Bl. 282 ff. GA) die Entscheidung des\nLandgerichts insoweit nicht angegriffen. Zwar können die Berufungsanträge\ngrundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erweitert werden.\nDies setzt aber voraus, dass die erweiterten Anträge durch die fristgerecht\neingereichten Berufungsgründe (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2–4 ZPO) gedeckt sind.\nEine Erweiterung des Berufungsantrags nach Ablauf der\nBerufungsbegründungsfrist kann somit nur auf schon in der Berufungsbegründung\nangeführte Gründe gestützt werden (BGH NJW 2005, 3067; BGH NJW-RR 2005, 714\n[715]; BGH NJW-RR 2012, 662 [663]; Musielak/Voit-Ball, ZPO, 17. Aufl. 2020, §\n520, Rdnr.25; BeckOK-Wulf, ZPO, 37. Edition, Stand: 01.07.2020, § 520,\nRdnr.18). Hieran fehlt es vorliegend. Die Berufungsbegründung vom 06.09.2019\nsetzt sich mit keinem Wort zu dem von der Klageabweisung erfassten Antrag auf\nFeststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe der Nutzungen\nauseinander, die sie aus dem erhöhten Prämienanteil gezogen hat. Die nach\nAblauf der Berufungsbegründungsfrist beantragte Erweiterung des\nBerufungsantrags auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur\nHerausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von dem Kläger gezahlten erhöhten\nPrämienanteilen gemäß § 818 Abs. 1 BGB ist daher von der eingereichten\nBerufungsbegründung nicht gedeckt.\n\n85\n\n4\\. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher\nRechtsanwaltskosten besteht nicht. Ein Anspruch aus Verzug ist nicht schlüssig\ndargelegt. Dem klägerischen Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte\nsich bei Übersendung und Zugang des vorgerichtlichen anwaltlichen\nMahnschreibens vom 06.12.2018 schon in Verzug befunden hat. Die Kosten eines\nverzugsbegründenden anwaltlichen Mahnschreibens sind nicht erstattungsfähig,\nda sie nicht infolge des Verzugs der Beklagten entstanden sind.\n\n86\n\n**III.**\n\n87\n\n1\\. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen – auch unter Berücksichtigung\nder Erledigungserklärungen der Parteien – auf §§ 91, 91 a, 92 Abs. 1, 708 Nr.\n10, 711 ZPO. Bezüglich der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der\nParteien wird die Kostengrundentscheidung bezüglich des durch die Parteien für\nerledigt erklärten Teils gemäß § 91 a ZPO festgesetzt. Die Entscheidung über\nden verbleibenden Teil folgt den allgemeinen Grundsätzen. Im Rahmen dieser\nKostenmischentscheidung ist eine einheitliche Quote zu bilden. Dabei ist der\nauf die Erledigung entfallende Streitwert in ein Verhältnis zum\nGesamtstreitwert zu setzen, mit der nach § 91 a ZPO zu ermittelnden Kostenlast\nzu multiplizieren und zu der sich für den streitigen Teil ergebenden Quote zu\naddieren.\n\n88\n\nHiervon ausgehend führt dies in der Berufungsinstanz zu einer Kostenquote von\n54 % zu 46 % zu Lasten der Beklagten.\n\n89\n\nKlageantrag zu 1) (139,52 € x 42, § 9 ZPO): 5.859,84 €\n\n90\n\n(Klageantrag zu 2, Zahlungsforderung): 6.450,30 €\n\n91\n\nHilfsaufrechnung der Beklagten, soweit\n\n92\n\nüber diese Gegenforderung eine rechtskraftfähige\n\n93\n\nEntscheidung ergeht (Bl.86 GA, § 45 Abs. 3 GKG): 2.857,44 €\n\n94\n\ninsgesamt: 15.167,58 €\n\n95\n\n5.859,84 € entsprechen 39 % des Gesamtstreitwertes von 15.167,58 €. Bezüglich\ndieses erledigten Teils hat die Beklagte 43 % der Kosten zu tragen.\n\n96\n\nBezogen auf die Gesamtkosten ergibt sich eine Quote von 17 % (43/100 x 39/100\n= 1.677/10.000 = 16,77/100 = 17 %)\n\n97\n\nBezüglich des streitigen Teils von insgesamt 9.307,74 € unterliegt die\nBeklagte mit 5.714,88 € (2 x 2.857,44 €), das entspricht etwa 61 %.\n\n98\n\nBezogen auf die Gesamtkosten ergibt sich eine Quote von 37 % (61/100 x 61/100\n= 3.721/10.000 = 37,21 %).\n\n99\n\nZusammenfassend ergibt sich für die Beklagte damit eine Kostenlast von 54 %\n(17/100 \\+ 37/100), dies ergibt eine Kostenquote von 54 % zu 46 % zu Lasten\nder Beklagten.\n\n100\n\nDie Kostenentscheidung für die erste Instanz beträgt 55 % zu 45 % zu Lasten\ndes Klägers. Auch insoweit war bezüglich der übereinstimmenden\nTeilerledigungserklärung der Parteien die Kostengrundentscheidung bezüglich\ndes durch die Parteien für erledigt erklärten Teils gemäß § 91 a ZPO\nfestzusetzen. Die Abweichung zu der Kostenentscheidung zweiter Instanz folgt\naus dem in erster Instanz geringeren Gesamtstreitwert:\n\n101\n\nKlageantrag zu 1) (139,52 € x 42, § 9 ZPO): 5.859,84 €\n\n102\n\n(Klageantrag zu 2, Zahlungsforderung): 6.119,14 €\n\n103\n\nHilfsaufrechnung der Beklagten bleibt außer Ansatz, da eine\n\n104\n\nrechtskraftfähige Entscheidung hierüber nicht ergangen ist\n\n105\n\n(Bl.93 GA, § 45 Abs. 3 GKG):\n\n106\n\ninsgesamt: 11.978,98 €\n\n107\n\n5.859,84 € entsprechen 49 % des Gesamtstreitwertes von 11.978,98 €. Bezüglich\ndieses erledigten Teils hat die Beklagte 43 % der Kosten zu tragen.\n\n108\n\nBezogen auf die Gesamtkosten ergibt sich eine Quote von 21 % (43/100 x 49/100\n= 2.107/10.000 = 21,07/100 = 21 %)\n\n109\n\nBezüglich des streitigen Teils von insgesamt 6.119,14 € unterliegt die\nBeklagte mit 2.857,44 €, das entspricht etwa 47 %.\n\n110\n\nBezogen auf die Gesamtkosten ergibt sich eine Quote von 24 % (47/100 x 51/100\n).= 2.397/10.000 = 23,97 %)\n\n111\n\nZusammenfassend ergibt sich für die Beklagte erstinstanzlich damit eine\nKostenlast von 45 % (21/100 \\+ 24/100), dies ergibt eine Kostenquote von 45 %\nzu 55 % zu Lasten des Klägers.\n\n112\n\n2\\. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Rechtssache\nhat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).\n\n113\n\n3\\. Der Streitwert für das Verfahren wird für beide Instanzen (§ 63 Abs. 2,\nAbs. 3, S. 1 Nr. 2 GKG) wie folgt festgesetzt:\n\n114\n\nStreitwert 1. Instanz:\n\n115\n\nBis zum 27.05.2019: Klageantrag zu 2., Zahlungsforderung: 7.287,17 €\n\n116\n\nÜber die Hilfsaufrechnung der Beklagten ist eine\n\n117\n\nrechtskraftfähige Entscheidung des Gerichts nicht ergangen.\n\n118\n\nAb dem 28.05.2019: Klageantrag zu 2., Zahlungsforderung: 6.119,14 €\n\n119\n\nÜber die Hilfsaufrechnung der Beklagten ist eine\n\n120\n\nrechtskraftfähige Entscheidung des Gerichts nicht ergangen.\n\n121\n\nStreitwert 2. Instanz:\n\n122\n\nbis zum 22.06.2020: 10.181,42 €.\n\n123\n\n(Klageantrag zu 2, Zahlungsforderung): 7.323,98 €\n\n124\n\nHilfsaufrechnung der Beklagten, soweit\n\n125\n\nüber diese Gegenforderung eine rechtskraftfähige\n\n126\n\nEntscheidung ergeht (Bl.86 GA, § 45 Abs. 3 GKG): 2.857,44 €\n\n127\n\nab dem 23.06.2020: 9.307,74 €.\n\n128\n\n(Klageantrag zu 2, Zahlungsforderung): 6.450,30 €\n\n129\n\nHilfsaufrechnung der Beklagten, soweit\n\n130\n\nüber diese Gegenforderung eine rechtskraftfähige\n\n131\n\nEntscheidung ergeht (Bl.86 GA, § 45 Abs. 3 GKG): 2.857,44 €\n\n132\n\nDer übereinstimmend für erledigt erklärte Feststellungsantrag zu 1. bleibt\naußer Betracht; der Gebührenstreitwert ergibt sich nur noch aus dem Wert der\nResthauptsache. Der Feststellungsantrag zu 3. sowie der Antrag auf\nFreistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben gemäß § 4 Abs. 1\nZPO außer Ansatz.\n\n
332,539
vg-stuttgart-2020-09-03-1-k-723219
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 7232/19
2020-09-03
2020-11-04 11:00:59
2020-12-10 13:40:01
Urteil
## Tenor\n\nSoweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nDer Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr für ein\nvon der Beklagten als Ortspolizeibehörde erlassenes Aufenthalts-, Kontakt- und\nAnnäherungsverbot. Zudem begehrte er zunächst auch die Feststellung der\nRechtswidrigkeit dieser Anordnungen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Verhältnis des Klägers, eines 81-jährigen Rentners, zu mehreren seiner\nNachbarn ist seit vielen Jahren nachhaltig gestört. Nachdem der Nachbar A. B.\nin einem Strafprozess vor dem Amtsgericht Nürtingen im April 2015 eine dem\nKläger nachteilige Zeugenaussage gemacht hatte, beschuldigte der Kläger ihn\nder Falschaussage. In der Folgezeit belästigte, beobachtete, beleidigte und\nverleumdete der Kläger den Nachbarn A. B. und dessen Ehefrau fortlaufend,\nhäufig auch in Anwesenheit der minderjährigen Kinder des Nachbarn. Nach den\nFeststellungen des Amtsgerichts N., welches den Kläger mit Urteil vom\n09.12.2015 - 11 Ds 26 Js .../15 - wegen Nachstellung (§ 238 StGB) zu einer\nFreiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilte, passte der Kläger\nden Geschädigten beinahe täglich auf dem Heimweg ab und nutzte die\nGelegenheit, um vor diesem auszuspucken und die Eheleute B. als „Lügenbarone“\nzu bezeichnen. Des weiteren äußerte der Kläger wiederholt gegenüber Passanten,\ndass der Geschädigte B. im Prozess eine Falschaussage gemacht habe und zeigte\ndabei mit dem Finger auf den Geschädigten. Vor deren Kindern bezeichnete der\nKläger Frau C. B. u.a. am 19.04.2015 und am 19.05.2015 als „verlogene\nDrecksau“ und spuckte vor ihr aus. Bei einer anderen Gelegenheit, am\n29.04.2015, warf er ihr vor, sie habe „Zeugengeld“ angenommen. Auch das bekam\ndie damals achtjährige M. B. mit. Am 09.05.2015 bezeichnete er die Familie -\nwieder in Anwesenheit der Kinder - als „verlogenes Scheißpack“. Aufgrund des\nVerhaltens des Klägers schauen sich die Geschädigten bei Verlassen des Hauses\nbzw. bei ihrer Rückkehr nach dem Kläger um. Die Kinder spielen aus Angst, von\ndem Kläger angesprochen und beleidigt zu werden, nicht mehr vor dem Haus. Den\nGarten hat die Familie mit einem hohen Sichtschutz versehen, um den Kindern\nein unbeobachtetes Spielen dort zu ermöglichen. Die fünfjährige R. B. nächtigt\naufgrund der Vorfälle vermehrt wieder bei ihren Eltern im Bett. Die\nachtjährige M. B. hat eine Angststörung mit massiven Panikattacken entwickelt\nund ist in therapeutischer Behandlung. Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte\nK. gab in der Hauptverhandlung vom dem Amtsgericht N. an, der Kläger\nterrorisiere seit mindestens 15 Jahren seine Nachbarschaft. Er habe schon\nmehrfach versucht, mit diesem vernünftig zu reden, der Kläger sei aber völlig\nberatungsresistent. Soweit er wisse, habe schon der Vater des Klägers Müll in\nden Gärten der Nachbarn verteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Berufungsverfahren wurde vom Landgericht Stuttgart mit Beschluss vom\n23.02.2018 - 41 Ns 26 Js .../15 - nach fachpsychiatrischer Begutachtung des\nKlägers wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit, verursacht durch eine\nmittelschwere bis schwere vaskuläre Demenz, gemäß § 206a Abs. 1 StPO\neingestellt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nachdem der Kläger sein Verhalten gegenüber der Familie B. nach Rückkehr aus\neiner Reha-Maßnahme unverändert fortsetzte, verhängte die Beklagte erstmals\nmit Bescheid vom 13.03.2018 ein befristetes Annäherungs- und Kontaktverbot,\nwelches vom Kläger nicht angefochten wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Aufgrund weiterer Anzeigen der Familie B., die fortlaufend ein sog.\nStalking-Tagebuch führte, erließ die Beklagte nach Anhörung des Klägers am\n16.10.2018 das streitgegenständliche Aufenthalts-, Kontakt- und\nAnnäherungsverbot. Mit Ziffer 1 der Verfügung untersagte die Beklagte dem\nKläger, sich den Mitgliedern der Familie B. bis einschließlich 30.10.2018\nweiter als bis auf eine Entfernung von 50 Metern zu nähern. Ausgenommen\nhiervon war der direkte Zugang zum Haus des Klägers durch das Benutzen des\nGehwegs auf der südlichen Straßenseite vor dem klägerischen Wohnhaus. Ferner\nuntersagte die Beklagte dem Kläger bis einschließlich 16.01.2019 das Betreten\ndes Gehwegs vor dem Grundstück der Familie B. (Ziffer 2 der Verfügung). In\nZiffer 3 untersagte die Beklagte dem Kläger jede Form der Kontaktaufnahme mit\nden in Ziffer 1 benannten Mitgliedern der Familie B., insbesondere durch\nDrohungen, Provokationen, (Schmäh-)Rufe und Beleidigungen. Auch das Ansprechen\nder beiden Töchter der Familie B. wurde dem Kläger ausdrücklich untersagt\n(Ziffer 4 der Verfügung). Darüber hinaus ordnete die Beklagte die sofortige\nVollziehung der Ziffern 1 - 4 an (Ziffer 5) und drohte dem Kläger ein\nZwangsgeld in Höhe von 1.000,-- EUR für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die\nVerfügung an (Ziffer 6). Schließlich setzte die Beklagte für die Verfügung\neine Verwaltungsgebühr in Höhe von 100,-- EUR fest (Ziffer 7). \n--- \n| 6 \n--- \n| Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger die Familie B. weiterhin\nmassiv belästige. Der Beklagten als Ortspolizeibehörde seien zahlreiche\nVorfälle bekannt geworden, bei denen der Kläger die Nachbarfamilie durch\nBeschimpfungen, Bedrohungen und Beleidigungen belästigt habe. Unter anderem\nhabe der Kläger die Eltern der Nachbarfamilie vor deren Kinder als\n„Lügenbarone“, „verlogenes Dreckspack“ und „Wichser“ bezeichnet. Des Weiteren\nhabe der Kläger am 15.09.2018 Müll in Form von zerknüllten\nZigarettenschachteln auf den Gehweg der Nachbarfamilie geworfen und sich\ngeweigert, diesen zu entfernen. Darüber hinaus sei es am 13.10.2018 zu einer\nweiteren Auseinandersetzung mit Herrn A. B. gekommen, bei der der Kläger\ndiesem gegen die Brust gestoßen habe. Schließlich seien auch die beiden\nTöchter der Nachbarfamilie von den Beschimpfungen des Klägers nicht verschont\ngeblieben. Diese befänden sich aufgrund der ständigen Belastung in ärztlicher\nBehandlung. Insgesamt habe sich der normale Alltag und Tagesablauf der Familie\nB. aufgrund des jahrelangen und fortdauernden schikanösen Verhaltens des\nKlägers nachhaltig verändert. Durch das Verhalten des Klägers sei die\nGesundheit und das körperliche Wohlbefinden jedes Mitglieds der Nachbarfamilie\nbedroht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 02.11.2018 legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Anwaltsschreiben vom\n13.05.2019 auf die Gebührenfestsetzung in Ziffer 7 der Verfügung beschränkt\nwurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Anordnung lägen haltlose\nAnschuldigungen zugrunde, die nicht der Wahrheit entsprächen. Es fehle auch an\neiner Ermächtigungsgrundlage, die die Beklagte zum Erlass einer solchen\nVerfügung legitimiere. Das Polizeigesetz sei nicht anwendbar, weil zu keinem\nZeitpunkt eine Störung oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und\nOrdnung vorgelegen habe. Vielmehr handle es sich um eine rein privatrechtliche\nStreitigkeit unter Nachbarn, die nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei.\nAuch sei ein Antrag nach § 1 GewSchG vorrangig, den die betroffene\nNachbarfamilie stellen müsse. \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 19.09.2019 erließ die Beklagte gegen den Kläger einen Bußgeldbescheid\nüber 1053,50 EUR und begründete diesen unter Verweis auf Ziffer 3 der\nVerfügung damit, dass sich der Kläger dem Vater und einer Tochter der\nNachbarfamilie am 26.12.2018 genähert und sich diesen gegenüber beleidigend\ngeäußert habe. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch\ngegen die Gebührenfestsetzung zurück. Sie führte aus, dass die\nGebührenfestsetzung mit § 4 GemO i.V.m. §§ 2 und 11 KAG i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1\nNr. 1, 4, 5 und 6 der Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten vom 18.12.2006\nin der Fassung vom 01.01.2013 von einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage\ngedeckt sei und auch der Höhe nach angemessen sei, weil sich die Festsetzung\nim unteren Bereich des Gebührenrahmens bewege. Im Übrigen wurde auf die\nBegründung des Ausgangsbescheids Bezug genommen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 06.11.2019 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, er habe\nungeachtet der Beschränkung des Widerspruchs ein Rechtsschutzinteresse daran,\ndass die Rechtswidrigkeit der Verfügung festgestellt werde, weil die Beklagte\nmit der Verhängung von Bußgeldern gegen den Kläger vorgehe. Weiter wird unter\nWiederholung des Widerspruchsvorbringens vorgetragen, das bei der\nVerwaltungsakte der Beklagten befindliche Stalking-Tagebuch der Familie B. sei\ninhaltlich falsch. Der Kläger gehe gegen die in diesem Tagebuch enthaltenen\nunwahren Tatsachenbehauptungen bereits zivilrechtlich vor. Das Verhalten der\nFamilie B. habe querulatorische Züge. Der Kläger leide unter einer\nprogredienten Demenz. Er werde in absehbarer Zeit weder seine Umgebung noch\nseine Familie erkennen. Seit einem Unfall sei er in seiner körperlichen\nBewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Er erhalte seit geraumer Zeit\nOpiate zur Schmerzlinderung und habe nur noch wenige lichte Momente. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Kläger beantragt zuletzt - unter Zurücknahme der Klage im Übrigen -, \n--- \n \n> > > | 12 \n--- \n| Ziffer 7 des Bescheides der Beklagten vom 16.10.2018 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 02.10.2019 aufzuheben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n \n> > > | 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie trägt vor, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei mangels\nFortsetzungsfeststellungsinteresses bereits unzulässig. Insbesondere habe sie\nnicht die Absicht, auf der Grundlage der Verfügung vom 16.10.2018 weiterhin\ngegen den Kläger vorzugehen. Sie habe den am 19.09.2019 gegen den Kläger\nerlassenen Bußgeldbescheid zurückgenommen, nachdem sie erkannt habe, dass das\nverfügte Annäherungsverbot in Ziffer 1 der Verfügung durch Fristablauf zum\n31.10.2018 bereits erledigt gewesen sei, als sich der Kläger am 26.12.2018 dem\nVater und einer Tochter der Nachbarfamilie genähert habe. Davon unabhängig sei\ndie Verfügung vom 16.10.2018 rechtmäßig. Mit den §§ 3, 1 Abs. 1 PolG bzw. § 27\na Abs. 2 PolG stünden ihr für das Kontakt- und Annäherungsverbot in Ziffer 1,\n3 und 4 der Verfügung bzw. das Aufenthaltsverbot in Ziffer 2 der Verfügung\nErmächtigungsgrundlagen zur Verfügung, von denen sie vorliegend rechtmäßig\nGebrauch gemacht habe. Unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit und\nOrdnung fielen auch Individualrechtsgüter wie die Gesundheit oder die\nkörperliche Unversehrtheit eines Einzelnen. Auch sei die Verfügung angemessen,\nweil sowohl das Kontakt- und Annäherungsverbot als auch das Aufenthaltsverbot\nfür den Kläger zu einer nur marginalen Beeinträchtigung geführt habe. \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit Beschluss vom 20.07.2020 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als\nEinzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. \n--- \n| 17 \n--- \n| In der mündlichen Verhandlung erklärte der Prozessbevollmächtigte des\nKlägers, die Familie B. habe das Führen des Stalking-Tagebuchs mittlerweile\neingestellt und erklärt, den Kläger künftig nicht mehr zu beschuldigen. Dies\nsei auch nicht mehr geschehen. Der Vertreter der Beklagten bestätigte, dass\ndort keine weiteren Beschwerden der Familie B. eingegangen seien. \n--- \n| 18 \n--- \n| Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten vor. Hierauf sowie\nauf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten des\nSachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen (§ 92\nAbs. 3 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die noch aufrecht erhaltene Klage gegen die Gebührenfestsetzung in Ziffer 7\ndes Bescheids vom 16.10.2018 ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im\nÜbrigen zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist\nrechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1\nSatz 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Formelle Fehler bei der Festsetzung der Verwaltungsgebühr werden nicht\ngeltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Die Gebührenerhebung ist auch materiell rechtmäßig. \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Offen bleiben kann, ob die Gebührenerhebung voraussetzt, dass der\nGrundverwaltungsakt, für den die Verwaltungsgebühr festgesetzt wurde,\nseinerseits formell und materiell rechtmäßig ist. Denn dies ist hier der Fall. \n--- \n| 24 \n--- \n| aa) Inwieweit es für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung einer\nVerwaltungsgebühr auf die Rechtmäßigkeit der die Verwaltungsgebühr auslösenden\nAmtshandlung ankommt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl.\nhierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.09.2015 - 3 S 411/15 - VBlBW 2016, 31). Dem\nLandesgebührengesetz lässt sich hierzu eine eindeutige Aussage nicht\nentnehmen. Teilweise wird vertreten, dass eine Gebühr, die bei richtiger\nSachbehandlung nicht entstanden wäre, nicht erhoben werden könne (so etwa\nSchlabach, Aktuelle Rechtsprechung der baden-württembergischen\nVerwaltungsgerichte zu den Verwaltungsgebühren, VBlBW 2010, 104 <107>; Faiß,\nKommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand April 2019, § 11 KAG Rn. 4;\nVGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.01.2007 - 10 S 1874/06 -, VBlBW 2007, 479 ). Nach\neiner anderen Auffassung soll es allein auf die Wirksamkeit oder die Vornahme\nder Amtshandlung ankommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2005 - 5 S\n2421/03 - VBlBW 2005, 391; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.07.1996 - 8 S\n1127/96 - NVwZ-RR 1997, 447). \n--- \n| 25 \n--- \n| Ebenso umstritten ist die Frage, wie dem Fortbestand der Belastung des\nKlägers durch die Verwaltungsgebühren Rechnung getragen werden kann, wenn sich\ndie die Verwaltungsgebühren auslösende Amtshandlung bereits erledigt hat (zum\nnachfolgenden Streitstand ausführlich VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.09.2015 - 3\nS 411/15 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg neigt dazu,\neine Überprüfung der Verwaltungsgebühren gänzlich zu versagen und auf den in\nder ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgenden Amtshaftungsanspruch zu\nverweisen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.09.2015 - 3 S 411/15 -, a.a.O. ).\nFerner ist denkbar, insgesamt eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113\nAbs. 1 Satz 4 VwGO zu erheben und auf diesem Weg zu erreichen, die Kosten des\nAusgangsverfahrens nicht tragen zu müssen. Hierbei könnte das erforderliche\nbesondere Feststellungsinteresse damit begründet werden, dass die\nVerwaltungsgebührenentscheidung fortwirkt und der Kläger eine Möglichkeit\nhaben muss, sich von diesen Kosten loszusagen. Eine weitere Möglichkeit wäre,\nnach Erledigungseintritt die Hauptsache insgesamt für erledigt zu erklären und\nauf eine Kostenentscheidung nach dem Maßstab des § 161 Abs. 2 VwGO\nhinzuwirken. Freilich ist letztere Variante nur dann in Betracht zu ziehen,\nwenn das erledigende Ereignis nach Klageerhebung eingetreten ist, was\nvorliegend nicht der Fall ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| bb) Dies alles kann vorliegend offen bleiben, weil der Grundverwaltungsakt\nformell und materiell rechtmäßig ist. \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Aufenthalts-, Kontakt- und Annäherungsverbot wurde von der Beklagten als\nsachlich und örtlich zuständiger Ortspolizeibehörde erlassen (vgl. §§ 60 Abs.\n1, 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 Satz 1, 66 Abs. 2, 68 Abs. 1 PolG). Der Kläger\nwurde gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG ordnungsgemäß angehört und die Verfügung war\nmit einer ausreichenden Begründung versehen (§ 39 Abs. 1 LVwVfG). \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Beklagte konnte das Kontakt- und Annäherungsverbot (Ziffern 1, 3 und 4\nder Verfügung) auf die polizeiliche Generalklausel der §§ 3, 1 Abs. 1 PolG und\ndas Aufenthaltsverbot (Ziffer 2 der Verfügung) auf § 27 a Abs. 2 PolG stützen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Anwendung dieser Vorschriften wird nicht durch die Regelungen des\nGewaltschutzgesetzes verdrängt oder gesperrt. Für Fälle häuslicher Gewalt hat\nder Gesetzgeber das Verhältnis polizeilicher Maßnahmen (Wohnungsverweis,\nRückkehr- und Annäherungsverbot) zu Schutzmaßnahmen nach dem\nGewaltschutzgesetz in § 27 a PolG ausdrücklich geregelt. Danach kann die\nPolizei bei Vorliegen einer polizeilichen Gefahr ungeachtet der Möglichkeit\nfür den Betroffenen, sich unmittelbar an das Familiengericht zu wenden,\nzunächst für einen begrenzten Zeitraum Maßnahmen nach § 27 a Abs. 3 PolG\ntreffen. Diese Maßnahmen enden kraft Gesetzes mit dem Wirksamwerden einer\ngerichtlichen Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 27 a Abs. 4 Satz 3\nPolG). Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz genießen danach Vorrang,\nsperren aber - solange sie nicht ergangen sind - ein Tätigwerden der\nOrtspolizeibehörde nicht. Nichts anderes kann gelten, wenn die Polizeibehörde\nein Kontakt- und Annäherungsverbot mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs\ndes § 27 a Abs. 3 PolG auf die polizeiliche Generalklausel stützt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 1, 3 PolG bzw. des § 27 a Abs. 2\nPolG lagen vor und die Beklagte hat ihr Ermessen bei Erlass des Kontakt- und\nAnnäherungsverbots und des Aufenthaltsverbots fehlerfrei ausgeübt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Bei Erlass der Verfügung war nach der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit\nallein maßgeblichen ex ante-Sicht die Prognose gerechtfertigt, dass von dem\nKläger konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit drohten. Unter den\nBegriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fallen auch\nIndividualrechtsgüter wie die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit\neines Einzelnen. Die Beklagte hat auf der Grundlage der ihr vorliegenden\nErkenntnisse prognostiziert, dass von dem Kläger weiterhin Verhaltensweisen\ngegenüber den Mitgliedern der Familie B. zu erwarten sind, die den Tatbestand\ndes § 238 StGB erfüllen und die geeignet sind, die Gesundheit der Angehörigen\nder Familie B. zu schädigen. Diese ex ante getroffene Prognose, die sich auf\ndie erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung, die detaillierten und von\nder Beklagten in vertretbarer Weise als glaubhaft erachteten Angaben der\nGeschädigten, die durch Vorlage von umfangreichem Beweismaterial untermauert\nwurde, wie auch auf vorgelegte ärztliche Bescheinigungen stützte, ist nicht zu\nbeanstanden und wird durch etwaige neuere Entwicklungen, auf die der\nProzessbevollmächtigte sich im vorliegenden Verfahren berufen hat, nicht in\nFrage gestellt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Drohten somit aus ex ante-Sicht weitere Verstöße des Klägers gegen § 238\nStGB, so steht auch die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG dem\nTätigwerden der Beklagten als Ortspolizeibehörde nicht entgegen. Diese\nVorschrift hindert ein polizeiliches Tätigwerden nur dann, wenn es\nausschließlich um den Schutz privater Rechte geht (vgl.\nBelz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl., §\n2 Rn. 12; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 8. Aufl., Rn. 132).\nDies ist hier, wie soeben ausgeführt, nicht der Fall. \n--- \n| 33 \n--- \n| Das Kontakt- und Annäherungsverbot ist inhaltlich auch insoweit hinreichend\nbestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG), als dem Kläger „jede Form der\nKontaktaufnahme“ untersagt wurde. Das Bestimmtheitsgebot wird eingehalten,\nwenn aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor\nallem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten\nbekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von\nTreu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden\nkann. Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der\nSicht eines verständigen Empfängers abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urt. v.\n11.10.2012 - 1 S 36/12 -, juris Rn 36 m.w.N.). Danach war hier aufgrund der\naus der Begründung ersichtlichen Zielrichtung der Verfügung und der\nbeispielhaften Aufzählung einiger untersagter Verhaltensweisen (Drohungen,\nProvokationen, (Schmäh-)Rufe und Beleidigungen) für einen verständigen\nEmpfänger klar, dass es um die Untersagung von strafrechtlich relevanten\nVerhaltensweisen geht, die beispielsweise den Tatbestand des § 185 StGB oder\ndes § 238 StGB erfüllen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das in Ziffer 2 der Verfügung\nausgesprochene Aufenthaltsverbot gemäß § 27 a Abs. 2 PolG lagen ebenfalls vor.\nNach dessen Satz 1 kann die Polizei einer Person verbieten, einen bestimmten\nOrt, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu\nbetreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,\ndass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen\nwird. Diese Voraussetzungen waren ex ante gegeben. Die Wahrscheinlichkeit,\ndass der Kläger gerade in dem vom Aufenthaltsverbot erfassten Bereich\nunmittelbar vor dem Haus der Familie B. erneut Handlungen begehen würde, die\nden Straftatbestand des § 238 StGB erfüllen, wurde rechtsfehlerfrei als hoch\nprognostiziert. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Verfügungen beachteten den in § 5 PolG einfachgesetzlich normierten\nGrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Beklagte hat mit dem Kontakt- und\nAnnäherungsverbot sowie dem Aufenthaltsverbot das legitime Ziel verfolgt, die\nNachbarfamilie B. vor erneuten Verstößen des Klägers gegen § 238 StGB zu ihrem\nNachteil und vor Gesundheitsbeeinträchtigungen zu schützen. Dass die Maßnahmen\ngeeignet waren, dieses Ziel zu erreichen, liegt auf der Hand und bedarf keiner\nnäheren Begründung. Die Maßnahmen waren auch erforderlich. Mildere, gleich\ngeeignete Maßnahmen waren nicht ersichtlich. Die Maßnahmen waren schließlich\nverhältnismäßig im engeren Sinne. Sie beeinträchtigten den Kläger nur\nunerheblich in seiner grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit (Art. 2\nAbs. 1 GG). Denn dieser war lediglich gehalten, sich der Nachbarfamilie nicht\nweiter als bis auf eine Entfernung von 50 Metern zu nähern und den seinem\nGrundstück gegenüberliegenden Gehweg vor dem Haus der Nachbarfamilie zu\nbetreten. Auch blieb der Zugang seines eigenen Grundstücks hiervon unberührt\nund wurde von der Beklagten in der Verfügung ausdrücklich ausgenommen. In\nzeitlicher Hinsicht waren die Maßnahmen angemessen befristet. Die Befristung\ndes Aufenthaltsverbots entspricht den Vorgaben des § 27 a Abs. 2 Satz 3 PolG.\nAngesichts der Vielzahl der in den Akten dokumentierten Vorfälle, die sich\nüber einen längeren Zeitraum erstreckten, ist es nicht ermessensfehlerhaft,\ndass die Beklagte die gesetzliche Höchstfrist voll ausgeschöpft hat. Gleiches\ngilt für das Kontakt- und Annäherungsverbot. Hier hat sich die Beklagte\nermessensfehlerfrei an der in § 27 a Abs. 4 Satz 1 PolG für ein\nAnnäherungsverbot nach § 27 a Abs. 3 PolG normierten Zweiwochenfrist\norientiert. \n--- \n| 36 \n--- \n| Auch im Übrigen sind keine Ermessensfehler erkennbar. \n--- \n| 37 \n--- \n| b) Die Gebührenfestsetzung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie ist weder dem\nGrunde noch der Höhe nach zu beanstanden. \n--- \n| 38 \n--- \n| Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung sind die §§ 2, 11 KAG in\nVerbindung mit der Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten. Nach § 2 Abs. 1\nSatz 1 KAG werden die Kommunalabgaben, zu denen auch die Gebühren gehören\n(vgl. § 1 KAG), aufgrund einer Satzung erhoben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG\nkönnen die Gemeinden für öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder\nim Interesse Einzelner vornehmen, Gebühren erheben. Eine öffentliche Leistung\nin diesem Sinn ist jedes behördliche Handeln (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. §\n2 Abs. 2 Satz 1 LGebG). Nach § 11 Abs. 2 KAG soll die Gebühr die mit der\nöffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung\nBeteiligten decken; Verwaltungskosten sind die nach betriebswirtschaftlichen\nGrundsätzen ansatzfähigen Kosten mit Ausnahme der kalkulatorischen Zinsen. Bei\nder Gebührenbemessung ist die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung der\nöffentlichen Leistung für den Gebührenschuldner zum Zeitpunkt ihrer Beendigung\nzu berücksichtigen. Sollen Gebühren nach festen Sätzen erhoben werden, kann\ndas wirtschaftliche oder sonstige Interesse der Gebührenschuldner\nunberücksichtigt bleiben. Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur\nöffentlichen Leistung stehen. Gebührenschuldner ist derjenige, dem die\nöffentliche Leistung zuzurechnen ist (§ 11 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 5 Abs. 1\nNr. 1 LGebG). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 12 LGebG kann die Gebühr\nnach festen Sätzen oder als Rahmengebühr bestimmt werden. \n--- \n| 39 \n--- \n| Im Einklang mit diesen gesetzlichen Vorgaben erhebt die Beklagte nach § 1\nihrer Satzung für sonstige öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung\noder im Interesse Einzelner vornimmt, Gebühren, soweit nicht Bundesrecht oder\nLandesrecht etwas anderes bestimmen. Gebührenschuldner ist derjenige, dem die\nöffentliche Leistung zuzurechnen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung). Die Höhe\nder Verwaltungsgebühren richtet sich nach dem der Satzung beigefügten\nGebührenverzeichnis, welches unter der lfd. Nr. 19.3 für sonstige Maßnahmen\nnach dem Polizeirecht eine Rahmengebühr in Höhe von 50,-- bis 1.000,-- EUR\nvorsieht. Die Höhe der Gebühr bemisst sich gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung nach\ndem Verwaltungsaufwand sowie nach der wirtschaftlichen oder sonstigen\nBedeutung für den Gebührenschuldner. \n--- \n| 40 \n--- \n| Daran gemessen ist die Heranziehung des Klägers zu einer Verwaltungsgebühr\nvon 100,-- EUR rechtmäßig. \n--- \n| 41 \n--- \n| aa) Es ist allgemein anerkannt und entspricht ständiger Rechtsprechung, dass\ndie dargestellten Grundsätze über die Erhebung von Verwaltungsgebühren durch\neine Gemeinde auch dann gelten, wenn diese als Ortspolizeibehörde tätig wird\n(Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., § 82 Rn. 15 f.;\nStephan/Deger, PolG BW, 7. Aufl., § 82 Rn. 7 m.w.N.). Mit der Entscheidung\nüber Gebühren und Auslagen werden keine polizeilichen Aufgaben wahrgenommen,\nsondern Einnahmen für den kommunalen Haushalt beschafft, um die entstandenen\nKosten zu decken. Kostenentscheidungen der kommunalen Polizeibehörden fallen\ndaher nicht in den Bereich der Weisungsaufgaben, sondern gehören zu den\nweisungsfreien Angelegenheiten der Gemeinden (Belz/Mußmann/Kahlert/Sander,\na.a.O., Rn. 16 m.w.N.). \n--- \n| 42 \n--- \n| bb) Zu Recht hat die Beklagte den Kläger als Gebührenschuldner herangezogen,\nweil er als Handlungsstörer das Verwaltungshandeln im gebührenrechtlichen\nSinne veranlasst hat. Veranlasser im Sinne des Gebührenrechts ist nicht nur,\nwer eine öffentliche Leistung beantragt, sondern auch derjenige, durch dessen\nVerhalten die öffentliche Leistung erforderlich wird\n(Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, a.a.O., Rn. 11). Dies war hier, wie sich aus den\nAusführungen unter a) bb) ergibt, der Kläger. Hat dieser die Amtshandlung\nveranlasst, steht der Gebührenerhebung auch nicht entgegen, dass das\nAufenthalts-, Kontakt- und Annäherungsverbot im überwiegenden öffentlichen\nInteresse erlassen wurde. Dieser Umstand begründet nach § 2 der Satzung der\nBeklagten, der mit den gesetzlichen Vorgaben des gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG\nentsprechend geltenden § 9 LGebG in Einklang steht, keine sachliche\nGebührenfreiheit. \n--- \n| 43 \n--- \n| cc) Durchgreifende Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Rahmengebühr mit\nhöherrangigem Recht bestehen nicht. Zwar ist Rahmengebühren immanent, dass die\nkonkrete Höhe der Gebühr sich nicht eindeutig durch den Blick in das Gesetz\nbeantworten lässt. In der Rechtsprechung ist aber geklärt, dass diese\nUnbestimmtheit nicht zu einer Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip des\nArt. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot führt. § 11 Abs. 2 KAG und\nder gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG entsprechend geltende § 12 Abs. 4 LGebG\nstecken in verfassungskonformer Weise die äußeren Grenzen des Spielraums der\nzulässigen Gebührenhöhe ab und eröffnen die Möglichkeit richterlicher\nÜberprüfung der Einhaltung dieser Grenzen (vgl. Schlabach, Gebührenrecht der\nVerwaltung in Baden-Württemberg, 42. Lfg. April 2019, § 12 LGebG, Rn. 64 ff.\nm.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.1995 - 2 S 1595/93 -, NVwZ 1995,\n1029 <1031> und vom 26.01.2009 - 1 S 1678/07 -, NVwZ-RR 2009, 329 <330>). \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach diesen Grundsätzen ist auch der Gebührenrahmen unter der lfd. Nr. 19.3\ndes Gebührenverzeichnisses, der als Verwaltungsgebühr für sonstige Maßnahmen\nnach dem Polizeirecht eine Rahmengebühr in Höhe von 50,-- bis 1.000,-- EUR\nvorsieht, nicht zu beanstanden. Für besonders einfach gelagerte Fälle, die nur\neinen geringen Verwaltungsaufwand verursachen, erlaubt er eine besonders\nniedrige Gebühr. Umgekehrt ermöglicht der Gebührenrahmen für außerordentlich\nkomplexe und aufwändige Fälle, die sehr schwierige Ermittlungen erfordern und\nan denen ein übermäßig hohes wirtschaftliches oder sonstiges Interesse\nbesteht, den Ausgleich durch Festsetzung einer adäquat hohen Gebühr. Die\ndenkbaren Fallgestaltungen sind derart vielfältig, dass nur die gewählte weite\nSpreizung des Gebührenrahmens dem Äquivalenzprinzip Rechnung trägt und daher\nunter Berücksichtigung der weiteren Vorgaben zur Bemessung der Gebührenhöhe in\n§ 4 Abs. 2 der Satzung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. \n--- \n| 45 \n--- \n| dd) Ermessensfehlerfrei hat die Beklagte schließlich die Gebühr auf 100,--\nEUR festgesetzt. Die moderate Gebühr, die sich im unteren Bereich des\nGebührenrahmens bewegt, ist angesichts des Verwaltungsaufwands, der der\nBemessung maßgeblich zugrunde zu legen ist, angemessen und verstößt auch nicht\ngegen das Äquivalenzprinzip. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n| 48 \n--- \n| **Beschluss vom 3. September 2020** \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2 und 3, 39 Abs. 1\nGKG auf **5.100,-- EUR** festgesetzt. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen (§ 92\nAbs. 3 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| Die noch aufrecht erhaltene Klage gegen die Gebührenfestsetzung in Ziffer 7\ndes Bescheids vom 16.10.2018 ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im\nÜbrigen zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist\nrechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1\nSatz 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Formelle Fehler bei der Festsetzung der Verwaltungsgebühr werden nicht\ngeltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Die Gebührenerhebung ist auch materiell rechtmäßig. \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Offen bleiben kann, ob die Gebührenerhebung voraussetzt, dass der\nGrundverwaltungsakt, für den die Verwaltungsgebühr festgesetzt wurde,\nseinerseits formell und materiell rechtmäßig ist. Denn dies ist hier der Fall. \n--- \n| 24 \n--- \n| aa) Inwieweit es für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung einer\nVerwaltungsgebühr auf die Rechtmäßigkeit der die Verwaltungsgebühr auslösenden\nAmtshandlung ankommt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl.\nhierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.09.2015 - 3 S 411/15 - VBlBW 2016, 31). Dem\nLandesgebührengesetz lässt sich hierzu eine eindeutige Aussage nicht\nentnehmen. Teilweise wird vertreten, dass eine Gebühr, die bei richtiger\nSachbehandlung nicht entstanden wäre, nicht erhoben werden könne (so etwa\nSchlabach, Aktuelle Rechtsprechung der baden-württembergischen\nVerwaltungsgerichte zu den Verwaltungsgebühren, VBlBW 2010, 104 <107>; Faiß,\nKommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand April 2019, § 11 KAG Rn. 4;\nVGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.01.2007 - 10 S 1874/06 -, VBlBW 2007, 479 ). Nach\neiner anderen Auffassung soll es allein auf die Wirksamkeit oder die Vornahme\nder Amtshandlung ankommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2005 - 5 S\n2421/03 - VBlBW 2005, 391; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.07.1996 - 8 S\n1127/96 - NVwZ-RR 1997, 447). \n--- \n| 25 \n--- \n| Ebenso umstritten ist die Frage, wie dem Fortbestand der Belastung des\nKlägers durch die Verwaltungsgebühren Rechnung getragen werden kann, wenn sich\ndie die Verwaltungsgebühren auslösende Amtshandlung bereits erledigt hat (zum\nnachfolgenden Streitstand ausführlich VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.09.2015 - 3\nS 411/15 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg neigt dazu,\neine Überprüfung der Verwaltungsgebühren gänzlich zu versagen und auf den in\nder ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgenden Amtshaftungsanspruch zu\nverweisen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.09.2015 - 3 S 411/15 -, a.a.O. ).\nFerner ist denkbar, insgesamt eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113\nAbs. 1 Satz 4 VwGO zu erheben und auf diesem Weg zu erreichen, die Kosten des\nAusgangsverfahrens nicht tragen zu müssen. Hierbei könnte das erforderliche\nbesondere Feststellungsinteresse damit begründet werden, dass die\nVerwaltungsgebührenentscheidung fortwirkt und der Kläger eine Möglichkeit\nhaben muss, sich von diesen Kosten loszusagen. Eine weitere Möglichkeit wäre,\nnach Erledigungseintritt die Hauptsache insgesamt für erledigt zu erklären und\nauf eine Kostenentscheidung nach dem Maßstab des § 161 Abs. 2 VwGO\nhinzuwirken. Freilich ist letztere Variante nur dann in Betracht zu ziehen,\nwenn das erledigende Ereignis nach Klageerhebung eingetreten ist, was\nvorliegend nicht der Fall ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| bb) Dies alles kann vorliegend offen bleiben, weil der Grundverwaltungsakt\nformell und materiell rechtmäßig ist. \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Aufenthalts-, Kontakt- und Annäherungsverbot wurde von der Beklagten als\nsachlich und örtlich zuständiger Ortspolizeibehörde erlassen (vgl. §§ 60 Abs.\n1, 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 Satz 1, 66 Abs. 2, 68 Abs. 1 PolG). Der Kläger\nwurde gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG ordnungsgemäß angehört und die Verfügung war\nmit einer ausreichenden Begründung versehen (§ 39 Abs. 1 LVwVfG). \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Beklagte konnte das Kontakt- und Annäherungsverbot (Ziffern 1, 3 und 4\nder Verfügung) auf die polizeiliche Generalklausel der §§ 3, 1 Abs. 1 PolG und\ndas Aufenthaltsverbot (Ziffer 2 der Verfügung) auf § 27 a Abs. 2 PolG stützen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Anwendung dieser Vorschriften wird nicht durch die Regelungen des\nGewaltschutzgesetzes verdrängt oder gesperrt. Für Fälle häuslicher Gewalt hat\nder Gesetzgeber das Verhältnis polizeilicher Maßnahmen (Wohnungsverweis,\nRückkehr- und Annäherungsverbot) zu Schutzmaßnahmen nach dem\nGewaltschutzgesetz in § 27 a PolG ausdrücklich geregelt. Danach kann die\nPolizei bei Vorliegen einer polizeilichen Gefahr ungeachtet der Möglichkeit\nfür den Betroffenen, sich unmittelbar an das Familiengericht zu wenden,\nzunächst für einen begrenzten Zeitraum Maßnahmen nach § 27 a Abs. 3 PolG\ntreffen. Diese Maßnahmen enden kraft Gesetzes mit dem Wirksamwerden einer\ngerichtlichen Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 27 a Abs. 4 Satz 3\nPolG). Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz genießen danach Vorrang,\nsperren aber - solange sie nicht ergangen sind - ein Tätigwerden der\nOrtspolizeibehörde nicht. Nichts anderes kann gelten, wenn die Polizeibehörde\nein Kontakt- und Annäherungsverbot mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs\ndes § 27 a Abs. 3 PolG auf die polizeiliche Generalklausel stützt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 1, 3 PolG bzw. des § 27 a Abs. 2\nPolG lagen vor und die Beklagte hat ihr Ermessen bei Erlass des Kontakt- und\nAnnäherungsverbots und des Aufenthaltsverbots fehlerfrei ausgeübt. \n--- \n| 31 \n--- \n| Bei Erlass der Verfügung war nach der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit\nallein maßgeblichen ex ante-Sicht die Prognose gerechtfertigt, dass von dem\nKläger konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit drohten. Unter den\nBegriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fallen auch\nIndividualrechtsgüter wie die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit\neines Einzelnen. Die Beklagte hat auf der Grundlage der ihr vorliegenden\nErkenntnisse prognostiziert, dass von dem Kläger weiterhin Verhaltensweisen\ngegenüber den Mitgliedern der Familie B. zu erwarten sind, die den Tatbestand\ndes § 238 StGB erfüllen und die geeignet sind, die Gesundheit der Angehörigen\nder Familie B. zu schädigen. Diese ex ante getroffene Prognose, die sich auf\ndie erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung, die detaillierten und von\nder Beklagten in vertretbarer Weise als glaubhaft erachteten Angaben der\nGeschädigten, die durch Vorlage von umfangreichem Beweismaterial untermauert\nwurde, wie auch auf vorgelegte ärztliche Bescheinigungen stützte, ist nicht zu\nbeanstanden und wird durch etwaige neuere Entwicklungen, auf die der\nProzessbevollmächtigte sich im vorliegenden Verfahren berufen hat, nicht in\nFrage gestellt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Drohten somit aus ex ante-Sicht weitere Verstöße des Klägers gegen § 238\nStGB, so steht auch die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG dem\nTätigwerden der Beklagten als Ortspolizeibehörde nicht entgegen. Diese\nVorschrift hindert ein polizeiliches Tätigwerden nur dann, wenn es\nausschließlich um den Schutz privater Rechte geht (vgl.\nBelz/Mußmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl., §\n2 Rn. 12; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 8. Aufl., Rn. 132).\nDies ist hier, wie soeben ausgeführt, nicht der Fall. \n--- \n| 33 \n--- \n| Das Kontakt- und Annäherungsverbot ist inhaltlich auch insoweit hinreichend\nbestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG), als dem Kläger „jede Form der\nKontaktaufnahme“ untersagt wurde. Das Bestimmtheitsgebot wird eingehalten,\nwenn aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor\nallem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten\nbekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von\nTreu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden\nkann. Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der\nSicht eines verständigen Empfängers abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urt. v.\n11.10.2012 - 1 S 36/12 -, juris Rn 36 m.w.N.). Danach war hier aufgrund der\naus der Begründung ersichtlichen Zielrichtung der Verfügung und der\nbeispielhaften Aufzählung einiger untersagter Verhaltensweisen (Drohungen,\nProvokationen, (Schmäh-)Rufe und Beleidigungen) für einen verständigen\nEmpfänger klar, dass es um die Untersagung von strafrechtlich relevanten\nVerhaltensweisen geht, die beispielsweise den Tatbestand des § 185 StGB oder\ndes § 238 StGB erfüllen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das in Ziffer 2 der Verfügung\nausgesprochene Aufenthaltsverbot gemäß § 27 a Abs. 2 PolG lagen ebenfalls vor.\nNach dessen Satz 1 kann die Polizei einer Person verbieten, einen bestimmten\nOrt, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu\nbetreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,\ndass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen\nwird. Diese Voraussetzungen waren ex ante gegeben. Die Wahrscheinlichkeit,\ndass der Kläger gerade in dem vom Aufenthaltsverbot erfassten Bereich\nunmittelbar vor dem Haus der Familie B. erneut Handlungen begehen würde, die\nden Straftatbestand des § 238 StGB erfüllen, wurde rechtsfehlerfrei als hoch\nprognostiziert. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Verfügungen beachteten den in § 5 PolG einfachgesetzlich normierten\nGrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Beklagte hat mit dem Kontakt- und\nAnnäherungsverbot sowie dem Aufenthaltsverbot das legitime Ziel verfolgt, die\nNachbarfamilie B. vor erneuten Verstößen des Klägers gegen § 238 StGB zu ihrem\nNachteil und vor Gesundheitsbeeinträchtigungen zu schützen. Dass die Maßnahmen\ngeeignet waren, dieses Ziel zu erreichen, liegt auf der Hand und bedarf keiner\nnäheren Begründung. Die Maßnahmen waren auch erforderlich. Mildere, gleich\ngeeignete Maßnahmen waren nicht ersichtlich. Die Maßnahmen waren schließlich\nverhältnismäßig im engeren Sinne. Sie beeinträchtigten den Kläger nur\nunerheblich in seiner grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit (Art. 2\nAbs. 1 GG). Denn dieser war lediglich gehalten, sich der Nachbarfamilie nicht\nweiter als bis auf eine Entfernung von 50 Metern zu nähern und den seinem\nGrundstück gegenüberliegenden Gehweg vor dem Haus der Nachbarfamilie zu\nbetreten. Auch blieb der Zugang seines eigenen Grundstücks hiervon unberührt\nund wurde von der Beklagten in der Verfügung ausdrücklich ausgenommen. In\nzeitlicher Hinsicht waren die Maßnahmen angemessen befristet. Die Befristung\ndes Aufenthaltsverbots entspricht den Vorgaben des § 27 a Abs. 2 Satz 3 PolG.\nAngesichts der Vielzahl der in den Akten dokumentierten Vorfälle, die sich\nüber einen längeren Zeitraum erstreckten, ist es nicht ermessensfehlerhaft,\ndass die Beklagte die gesetzliche Höchstfrist voll ausgeschöpft hat. Gleiches\ngilt für das Kontakt- und Annäherungsverbot. Hier hat sich die Beklagte\nermessensfehlerfrei an der in § 27 a Abs. 4 Satz 1 PolG für ein\nAnnäherungsverbot nach § 27 a Abs. 3 PolG normierten Zweiwochenfrist\norientiert. \n--- \n| 36 \n--- \n| Auch im Übrigen sind keine Ermessensfehler erkennbar. \n--- \n| 37 \n--- \n| b) Die Gebührenfestsetzung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie ist weder dem\nGrunde noch der Höhe nach zu beanstanden. \n--- \n| 38 \n--- \n| Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung sind die §§ 2, 11 KAG in\nVerbindung mit der Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten. Nach § 2 Abs. 1\nSatz 1 KAG werden die Kommunalabgaben, zu denen auch die Gebühren gehören\n(vgl. § 1 KAG), aufgrund einer Satzung erhoben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG\nkönnen die Gemeinden für öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder\nim Interesse Einzelner vornehmen, Gebühren erheben. Eine öffentliche Leistung\nin diesem Sinn ist jedes behördliche Handeln (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. §\n2 Abs. 2 Satz 1 LGebG). Nach § 11 Abs. 2 KAG soll die Gebühr die mit der\nöffentlichen Leistung verbundenen Verwaltungskosten aller an der Leistung\nBeteiligten decken; Verwaltungskosten sind die nach betriebswirtschaftlichen\nGrundsätzen ansatzfähigen Kosten mit Ausnahme der kalkulatorischen Zinsen. Bei\nder Gebührenbemessung ist die wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung der\nöffentlichen Leistung für den Gebührenschuldner zum Zeitpunkt ihrer Beendigung\nzu berücksichtigen. Sollen Gebühren nach festen Sätzen erhoben werden, kann\ndas wirtschaftliche oder sonstige Interesse der Gebührenschuldner\nunberücksichtigt bleiben. Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zur\nöffentlichen Leistung stehen. Gebührenschuldner ist derjenige, dem die\nöffentliche Leistung zuzurechnen ist (§ 11 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 5 Abs. 1\nNr. 1 LGebG). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 12 LGebG kann die Gebühr\nnach festen Sätzen oder als Rahmengebühr bestimmt werden. \n--- \n| 39 \n--- \n| Im Einklang mit diesen gesetzlichen Vorgaben erhebt die Beklagte nach § 1\nihrer Satzung für sonstige öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung\noder im Interesse Einzelner vornimmt, Gebühren, soweit nicht Bundesrecht oder\nLandesrecht etwas anderes bestimmen. Gebührenschuldner ist derjenige, dem die\nöffentliche Leistung zuzurechnen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung). Die Höhe\nder Verwaltungsgebühren richtet sich nach dem der Satzung beigefügten\nGebührenverzeichnis, welches unter der lfd. Nr. 19.3 für sonstige Maßnahmen\nnach dem Polizeirecht eine Rahmengebühr in Höhe von 50,-- bis 1.000,-- EUR\nvorsieht. Die Höhe der Gebühr bemisst sich gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung nach\ndem Verwaltungsaufwand sowie nach der wirtschaftlichen oder sonstigen\nBedeutung für den Gebührenschuldner. \n--- \n| 40 \n--- \n| Daran gemessen ist die Heranziehung des Klägers zu einer Verwaltungsgebühr\nvon 100,-- EUR rechtmäßig. \n--- \n| 41 \n--- \n| aa) Es ist allgemein anerkannt und entspricht ständiger Rechtsprechung, dass\ndie dargestellten Grundsätze über die Erhebung von Verwaltungsgebühren durch\neine Gemeinde auch dann gelten, wenn diese als Ortspolizeibehörde tätig wird\n(Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, PolG BW, 8. Aufl., § 82 Rn. 15 f.;\nStephan/Deger, PolG BW, 7. Aufl., § 82 Rn. 7 m.w.N.). Mit der Entscheidung\nüber Gebühren und Auslagen werden keine polizeilichen Aufgaben wahrgenommen,\nsondern Einnahmen für den kommunalen Haushalt beschafft, um die entstandenen\nKosten zu decken. Kostenentscheidungen der kommunalen Polizeibehörden fallen\ndaher nicht in den Bereich der Weisungsaufgaben, sondern gehören zu den\nweisungsfreien Angelegenheiten der Gemeinden (Belz/Mußmann/Kahlert/Sander,\na.a.O., Rn. 16 m.w.N.). \n--- \n| 42 \n--- \n| bb) Zu Recht hat die Beklagte den Kläger als Gebührenschuldner herangezogen,\nweil er als Handlungsstörer das Verwaltungshandeln im gebührenrechtlichen\nSinne veranlasst hat. Veranlasser im Sinne des Gebührenrechts ist nicht nur,\nwer eine öffentliche Leistung beantragt, sondern auch derjenige, durch dessen\nVerhalten die öffentliche Leistung erforderlich wird\n(Belz/Mußmann/Kahlert/Sander, a.a.O., Rn. 11). Dies war hier, wie sich aus den\nAusführungen unter a) bb) ergibt, der Kläger. Hat dieser die Amtshandlung\nveranlasst, steht der Gebührenerhebung auch nicht entgegen, dass das\nAufenthalts-, Kontakt- und Annäherungsverbot im überwiegenden öffentlichen\nInteresse erlassen wurde. Dieser Umstand begründet nach § 2 der Satzung der\nBeklagten, der mit den gesetzlichen Vorgaben des gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG\nentsprechend geltenden § 9 LGebG in Einklang steht, keine sachliche\nGebührenfreiheit. \n--- \n| 43 \n--- \n| cc) Durchgreifende Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Rahmengebühr mit\nhöherrangigem Recht bestehen nicht. Zwar ist Rahmengebühren immanent, dass die\nkonkrete Höhe der Gebühr sich nicht eindeutig durch den Blick in das Gesetz\nbeantworten lässt. In der Rechtsprechung ist aber geklärt, dass diese\nUnbestimmtheit nicht zu einer Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip des\nArt. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot führt. § 11 Abs. 2 KAG und\nder gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 KAG entsprechend geltende § 12 Abs. 4 LGebG\nstecken in verfassungskonformer Weise die äußeren Grenzen des Spielraums der\nzulässigen Gebührenhöhe ab und eröffnen die Möglichkeit richterlicher\nÜberprüfung der Einhaltung dieser Grenzen (vgl. Schlabach, Gebührenrecht der\nVerwaltung in Baden-Württemberg, 42. Lfg. April 2019, § 12 LGebG, Rn. 64 ff.\nm.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.1995 - 2 S 1595/93 -, NVwZ 1995,\n1029 <1031> und vom 26.01.2009 - 1 S 1678/07 -, NVwZ-RR 2009, 329 <330>). \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach diesen Grundsätzen ist auch der Gebührenrahmen unter der lfd. Nr. 19.3\ndes Gebührenverzeichnisses, der als Verwaltungsgebühr für sonstige Maßnahmen\nnach dem Polizeirecht eine Rahmengebühr in Höhe von 50,-- bis 1.000,-- EUR\nvorsieht, nicht zu beanstanden. Für besonders einfach gelagerte Fälle, die nur\neinen geringen Verwaltungsaufwand verursachen, erlaubt er eine besonders\nniedrige Gebühr. Umgekehrt ermöglicht der Gebührenrahmen für außerordentlich\nkomplexe und aufwändige Fälle, die sehr schwierige Ermittlungen erfordern und\nan denen ein übermäßig hohes wirtschaftliches oder sonstiges Interesse\nbesteht, den Ausgleich durch Festsetzung einer adäquat hohen Gebühr. Die\ndenkbaren Fallgestaltungen sind derart vielfältig, dass nur die gewählte weite\nSpreizung des Gebührenrahmens dem Äquivalenzprinzip Rechnung trägt und daher\nunter Berücksichtigung der weiteren Vorgaben zur Bemessung der Gebührenhöhe in\n§ 4 Abs. 2 der Satzung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. \n--- \n| 45 \n--- \n| dd) Ermessensfehlerfrei hat die Beklagte schließlich die Gebühr auf 100,--\nEUR festgesetzt. Die moderate Gebühr, die sich im unteren Bereich des\nGebührenrahmens bewegt, ist angesichts des Verwaltungsaufwands, der der\nBemessung maßgeblich zugrunde zu legen ist, angemessen und verstößt auch nicht\ngegen das Äquivalenzprinzip. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n| 48 \n--- \n| **Beschluss vom 3. September 2020** \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2 und 3, 39 Abs. 1\nGKG auf **5.100,-- EUR** festgesetzt. \n---\n\n
332,572
lsgmv-2020-09-25-l-8-as-11320
477
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
lsgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 AS 113/20
2020-09-25
2020-11-05 11:00:51
2020-12-10 13:40:07
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Berufung wird als unzulässig verworfen.\n\n \n\nKosten sind nicht zu erstatten.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Kläger begehrt die Freistellung von weiteren Rechtsanwaltsgebühren für ein\nerfolgreiches Vorverfahren.\n\n2\n\n \n\nMit Bescheid vom 24. August 2018 mahnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die\nZahlung von 320,10 € in Wahrnehmung eines Forderungseinzuges für das Jobcenter\nV. an und setzte eine Mahngebühr von 5 € fest.\n\n3\n\n \n\nDem dagegen von der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. September 2018\neingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2018 ab\nund verpflichtete sich zur Erstattung der zur zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren, wobei\ndie Zuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig anerkannt wurde.\n\n4\n\n \n\nMit Kostenrechnung vom 8. November 2018 beantragte die Prozessbevollmächtigte\ndes Klägers einen Gesamtbetrag in Höhe von 380,80 € wie folgt:\n\n5\n\n \n--- \n\\- 300,00 € Geschäftsgebühr (Nr. 2302 VV RVG) \n\\- 20,00 € Pauschale für Entgelte für Post und\nTelekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) \n\\- 60,80 € Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG). \n \n6\n\n \n\nDie Beklagte setzte mit Bescheid vom 15. November 2018 lediglich Kosten in\nHöhe von 202,30 € fest und schlüsselte sie wie folgt auf:\n\n7\n\n \n--- \n\\- 150,00 € Geschäftsgebühr (VV 2302) \n\\- 20,00 € Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (VV\n7002) \n\\- 32,30 € Umsatzsteuer (VV 7008). \n \n8\n\n \n\nEs sei nur eine Geschäftsgebühr in Höhe der dreifachen Mindestgebühr\nfestzusetzen gewesen, weil die Tätigkeit des Rechtsanwaltes hinsichtlich des\nUmfangs und der Schwierigkeit allenfalls durchschnittlich gewesen sei.\n\n9\n\n \n\nDen hiergegen am 16. Dezember 2018 erhobenen und nicht begründeten Widerspruch\nwies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2019 zurück und\nführte zur Begründung aus, nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X habe, soweit der\nWiderspruch erfolgreich sei, der Rechtsträger, dessen Behörde den\nangefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe, demjenigen, der Widerspruch\nerhoben habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder\nRechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs. 2 SGB\nX seien die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren\nerstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen\nsei. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X setze die Behörde, die die\nKostenentscheidung getroffen habe, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden\nAufwendungen fest. Gebühren und Auslagen i. S. von § 63 Abs. 2 SGB X seien die\ngesetzlichen Gebühren. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung\nseien grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt\nseinem Mandanten - hier dem Kläger - in Rechnung stelle.\n\n10\n\n \n\nDie Geschäftsgebühr umfasse nach Nr. 2302 VV RVG i.V.m. § 14 RVG einen\nBetragsrahmen von 50,00 € bis 640,00 €. Eine Gebühr von mehr als 300,00 €\n(sog. Schwellengebühr) könne aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit\numfangreich oder schwierig gewesen sei. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV\nRVG decke grundsätzlich die gesamte außergerichtliche Tätigkeit des\nRechtsanwalts in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen\nBetragsrahmengebühren entstünden, ab. Innerhalb dieses Gebührenrahmens\nbestimme der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall\nunter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der\nSchwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit\nsowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach\nbilligem Ermessen. Sei die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, sei die von\ndem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig\nsei (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Darüber hinaus sei nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG\nbei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden seien, ein besonderes\nHaftungsrisiko zu berücksichtigen.\n\n11\n\n \n\nDer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich gewesen.\nHierbei sei der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt\ntatsächlich in der Sache betrieben habe und den er davon objektiv auch auf die\nSache habe verwenden müssen. Eine Einarbeitung in einen komplexen Sachverhalt\nsei nicht erforderlich gewesen. Im dem Widerspruchschreiben sei nur\nvorgetragen worden, dass gegen den Bescheid ein Widerspruchsverfahren anhängig\nsei. Um die Aussage zu treffen, sei kein Aktenstudium erforderlich gewesen,\nsondern sei auf einen Blick in die Mahnung zu erfassen gewesen. Insoweit sei\neine umfassende rechtliche Würdigung nicht erforderlich gewesen und sei durch\nden Bevollmächtigten auch nicht vorgenommen worden.\n\n12\n\n \n\nAuch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei vorliegend als\nunterdurchschnittlich zu bewerten. Gemeint sei damit die Intensität der\nArbeit. Der Sachverhalt sei einfach gewesen. Es sei ausschließlich um die\nErhebung von Mahngebühren durch die Beklagte in einer\nRückzahlungsangelegenheit nach dem SGB II gegangen. Ein Blick in die Mahnung\nhabe genügt, um den Sachverhalt zu erfassen, insbesondere weil vorliegend die\nBevollmächtigte von dem Kläger bereits für das Verfahren gegen den Aufhebungs-\nund Erstattungsbescheid mandatiert gewesen sei, so dass die Frage der\nFälligkeit im Rahmen der Bearbeitung dieses früheren Mandats geklärt gewesen\nsei und im Hinblick auf das weitere Mandat, gegen die Mahngebühr vorzugehen,\nvon vornherein festgestanden habe.\n\n13\n\n \n\nDie Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei nicht besonders hoch\nanzusetzen. Bei ihr komme es auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle,\ngesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung, nicht aber auf\ndie Bedeutung für die Allgemeinheit an (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B\n4 AS 21/09 R -). In dem Verfahren sei es um die Erhebung von Mahngebühren in\nHöhe von 5,00 € aus der angefochtenen Mahnung gegangen. Die Mahnung selbst sei\nkein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X. Vielmehr handele es sich bei der\nMahnung um eine Erinnerung an die bereits bestehende Zahlungspflicht.\nVerwaltungsakt sei hier allein die Festsetzung der Mahngebühr, die Gegenstand\ndes Verfahrens sein könne. Da es in diesem Zusammenhang allein auf das\nBegehren, also um die Abwehr der Mahngebühr in Höhe von 5,00 € ankomme, sei\ndie Höhe der angemahnten Hauptforderungen irrelevant. Zu berücksichtigen sei\naber, dass mit der Mahnung im Falle des Ausbleibens der Zahlung der\nGesamtforderungen eine zwangsweise Einziehung der Forderung in Aussicht\ngestellt worden sei. Dies führe dazu, dass bei dem Kläger aufgrund des engen\nZeitraums von zehn Tagen für die Zahlung der Forderungen ein kurzfristiger\nBeratungsbedarf entstanden sei und faktisch die Monatsfrist für die Erhebung\ndes Widerspruchs auf wenige Tage verkürzt habe. Dieser Zeitdruck und eine mit\n5,00 Euro nicht ganz unerhebliche Mahngebühr rechtfertigten eine\nGeschäftsgebühr in Höhe der Hälfte der Schwellengebühr. Bei einem derart\ngeringen Beschwerdewert müsse auch bei Beziehern von SGB II-Leistungen von\neiner nur geringen Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber\nausgegangen werden.\n\n14\n\n \n\nDie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers als Empfänger von SGB\nII-Leistungen seien weit unterdurchschnittlich, weshalb auch hierfür ein\nangemessener Abschlag vorzunehmen sei.\n\n15\n\n \n\nAnhaltspunkte für ein besonderes Haftungsrisiko, das die Gebühr erhöhen\nkönnte, seien nicht ersichtlich.\n\n16\n\n \n\nUnter Würdigung aller Kriterien könne daher nur eine Geschäftsgebühr in Höhe\nder Hälfte der Schwellengebühr und damit in Höhe von 150 € anerkannt werden.\nBesonderheiten, welche eine höhere Gebühr rechtfertigen würden, habe das\nVerfahren nicht aufgewiesen. Demgegenüber sei die anwaltliche\nGebührenbestimmung für die Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 € unbillig und\ndaher nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich. Auch die Toleranzgrenze\nvon 20 Prozent für die eigenverantwortliche Festsetzung durch den Rechtsanwalt\nsei weit überschritten.\n\n17\n\n \n\nHiergegen hat der Kläger am 5. Februar 2019 beim Sozialgericht Neubrandenburg\nKlage erhoben, ohne sie zu begründen. In der mündlichen Verhandlung vom 16.\nJanuar 2020 hat die Prozessbevollmächtigte schließlich vorgetragen, dass\nhöchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Mahngebühren zu beachten und\ndie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers zu prüfen gewesen seien.\nDie Berufung sei zulässig, weil es um einen Freistellungsanspruch und nicht um\neinen Zahlungsanspruch gehe.\n\n18\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n19\n\n \n\nden Bescheid der Beklagten vom 15. November 2018 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 3. Januar 2019 abzuändern und den Kläger von der\nZahlung weiterer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150,00 € nebst Umsatzsteuer\nvon 19% freizustellen.\n\n20\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n21\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n22\n\n \n\nSie hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.\n\n23\n\n \n\nMit Urteil vom 16. Januar 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und\nzur Begründung ausgeführt, die angegriffenen Bescheide der Beklagten seien\nrechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Gericht\nschließe sich der Begründung des angegriffenen Bescheides an und verzichte\ngemäß § 136 Abs. 3 SGG auf eine weitere Darstellung der Entscheidungsgründe.\nInsbesondere habe das Vorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Thema\nder Mahngebühren die Beurteilung der Rechtslage eher vereinfacht. Der\nProzessbevollmächtigten müssten die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des\nKlägers aus der Vielzahl vorheriger oder parallel für ihn betriebener\nVerfahren, die gerade auch solche Verhältnisse zum Gegenstand gehabt hätten,\nhinreichend bekannt oder leicht zu prüfen gewesen sein.\n\n24\n\n \n\nDie Berufung bedürfe vorliegend gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der\nZulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € nicht übersteige.\nBegehre der erfolgreiche Widerspruchsführer - wie hier - eine höhere\nFestsetzung der ihm zu erstattenden Widerspruchsaufwendungen, handele es sich\num einen Anspruch auf eine einmalige Geldleistung oder einen hierauf\ngerichteten Verwaltungsakt (von Wulffen/Schütze/Roos, 8. Aufl. 2014, SGB X §\n63 Rn. 47 m.w.N.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 144 Rn 9, 49).\n\n25\n\n \n\nGegen das am 27. Februar 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. März\n2020 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Berufung\nzulässig sei, weil er keine der in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG genannten\nLeistungen und auch keinen auf diese Leistungen gerichteten Verwaltungsakt\ngeltend mache. Vielmehr stritten die Beteiligten um einen\nFreistellungsanspruch, der gerade keinen Zahlungsanspruch darstelle.\n\n26\n\n \n\nMit Schreiben vom 15. Juni 2020 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die\nBerufung nicht statthaft sei und der Zulassung bedürfe, was im Einzelnen\nbegründet wird. Es sei daher beabsichtigt, die Berufung gemäß § 158 SGG durch\nBeschluss als unzulässig zu verwerfen.\n\n27\n\n \n\nHierauf hat die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 15. Juni 2020 ihre\nRechtsauffassung beibehalten. Es möge einleuchten, dass es bei der\nFreistellung von Kosten der häuslichen Krankenpflege durch den\nSozialleistungsträger auf den Beschwerdewert für die Zulässigkeit der Berufung\nankomme (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 35/04). Denn solche\nKosten seien Geldleistungen i.S.d. § 144 SGG, die auf Sozialleistungen\nbeschränkt und die nach § 11 SGB I in Geld-, Dienst- und Sachleistungen zu\nunterteilen und auch genau so in § 144 SGG wiedergegeben seien. Anwaltskosten\nseien gerade keine Sozialleistungen. Das Gericht wolle letztlich jeden\nStreitgegenstand mit weitläufigem Geldwert trotz des ausdrücklichen\ngegenteiligen Wortlauts von § 144 SGG unterwerfen. Dagegen spreche, dass § 144\nSGG nicht jede Leistung von wirtschaftlichem Wert der Zulassung der Berufung\nunterwerfe, wie dies bei laufenden wirtschaftlichen Leistungen für mehr als\nein Jahr der Fall sei.\n\n28\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie den\nVerwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat bei seiner\nEntscheidung vorgelegen haben.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n \n\n29\n\n \n\nÜber die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 16.\nJanuar 2020 kann der Senat gemäß § 158 SGG nach vorheriger Anhörung ohne\nmündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden.\n\n30\n\n \n\nDie Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft ist und\ndas Sozialgericht die Berufung auch nicht zugelassen hat.\n\n31\n\n \n\nDie Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der\nWert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder\nSachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 €\nnicht übersteigt, und die Berufung – wie hier – weder wiederkehrende noch\nlaufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).\n\n32\n\n \n\nGegenstand der Berufung ist eine Klage, die eine Geldleistung betrifft, die\n750 € nicht übersteigt.\n\n33\n\n \n\nDer Begriff der Geldleistung i.S. des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG ist nicht\nauf Sozialleistungen gemäß § 11 S. 1 SGB I beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom\n10. Oktober 2017 – B 12 KR 3/16 R –, Rn. 11, juris). Er umfasst auch die\nKosten eines isolierten Vorverfahrens (BSG, wie vor). Nach allgemeiner\nAuffassung kommt es für die Anwendbarkeit der Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 1 SGG nicht auf die Klageart an (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/A.,\nSGG, 12. Aufl., § 144 Rn. 8, mit weiteren Nachweisen). Eine Geldleistung ist\nvon einer Klage i.S.v. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht nur dann betroffen,\nwenn sie unmittelbar zwischen den Beteiligten streitig ist, sondern auch in\ndem Fall, wenn der eine Beteiligte von dem anderen – wie hier – die Befreiung\nvon einer Geldforderung eines Dritten begehrt und damit einen\nFreistellungsanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3\nKR 35/04 R – juris, Rn. 15).\n\n34\n\n \n\nDiese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Klag- und\nBerufungsverfahren macht der Kläger im Wege einer kombinierten Anfechtungs-\nund Leistungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung vom\nVergütungsanspruch seiner Prozessbevollmächtigten für ein\nWiderspruchsverfahren in Höhe von weiteren 178,50 € geltend, sodass die\nBerufung nicht statthaft ist.\n\n35\n\n \n\nDer Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Berufung aber auch\nnicht begründet ist.\n\n36\n\n \n\nDer Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 15. November 2018 in Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den\nKläger nicht in seinen Rechten. Der streitbefangene Anspruch des Klägers gegen\ndie Beklagte gem. § 63 SGB X auf Freistellung von der Gebührenforderung seiner\nBevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren, das gegen die Festsetzung\neiner Mahngebühr von 5 € erfolgreich durchgeführt wurde, ist – wie von der\nBeklagten zutreffend festgesetzt – auf eine Gebührenforderung in Höhe von\n202,30 € beschränkt. Das Sozialgericht hat sich zu Recht der überzeugenden\nBegründung der Beklagten im angegriffenen Bescheid angeschlossen und das\nVorbringen des Klägers im Klagverfahren mit zutreffenden Ausführungen\nzurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen macht sich der Senat diese\nAusführungen nach Überprüfung zu eigen und nimmt auf sie analog § 153 Abs. 2\nSGG Bezug.\n\n37\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.\n\n38\n\n \n\nGründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.\n\n
332,581
ovgnrw-2020-10-29-4-a-293320a
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 A 2933/20.A
2020-10-29
2020-11-05 11:01:04
2020-12-10 13:50:51
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:1029.4A2933.20A.00
## Tenor\n\nDer Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche\nVerhandlung vom 18.9.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen wird\nabgelehnt.\n\nDer Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten\nnicht erhoben werden.\n\n \n1\n\nG r ü n d e :\n\n2\n\nDer Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.\n\n3\n\nDie Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen\nBedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).\n\n4\n\nGrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine\nRechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder\nobergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der\nTatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von\nallgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten\nBerufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der\nRechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher\nKlärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der\nFormulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der\nZulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der\nRechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende\nBedeutung eingeht.\n\n5\n\nVgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.2.2018 – 4 A 547/16.A –, juris, Rn. 16 ff., m.\nw. N.\n\n6\n\nDiesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die vom Kläger als\ngrundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,\n\n7\n\nob in vergleichbaren Fällen in Bezug auf die Rückkehr von abgelehnten\nAsylbewerbern aus Pakistan eine Abschiebung rechtmäßig ergehen kann, im\nHinblick auf den Verstoß gegen Art. 3 und 8 EMRK i. V. m. § 60 Abs. 5 bzw.\neigenständig aus einer Gefährdung für Leib und Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1\nAufenthG wegen Fehlens des Existenzminimums,\n\n8\n\nrechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Der Kläger legt bereits nicht\nschlüssig dar, inwieweit sich eine derart unklar formulierte Fragestellung,\ndie die als klärungsbedürftig angesehenen Fallgestaltungen nicht benennt,\nüberhaupt einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sein und sich zudem in\neinem Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellen könnte.\n\n9\n\nSchon die den Darlegungen des Klägers zugrunde liegende Annahme trifft nicht\nzu, das Verwaltungsgericht habe entschieden, dass eine Abschiebung des Klägers\ntrotz seiner Schwierigkeiten, sich in Pakistan eine neue Lebensgrundlage\naufzubauen und somit seinen Lebensunterhalt dort bestreiten zu können,\nzulässig sei. Auch deutet nichts darauf hin, dass die vom Kläger bezeichneten\nErkenntnisse zu besonderen Rückkehrgefahren für Paschtunen in auch nur im\nWesentlichen vergleichbarer Weise für Panjabis gelten könnten, zu denen der\nKläger gehört. Das Verwaltungsgericht hat auf die Möglichkeit internen\nSchutzes im Sinne von § 3e AsylG und darauf, sich andernorts in Pakistan eine\nneue Lebensgrundlage aufbauen zu können, unter I. 2. seiner\nEntscheidungsgründe (vgl. Urteilsabdruck, Seite 9, letzter Absatz, bis Seite\n12, zweiter Absatz) nur hilfsweise bei Wahrunterstellung des klägerischen\nVortrags verwiesen. Es hat unter I. 1. seiner Entscheidungsgründe (vgl.\nUrteilsabdruck, Seite 7, zweiter Absatz, bis Seite 9, vorletzter Absatz) schon\ndeshalb einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft\nverneint, weil es den Vortrag des Klägers zum Fluchtgeschehen als unglaubhaft\nangesehen hat. Daran anknüpfend seien auch keine stichhaltigen Gründe für die\nAnnahme ersichtlich, der Kläger könnte einen Anspruch auf Zuerkennung\nsubsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG haben (Urteilsabdruck, Seite 12, dritter\nund vierter Absatz). Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG hat das\nVerwaltungsgericht unter Verweis auf seine vorangegangenen Ausführungen\nverneint (vgl. Urteilsabdruck, Seite 12, letzter Absatz und Seite 13, erster\nAbsatz). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1\nAufenthG hat es mit der Begründung verneint, es fehle an einer relevanten\nErkrankung des Klägers. Seine Angaben zu einer Erkrankung seien nicht\nansatzweise hinreichend konkretisiert, um auf eine Krankheit zu schließen, die\nihrem Schweregrad nach ein Abschiebungsverbot ergeben könnte (vgl.\nUrteilsabdruck, Seite 13, zweiter bis vierter Absatz). Eine extreme\nGefahrenlage, die eine Abschiebung als verfassungswidrig erscheinen lasse, sei\nnicht ersichtlich (vgl. Urteilsabdruck, Seite 14, erster und zweiter Absatz).\nAuch insoweit hat das Verwaltungsgericht den Kläger nicht darauf verwiesen,\nvor am Herkunftsort drohenden Gefahren in einen anderen Landesteil\nauszuweichen.\n\n10\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.\n\n11\n\nDieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.\n\n
332,609
fg-rheinland-pfalz-2020-09-24-6-k-227317
898
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
fg-rheinland-pfalz
Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz
Finanzgerichtsbarkeit
6 K 2273/17
2020-09-24
2020-11-06 11:00:48
2020-12-10 13:40:13
Urteil
ECLI:DE:FGRLP:2020:0924.6K2273.17.00
\n\n#### Tenor\n\n \n\nI. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\nII. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.\n\n \n\nIII. Die Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nStreitig ist, ob von einem kirchenrechtlichen Verein erbrachte Vermietungs-,\nBeherbergungs- und Verpflegungsleistungen als von einem sog. Zweckbetrieb\nerzielt dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Zudem ist der Umfang der\nabziehbaren Vorsteuerbeträge streitig.\n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist Rechtsnachfolger des S e.V..\n\n3\n\n \n--- \nDer S e.V. war ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Religion. Er\nverfolgte gemäß § 2 seiner Satzung vom 24.02.2015 folgenden Zweck (Bl. 2 ff\nder Vertragsakte): \n_§ 2 Zweck des Vereins_ \n| _(1)_ | _Der Verein nimmt am Verkündigungsauftrag des Gründers der internationalen …-Bewegung Pater X teil. Er unterstützt die Zielsetzungen des internationalen …-Werkes, insbesondere die weltweite priesterliche Mitarbeit im internationalen …-Werk, dies insbesondere durch_ \n _\\- berufliche Aus- und Fortbildung von Priestern,_ \n_\\- Berufsbegleitung im seelsorgerischen Einsatz und sozial-caritativen Dienst\nim In- und Ausland (z. B. durch wissenschaftliche und religiöse Kurse,\nBereitstellung von Fachliteratur und –material, Gewährung von\nStudienaufenthalten und Unterstützung entsprechender Aktionsprogramme),_ \n_\\- Wahrnehmung der Interessen des priesterlichen Berufsstandes_ \n _\\- soziale Bildungsmaßnahmen die Berufsbegleitung im seelsorgerischen\nEinsatz und sozial-caritativen Dienst im In- und Ausland._ \n| _(2)_ | _Hierfür schafft er die materiellen und organisatorischen Voraussetzungen._ \n| _(3)_ | _Dafür kann er Grundbesitz erwerben, verwalten und für eine Nutzung im Sinne des Vereinszwecks sorgen. Er kann auch als deren Rechtsträger unselbständige Stiftungen verwalten._ \n| _(4)_ | _Darüber hinaus fördert der Verein Bildung und Erziehung auch im Zusammenwirken mit anderen gemeinnützig tätigen Vereinen und Institutionen im In- und Ausland._ \n| _(5)_ | _Der Verein ist berechtigt, alle Nebenzwecke zu betreiben, die dem Hauptzweck dienen._ \n \n \n\n4\n\n \n\nMit Feststellungsbescheid für die Jahre 2015 bis 2017 vom 29.11.2018 wurde der\nS e.V. nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer und nach § 3 Nr.\n6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit, weil er ausschließlich und unmittelbar\nsteuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff AO diene. Er\nfördere als gemeinnützigen Zweck die Religion. Die Satzungszwecke entsprächen\n§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO.\n\n5\n\n \n\nMit Verschmelzungsvertrag vom 24.09.2019 wurde der S e.V. zum 31.01.2019 auf\nden Kläger verschmolzen.\n\n6\n\n \n\nDer S e.V. betrieb in den Streitjahren das Priester- und Gästehaus M. Das Haus\nverfügt über Gästezimmer, Seminar- und Tagungsräume, einer Hauskapelle,\nCafeteria, „Klause“ im Schankstubenstil und Fernsehzimmer. Das Priester- und\nGästehaus ist umgeben von einem weiträumigen parkähnlichen Garten mit Quelle,\nBächen, Bäumen und einer Außenkapelle, … genannt. In einem weiteren Gebäude\nauf dem Gelände befinden sich Wohnungen für Ordensangehörige und vermietete\nGaragen. Wenn die Priester das Priester- und Gästehaus M nicht selbst nutzen,\nwird es für Gäste zur Verfügung gestellt. Hierfür warb der S e.V. auch in\nseinem Internetauftritt. Danach war das Gästehaus offen für Einzelpersonen,\nUrlauber und alle, die Erholung suchen, für Priester und kirchliche Gruppen,\nfür Arbeitsteams und Teilnehmer an unterschiedlichen Seminaren, für Menschen,\ndie die …-Bewegung näher kennenlernen wollen, und für jeden, der gerne kommt.\nNach dem Internetauftritt verfügte das Gästehaus über Einzel- und Doppelzimmer\nmit Dusche und WC, über einfache Einzel- und Doppelzimmer mit Etagenbad und\nüber Appartements. Die Mahlzeiten (Frühstück, Mittagessen und Abendessen)\nwurden den Gästen in Buffetform angeboten. Zudem bot der S e.V. auf seiner\nHomepage vier Tagungsräume für Seminare, Tagungen, Fortbildungen,\nLernberatung, Exerzitien, Workshops, Teamtreffen, Familienfeiern und mehr an.\nFür alle angebotenen Leistungen (Übernachtung mit Frühstück, Mahlzeiten\n[Mittagessen, Abendessen, Kaffee und Kuchen, Stehkaffee, Lunchpaket] für\nÜbernachtungsgäste, Mahlzeiten [Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Kaffee und\nKuchen, Stehkaffee, Lunchpaket] für Tagungsgäste, Überlassung von\nVeranstaltungsräumen) enthielt der Internetauftritt des S e.V. eine\nentsprechende Preisliste (Bl.167 der Prüferhandakte).\n\n7\n\n \n\nDas Priester- und Gästehaus M war in den Streitjahren auch in dem\nUnterkunftsverzeichnis der Stadt neben anderen Hotels, Pensionen,\nFerienwohnungen und zwei weiteren Gästehäusern aufgeführt.\n\n8\n\n \n\nIn der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2015 erklärte der S e.V.\nregelbesteuerte Leistungen in Höhe von 851 €, ermäßigt besteuerte Leistungen\nin Höhe von 271.319 € sowie steuerfreie Vermietungsleistungen in Höhe von\n6.741 €. Die Umsätze aus der Beherbergung, aus der Verpflegung, aus der\nVermietung der Tagungsräume sowie aus der Überlassung von Kopien und Telefon\nbehandelte der S e.V. dabei als steuerpflichtig zum ermäßigten Steuersatz.\nZudem machte er Vorsteuern in Höhe von insgesamt 50.274,74 € geltend. Hierin\nenthalten waren Vorsteuern aus Eingangsrechnungen für die Instandhaltungs- und\nRenovierungsarbeiten für beide Gebäude auf dem Gelände des S e.V. sowie für\ndie Haus- und Außenkapelle. Es ergab sich eine verbleibende Umsatzsteuer in\nHöhe von – 31.120,72 € und nach Anrechnung des Vorauszahlungssolls eine\nAbschlusszahlung in Höhe von 569,29 €. Die Erklärung stand aufgrund allgemein\nerteilter Zustimmung einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung\ngleich.\n\n9\n\n \n\nIm Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die\nVerpflegungsleistungen (Konto # 8300 „Übernachtung/Verpflegung“: 259.153,46 €,\nKonto # 8304 „Getränkeverkauf“: 4.775,39 €, Konto # 8305 „Kaffeeverkauf“:\n698,52 €), die Vermietung der Tagungsräume (Konto # 8303 „Raum/Medien“: 701,13\n€), das Anfertigen von Kopien (Konto # 8308 „Kopien“: 22,60 €) sowie die\nTelefonleistungen (Konto # 8307 „Telefongebühren“: 1.250,38 €) dem\nRegelsteuersatz unterliegen, weil die diesbezüglichen Leistungen des S e.V.\nkeinem Zweckbetrieb zuzuordnen seien. Diese Einnahmen seien vielmehr einem\nwirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des S e.V. zuzuordnen. Da dem Prüfer keine\ngetrennten Aufzeichnungen bezüglich der Beherbergungsleistungen und der\nVerpflegungsleistungen an Übernachtungsgäste (Konto # 8300) vorlagen, schätzte\nder Prüfer die Umsätze aus der Verpflegung an Übernachtungsgäste anhand der\nVerhältnisse der Vorjahre auf 23 v. H., mithin auf 59.605 €. Der Prüfer\nerhöhte die Umsätze zum Regelsteuersatz um insgesamt 67.053 € (= Konto # 8300:\n59.605 € zzgl. Konten # 8303, 8304, 8305, 8307 und 8308 in Höhe von insgesamt\n7.448 €) und minderte dementsprechend die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz.\n\n10\n\n \n\nZum Vorsteuerabzug führte der Prüfer im Prüfungsbericht vom 27.03.2017 aus,\ndass die Vorsteuern nur insoweit abzugsfähig seien, soweit sie den\nunternehmerischen Bereich betreffen würden. Vorsteuern aus Aufwendungen für\ndie Renovierung der Kapellen und alles, was nicht den Beherbergungsbetrieb „M“\nbetreffe, seien dem Vereinsbereich zuzuordnen. Diese Vorsteuern seien nicht\nabzugsfähig. Insoweit müsse eine Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG\nvorgenommen werden. Hierzu seien jedoch keine Unterlagen vorgelegt worden.\n\n11\n\n \n\nDer Prüfer ermittelte steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 269.594 € und nicht\nsteuerbare/steuerfreie Umsätze in Höhe von 149.574 €, was zu einem Verhältnis\nder steuerpflichtigen Umsätze zu den Gesamtumsätzen von 64,32 v. H. führte.\nAnhand dieses Verhältnisses der Umsätze sowie durch direkte Zuordnung der\nVorsteuerbeträge zu den jeweiligen Ausgangsleistungen bzw. zum ideellen\nBereich des S e.V. gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die erklärten\nVorsteuerbeträge um 25.656,38 € zu kürzen seien. Wegen der weiteren\nEinzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 27.03.2017 verwiesen (Bl. 4f der\nUSt-Akte).\n\n12\n\n \n\nDer Beklagte erließ am 18.05.2017 einen entsprechend geänderten\nUmsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2015.\n\n13\n\n \n\nHiergegen legte der S e.V. Einspruch ein. Er war der Ansicht, dass die\nstreitigen Umsätze dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen seien. Zur\nBegründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, es handle sich insgesamt um\neinen Zweckbetrieb mit der Zielrichtung des kirchlichen Verkündigungsauftrags.\nDie Beherbergung selbst sei als kirchlicher Zweck einzustufen, weil eine\nBeherbergung wie im Klosterbereich mit entsprechendem Angebot vorliege. Die\nBeherbergung im Kloster unterscheide sich deutlich von der in einem Hotel.\nDies ergebe sich bereits daraus, dass die Mahlzeiten im Rahmen des\nKlosterablaufs eingenommen würden. Die Gäste seien eingeladen, am Tagesablauf\ndes Klosters teilzunehmen. Zur Einladung gehöre auch die Bewirtung der\nKlostergäste, welche lediglich eine Nebenleistung darstelle. Es sei den Gästen\nnicht zuzumuten, für die Einnahme der Mahlzeiten Restaurants aufzusuchen. Eine\nandere Art der Zweckerreichung erscheine daher nicht möglich, zumal ein\nwesentlicher Bestandteil der klösterlichen Gemeinschaft in den gemeinsamen\nMahlzeiten liege. Die Erbringung einer Gegenleistung führe zu keiner anderen\nBeurteilung, weil der Zweck der Beherbergung immer bestanden habe. Zudem\nhätten die Gäste nicht unbedingt eine Gegenleistung erbracht, sondern meist\nentsprechend ihrer Möglichkeiten eine Spende zur Kostendeckung hinterlassen.\nWenn dies nun vorab als moderate Gegenleistung gefordert werde, könne dies den\nGrundgedanken, nämlich die Beherbergung als Einladung zu Gebeten, Exerzitien,\nWallfahrten, Glaubens- und Seelsorgegesprächen und zur Beichte anzubieten,\nnicht beeinträchtigen, zumal auch denjenigen, die die Mittel hierfür nicht\naufbringen könnten, immer Erleichterungen gewährt würden. Ein Wettbewerb in\ngrößerem Umfang gemäß § 65 Nr. 3 AO mit nicht begünstigten Betrieben sei nicht\ngegeben, weil diese nicht den kirchlichen Rahmen – insbesondere mit den\nKapellen - bieten würden. Auch die Beköstigung könne keine\nWettbewerbssituation begründen, weil sie lediglich den Kreis der Gäste\numfasse. Bezüglich des Vorsteuerabzugs führte der S e.V. aus, dass die\nKapellen untrennbar zum Gästehaus gehörten und nicht in erster Linie den\nMitgliedern der Gemeinschaft vorbehalten seien, so dass insoweit der\nVorsteuerabzug zu gewähren sei.\n\n14\n\n \n\nMit Einspruchsentscheidung vom 18.10.2017 wies der Beklagte den Einspruch als\nunbegründet zurück. Er führte aus, der Grund für die Unterscheidung eines\nwirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und eines Zweckbetriebs sei die Vermeidung\nvon Wettbewerbsverzerrungen durch einen Finanzierungsvorteil durch\nSteuerbefreiungen bzw. Steuerermäßigungen, wenn - wie im Streitfall - ein\nVerein in Konkurrenz zu privaten und gewerblichen Anbietern trete. In seinem\nInternetauftritt werbe der S e.V. mit den – auch teilweise neu eingerichteten\nund behindertengerechten - Zimmern seines Gästehauses. Es werde auch damit\ngeworben, dass den Gästen eine gemütliche Cafeteria sowie eine Klause im\nSchankstubenstil zur Verfügung stünden. Das Gästehaus sei nach dem\nInternetauftritt für jeden offen. So werde auf der Homepage auch Fotos\npräsentiert, die beispielsweise den Sektempfang einer Goldenen Hochzeit\nzeigten. Auf Wandermöglichkeiten, die Nähe zu den Hochschulen und zur Stadt K\nsowie auf die vielfältigen Freizeitangebote der Region werde hingewiesen.\nDaneben werde auch die Möglichkeit aufgezeigt, die heiligen Orte …\naufzusuchen. Die Mahlzeiten würden den Gästen in Buffetform angeboten. Der S\ne.V. trete somit in Wettbewerb mit nicht begünstigten Betrieben, was auch\ndadurch deutlich werde, dass das Gästehaus in dem Unterkunftsverzeichnis der\nStadt gelistet sei. Auch der Umstand, dass die Zimmer nach dem vorliegenden\nBelegungsplan häufig von Studenten und Besuchern der nahegelegenen Hochschule\ngenutzt würden, zeige, dass das Angebot des Gästehauses sich an einen breiten\nKundenkreis richte. Der Vortrag des S e.V., wonach die Gäste nicht unbedingt\neine Gegenleistung erbringen würden und dass das Speiseangebot nur den Kreis\nder Gäste einschließe, sei aus den vorliegenden Unterlagen und der Homepage\nnicht ersichtlich. Dort würden zu den angebotenen Übernachtungen und Speisen\nentsprechende Preise aufgelistet und auch Speisen und Getränke im Rahmen von\nFeierlichkeiten angeboten. Nach alledem liege im Streitfall ein\nwirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor. Die Vermietung der Wohn- und\nSchlafräume unterliege nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG dem ermäßigten Steuersatz.\nDie weitergehenden Leistungen seien mit dem Regelsteuersatz zu versteuern. Die\nBewirtung stelle keine Nebenleistung zur Hauptleistung dar, weil die\nGestellung von Mahlzeiten nicht unmittelbar der Vermietung diene (BFH, Urteil\nvom 24.04.2013 XI R 3/11, in juris). Da der S e.V. zu den Umsätzen\n„Übernachtung und Verpflegung“ keine getrennten Aufzeichnungen vorgelegt habe,\nseien die Verpflegungsumsätze im Wege der Schätzung anhand der Vorjahreswerte\nmit 23 v. H. der Regelbesteuerung zu unterwerfen.\n\n15\n\n \n\nNach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH sei der Verein nur hinsichtlich\nseines wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs zum Vorsteuerabzug berechtigt.\nMangels substantiierten Sachvortrags sei die Zuordnung der Beträge anhand der\nwährend der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf die Nutzung der\nGebäude erfolgt. Die Vorsteuern aus Aufwendungen für die Renovierung der\nKapellen, die zur Glaubensausübung frei zugänglich seien, seien dem ideellen\nBereich zuzuordnen. Bezüglich des Beherbergungsbetriebs seien die Vorsteuern\nnach dem Verhältnis der Umsätze aufgeteilt worden.\n\n16\n\n \n\nHiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung der Klage wurde auf die\nAusführungen im Einspruchsverfahren verwiesen. Ergänzend trägt der Kläger vor,\nder kirchliche Zweck sei nur dann nicht mehr als förderungswürdig\nanzuerkennen, wenn er gemäß § 65 AO in größerem Umfang zu nicht begünstigten\nBetrieben derselben oder ähnlicher Art in Wettbewerb trete. Dies sei hier\nnicht der Fall. Es gebe keine Gästehäuser mit dem Angebot einer priesterlichen\nBetreuung, die als nicht begünstigte Betriebe mit der Klägerin im Wettbewerb\nstünden. Allein die Beschreibung der Zimmer etc. führe nicht dazu, dass eine\nWettbewerbssituation zu anderen Einrichtungen in größerem Umfang vorliege. Es\nsei nicht relevant, wer das Gästehaus nutze. Es solle gerade wegen des\nkirchlichen Zwecks und des Verkündungsauftrags allen offenstehen. Die Kirche\nund ihre Institutionen, die Gäste beherbergten, würden nicht unterscheiden,\naus welchen Gründen – ob wegen des Glaubens oder aus Kostengründen - ein Gast\nkomme. Genau hier liege auch der Unterschied zum BFH-Urteil vom 08.03.2012 – V\nR 14/11 -. Der Verein in jener Entscheidung habe ganz andere Zwecke verfolgt,\nnämlich die Förderung der Weiterbildung. Die Beherbergung sei – anders als im\nStreitfall – nicht Teil dieses Zweckes gewesen. Auch die Entscheidung des BFH\nvom 24.04.2013 – V R 3/11 – (in juris) komme zu keiner anderen Auslegung. Denn\nauch dort sei es nicht darum gegangen, den hier streitgegenständlichen Zweck\nder Beherbergung und Beköstigung als Teile des verfassungsrechtlich\ngeschützten kirchlichen Selbstverständnisses zu betrachten. Es sei dort\nlediglich um die Frage der Haupt- und Nebenleistung gegangen.\n\n17\n\n \n\nFür den Vorsteuerabzug gelte dasselbe. Die Kapellen im Gästehaus und im Garten\nsollten in erster Linie den Gästen offenstehen. Denn es lebe keine\npriesterliche oder klösterliche Gemeinschaft vor Ort, denen diese Räume\nvorbehalten seien, sondern die Nutzung durch die Gäste sei Sinn und Zweck\ndieser Räumlichkeiten. Lediglich als Ansprechpartner zur Beichte und zum\nSeelsorgegespräch für die Gäste seien durchgehend ein bis zwei Geistliche vor\nOrt. Ein Gottesdienstangebot in den Kapellen richte sich daher nicht an die\nMitglieder einer Gemeinschaft oder des Vereins, sondern an die Gäste.\nSelbstverständlich könne man bei einem solchen Gottesdienst andere\nInteressierte nicht ausschließen. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die\nKapellen nicht dem Zweckbetrieb zuzurechnen seien. Keine Rolle spiele\nebenfalls, ob betreuende Priester im Nebenhaus wohnten. Denn nach dem\nkirchlichen Verständnis seien Gottesdienste keine priesterlichen\nPrivatveranstaltungen unter Ausschluss anderer Beteiligter.\n\n \n\n18\n\n \n\nDer Kläger beantragt sinngemäß, \nden geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 18.05.2017 dahingehend zu ändern, dass\ndie Umsätze zum Regelsteuersatz um 67.053 € gemindert und die Umsätze zum\nermäßigten Steuersatz um 67.053 € erhöht werden und dass weitere Vorsteuern in\nHöhe von 25.656,38 € abgezogen werden.\n\n19\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, \ndie Klage abzuweisen.\n\n20\n\n \n\nEr verweist auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.\n\n21\n\n \n\nAuf die Aufklärungsverfügung vom 14.04.2020 teilte der Prozessbevollmächtigte\ndes Klägers mit, dass im Streitjahr die Seminar- und Tagungsräume (Konto #\n8303) zu 84 v. H. an Gäste, zu 7 v. H. an Priester und zu 9 v. H. an …er _(der\nKirche nahe stehende Personen, Anm. d. Neutralisierenden)_ vermietet worden\nseien. Zudem reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Ausdruck des\nErlöskontos # 8300 „Übernachtung/Verpflegung“ ein, aus dem sich folgende\nAufteilung der Erlöse ergibt:\n\n22\n\n \n--- \nÜbernachtung | Frühstück | Mittagessen | Abendessen \n175.577,43 € | 20.643,64 € | 24.363,45 € | 38.344,37 € \n \n \n\n23\n\n \n\nDie Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen\nVerhandlung verzichtet (Bl. 26 und 59 der Prozessakte).\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n24\n\n \n\nDie Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche\nVerhandlung entschieden hat, ist unbegründet.\n\n25\n\n \n\nDer angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2015 ist rechtmäßig und verletzt den\nKläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).\n\n \n\n1.\n\n26\n\n \n\nDie Beherbergungsleistungen sowie die Umsätze aus der Vermietung der Tagungs-\nund Seminarräume an Mitglieder des Klägers unterliegen dem ermäßigten\nSteuersatz. Die übrigen streitigen Leistungen (Verpflegungsleistungen,\nÜberlassung von Seminar- und Tagungsräume an Nichtmitglieder des Klägers) sind\nmit dem Regelsteuersatz zu versteuern.\n\n27\n\n \n\na) Die Übernachtungsleistungen unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1\nUStG dem ermäßigten Steuersatz. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die\nSteuer auf 7 v. H. für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein\nUnternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die\nkurzfristige Vermietung von Campingflächen.\n\n28\n\n \n\nb) Die vom Kläger an die Übernachtungsgäste erbrachten Verpflegungsleistungen\nfallen nicht unter die Steuerermäßigungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 11\nUStG. Nach der Rechtsprechung des BFH und EuGH handelt es sich bei der\nVerpflegung von Hotelgästen zwar um eine Nebenleistung zur Übernachtung (vgl.\nBFH, Urteile vom 15.01.2009 V R 9/06, BStBl II 2010, 433; vom 20.03.2014 V R\n25/11, BFH/NV 2014, 1173; vgl. auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom\n28.11.2018 7 K 7314/16, EFG 2019, 294 zur Einordnung von Frühstücksleistungen\nals Nebenleistungen zu der Beherbergung). Die Verpflegungsleistungen in einem\nBeherbergungsbetrieb gehören jedoch zu den Leistungen, die i. S. v. § 12 Abs.\n2 Nr.11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese\nLeistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind, und sind daher\nnach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG von der Steuerermäßigung ausgenommen.\nInsoweit normiert § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nach Auffassung des BFH ein\nAufteilungsgebot (BFH, Urteil vom 24.04.2013 XI R 3/11, BStBl II 2014, 86).\n\n29\n\n \n\nOb an dem Aufteilungsgebot bei Einordnung der Verpflegungsleistungen als\nNebenleistungen zu den Übernachtungsleistungen auch noch nach Ergehen des\nUrteils des EuGH vom 18.01.2018 (C-463/16, Rs. Stadion Amsterdam, DStR 2018,\n246) festzuhalten ist, ist zweifelhaft. Im jenem Urteil hat der EuGH\nentschieden, dass eine einheitliche Leistung wie die im dortigen\nAusgangsverfahren fragliche, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem\nHaupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung\nunterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche\nLeistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem\nHauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes\nBestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser\nLeistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann.\n\n30\n\n \n\nDie Auffassungen in der steuerlichen Literatur zur Frage, ob das\nAufteilungsgebot gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nach Ergehen dieses\nEuGH-Urteils mit dem Unionsrecht vereinbar ist, sind unterschiedlich. Das FG\nBerlin-Brandenburg hat in seinem Urteil vom 28.11.2018 - 7 K 7314/16 – (EFG\n2019, 294) den Meinungsstreit in der steuerlichen Literatur ausführlich\ndargestellt. Danach wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auch\nNebenleistungen zu Übernachtungsleistungen im Hotelgewerbe an der\nSteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG teilhaben müssten (Möser, MwStR\n2018, 505; Janzen in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht,\nDokumentenstand 86.02. Lfg. 05/2018, § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG; Nieskens,\nUmsatzsteuer-Rundschau – UR – 2018, 181; Oldiges, DB 2018, 541; von Streit,\nUStB 2018, 106; Masuch, NWB 2018, 457 (457); Prätzler, jurisPR-SteuerR 6/2018\nAnm. 1; wohl auch Nacke, NWB 2018, 2314 (2316)). Die Gegenauffassung\n(Gieseler, BB 2018, 734; Treiber, DStR 2018, 1922; Korf, MwStR 2018, 266; wohl\nauch Gieseler, NWB 2018, 1514 (517ff.)) geht allerdings davon aus, dass\ngesetzlichen Aufteilungsgeboten auch nach dem oben aufgeführten Urteil des\nEuGH im Verfahren „Stadion Amsterdam“ Vorrang gegenüber den aus dem Grundsatz\nder Einheitlichkeit der Leistung resultierenden Rechtsfolgen einzuräumen sei,\nweil damit zum allgemeinen Grundsatz der gesonderten Betrachtung jeder\neinzelnen Leistung zurückgekehrt werde (Gieseler, BB 2018, 734). Für eine\neuroparechtliche Zulässigkeit des Aufteilungsgebots spreche auch, dass den\nMitgliedstaaten ein Wertungsspielraum verbleibe, wie der EuGH in dem Urteil\n„Stadion Amsterdam“ (Rdnr. 34f) auch anerkannt habe. Überdies diene das\nAufteilungsgebot auch der Gleichbehandlung von Unternehmern, welche\nFrühstücksleistungen zusammen mit Übernachtungsleistungen anböten, mit solchen\nUnternehmern, welche gleichartige Frühstücksleistungen ohne Übernachtung\nanböten (Treiber, DStR 2018, 1922). Teilweise wird die Auffassung, nationale\nAufteilungsgebote seien auch nach dem EuGH-Urteil „Stadion Amsterdam“\nanzuerkennen, dahingehend eingeschränkt, es sei zu prüfen, ob die nach\nAufteilung nicht der Besteuerung mit dem Steuersatz der Hauptleistung\nunterworfenen Teile „konkrete und spezifische Aspekte“ der Leistung\ndarstellten und damit einer abweichenden Besteuerung zugänglich seien (Korf,\nMwStR 2018, 266).\n\n31\n\n \n\nDer Senat schließt sich der Auffassung an, dass das Aufteilungsgebot nach § 12\nAbs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist.\nInsoweit folgt er auch der Ansicht des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom\n28.11.2018 7 K 7314/16, EFG 2019, 294) und macht sich dessen Begründung zu\neigen. Danach normiert Art. 98 MwStSystRL ein Wahlrecht, aber keine\nVerpflichtung der Mitgliedstaaten zur Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes.\nDie Steuerermäßigung kann von den einzelnen Mitgliedstaaten auf alle, einige\noder auch auf gar keine Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der\nin Anhang III genannten Kategorien angewendet werden. Ausweislich der Rdnr.\n34f. des Urteils „Stadion Amsterdam“ hat der EuGH dort ausdrücklich nicht von\nseinem Urteil in Sachen „Kommission/Frankreich“ (Urteil vom 06.05.2010 –\nC-94/09, DStR 2010, 977) abweichen wollen, wo er entschieden hatte, dass eine\nselektive Anwendung eines ermäßigten Satzes nicht ausgeschlossen ist, sofern\nsie keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht (Rdnr. 25), dass\ndie Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der\nsteuerlichen Neutralität beachtet wird, der dem gemeinsamen\nMehrwertsteuersystem zugrunde liegt, die Möglichkeit haben, konkrete und\nspezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen im Sinne des Anhangs\nH der Sechsten Richtlinie mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen\n(Rdnr. 26), und dass dies sogar dann gilt, wenn es sich um Teile einer nach\nallgemeinen Grundsätzen einheitlichen Leistung handelt (Rdnr. 31ff.). Dass das\nAufteilungsgebot im Falle des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG\nWettbewerbsverzerrungen sogar entgegenwirkt, belegt das o. g. Argument von\nTreiber. Außerdem benennt Anhang III Beherbergungsleistungen (Nr. 12) und\nRestaurationsdienstleistungen (Nr. 12a) als unterschiedliche Kategorien, was\ndafür spricht, dass aus Sicht des Richtliniengebers Restaurationsleistungen\ngegenüber Beherbergungsleistungen von anderen konkreten und spezifischen\nLeistungsaspekten geprägt sind.\n\n \n\n2.\n\n32\n\n \n\nDie Verpflegungsleistungen sowie die Vermietungsleistungen bezüglich der\nTagungsräume inklusive ihrer technischen Ausstattung an Nichtmitglieder des\nKlägers unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8\nBuchst. a UStG.\n\n33\n\n \n\na) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ermäßigt sich die Steuer für\ndie Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar\ngemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke i.S. der §§ 51 bis 68 AO\nverfolgen. Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen\nGeschäftsbetriebs ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG).\nIn § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG ist eine Rückausnahme (also die\nAnwendung des ermäßigten Steuersatzes) für Zweckbetriebe geregelt, wenn der\nZweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch\ndie Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem\nallgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer\nausgeführt werden (1. Alternative), oder wenn die Körperschaft mit diesen\nLeistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe die\nsteuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht (2.\nAlternative).\n\n34\n\n \n\nDer Gesetzeswortlaut der 1. Alternative entspricht der Begründung des\nGesetzentwurfs (BTDrucks 16/2712, 75), nach der eine z.B. gemeinnützige\nKörperschaft den ermäßigten Steuersatz nicht für die Leistungen eines\nZweckbetriebs in Anspruch nehmen kann, die in erster Linie dazu bestimmt sind,\nder Körperschaft zusätzliche Einnahmen durch solche Leistungen zu verschaffen,\ndie auch andere (nicht steuerbegünstigte) Unternehmer ausführen können.\n\n35\n\n \n\nBei der Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist seit 1993 auch das\ndieser Steuersatzermäßigung zugrunde liegende Unionsrecht zu beachten. Beim\nInkrafttreten des UStG 1980 war das Unionsrecht für die Anordnung ermäßigter\nSteuersätze durch das nationale Recht weitgehend bedeutungslos. Denn Art. 12\nAbs. 4 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur\nHarmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die\nUmsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) regelte bei seinem Inkrafttreten\nlediglich, dass bestimmte Lieferungen und bestimmte Dienstleistungen erhöhten\noder ermäßigten Sätzen unterworfen werden konnten (BFH, Urteil vom 23.07.2019\nXI R 2/17, BFH/NV 2020, 69).\n\n36\n\n \n\nZu einer Einschränkung der für die Mitgliedstaaten bestehenden\nRegelungsbefugnisse kam es aber durch Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H\nder Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom\n19.10.1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur\nÄnderung der Richtlinie 77/388/EWG - Annäherung der Mehrwertsteuer-Sätze -\n(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 316, S. 1) mit Wirkung zum\n01.01.1993. Diese Einschränkungen gelten nach dem im Streitjahr zu beachtenden\nArt. 98 i.V.m. Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006\nüber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) fort (BFH, Urteil vom\n23.07.2019 XI R 2/17, BFH/NV 2020, 69).\n\n37\n\n \n\nDanach können die Mitgliedstaaten zwar einen oder zwei ermäßigte Steuersätze\nanwenden (Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL). Die ermäßigten Steuersätze sind aber\n„nur" auf die Lieferungen und Dienstleistungen der im Anhang III MwStSystRL\ngenannten Kategorien anwendbar (Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL). Dabei besteht für\ndie Mitgliedstaaten nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL die Befugnis, für die\nsteuerpflichtigen Leistungen der „von den Mitgliedstaaten anerkannte[n]\ngemeinnützige[n] Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der\nsozialen Sicherheit" einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden (BFH, Urteil vom\n23.07.2019 XI R 2/17, BFH/NV 2020, 69).\n\n38\n\n \n\nAuf dieser Grundlage dürfen die Mitgliedstaaten insbesondere „nicht auf alle\ngemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden ...,\nsondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl\ngemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen\nSicherheit tätig sind" (EuGH, Urteil vom 17.06.2010 C-492/08, Rs.\nKommission/Frankreich, UR 2010, 662, Rz 43; BFH, Urteil vom 10.08.2016 V R\n11/15, BStBl II 2018, 113). Daraus folgt, dass zumindest andere als\ngemeinnützige Leistungen unionsrechtlich vom Anwendungsbereich der\nSteuersatzermäßigung für gemeinnützige Körperschaften von vornherein\nausgeschlossen sind (BFH, Urteil vom 10.08.2016 V R 11/15, BStBl II 2018, 113;\nBFH, Urteil vom 23.07.2019 XI R 2/17, BFH/NV 2020, 69 m.w.N.). Für nicht\noriginär gemeinnützige Leistungen sieht das EU-Recht keine\nSteuersatzermäßigung vor (BFH, Urteil vom 23.07.2019 XI R 2/17, BFH/NV 2020,\n69).\n\n39\n\n \n\nDies führt einerseits dazu, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG nicht\nmit Unionsrecht vereinbar ist, weil einer unionsrechtskonformen Auslegung des\nSatzes 1 der Wortlaut der Vorschrift entgegen steht (vgl. BFH, Urteile vom\n08.03.2012 V R 14/11, BStBl II 2012, 630; vom 24.09.2014 V R 11/14, BFH/NV\n2015, 528; vom 23.07.2019 XI R 2/17, BFH/NV 2020, 69), und andererseits dazu,\ndass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 und 3 UStG, soweit sie zur Anwendung\ndes Regelsteuersatzes führen, weit auszulegen sind (vgl. BFH, Urteile vom\n08.03.2012 V R 14/11, BStBl II 2012, 630; vom 23.07.2019 XI R 2/17, BFH/NV\n2020, 69).\n\n40\n\n \n\nb) Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegen im Streitfall die streitigen\nVerpflegungsleistungen sowie die Umsätze aus der Vermietung der Tagungs- und\nSeminarräume inklusive Technik an Nichtmitglieder des Klägers nicht dem\nermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG.\n\n41\n\n \n\nZwar erfüllen diese Leistungen des Klägers die im Hinblick auf den leistenden\nUnternehmer bestehenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1\nUStG. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Leistungen an Nichtmitglieder des\nKlägers bzw. an nicht der …-Bewegung zuzurechnenden Gäste in einem\nselbständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erbracht werden, der nicht\nZweckbetrieb nach § 65 AO ist, so dass die streitigen Verköstigungsumsätze und\nVermietungsumsätze an diesen Personenkreis bereits aus diesem Grund der\nBesteuerung nach dem Regelsteuersatz unterliegen. Jedenfalls liegen für die\nstreitigen Verpflegungsleistungen an alle Gäste sowie für die streitigen\nVermietungsleistungen bezüglich der Seminar- und Tagungsräume an\nNichtmitglieder des Klägers die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst.\na Satz 3 UStG nicht vor.\n\n42\n\n \n\nDie Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 1. Alternative UStG\nsind - bei der nach den vorgenannten Ausführungen gebotenen weiten Auslegung -\nnicht erfüllt. Mit den streitigen Leistungen erzielte der Kläger in erster\nLinie zusätzliche Einnahmen. Außerdem tritt der Kläger mit den streitigen\nLeistungen in Wettbewerb mit anderen Unternehmern, die vergleichbare\nLeistungen anbieten und deren Leistungen – mit Ausnahme der\nBeherbergungsleistungen - dem Regelsteuersatz unterliegen. Hierfür spricht\nbereits der Internetauftritt des Klägers bzw. des S e.V. in den Streitjahren.\nDanach bietet der Kläger bzw. bot der S e.V. seine Leistungen nicht\nausschließlich für kirchliche Zwecke an, sondern wirbt bzw. warb für seine\nLeistungen wie nicht begünstigte Unternehmer. Die Tagungsräume einschließlich\nder hierin vorhandenen Technik werden nicht ausschließlich für Ausbildungs-\noder Fortbildungsmaßnahmen von Priestern genutzt, sondern können gegen ein\nentsprechendes Entgelt auch für andere Veranstaltungen wie z. B. für private\nFeiern oder auch geschäftliche Veranstaltungen gemietet werden. Die Mahlzeiten\nfür Übernachtungs- und Tagungsgäste werden als Buffet ähnlich wie in Hotels,\nVeranstaltungsorten oder auch Restaurants angeboten.\n\n43\n\n \n\nOhne Erfolg beruft sich der Kläger insoweit auf seine Satzung und dem hierin\nfestgelegten kirchlichen Zweck des Verkündigungsauftrags, wozu auch\nGastfreundschaft gehöre. Denn die oben dargelegte unionsrechtliche\nHarmonisierung der Steuersatzermäßigungen ist auch bei der Auslegung der\nabgabenrechtlichen Begriffe und somit auch bei der Auslegung der\nZweckbetriebsdefinitionen der §§ 65 ff AO und damit insbesondere bei der\nBestimmung der Reichweite der Steuersatzermäßigungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8\nBuchst. a UStG zu berücksichtigen (vgl. BFH, Urteil vom 10.08.2016 V R 11/15,\nBStBl II 2018, 113). Dabei ist zu beachten, dass sich die Anwendung des\nermäßigten Steuersatzes unionsrechtlich auf die Leistungen der von den\nMitgliedstaaten anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen für wohltätige Zwecke\nund im Bereich der sozialen Sicherheit beschränkt.\n\n44\n\n \n\nEntscheidend ist im Streitfall, dass der Kläger die streitgegenständlichen\nLeistungen auf dem Markt anbietet, hierfür ein Entgelt verlangt und er daher\nmit diesen Leistungen in Wettbewerb zu anderen Unternehmern (z.B. Hotels,\nRestaurants, Tagungsstätten) tritt, die vergleichbare Verpflegungsleistungen\nund Vermietungsleistungen bezüglich der Tagungsräume ohne Anspruch auf\nErmäßigung am Markt anbieten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die\nAusführungen des Beklagten in der angefochtenen Einspruchsentscheidung\nverwiesen.\n\n45\n\n \n\nDie Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 2. Alternative UStG\nliegen ebenfalls nicht vor. Zum einen unterhält der Kläger bzw. unterhielt der\nS e.V. keinen in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetrieb, sondern der\nKläger bzw. der S e.V. könnte lediglich einen Zweckbetrieb nach den\nallgemeinen Merkmalen des § 65 AO unterhalten bzw. in den Streitjahren\nunterhalten haben. Zudem war der satzungsmäßige Zweck des S e.V. im Streitfall\ndie Unterstützung der Zielsetzungen des internationalen …-Werkes, insbesondere\nder weltweiten priesterlichen Mitarbeit im internationalen …-Werk durch die\nberufliche Aus- und Fortbildung von Priestern, durch die Wahrnehmung der\nInteressen des priesterlichen Berufsstandes sowie durch soziale\nBildungsmaßnahmen und Berufsbegleitung im seelsorgerischen Einsatz und durch\nsozial-caritativen Dienst. Die Vermietung von Seminar- bzw. Tagungsräumen an\nNichtmitglieder sowie der Verkauf von Gastronomieleistungen mögen zwar der\nVerwirklichung dieser Zwecke gedient haben; diese streitigen Leistungen sind\njedoch bei der gebotenen engen Auslegung dieser Vorschrift nicht als\n„Selbstverwirklichung“ der satzungsmäßigen Zwecke anzusehen.\n\n46\n\n \n\nc) Mangels getrennter Aufzeichnungen der Umsätze aus der Beherbergung und der\nVerpflegung der Übernachtungsgäste (Konto # 8300) hat der Beklagte die\nUmsätze, die auf die Verpflegung der Gäste entfallen, auf 59.605 € geschätzt.\nNach der im Klageverfahren vorgelegten Aufstellung entfällt jedoch von dem auf\ndem Konto # 8300 gebuchten Gesamterlös in Höhe von 258.928,88 € ein Teilbetrag\nin Höhe von 83.351,45 € auf die Verpflegungsleistungen.\n\n47\n\n \n\nEiner Änderung des angefochtenen Bescheides zum Nachteil des Klägers steht\njedoch das im Klageverfahren aus § 96 FGO und aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs.\n3 GG abgeleitete Verböserungsverbot entgegensteht (BFH, Beschluss vom\n10.03.2016 X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042).\n\n \n\n \n\n3.\n\n48\n\n \n\nDie Umsätze aus der Überlassung der Tagungs- und Seminarräume an Mitglieder\ndes Klägers sind mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst.\na UStG zu versteuern.\n\n49\n\n \n\nInsoweit liegen die Voraussetzungen einer Steuersatzermäßigung vor. Diese\nLeistungen entsprechen den satzungsmäßig steuerbegünstigten Zwecken des\nKlägers, nämlich der beruflichen Aus- und Fortbildung von Priestern sowie der\nsozialen Bildungsmaßnahmen im seelsorgerischen Einsatz und sozial-caritativen\nDienst.\n\n50\n\n \n\nDie Steuersatzermäßigung für diese Leistungen in Höhe von rund 589 € (= 84 v.\nH. von 701,13 €, Konto # 8303) führt im Streitfall jedoch nicht zu einer\nÄnderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr. Denn dieser Änderung\nzugunsten des Klägers (Erhöhung der Umsätze zum ermäßigten Steuersatz und\ngleichzeitig Minderung der Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 589 €)\nsteht die unter Ziffer 2 Buchstabe c der Entscheidungsgründe dargelegte\nÄnderung zum Nachteil des Klägers (Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz\nund gleichzeitig Minderung der Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von\n23.746 €), die wegen des Verböserungsverbots im Klageverfahren nicht möglich\nist, entgegen.\n\n \n\n4.\n\n51\n\n \n\nDie vom Finanzamt vorgenommene Kürzung des Vorsteuerabzugs ist nicht zu\nbeanstanden. Der Kläger kann die beantragten Vorsteuerbeträge nur abziehen,\nsoweit sie für Leistungen angefallen sind, die seinem unternehmerischen\nBereich zuzuordnen sind. Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge für den\nideellen Bereich. Soweit die Zuordnung nicht möglich ist, sind die nicht\nabziehbaren Teilbeträge im Wege der Schätzung zu ermitteln (§ 96 Abs. 1 FGO, §\n162 AO).\n\n52\n\n \n\na) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich\ngeschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem\nanderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als\nVorsteuerbetrag abziehen; dabei setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus,\ndass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung\nbesitzt.\n\n53\n\n \n\nDiese Vorschrift beruht auf Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom\n28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL),\nwonach der Steuerpflichtige, der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke\nseiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete\noder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm\nvon einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der\nvon ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Das Recht auf Abzug der gesamten\nVorsteuer, die die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine\nAusgangsleistungen belastet, besteht nach der MwStSystRL, sofern es sich bei\nsämtlichen Umsätzen, die dieser Steuerpflichtige im Rahmen seiner\nwirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, um besteuerte Umsätze handelt. Die\nVorsteuer auf Aufwendungen eines Steuerpflichtigen kann jedoch nicht zum Abzug\nberechtigen, soweit sie sich auf Tätigkeiten bezieht, die aufgrund ihres\nnichtwirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der MwStSystRL\nfallen (vgl. zur Vorgängerregelung des Artikel 17 der Richtlinie 77/388/EWG:\nEuGH, Urteil vom 13.03.2008 C-437/06, Rs. Securenta, DStR 2008, 615, Rn. 28\nff).\n\n54\n\n \n\nSoweit die von einem Steuerpflichtigen bezogenen Gegenstände oder\nDienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze\nverwendet werden, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst\nwerden, kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum\nAbzug der Vorsteuer kommen (vgl. EuGH, Urteile vom 30.03.2006 C-184/04, Rs\nUudenkaupungin kaupunki, DStRE 2006, 619, Rn. 24; vom 14.09.2006 C-72/05, Rs\nWollny, BStBl II 2007, 32, Rn. 20; vom 12.02.2009 C-515/07, Rs VNLTO, DStR\n2009, 369, Rn. 28). Dementsprechend berechtigen Aufwendungen eines\nSteuerpflichtigen nicht zum Vorsteuerabzug, wenn sich diese auf Tätigkeiten\nbeziehen, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichen Charakters nicht in den\nAnwendungsbereich der MwStSystRL fallen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.03.2008\nC-437/06, Rs. Securenta, DStR 2008, 615, Rn. 30).\n\n55\n\n \n\nFür den Fall, dass ein Steuerpflichtiger zugleich steuerpflichtige\nwirtschaftliche Tätigkeiten und nichtwirtschaftliche - also nicht in den\nAnwendungsbereich der MwStSystRL fallende - Tätigkeiten ausübt, ist der Abzug\nder Vorsteuer auf Aufwendungen nur insoweit zulässig, als diese Aufwendungen\nder wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind (EuGH,\nUrteil vom 13.03.2008 C-437/06, Rs. Securenta, DStR 2008, 615, Rn. 28 ff).\n\n56\n\n \n\nDieser Abgrenzung nach der Umsatztätigkeit des Unternehmers\n(Steuerpflichtigen) entspricht die Rechtsprechung des BFH, nach der ein\nUnternehmer wie z.B. ein Verein, der einerseits in einem wirtschaftlichen\nTätigkeitsbereich steuerbare Leistungen erbringt und andererseits in\nnichtwirtschaftlicher Weise seinen ideellen Vereinszweck verfolgt, ohne dabei\nsteuerbare Leistungen zu erbringen, nur hinsichtlich seines wirtschaftlichen\nTätigkeitsbereichs zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (BFH, Urteil vom\n06.05.2010 V R 29/09, BStBl II 885).\n\n57\n\n \n\nb) Für den Streitfall sind nach diesen Grundsätzen von den insgesamt\nangefallenen und verbuchten Vorsteuerbeträgen in Höhe von 50.274,74 € zunächst\ndie Beträge abzugsfähig, die der unternehmerischen Sphäre des Klägers bzw. des\nS e.V. eindeutig zuzuordnen sind. Dies sind Vorsteuerbeträge, die bei den\nAusgaben für den Beherbergungsbetrieb „M“, für die Gastronomie der Gäste und\nfür die Vermietung der Veranstaltungsräume an Nichtmitglieder des Klägers als\ndem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angefallen sind. In diesem Zusammenhang\nhat der Umsatzsteuersonderprüfer direkt dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb\nzuordenbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 4.691,92 € ermittelt.\n\n58\n\n \n\nNicht abzugsfähig sind die Vorsteuerbeträge, die eindeutig dem ideellen\nBereich des Klägers bzw. des S e.V. zuordenbar sind. Dies sind die im\nZusammenhang mit der Instandhaltung und der Renovierung der beiden Kapellen\nangefallenen Vorsteuern in Höhe von 13.673,97 € sowie weitere Beträge von\n554.55 €, weil diese Kosten die nichtunternehmerische Sphäre des S e.V.\nbetreffen.\n\n59\n\n \n\nSoweit der Kläger vorträgt, die Kapellen stünden insbesondere den Gästen zur\nVerfügung, rechtfertigt dies keine andere rechtliche Beurteilung. Wie oben\nausgeführt, ist die ideelle Tätigkeit, also die Tätigkeit, die nach dem\nkirchlichen Verständnis dazu dient, den Verkündigungsauftrag der Kirche\nwahrzunehmen, der nichtunternehmerischen Sphäre zuzuordnen. Zu den spezifisch\nkirchlichen Zwecken gehören nach § 54 Abs. 2 AO u. a. insbesondere die\nErrichtung, Ausschmückung und Unterhaltung von Gotteshäusern und die Abhaltung\nvon Gottesdiensten. Es kommt also für den Instandhaltungsaufwand der Kapellen\nals Gotteshäuser weder nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz noch nach der\nMwStSystRL ein Vorsteuerabzug in Betracht.\n\n60\n\n \n\nFerner sind die Teilbeträge der nicht eindeutig zuordenbaren Vorsteuern\nabzugsfähig, soweit sie den Umsätzen aus dem unternehmerischen Bereich des\nKlägers bzw. des S e.V. zuzurechnen sind (§ 15 Abs. 4 UStG). Hierbei handelt\nes sich insbesondere um die Kosten für die Pflege der Außenanlagen, für die\nReinigung, für die Wartung der technischen Anlagen, für Reparaturen und\nInstandhaltungen sowie um Energiekosten und um weitere sonstige Aufwendungen\n(z. B. Bürokosten, Buchführungskosten, Telefonkosten etc.), die zu\nVorsteuerbeträgen von insgesamt 31.124 € führen. Der Prüfer hat eine\nAufteilung nach dem Umsatzschlüssel (Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze\nzu den Gesamtumsätzen [steuerpflichtige, steuerfreie und nicht steuerbare\nUmsätze]) vorgenommen. Die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel führt zu einem\nsachgerechten Ergebnis. Danach sind die Vorsteuerbeträge von 31.124 € mit\neinem Anteil von 64,29 v.H. (insgesamt steuerpflichtige Umsätze von 269.369,80\n€ - anstatt wie vom Beklagten angenommen in Höhe von 269.594 €, was darauf\nzurückzuführen ist, dass im Umsatzsteuersonderprüfungsbericht die Umsätze aus\nÜbernachtung/Verpflegung, Konto # 8300 mit 259.153,46 € anstatt mit 258.928,88\n€ angesetzt wurden - zu den Gesamtumsätzen von 418.944,55 €) dem Zweckbetrieb\ndes Klägers bzw. des S e.V. zuzuordnen, was zu einer Anerkennung weiterer\nVorsteuerbeträge in Höhe von 20.009,62 € führt.\n\n61\n\n \n\nSoweit der Beklagte im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid abziehbare\nVorsteuerbeträge in Höhe von 24.618,36 € - anstatt in Höhe von 24.701,54 €\n(direkt zuordenbare Vorsteuern in Höhe von 4.691,92 € zzgl. Vorsteuern in Höhe\nvon 20.009,62 €) – angesetzt hat, führt dies nicht zu einer teilweisen\nKlagestattgabe. Denn dieser Änderung zu Gunsten des Klägers steht die unter\nZiffer 2 Buchstabe c der Entscheidungsgründe dargelegte Änderung zum Nachteil\ndes Klägers (Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz und gleichzeitig\nMinderung der Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von 23.746 €)\nentgegen.\n\n \n\n5.\n\n62\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.\n\n63\n\n \n\nDas Gericht hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen\ngrundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Frage, ob das Aufteilungsgebot\nnach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nach dem Urteil des EuGH in der\nRechtssache „Stadion Amsterdam“ noch anzuwenden ist, höchstrichterlich –\nsoweit ersichtlich – noch nicht geklärt ist.\n\n
332,650
ovgnrw-2020-11-04-18-b-136420
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
18 B 1364/20
2020-11-04
2020-11-07 11:00:57
2020-12-10 13:50:47
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:1104.18B1364.20.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde wird zurückgewiesen.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für\nbeide Rechtszüge auf 5.000 Euro festgesetzt.\n\n \n1\n\nG r ü n d e\n\n2\n\nDie Beschwerde ist unbegründet. Die auf die dargelegten Gründe beschränkte\nÜberprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)\nrechtfertigt nicht deren Abänderung.\n\n3\n\nDas Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass\nder vorgenommenen Verteilung in die Aufnahmeeinrichtung C. zwingende Gründe\ni.S. von § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG nicht entgegenstehen. Das dagegen\ngerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.\n\n4\n\nNach § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG ist zwingenden Gründen, die der Verteilung\nan einen bestimmten Ort entgegenstehen, bei der Verteilung Rechnung zu tragen,\nwenn sie vor Veranlassung der Verteilung nachgewiesen werden. Derartige Gründe\nsind – neben der im Gesetz beispielhaft aufgeführten Haushaltsgemeinschaft\nzwischen Ehegatten oder Eltern und ihren minderjährigen Kindern – immer dann\ngegeben, wenn höherrangiges Recht der vorgenommenen Verteilung entgegensteht.\nEine derartige Konstellation wird mit der Beschwerdebegründung nicht\ndargelegt.\n\n5\n\nDer von der Stadt L. aufgestellte Hilfeplan für die Antragstellerin zu 2., der\nnach abgeschlossenen In-Obhut-Nahmen gemäß §§ 42, 42a SGB VIII\nSozialpädagogische Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII zunächst bis zum 12.\nJanuar 2021 vorsieht, steht der erfolgten Verteilung nicht entgegen, weil\nweder dargelegt noch ersichtlich ist, dass dementsprechende Hilfen nur in L.\nund nicht auch nach der Verteilung geleistet werden können. Die dadurch ggf.\neintretende Verzögerung der weiteren Hilfegewährung ist im vorliegenden\nZusammenhang rechtlich unerheblich.\n\n6\n\nDie Beziehung der Ast. zu 2. zu ihrer Stiefmutter Frau N. , der\nLebensgefährtin des Ast. zu 1., hindert die Verteilung ebenfalls nicht.\nUnabhängig von dem Umstand, dass die Ast. zu 2. mit dieser nicht einmal\nverwandt ist, ist zu berücksichtigen, dass die Ast. zu 2. sich nach ihrer\nEinreise ins Bundesgebiet nach dem Vortrag der Antragsteller bei einer Tante\naufgehalten hat. Auch nach den im "Erstaufnahmebogen" des Jugendamtes der\nStadt L. vom Februar 2020 wiedergegebenen Äußerungen der Ast. zu 2. dürfte\neine räumliche Nähe zu Frau N. für das Kindeswohl nicht dringend erforderlich\nsein. Insbesondere findet sich dort nicht die in der Beschwerdeschrift\nzitierte Wertung der Beziehung durch die Ast. zu 2. Frau N. lebt überdies nach\neiner Bescheinigung des L1. Flüchtlingsrat E.V. vom 11. Mai 2020 mit einer\nAufenthaltsgestattung in J. . Die Frau N. durch den Ast. zu 1. erteilte\nVollmacht für Bereiche der elterlichen Sorge (Behördenangelegenheiten,\nGesundheitsfürsorge, schulische Angelegenheiten) ändert nichts an dessen\nfortbestehendem Sorgerecht.\n\n7\n\nAuf einen zwingenden Grund führt – unabhängig von dem fehlenden\nVerwandtschaftsverhältnis zwischen den in Rede stehenden Personen – auch nicht\ndie Bescheinigung der Malteser Hilfsdienste e.V. Dr. C1. vom 16. Juni 2020,\nnach der der Ast. zu 1. die Blutzuckermessung, Insulingabe,\nMedikamentenrichtung und Einnahmekontrolle für Frau N. übernimmt. Lebt Frau N.\nnach der oben angeführten Bescheinigung vom 11. Mai 2020 in J. , ist ohne eine\nInformation über erfolgte Umzüge schon nicht nachvollziehbar, wie der in L.\nwohnhafte Ast. zu 1. diese Unterstützung tatsächlich leisten kann. Abgesehen\ndavon ist davon auszugehen, dass der Unterzeichner der Bescheinigung vom 16.\nJuni 2020 nicht aus eigener Wahrnehmung von der in Rede stehenden\nUnterstützung Kenntnis hat, sondern dass er insoweit auf Angaben des Ast. zu\n1. oder der Frau N. vertraut hat, ohne deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.\n\n8\n\nDie Schulaufnahme der Ast. zu 2. am 26. Oktober 2020 ist verteilungsrechtlich\nohne Belang.\n\n9\n\nSoweit vorgetragen wird, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine für die\nAst. zu 2. bestehende Wohnsitzauflage für L. unberücksichtigt geblieben sei\nund die Antragsteller zunächst der Erstaufnahmeeinrichtung N1. zugewiesen und\ndann in die Erstaufnahmeeinrichtung in C. verteilt worden seien, fehlt es an\nder gebotenen Darlegung, weshalb diese Umstände die Rechtmäßigkeit der\nangefochtenen Verteilung in Frage stellen sollen.\n\n10\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung\nberuht auf §§ 47 Abs. 1 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 GKG. Die Änderungsbefugnis\nberuht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.\n\n11\n\nAus gegebenem Anlass ist im Hinblick auf die Streitwertpraxis des\nVerwaltungsgerichts in Verfahren der vorliegenden Art auf Folgendes\nhinzuweisen:\n\n12\n\nNach § 52 Abs. 1 GKG ist u.a. in Verfahren vor den Gerichten der\nVerwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des\nKlägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen,\nsoweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 52 Abs. 2 GKG ist ein Streitwert\nvon 5.000 Euro anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung\ndes Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.\n\n13\n\n§ 52 Abs. 2 GKG kommt danach zur Anwendung, wenn eine Bemessung des\nStreitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG nicht in Betracht kommt. Von dieser\nKonstellation gehen das Bundesverwaltungsgericht und neben dem Senat auch die\nMehrzahl der übrigen Oberverwaltungsgerichte im Falle eines Rechtsstreits um\neine Verteilungsentscheidung nach § 15a AufenthG aus. In einem Verfahren des\nvorläufigen Rechtsschutzes ist dieser Streitwert zu halbieren.\n\n14\n\nVgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 2016 – 1 B 44.16 –, juris Rn. 9; BayVGH,\nBeschluss vom 27. Mai 2019 – 10 CS 19.678 –, juris Rn. 10; SächsOVG, Beschluss\nvom 21. Februar 2019 – 3 E 5/19 –, juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg,\nBeschluss vom 3. August 2018 – OVG 2 S 7.18,OVG 2 M 5.18 –, juris Rn. 15; OVG\nHamburg, Beschluss vom 27. August 2015 – 1 Bs 159/15 –, juris Rn. 13; OVG\nSachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Oktober 2014 – 2 L 152/13 –, juris Rn. 20.;\nvgl. auch Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs.\n\n15\n\nDie von der Kammer zitierte Rechtsprechung des OVG Bremen,\n\n16\n\nBeschluss vom 21. Oktober 2016 – 1 S 249/16 –, juris R. 7 f.,\n\n17\n\ngibt keinen Anlass zu einer abweichenden Betrachtung. Richtig ist zwar, dass\nnach dem zitierten Streitwertkatalog der volle Auffangwert für Klageverfahren\nanzusetzen ist, die einen Aufenthaltstitel oder eine Ausweisung betreffen.\nDies bedeutet aber nicht, dass für Klageverfahren betreffend eine\nVerteilungsentscheidung ein geringerer Streitwert angesetzt werde dürfte, weil\ndiese lediglich eine zuständigkeitsrechtliche Vorfrage beträfen.\n\n18\n\nSo aber OVG Bremen, a.a.O. Rn. 7.\n\n19\n\nNach dem eindeutigen Wortlaut des § 52 Abs. 2 GKG ist unter den dort genannten\nVoraussetzungen der Auffangwert anzusetzen. Dies hat zur Konsequenz, dass\ndieser – kommt eine Bemessung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG nicht in\nBetracht – für Verfahren ganz unterschiedlicher Art maßgeblich ist. Eine\nAbstufung des Streitwerts kommt im Rahmen von § 52 Abs. 2 GKG – anders als bei\n§ 52 Abs. 1 GKG – vorbehaltlich der auf einer breiten Anwendungspraxis\nberuhenden Ausnahmen im Streitwertkatalog nicht in Betracht. Dementsprechend\nwird nach allgemeiner Meinung bei der Streitwertfestsetzung auch nicht etwa\nnach der Art eines begehrten Titels differenziert, obgleich diese – wie etwa\nder Vergleich zwischen einer Niederlassungserlaubnis und einer\nAufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zeigt – von ganz\nunterschiedlichem Gewicht sein können. Abgesehen davon fügt sich die von der\nüberwiegenden Rechtsprechung praktizierte Streitwertbemessung in\nVerteilungsstreitigkeiten ohne Weiteres in die Streitwertpraxis in\nvergleichbaren Verfahren betreffend Wohnsitzauflagen und räumliche\nBeschränkungen ein, bei denen der Streitwert ebenfalls auf 5.000 Euro/2.500\nEuro festgesetzt wird.\n\n20\n\nVgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 1 C 5.16 –, juris Rn. 3; OVG NRW,\nUrteil vom 21. November 2013 – 18 A 1291/13 –; NdsOVG, Beschluss vom 17. Mai\n2016 – 8 LA 40/16 –, juris; OVG Bremen, Urteil vom 6. Mai 2020 – 2 B 158/19 –,\njuris Rn. 14; BayVGH, Beschluss vom 9. September 1999 – 10 ZE 99.2606 –, juris\nRn. 4.\n\n21\n\nIm Ergebnis nichts anderes gilt, wenn man für die Streitwertfestsetzung im\nvorliegenden Fall mit dem Verwaltungsgericht und dem von diesem zitierten\nOberverwaltungsgericht von § 52 Abs. 1 GKG ausgehen wollte.\n\n22\n\nEine Bestimmung der Bedeutung der Sache für den Kläger/Antragsteller in\nvergleichender Orientierung am Auffangstreitwert in Verfahren betreffend die\nErteilung eines Aufenthaltstitels scheidet aus, weil die jeweiligen\nStreitgegenstände wesensverschieden und deshalb eine Abstufung zwischen ihnen\nnicht möglich ist.\n\n23\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
332,676
vg-freiburg-2020-09-28-10-k-251720
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
10 K 2517/20
2020-09-28
2020-11-07 11:01:14
2020-12-10 13:40:23
Beschluss
## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung der Klage - 10 K 2516/20 - des Antragstellers gegen\ndie Abschiebungsandrohung im Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom\n26.06.2020 wird angeordnet.\n\nDer Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28.07.2020 gegen die\nAbschiebungsandrohung im Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom\n26.06.2020 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 2\nSatz 2 VwGO, § 12 Satz 1 LVwVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.\nInsbesondere ist die Klage fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 74\nAbs. 1 Satz 2 VwGO erhoben worden, nachdem der streitgegenständliche Bescheid\ndem ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen\nEmpfangsbekenntnis am 02.07.2020 zugestellt worden ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das private Interesse des Antragstellers, bis zum rechtskräftigen Abschluss\nder Hauptsache von einer Abschiebung nach Nigeria verschont zu bleiben,\nüberwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der\nAbschiebungsandrohung. Dies folgt aus der im Verfahren auf Gewährung\nvorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach-\nund Rechtslage. Nach dieser spricht Überwiegendes dafür, dass die Klage des\nAntragstellers gegen die Abschiebungsandrohung Aussicht auf Erfolg hat. \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Die Abschiebungsandrohung dürfte bereits in formeller Hinsicht\nrechtswidrig sein. Denn das Regierungspräsidium Karlsruhe dürfte nicht die für\nihren Erlass zuständige Behörde sein. Nach § 71 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 8\nAbs. 1 Nr. 2 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO ist das Regierungspräsidium Karlsruhe\nzwar bei vollziehbar ausreisepflichtigen sonstigen Ausländern landesweit\ninsbesondere für den Erlass von Abschiebungsandrohungen zuständig. Bei dem\nAntragsteller handelt es sich jedoch voraussichtlich nicht um einen\nvollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer. Es greifen vielmehr die allgemeinen\nZuständigkeitsregeln nach § 71 Abs. 1 AufenthG i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2\nAAZuVO. Danach ist die untere Ausländerbehörde des gewöhnlichen Aufenthalts\ndes Ausländers unter anderem für den Erlass von Abschiebungsandrohungen im\nZusammenhang mit der Ablehnung von Anträgen auf Erteilung von\nAufenthaltstiteln zuständig. Da der Antragsteller in Lörrach seinen Wohnsitz\ngenommen hat und er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Abkommen\nvom 21.06.1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren\nMitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft\nandererseits über die Freizügigkeit (BGBl. II 2001 S. 810 - FreizügkAbk\nEU/Schweiz -) begehrt, ist allein die Stadt Lörrach für den Erlass einer\nAbschiebungsandrohung zuständig (s. zum Ganzen unter Ziff. 2.b.bb.). \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Nach summarischer Prüfung dürfte sich die Abschiebungsandrohung auch in\nmateriell-rechtlicher Hinsicht als rechtswidrig erweisen. \n--- \n| 6 \n--- \n| a. Rechtsgrundlage der verfügten Abschiebungsandrohung ist § 59 Abs. 1 Satz\n1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen\nFrist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen.\nDabei muss weder die Abschiebung im Sinne des § 58 Abs. 1 AufenthG selbst\nvollziehbar sein noch - unter Berücksichtigung der Vorgaben der\nRückführungsrichtlinie 2008/115/EG - die Ausreisepflicht (vgl. VGH Baden-\nWürttemberg, Beschluss vom 29.04.2013 - 11 S 581/13 - juris Rn. 21; Kluth, in:\nBeckOK AuslR, 26. Ed. 01.07.2019, AufenthG, § 59 Rn. 7 ff., insb. Rn. 10;\nDollinger, in: Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 59 Rn. 14). \n--- \n| 7 \n--- \n| b. Der Antragsteller dürfte nicht ausreisepflichtig sein. Nach § 50 Abs. 1\nAufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen\nerforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein\nAufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht\nmehr besteht. Vorliegend verfügt der Antragsteller zwar weder über einen\nAufenthaltstitel noch über ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen\nEWG/Türkei. Ein Aufenthaltstitel wurde ihm in Deutschland nie erteilt. In der\nVergangenheit wurde er lediglich geduldet. Er ist auch nicht vom Erfordernis\neines Aufenthaltstitels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AufenthG i. V. m. §\n28 Satz 1 AufenthV befreit (aa.). Allerdings dürfte er nach überschlägiger\nPrüfung der Sach- und Rechtslage solange nicht ausreisepflichtig sein, wie ihm\ndie Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Rechts aus Art. 4,\nArt. 7 Buchst. d) FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3\ndes Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz nicht amtlich mitgeteilt wurde (bb.). \n--- \n| 8 \n--- \n| aa. Der Antragsteller ist nicht vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach\n§ 4 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Var. 2 AufenthG i. V. m. § 28 Satz 1 AufenthV\nbefreit. Nach diesen Vorschriften sind allein Staatsangehörige der Schweiz\nnach Maßgabe des FreizügkAbk EU/Schweiz vom Erfordernis eines\nAufenthaltstitels befreit. In den Genuss dieses - rein deklaratorischen -\nRechts aus § 28 AufenthV kommen folglich unmittelbar nur die Ehefrau und die\nzwei Kinder des Antragstellers, nicht aber der Antragsteller selbst, der die\nnigerianische Staatsangehörigkeit besitzt. \n--- \n| 9 \n--- \n| bb. Der Antragsteller dürfte allerdings solange nicht ausreisepflichtig\nsein, wie ihm die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Rechts\naus Art. 4, Art. 7 Buchst. d) FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 3 Abs. 1\nSatz 1, Abs. 3 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz nicht amtlich mitgeteilt\nwurde. \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach Art. 4 FreizügkAbk EU/Schweiz wird das Recht auf Aufenthalt und Zugang\nzu einer Erwerbstätigkeit vorbehaltlich des Artikels 10 nach Maßgabe des\nAnhangs I eingeräumt. Nach Art. 7 Buchst. d) FreizügkAbk EU/Schweiz, Art. 1\nAbs. 1 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz ist dabei nicht nur den\nStaatsangehörigen der anderen Vertragsparteien, sondern unter anderem auch\nderen Familienangehörigen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 des Anhangs I FreizügkAbk\nEU/Schweiz ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit die Einreise in ihr\nHoheitsgebiet gegen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses\ngestatten. Nach Art. 2 Abs. 1 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz haben die\nStaatsangehörigen einer Vertragspartei unbeschadet der für die Übergangszeit\ngemäß Art. 10 FreizügkAbk EU/Schweiz und Kapitel VII des Anhangs I FreizügkAbk\nEU/Schweiz geltenden Bestimmungen das Recht, sich nach Maßgabe der Kapitel II\nbis IV im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufzuhalten und dort eine\nErwerbstätigkeit auszuüben. Zum Nachweis dieses Rechts wird eine\nAufenthaltserlaubnis erteilt oder eine Sonderbescheinigung für Grenzgänger\nausgestellt. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz\nhaben die Familienangehörigen einer Person, die Staatsangehörige einer\nVertragspartei ist und ein Aufenthaltsrecht hat, das Recht, bei ihr Wohnung zu\nnehmen. Nach Art. 3 Abs. 3 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz dürfen die\nVertragsparteien für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für\nFamilienangehörige eines Staatsangehörigen einer Vertragspartei nur die dort\nausdrücklich unter Buchst. a) bis c) genannten Unterlagen verlangen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Offen bleiben kann vorliegend, ob dem Antragsteller nach diesen Maßgaben ein\nAufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht. So ist er zwar im\nSinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz\nFamilienangehöriger von schweizerischen Staatsangehörigen. Seine\nschweizerische Ehefrau und seine zwei minderjährigen schweizerischen Kinder\nsind auch in die Bundesrepublik Deutschland gezogen. Ferner hat der\nAntragsteller gemeinsam mit ihnen in Lörrach Wohnung genommen. Da seine\nEhefrau - weiterhin - in der Schweiz einer abhängigen Beschäftigung nachgeht,\ndürfte sie entweder - jedenfalls formal - eine abhängig beschäftigte\nGrenzgängerin im Sinne des Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz\nsein, die gemäß Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift keine\nAufenthaltserlaubnis benötigt, oder sie ist eine Person, die keine\nErwerbstätigkeit im Aufenthaltsstaat ausübt im Sinne des Art. 24. Abs. 1 des\nAnhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz. Nur in letzterem Falle würde die Ehefrau des\nAntragstellers der ausgestellten Aufenthaltserlaubnis (VAS 83 f.) bedürfen.\nAuch dürfte der Antragsteller die nach Art. 3 Abs. 3 des Anhangs I FreizügkAbk\nEU/Schweiz erforderlichen Unterlagen für die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis vorgelegt haben (VAS 9-23). \n--- \n| 12 \n--- \n| Allerdings könnte fraglich sein, ob sich der Antragsteller überhaupt auf das\nEinreise- und Aufenthaltsrecht nach dem FreizügkAbk EU/Schweiz berufen kann.\nGegen die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des FreizügkAbk\nEU/Schweiz könnte der Sinn und Zweck des FreizügkAbk EU/Schweiz sprechen,\ndemnach Freizügigkeit für EU-Bürger in der Schweiz und für Schweizer Bürger in\nden Mitgliedstaaten der EU hergestellt werden soll (vgl. Hailbronner, in:\nDauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Werkstand: 49. EL November\n2019, D.I. Grundregeln Rn. 22). Sinn und Zweck des FreizügkAbk EU/Schweiz\ndürfte es demgegenüber nicht sein, dass der Antragsteller durch dessen\nAnwendung bessergestellt ist, als er stünde, wenn er mit seiner\nschweizerischen Familie weiterhin in der Schweiz wohnen würde (vgl. zu den\nZielen des FreizügkAbk EU/Schweiz Zeitler, HTK-AuslR / EU-Recht /\nFreizügigkeitsabkommen EU/Schweiz, Stand: 18.11.2016, Rn. 5). Dies folgt aus\ndem Diskriminierungsverbot des Art. 2 FreizügkAbk EU/Schweiz, das allein eine\nSchlechterstellung des Staatsangehörigen einer Vertragspartei in dem\nHoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei verbietet. Im Hinblick auf den\nFamilienangehörigen, der sein Einreise- und Aufenthaltsrecht von dem\nStaatsangehörigen einer Vertragspartei ableitet, kann nichts Anderes gelten.\nIst danach aber gerade die Ausübung der Freizügigkeit Sinn und Zweck des\nFreizügkAbk EU/Schweiz, dürfte von ihr wohl auch in materieller Hinsicht\nGebrauch gemacht werden müssen. Vorliegend bestehen Zweifel, ob die Ehefrau\ndes Antragstellers und - von ihr abgeleitet - der Antragsteller von ihrem\nRecht auf Freizügigkeit in materieller Hinsicht Gebrauch gemacht haben. Denn\nnach Aktenlage haben sie mit ihren Kindern in der Bundesrepublik Deutschland\nWohnsitz genommen, unmittelbar nachdem die schweizerische\nNiederlassungsbewilligung des Antragstellers wegen einer strafgerichtlichen\nVerurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten mit Urteil des\nSchweizerischen Bundesgerichts vom 26.08.2018 rechtskräftig widerrufen und der\nAntragsteller rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen wurde. Auch hat die\nEhefrau des Antragstellers weder eine Erwerbstätigkeit in Deutschland\nergriffen - sie arbeitet vielmehr weiterhin in der Schweiz - noch sind\nsonstige Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die die Familie zu einem Umzug\nin die Bundesrepublik Deutschland bewogen haben könnten. Folglich erscheint es\njedenfalls nicht fernliegend, dass die gesamte Familie ihren Wohnsitz nur\ndeshalb in die Bundesrepublik verlegt hat, um einer Vollstreckung der\nausländerrechtlichen Maßnahmen gegen den Antragsteller in der Schweiz zu\nentgehen. In solch einer Konstellation, in der einiges dafürspricht, dass das\nFreizügigkeitsrecht zu freizügigkeitsfremden Zwecken in Anspruch genommen\nwird, könnte ein Rechtsmissbrauch in Form der Zweckverfehlung des\nFreizügigkeitsrechts zu erwägen sein (vgl. Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG\nund § 2 Abs. 7 FreizügG/EU; vgl. weiter EuGH, Urteile vom 14.12.2000 -\nC-110/99 - juris Rn. 52 f. und vom 09.03.1999 - C-212/97 - juris Rn. 25;\nHailbronner, AuslR, 100. Akt. März 2017, § 2 FreizügG/EU Rn. 142 ff. m. w.\nN.). Im Ergebnis kann hier jedoch dahinstehen, ob sich der Antragsteller dem\nGrunde nach auf ein Einreise- und Aufenthaltsrecht nach Art. 4, Art. 7 Buchst.\nd) FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 des Anhangs I\nFreizügkAbk EU/Schweiz berufen kann. \n--- \n| 13 \n--- \n| Spätestens nachdem der Antragsteller nach telefonischer Auskunft der Stadt\nLörrach (s. den Aktenvermerk der Berichterstatterin vom 25.09.2020, GAS 75)\nunter dem 28.02.2020 einen - nicht fristgebundenen - Antrag auf Erteilung\neines Aufenthaltstitels gestellt hat, dürfte ihm die Entscheidung über die\nVerweigerung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend gemäß Art. 16 Abs. 1\nFreizügkAbk EU/Schweiz, Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz i.\nV. m. Art. 7 Satz 1 der Richtlinie 64/221/EWG (vgl. Art. 30 und 31 i. V. m.\nArt. 15 Abs. 1 bzw. Art. 27 der Richtlinie 2004/38/EG) amtlich mitzuteilen\nsein. Denn in Art. 16 Abs. 1 FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 5 Abs. 2 des\nAnhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz wird ausdrücklich auf die Richtlinie\n64/221/EWG [ABl. L 56 S. 850] Bezug genommen, die wiederum in ihrem Art. 7\nSatz 1 ausdrücklich eine amtliche Mitteilung der Entscheidung über die\nVerweigerung einer Aufenthaltserlaubnis fordert. Nichts anderes folgt aus dem\nUmstand, dass die Richtlinie 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie\n2004/38/EG [ABl. L 158 S.77] aufgehoben wurde. Denn das FreizügkAbk EU/Schweiz\nbedient sich einer statischen Verweisungstechnik (vgl. auch Art. 16 Abs. 2 des\nAnhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz). \n--- \n| 14 \n--- \n| Fehlt es an solch einer amtlich mitgeteilten Entscheidung dürfte die\nAusreisepflicht gemäß Art. 16 Abs. 1 FreizügkAbk EU/Schweiz, Art. 5 Abs. 2 des\nAnhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie\n64/221/EWG vorläufig nicht bestehen. Denn hiernach kann sich der\nFamilienangehörige, der nicht die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei\nbesitzt, bis zur Entscheidung über die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis\nvorläufig im Hoheitsgebiet aufhalten. Dass derzeit keine Ausreisepflicht\nbesteht, dürfte aufgrund des in Art. 2 FreizügkAbk EU/Schweiz verankerten\nNichtdiskriminierungsgrundsatzes und der in Art. 16 Abs. 1 FreizügkAbk\nEU/Schweiz statuierten Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht auch aus dem als\nAuslegungshilfe heranziehbaren § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU folgen. Denn nach\nArt. 2 FreizügkAbk EU/Schweiz werden Staatsangehörige einer Vertragspartei,\ndie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten,\nbei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht\naufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert. Im Hinblick auf die\nEntwicklung dieses Freizügigkeitsrechts ist in Art. 16 Abs. 1 FreizügkAbk\nEU/Schweiz festgehalten, dass die Vertragsparteien alle erforderlichen\nMaßnahmen treffen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und\nPflichten wie in den Rechtsakten der Gemeinschaft, auf die Bezug genommen\nwird, Anwendung finden. Folglich wird den Schweizer Bürgern ein im\nWesentlichen dem EU-Freizügigkeitsrecht entsprechendes Recht auf Einreise und\nAufenthalt eingeräumt. Damit dürfte es aber einer in einem förmlichen\nVerfahren ergangenen Feststellung des Nichtbestehens bzw. der Verweigerung des\nRechts auf Aufenthalt nach Art. 4, Art. 7 Buchst. d) FreizügkAbk EU/Schweiz i.\nV. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz\nbedürfen (vgl. Hailbronner, AuslR, 100. Akt. März 2017, § 7 FreizügG/EU Rn. 4,\n14; VG Bayreuth, Beschluss vom 14.02.2019 - B 6 S 19.74 - juris Rn. 26 jew. m.\nw. N.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Stadt Lörrach hat der Kammer\nauf eine entsprechende Nachfrage mitgeteilt, über den Antrag des\nAntragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bislang nicht\nentschieden zu haben. \n--- \n| 15 \n--- \n| Dass der Antragsteller für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland\nkein Einreisevisum besaß - welches nach Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 des\nAnhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz für Familienangehörige, die nicht die\nStaatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzen, verlangt werden darf -,\ndürfte nicht dazu führen, dass eine Feststellung des Nichtbestehens bzw. der\nVerweigerung des Aufenthaltsrechts entbehrlich wäre. Denn das Erfordernis\neiner amtlichen Mitteilung gemäß Art. 16 Abs. 1 FreizügkAbk EU/Schweiz, Art. 5\nAbs. 2 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 7 Satz 1 der\nRichtlinie 64/221/EWG gilt dem Wortlaut und Telos nach einschränkungslos für\njede Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis. Dies dürfte ungeachtet des Art.\n1 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz gelten, wonach\ndie betreffende Vertragspartei diesen Personen alle Erleichterungen für die\nBeschaffung der gegebenenfalls benötigten Visa gewähren. Im Übrigen dürfte die\nLegalität der Einreise für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem\nWortlaut der Art. 4, Art. 7 Buchst. d) FreizügkAbk EU/Schweiz i. V. m. Art. 3\nAbs. 1 Satz 1, Abs. 3 des Anhangs I FreizügkAbk EU/Schweiz wohl keine\nVoraussetzung sein. \n--- \n| 16 \n--- \n| Über das Erfordernis einer förmlichen Nichtbestehens- bzw.\nVerweigerungsentscheidung dürfte schließlich wohl ebenfalls nicht\nhinweghelfen, dass der Antragsteller von der Schweiz am 13.12.2018 nach Art.\n24 VO EG Nr. 1987/2006 (SIS II-VO) im Schengener Informationssystem zur\nEinreiseverweigerung in den Schengenraum ausgeschrieben wurde (VAS 119 ff.).\nDenn auch insofern dürfte das soeben Gesagte Geltung beanspruchen. Daneben\ndürften die auf den Einzelfall bezogenen Ausführungen des Antragsgegners,\nwonach im Falle des Antragstellers auch in der Bundesrepublik Deutschland das\nAusweisungsinteresse schwer wiege, keine weitere Bewandtnis haben. Dies dürfte\numso mehr gelten, als der Antragsgegner nicht - wie gemeinschaftsrechtlich\ngefordert - dargelegt hat, dass von der Anwesenheit des Antragstellers in\nseinem Hoheitsgebiet eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für\nein Grundinteresse der Gesellschaft ausgehe (vgl. dazu EuGH, Urteil vom\n31.01.2006 - C-503/03 - juris Rn. 52 ff.; Hailbronner, AuslR, 100. Akt. März\n2017, § 2 FreizügG/EU Rn. 99). \n--- \nII. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \nIII. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V.\nm. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.\nDabei war der Streitwert auf die Hälfte zu reduzieren, weil dem Antragsteller\nnicht bereits zuvor legal eine längere Aufenthaltsperspektive eröffnet worden\nwar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 19.07.2019 - 11 S 1812/19 -\njuris Rn. 5 f. und vom 24.09.2007 - 11 S 561/07 - juris Rn. 11). \n---\n\n
332,693
ovgni-2020-11-03-2-nb-25120
601
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
ovgni
Niedersachsen
2 NB 251/20
2020-11-03
2020-11-10 11:00:34
2020-12-10 13:50:47
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 29. April 2020 geändert.\n\n \n\nDie Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,\n\n \n\n1\\. innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eine Rangfolge\nunter den Antragstellerinnen und Antragstellern der Beschwerdeverfahren\n\n \n\n**2 NB 250/20, 2 NB 251/20, 2 NB 252/20,** \n**2 NB 253/20, 2 NB 255/20, 2 NB 256/20** \n**und 2 NB 260/20**\n\n \n\nauszulosen und\n\n \n\n2\\. diejenige Antragstellerin bzw. denjenigen Antragsteller nach den\nRechtsverhältnissen des Sommersemesters 2020 vorläufig zum Studium der\nHumanmedizin im 1. Fachsemester auf einen Teilstudienplatz zuzulassen,\n\n \n\na) auf die bzw. den bei der Verlosung der 1. Rangplatz entfällt\n\n \n\nb) und die bzw. der innerhalb von zwei Wochen, nachdem ihr bzw. ihm die\nZuweisung des Studienplatzes im Wege der Zustellung durch\nPostzustellungsurkunde bekannt gegeben worden ist, bei der Antragsgegnerin die\nvorläufige Immatrikulation beantragt und hierbei an Eides Statt versichert\nhaben, dass sie bzw. er an keiner anderen Hochschule im Bundesgebiet vorläufig\noder endgültig zum Studium der Humanmedizin auf einen Studienplatz zugelassen\nist, sowie\n\n \n\n3\\. nach Maßgabe der gemäß Ziffer 1. ausgelosten Reihenfolge von den nach\nZiffer 2. a) unberücksichtigt gebliebenen Antragstellerinnen bzw.\nAntragstellern im Wege des Nachrückens eine weitere Antragstellerin bzw. einen\nweiteren Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2020\nvorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester auf einen\nTeilstudienplatz zuzulassen, wenn eine rangbessere Antragstellerin ihre bzw.\nein rangbesserer Antragsteller seine vorläufige Immatrikulation nicht nach\nMaßgabe der Ziffer 2. b) beantragt hat.\n\n \n\nIm Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Antragsteller tragen jeweils 9/10 und die Antragsgegnerin trägt jeweils\n1/10 der Kosten des jeweiligen gesamten Verfahrens.\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf jeweils\n5.000 EUR festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDurch Beschluss vom 29. April 2020, auf den wegen der Einzelheiten des\nSachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das\nVerwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerinnen und Antragsteller (im\nFolgenden: Antragsteller) abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der\neinstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studium der\nHumanmedizin im 1. Fachsemester auf einen Vollstudienplatz, hilfsweise einen\nTeilstudienplatz nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2020\ninnerhalb und außerhalb der festgesetzten Kapazität zuzulassen. Dabei ist das\nVerwaltungsgericht im Sommersemester 2020 für das 1. Fachsemester von einer\nAufnahmekapazität von 124 Vollstudienplätzen ausgegangen; dies entspricht den\nFestsetzungen der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum\nWintersemester 2019/2020 und zum Sommersemester 2020 vom 3. Juli 2019 - ZZ-VO\n2019/2020 (Nds. GVBl. S. 163) in der zum Zeitpunkt der\nverwaltungsgerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Fassung der\nÄnderungsverordnung vom 7. November 2019 (Nds. GVBl. S. 349). Hinsichtlich der\nTeilstudienplätze hat das Verwaltungsgericht für das 1. Fachsemester im\nSommersemester 2020 eine Kapazität von 41 errechnet; auch dies entspricht den\nFestsetzungen der genannten Verordnungen.\n\n2\n\n \n\nHiergegen führen die Antragsteller ihre jeweilige Beschwerde.\n\n \n\nII.\n\n3\n\n \n\nDie Beschwerde der Antragsteller mit dem jeweiligen sinngemäßen\nBeschwerdeantrag,\n\n4\n\n \n\ndie Antragsgegnerin unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des\nVerwaltungsgerichts Göttingen im Wege der einstweiligen Anordnung zu\nverpflichten, sie nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2020\nvorläufig zum Studium im Studiengang Humanmedizin im 1. Fachsemester außerhalb\nder festgesetzten Kapazität, hilfsweise innerhalb der festgesetzten Kapazität\nauf einen Vollstudienplatz, hilfsweise auf einen Teilstudienplatz zuzulassen,\n\n5\n\n \n\nhaben teilweise Erfolg.\n\n6\n\n \n\nIm maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ist im 1. Fachsemester\nnoch ein weiterer Teilstudienplatz verfügbar, sodass die Beschwerden der\nAntragsteller nach den aus dem Tenor ersichtlichen Maßgaben teilweise\nbegründet (dazu 1.) und im Übrigen unbegründet (dazu 2.) sind.\n\n7\n\n \n\n1\\. Für das 1. Fachsemester des Studienjahres 2019/2020 geht der Senat - wie\nin seiner Entscheidung zum vorangegangenen Wintersemester 2019/2020 (vgl.\nSenatsbeschl. v. 23.7.2020 - 2 NB 690/19 -, juris Rn. 10) - im maßgeblichen\nZeitpunkt seiner Entscheidung von den Festsetzungen in der Änderungsverordnung\nvom 7. November 2019 aus. Hiernach sind im 1. Fachsemester für das gesamte\nStudienjahr 2019/2020 372 (statt ursprünglich 370) Studienplätze, für das\nWintersemester 2019/2020 168 (statt ursprünglich 146) Vollstudienplätze und 39\nTeilstudienplätze (wie zuvor) und für das Sommersemester 2020 124 (statt\nursprünglich 146) Vollstudienplätze sowie 41 (statt wie bisher 39)\nTeilstudienplätze festgesetzt.\n\n8\n\n \n\nIm 1. Fachsemester des Sommersemesters 2020 sind nach der von der\nAntragsgegnerin mit ihrem Beschwerdeerwiderungsschriftsatz vom 28. September\n2020 vorgelegten endgültigen Belegungsliste insgesamt 124 zählbare\nVollstudienplätze und 41 Teilstudienplätze belegt. Daher stehen an sich keine\nweiteren freien Voll- und Teilstudienplätze zur Verfügung. Unter\nBerücksichtigung der von der Antragsgegnerin für das Studienjahr 2019/2020\nfestgesetzten Kapazität ergibt sich indes ein geringfügig anderes Bild.\nAusweislich den von der Antragsgegnerin vorgelegten Belegungslisten für das\nWintersemester 2019/2020 waren (einschließlich der vom Senat mit dem oben\ngenannten Beschluss zusätzlich zugelassenen Studierenden) 168\nVollstudienplätze belegt, sodass auf das gesamte Studienjahr bezogen die 292\nverfügbaren Vollstudienplätze belegt sind. Da im Wintersemester 2019/2020 aber\nnur 39 und im Sommersemester 2020 nur 41 Teilstudienplätze belegt waren, steht\nunter Berücksichtigung der Berechnung des Senats zum Wintersemester 2019/2020\n(vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 23.7.2020 - 2 NB 690/19 -, juris Rn. 14 ff. und\nRn. 28 f.: insgesamt 81 Teilstudienplätze) bezogen auf das gesamte Studienjahr\n2019/2020 mit 41 und 39 belegten Teilstudienplätzen noch ein weiterer\nTeilstudienplatz zur Verfügung, der bisher nicht vergeben ist. Dieser Umstand\nresultiert aus der entgegen der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin - wie\ndie Antragsteller zu Recht in ihren Beschwerdebegründungen anführen -\nrichtigerweise für Prof. Dr. H. in Ansatz zu bringenden Lehrverpflichtung von\nim Ergebnis 4,5 LVS statt 4,0 LVS (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 23.7.2020 - 2\nNB 690/19 -, juris Rn. 18 und v. 30.1.2020 - 2 NB 498/19 -, juris Rn. 19 f.).\n\n9\n\n \n\nDie Antragsteller der vorliegenden sechs Beschwerdeverfahren und die weitere\nAntragstellerin des Beschwerdeverfahrens 2 NB 250/20 haben entsprechend ihrem\njeweiligen Hilfsantrag mithin einen Anspruch auf Teilnahme an der im\nLosverfahren zu erfolgenden Vergabe dieses einen freien Teilstudienplatzes.\nDieser Anspruch folgt auch für Teilstudienplätze aus dem aus Art. 12 Abs. 1 GG\nfolgenden Gebot der Kapazitätserschöpfung, wonach tatsächlich vorhandene\nKapazitäten auszuschöpfen und freie Studienplätze in gemäß Art. 3 Abs. 1 GG\ngleichheitskonformer Verteilung zu besetzen sind. Die Kapazitätsberechnung\nbezieht sich auf das gesamte Studienjahr und nicht lediglich auf ein einzelnes\nSemester (Senatsbeschl. v. 23.7.2020 - 2 NB 690/19 -, juris Rn. 22).\n\n10\n\n \n\n2\\. Die weitergehenden Beschwerden der Antragsteller haben hingegen keinen\nErfolg, soweit sie sich auf einen Vollstudienplatz (dazu a) und hilfsweise\neinen (weiteren) Teilstudienplatz (dazu b) beziehen.\n\n11\n\n \n\na) Soweit die Antragsteller mit ihrem jeweiligen Hauptantrag auch in ihren\nBeschwerdeverfahren jeweils die vorläufige Zulassung auf einen\nVollstudienplatz im 1. Fachsemester begehren, scheitert dieser Anspruch\nbereits daran, dass es ihrer Beschwerdebegründung an einer nach § 146 Abs. 4\nSatz 3 in Verbindung mit § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erforderlichen\nAuseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Berechnung\nder Vollstudienplätze fehlt. Insoweit sind die Beschwerden mithin nach § 146\nAbs. 4 Satz 4 VwGO bereits unzulässig. Einwände gegen die von der\nAntragsgegnerin während der Beschwerdeverfahren vorgelegten endgültigen\nBelegungslisten des Vollstudiums im 1. Fachsemester des Wintersemesters\n2019/2020 und des Sommersemesters 2020 haben die Antragsteller nicht erhoben.\n\n12\n\n \n\nb) Die Berechnung der Teilstudienplätze durch das Verwaltungsgericht und die\nAntragsgegnerin ist - abgesehen von der aufgezeigten Erhöhung des Lehrangebots\num 0,5 LVS - nicht im Sinne der Antragsteller zu korrigieren.\n\n13\n\n \n\nSoweit die Antragsteller die Berechnungsweise des Verwaltungsgerichts als\nfehlerhaft rügen, führt dieser Einwand nicht zum Erfolg der Beschwerden. Der\nSenat folgt - wie auch in den Vorjahren (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 30.1.2020\n- 2 NB 770/18 -) - vielmehr der hiervon abweichenden Kapazitätsberechnung der\nAntragsgegnerin.\n\n14\n\n \n\nDer Beschwerdeeinwand der Antragsteller gegen die Berechnung des\nDienstleistungsexports seitens der Antragsgegnerin greift nicht durch. In der\nRechtsprechung des Senats ist bereits hinlänglich geklärt, dass der von der\nAntragsgegnerin in Ansatz gebrachte Dienstleistungsexport in die sogenannten\ninnovativen Studiengänge anzuerkennen ist (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v.\n30.1.2020 - 2 NB 770/18 - und Senatsurt. v. 25.6.2019 - 2 LC 655/17 -, juris\nRn. 42 m.w.N.).\n\n15\n\n \n\nSoweit die Antragsteller unter Zitierung der Ausführungen des Senats in seinem\nBeschluss vom 25. August 2016 - 2 NB 247/16 u.a. - einwenden, dass für den\nStudiengang Zahnmedizin der aus dem Beispielstundenplan resultierende\nCurricularnormwert von 0,8666 wegen der Unterschreitung der Vorgabe dieses\nStudienplans nicht in Ansatz gebracht werden könne, weist der Senat darauf\nhin, dass diese Unterschreitung lediglich bis zum Sommersemester 2018\nangedauert hatte und für die Studienjahre ab 2018/2019 wieder der genannte\nCurricularanteil zugrunde gelegt werden kann (vgl. hierzu Senatsbeschl. v.\n30.1.2020 - 2 NB 770/18 -, juris Rn. 24). Des Weiteren ist im Fall eines\nDienstleistungsexports nach der nunmehr ständigen Senatsrechtsprechung eine\nSchwundberechnung nicht vorzunehmen (vgl. hierzu Senatsurt. v. 25.6.2019 - 2\nLC 655/17 -, juris Rn. 43 m.w.N. und zuletzt Senatsbeschl. v. 23.7.2020 - 2 NB\n690/19 -, juris Rn. 22 m.w.N.).\n\n16\n\n \n\nDer Senat hält des Weiteren auch unter Berücksichtigung des\nBeschwerdevorbringens der Antragsteller an seiner Rechtsprechung fest, dass\ndie Antragsgegnerin wegen eines Sondereffekts im Studienjahr 2016/2017 ihre\nSchwundberechnung von einem regulären Schwundfaktor von 1,1691 um den Wert von\n0,0481 auf einen effektiven Schwundfaktor von 1,1210 korrigieren durfte. Die\nAntragsgegnerin sieht den zu berücksichtigenden Sondereffekt ohne Rechtsfehler\ndarin begründet, dass die Erhöhung der Vollstudienplätze durch die geänderte\nRechtsprechung des Senats hinsichtlich der Einbeziehung der Privatpatienten im\nStudienjahr 2016/2017 zu einer entsprechenden Senkung der Teilstudienplätze\ngeführt habe und in höheren Fachsemestern des Teilstudiums dementsprechend\nSchwund nicht mehr durch eine Aufnahme neuer Studierender ausgeglichen worden\nsei. Daher durfte die Antragsgegnerin diesen Sondereffekt im Rahmen ihres\nRegelungsermessens (vgl. dazu Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band\n2, 2013, Rn. 697 m.w.N. und OVG NRW, Beschl. v. 31.7.2012 - 13 C 28/12 -,\njuris Rn. 44) für die Prognostik des künftigen Schwundverhaltens eliminieren.\n\n17\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt jeweils aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und\norientiert sich in pauschalierender Weise zum einen am Unterliegen der\nAntragsteller in Bezug auf einen Vollstudienplatz im 1. Fachsemester (1/2 der\nVerfahrenskosten) und zum anderen an den Erfolgsaussichten in dem angeordneten\nergänzenden Losverfahren bei einem zu vergebenden weiteren Teilstudienplatz im\n1. Fachsemester und insgesamt acht an dieser Verlosung teilnehmenden\nAntragstellern.\n\n18\n\n \n\nDie Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52\nAbs. 2 GKG.\n\n19\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66\nAbs. 3 Satz 3 GKG).\n\n* * *\n\n![Abkürzung Fundstelle](/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-\ninfo.gif)Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können\nSie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in\nIhre Favoriten als Lesezeichen einfügen.\', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true,\nABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und\nverwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten: \nhttp://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid;=MWRE200004275&psml;=bsndprod.psml&max;=true\n\n
332,728
vg-schleswig-holsteinisches-2020-10-29-12-b-6020
1,071
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
vg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
12 B 60/20
2020-10-29
2020-11-11 11:00:34
2020-12-10 13:50:51
Beschluss
ECLI:DE:VGSH:2020:1029.12B60.20.00
#### Tenor\n\n \n\nDer Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zwei Wochen\nnach Vornahme einer erneuten Auswahlentscheidung untersagt, die für eine\nBesetzung mit dem Beigeladenen vorgesehene Planstelle der Beförderungsliste\n„Beteiligung extern_XXX_T“ nach „A9_vz“ mit dem Beigeladenen zu besetzen und\ndiesen zu befördern.\n\n \n\nIm Übrigen wird der Antrag abgewiesen.\n\n \n\nDie Kosten tragen die Antragsgegnerin zu 3/4 und der Antragsteller zu 1/4, mit\nAusnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.\n\n \n\nDer Streitwert wird auf 11.262,81 € festgelegt.\n\n \n\n#### Gründe\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen seine\nNichtberücksichtigung durch die Antragsgegnerin bei der Beförderungsrunde\n2019/2020.\n\n2\n\n \n\nDer Antragsteller steht als Beamter (Technischer Fernmeldehauptsekretär) im\nStatusamt A 8 BBesO im Dienste der Antragsgegnerin. Ihm ist dauerhaft die\nTätigkeit eines Servicetechnikers bei der V-GmbH im Bereich Technical\nOperations zugewiesen. Seine Tätigkeit ist laufbahnübergreifend mit der\nBesoldungsgruppe A 10 BBesO bewertet.\n\n3\n\n \n\nDie Antragsgegnerin beurteilte ihn zuletzt für die Zeiträume 01. Juni 2015 bis\n31. August 2016 sowie 01. September 2016 bis 31. August 2018. Beide\nBeurteilungen lauten auf das Gesamturteil „Gut ++“. Die Antragsgegnerin\neröffnete dem Antragsteller beide Beurteilungen unter dem 13. Mai 2020,\nnachdem sie die ursprünglichen dienstlichen Beurteilungen für diese Zeiträume\ninfolge eines Widerspruchs- bzw. Eilrechtsschutzverfahrens aufgehoben hatte.\n\n4\n\n \n\nGegen die neu erstellten dienstlichen Beurteilungen legte der Antragsteller\nunter dem 28. Mai 2020 jeweils Widerspruch bei der Antragsgegnerin ein. Diese\nwies beide Widersprüche mit Bescheiden vom 22. Juli 2020 zurück. Am 17. August\n2020 hat der Antragsteller dagegen Klage erhoben (Az. 12 A 142/20 und 12 A\n143/20).\n\n5\n\n \n\nMit Schreiben vom 12. August 2020 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller\nmit, dass er entsprechend seiner letzten dienstlichen Beurteilung für den\nZeitraum 01. September 2016 bis 31. August 2018 auf der Beförderungsliste\n„Beteiligung extern_XXX_T“ nach „A9_vz“ für die Beförderungsrunde 2019/2020\nmit dem neuen Ergebnis „Gut ++“ geführt werde.\n\n6\n\n \n\nFür die Beförderung hätten (ursprünglich) insgesamt sechs Planstellen auf der\ngesamten Liste zur Verfügung gestanden. Die Beförderungsliste habe insgesamt\n48 Beförderungsbewerber umfasst. Nach rechtskräftigem Abschluss mehrerer\nEilverfahren habe die Antragsgegnerin eine neue Auswahlentscheidung getroffen,\nin die drei Beförderungsbewerber einbezogen worden seien, die durch vorherige\nEilverfahren gesperrt gewesen seien. Für diese stehe insgesamt eine Planstelle\nauf der Beförderungsliste zur Verfügung. Da die Planstelle demnach nicht für\nalle Konkurrenten ausreiche, könnten nur Beamte befördert werden, die mit\nmindestens „Sehr gut ++“ beurteilt worden seien. Dies treffe auf den\nAntragsteller nicht zu.\n\n7\n\n \n\nGegen diese Auswahlentscheidung hat der Antragsteller bei dem erkennenden\nGericht unter dem 20. August 2020 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.\n\n8\n\n \n\nZur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass die Auswahlentscheidung\nfehlerhaft sei. Die ihr zugrundeliegende dienstliche Beurteilung für den\nZeitraum 01. September 2016 bis 31. August 2018 sei weder hinsichtlich der\nvergebenen Einzelnoten noch hinsichtlich des darauf basierenden Gesamturteils\nnachvollziehbar.\n\n9\n\n \n\nDrei Einzelnoten, namentlich in den Bereichen „Allgemeine Befähigung“,\n„Soziale Kompetenzen“ sowie „Wirtschaftliches Handeln“, seien gegenüber der\nStellungnahme der unmittelbaren Führungskraft, Herrn XXX, von „Sehr gut“ auf\n„Gut“ abgesenkt worden. Diese Abweichung werde nicht von einer\nnachvollziehbaren Begründung getragen.\n\n10\n\n \n\nDie Antragsgegnerin verkenne zudem, dass er seit vielen Jahren eine\nhöherwertige, mit der Besoldungsgruppe A10 bewertete Tätigkeit sehr gut\nausübe. Es sei daher davon auszugehen, dass er den geringeren Anforderungen\nseines Statusamts in mindestens ebenso guter Weise entspreche. Die Absenkung\nder benannten Einzelnoten werde jedoch nicht mit einer geringer eingestuften\nLeistung und Befähigung, sondern mit der Festlegung des Gesamtergebnisses\nbegründet. Dieses Vorgehen widerspreche der gesonderten Notenskala für die\nGesamtnote. Diese enthalte gegenüber den Einzelnoten die zusätzliche Note\n„Hervorragend“ sowie die Unterkategorien „Basis“, „+“ und „++“und solle gerade\nder Sondersituation der Antragsgegnerin Rechnung tragen, die eine Vielzahl der\nBeamten in höherwertigen Funktionen einsetze. Da dies auch auf ihn zutreffe,\nsei er für die Gesamtnote „Hervorragend“ in Betracht zu ziehen gewesen.\n\n11\n\n \n\nDer Antragsteller beantragt,\n\n12\n\n \n\nes der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die\nBeförderung eines anderen Beamten / einer anderen Beamtin auf die zu\nvergebende Planstelle der Beförderungsliste „Beteiligung extern_XXXX_T“ nach\n„A9_vz“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Rechtsmittel über die\ndienstlichen Beurteilungen vom 13. Mai 2020, betreffend den\nBeurteilungszeitraum vom 01. September 2016 bis 31. August 2018 und 01. Juni\n2015 bis 31. August 2016, und bis zum Vorliegen einer ermessensfehlerfreien\nBeurteilung des Antragstellers vorzunehmen.\n\n13\n\n \n\nDie Antragsgegnerin beantragt,\n\n14\n\n \n\nden Antrag abzulehnen.\n\n15\n\n \n\nEs bestehe weder ein Rechtsanspruch auf Übertragung eines höherwertigen\nDienstpostens noch auf eine Beförderung. Der Antragsteller könne lediglich\nbeanspruchen, dass über seine Bewerbung ohne Rechtsfehler entschieden werde.\nDas Beurteilungsverfahren sei verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden,\nweshalb eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ausscheide.\n\n16\n\n \n\nDer Antragsteller sei zu Recht mit der Note „Gut ++“ beurteilt worden. Die\nAbsenkung der in der Stellungnahme des Vorgesetzten mit „Sehr gut“ bewerteten\nEinzelmerkmale „Allgemeine Befähigung“, „Soziale Kompetenzen“ und\n„Wirtschaftliches Handeln“ sei nicht zu beanstanden und insbesondere\nzutreffend begründet worden. Es handele sich dabei um weniger\ntätigkeitsbezogene Eigenschaften. Zudem sei eine bessere Bewertung des\nAntragstellers aufgrund der erzielten Ergebnisse der Beamten, die auf\nderselben Beurteilungsliste zu vergleichen seien, nicht gerechtfertigt. Die\nBeurteilungsergebnisse „Hervorragend“ und „Sehr gut“ seien demnach an Beamte\nvergeben worden, die zwar vergleichbare oder (geringfügig) schlechtere\nLeistungseinschätzungen erhalten hätten, demgegenüber aber (deutlich)\nhöherwertiger eingesetzt worden seien.\n\n17\n\n \n\nSie habe den Antragsteller mit der Gesamtnote „Gut ++“ daher insgesamt\nmaßstabsgerecht beurteilt. Insbesondere habe man der Höherwertigkeit der vom\nAntragsteller ausgeübten Tätigkeit im Gesamtergebnis auch hinreichend Rechnung\ngetragen. Dieser Umstand habe in der Konsequenz aber ebenfalls bei dem\nBeigeladenen Berücksichtigung gefunden. Dieser übe eine mit der\nBesoldungsgruppe A 11 BBesO bewertete Tätigkeit aus, was gegenüber seinem\nStatusamt eine Höherwertigkeit von drei Besoldungsgruppen bedeute.\nDemgegenüber könne der Antragsteller lediglich eine Höherwertigkeit von zwei\nBesoldungsgruppen vorweisen.\n\n18\n\n \n\nDer Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.\n\n19\n\n \n\nWegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, wegen\ndes Sachverhalts im Übrigen auf die Verwaltungsvorgänge sowie auf die\nGerichtsakten der weiteren, hier anhängigen Verfahren des Antragstellers gegen\ndie Antragsgegnerin verwiesen.\n\n \n\n**II.**\n\n20\n\n \n\nDer Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der\nAntragsteller begehrt, eine Beförderung des Beigeladenen auf die vakante\nPlanstelle durch die Antragsgegnerin vorläufig zu unterbinden.\n\n21\n\n \n\nDieser Antrag ist zulässig und überwiegend begründet.\n\n22\n\n \n\nGemäß § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige\nAnordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,\ndass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines\nRechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.\nVoraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch sowie\neinen Anordnungsgrund, mithin die Eilbedürftigkeit seines\nRechtsschutzbegehrens, glaubhaft machen kann, § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m.\n§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.\n\n23\n\n \n\nDer Antragsteller hat den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.\n\n24\n\n \n\nDieser liegt vor, wenn durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die\nVerwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich\nerschwert werden könnte und dies glaubhaft gemacht wird. Insoweit ist bei\nStellenbesetzungsverfahren zu berücksichtigen, dass ein unter Beachtung des\nArt. 33 Abs. 2 GG ausgewählter Bewerber einen Anspruch auf Verleihung des\nAmtes durch Ernennung hat. Die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen\nBewerber gehen dabei durch die Ernennung unter, wenn dadurch das\nAuswahlverfahren endgültig abgeschlossen wird. Dies ist regelmäßig der Fall,\nweil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr\nrückgängig gemacht werden kann, sodass das Amt unwiderruflich vergeben ist\n(BVerwG, Urt. v. 04. November 2010 – 2 C 16/09 – BVerwGE 138, 102-122 – Rn.\n27, juris). Ausgehend davon, dass die Antragsgegnerin mit ihrer\nAuswahlentscheidung vom 12. August 2020 mitgeteilt hat, die freie Planstelle\nmit dem Beigeladenen besetzen zu wollen, kann der Antragsteller nur im Wege\neiner gerichtlichen Entscheidung sicherstellen, dass sein aus Art. 33 Abs. 2\nGG folgender Bewerbungsverfahrensanspruch auf eine rechtsfehlerfreie\nAuswahlentscheidung für die in Rede stehende Beförderung gewahrt bleibt, indem\ndie Besetzung der vakanten Stelle vorläufig unterbunden wird.\n\n25\n\n \n\nEntgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dem Antragsteller unter\nAuswertung des Akteninhalts und des gegenseitigen Vorbringens auch der\nnotwendige Anordnungsanspruch insoweit zu, als bis zum rechtskräftigen\nAbschluss eines erneuten Auswahlverfahrens die Beförderung des Beigeladenen\nunterbleiben muss.\n\n26\n\n \n\nDa in Stellenbesetzungsverfahren effektiver gerichtlicher Rechtsschutz\nlediglich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gewährt werden kann, ist in\nVerfahren, die die Konkurrenz von Beamten um Beförderungsstellen oder\nBeförderungsdienstposten betreffen, regelmäßig ein Anordnungsanspruch bereits\ndann zu bejahen, wenn nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung\nerkennbaren Sach- und Streitstand nicht mit hinreichender Sicherheit\nausgeschlossen werden kann, dass die vom Dienstherrn getroffene\nAuswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil\nsein Bewerbungsverfahrensanspruch gemäß den Vorgaben des in Art. 33 Abs. 2 GG\ngeregelten Prinzips der Bestenauslese keine hinreichende Beachtung gefunden\nhat. Zugleich müssen die Aussichten des Betroffenen, in einem neuen\nrechtmäßigen Verfahren ausgewählt zu werden, zumindest "offen" sein. Der\nunterlegene Beamte kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung\nzumindest dann beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal\nausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint\n(BVerfG, Beschl. v. 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 – Rn. 13; VGH Mannheim,\nBeschl. v. 12. August 2015 – 4 S 1405/15 – Rn. 2; beide juris).\n\n27\n\n \n\nBeide Voraussetzungen sind hier gegeben.\n\n28\n\n \n\nIn dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt\nlässt sich nicht feststellen, dass in dem von der Antragsgegnerin\ndurchgeführten Auswahlverfahren die Rechte des Antragstellers aus Art. 33 Abs.\n2 GG hinreichend berücksichtigt wurden. Zwar hat ein Beamter regelmäßig keinen\nAnspruch auf die Verleihung eines höheren statusrechtlichen Amtes oder die\nBestellung auf einen bestimmten Beförderungsdienstposten. Die Entscheidung\ndarüber liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Art. 33\nAbs. 2 GG gewährt jedem Deutschen jedoch ein grundrechtsgleiches Recht auf\ngleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und\nfachlicher Leistung. Ein Bewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf,\ndass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entschieden\nwird. Dabei kann die Entscheidung des Dienstherrn darüber, welcher Beamte der\nBestgeeignete ist, als Akt wertender Erkenntnis gerichtlich nur eingeschränkt\nüberprüft werden. Das Gericht ist nur befugt zu prüfen, ob der Dienstherr\ngegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, den gesetzlichen Rahmen und die\nanzuwendenden Rechtsbegriffe zutreffend gewürdigt hat, ob er von einem\nrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er allgemein gültige Wertmaßstäbe\nbeachtet hat und ob er sich schließlich nicht von sachfremden Erwägungen hat\nleiten lassen. Der Dienstherr ist verpflichtet, alle entscheidungserheblichen\nTatsachen festzustellen, zu gewichten und seiner Entscheidung zu Grunde zu\nlegen. Wesentliche Grundlage für den erforderlichen aktuellen Leistungs-,\nBefähigungs- und Eignungsvergleich zwischen den in Betracht kommenden Beamten\nsind neben dem Inhalt der Personalakten insbesondere hinreichend aktuelle\nRegelbeurteilungen oder – soweit solche fehlen – aktuelle\nBedarfsbeurteilungen, die ausreichend aussagekräftig und zwischen den\nBeteiligten vergleichbar sein müssen (BVerwG, Beschl. v. 20. Juni 2013 – 2 VR\n1/13 – Rn. 21, juris). Der gebotene Vergleich der dienstlichen Beurteilungen\nmuss bei gleichen Maßstäben in sich ausgewogen und stimmig sein. Maßgebend ist\nin erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung,\nGewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu\nbilden ist (BVerwG, Urt. v. 26. Januar 2012 – 2 A 7/09 – Rn. 17 und Urt. v. 4.\nNovember 2010 – 2 C 16/09 – Rn. 46; Beschl. v. 19. Dezember 2014 – 2 VR 1/14 –\nRn. 22, und Beschl. v. 22. November 2012 – 2 VR 5/12 – Rn. 25; VGH Mannheim,\nBeschl. v. 26. April 2016 – 4 S 64/16 – Rn. 9; alle juris).\n\n29\n\n \n\nGemessen an den oben genannten Maßstäben hat das Gericht erhebliche Zweifel an\nder Rechtmäßigkeit der für die Auswahlentscheidung herangezogenen dienstlichen\nBeurteilung des Antragstellers vom 13. Mai 2020 für den Zeitraum vom 1.\nSeptember 2016 bis 31. August 2018, lautend auf das Gesamturteil „Gut ++“.\nVielmehr ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand mit überwiegender\nWahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Beurteilung deshalb\nrechtswidrig ist, weil sie die für die Beurteilung maßgeblichen\nVerfahrensvorschriften nicht beachtet hat.\n\n30\n\n \n\nSowohl die abweichende Bewertung von der Einschätzung der Führungskraft bei\nden Einzelmerkmalen als auch das Gesamturteil sind nicht hinreichend\nnachvollziehbar begründet.\n\n31\n\n \n\nNach § 2 Abs. 3 der Anlage 1 zu den Beurteilungsrichtlinien für die bei der\nD-AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten in der Fassung vom 14. Juni 2019,\nzuletzt aktualisiert am 08. August 2019 (nachfolgend: Beurteilungsrichtlinie)\nist die Begründung der Einstufung des jeweiligen (Einzel-) Kriteriums\nnachvollziehbar zu dokumentieren.\n\n32\n\n \n\nDiesen Anforderungen genügt die unter dem 13. Mai 2020 für den Zeitraum 01.\nSeptember 2016 bis 31. August 2018 eröffnete Beurteilung nicht. Es fehlt\ninsoweit bereits bei den Einzelmerkmalen an einer nachvollziehbaren\nBegründung, weshalb drei von ihnen im Gegensatz zu den anderen eine\nHerabstufung erfahren haben. Der unsubstantiierte Vortrag der Antragsgegnerin,\ndass die Merkmale „Allgemeine Befähigung“, „Soziale Kompetenz“ und\n„Wirtschaftliches Handeln“ im Vergleich zu den Merkmalen „Arbeitsergebnisse“,\n„Praktische Arbeitsweise“ und „Fachliche Kompetenz“ weniger tätigkeitsbezogen\nseien, erschließt sich dem Gericht nicht. Insbesondere lässt die\nBeurteilungsrichtlinie keine Rückschlüsse auf diese Vorgehensweise zu. Denn es\nfinden sich weder in Ziff. 6 der Beurteilungsrichtlinie Anhaltspunkte dafür,\ndass die Einzelmerkmale anhand dieses Kriteriums abweichend zu gewichten\nwären, noch lässt sich § 2 Abs. 4 der Anlage 4 der Beurteilungsrichtlinie, in\nder die Leistungskriterien näher definiert werden, Entsprechendes entnehmen.\nVielmehr werden in Ziff. 6 der Beurteilungsrichtlinien die sechs\nEinzelmerkmale gleichwertig aufgezählt. Hätte die Antragsgegnerin\nbeabsichtigt, bei allen Beurteilungen drei von ihnen als weniger\ntätigkeitsbezogen einzustufen, hätte sie dies hier kenntlich machen müssen. Im\nÜbrigen wäre die Abwertung auch nicht hinreichend plausibel, wenn es sich um\neine individuelle Gewichtung handeln würde, wogegen jedoch schon die abstrakte\nBeschreibung des Merkmals sprechen dürfte. Denn sie lässt sich nicht auf\nGrundlage der Erläuterungen der Einzelnoten nachvollziehen. Die allgemeine\nFeststellung, dass eine bessere Bewertung der Einzelleistung des\nAntragstellers in Anbetracht der erzielten Ergebnisse der Beamten, die auf\nderselben Beurteilungsliste zum Vergleich anstehen, nicht möglich sei, ist zu\npauschal, um für den Antragsteller einsichtig und für Außenstehende\nverständlich zu sein. Es bleibt daher auch fraglich, ob diese Vorgehensweise\nnur in bestimmten Fällen oder allgemein zur Anwendung kommt.\n\n33\n\n \n\nEs ist überdies nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin die höherwertige\nVerwendung des Antragstellers bei der Absenkung der genannten drei\nEinzelmerkmale hinreichend berücksichtigt hat.\n\n34\n\n \n\nGrundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Beamter, der über viele Jahre die\nAufgaben eines an seinem Statusamt gemessen höher bewerteten Dienstpostens\nbzw. Arbeitspostens auf diesem hohen Niveau erfüllt (hier:\nlaufbahnübergreifend zwei Besoldungsgruppen), die geringeren Anforderungen\nseines Statusamtes tendenziell eher noch besser erfüllt (grundlegend: OVG\nMünster, Beschl. v. 18. Juni 2015 – 1 B 384/15 – Rn. 8, juris). Diese Annahme\nbasiert auf der Einschätzung, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung\nhöherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im Allgemeinen gegenüber einem\nniedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten. Fallen indes\nStatusamt und Bewertung des tatsächlich innegehabten Dienst- bzw.\nArbeitspostens eines Beamten wie vorliegend auseinander, ist zwar nicht\nschematisch eine Aufwertung vorzunehmen. Der Beurteiler ist jedoch gehalten,\nsich konkret und hinreichend ausführlich mit der genannten Annahme\nauseinanderzusetzen. Trifft sie seines Erachtens im jeweiligen Einzelfall\nnicht zu, bedarf dies in der Beurteilung einer detaillierten – d.h. die\nUmstände des Einzelfalles in den Blick nehmenden – und nachvollziehbaren\nBegründung (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 25. Februar 2016 – 5 ME/217 – Rn.\n12; OVG Münster, Beschl. v. 30. November 2015 – 1 B 1007/15 – Rn. 10, Beschl.\nv. 19. November 2015 – 1 B 980/15 – Rn. 22 und Beschl. v. 18. Juni 2015,\na.a.O.; VGH München, Beschl. v. 27. Oktober 2015 – 6 CE 15.1849 – Rn. 15; alle\njuris).\n\n35\n\n \n\nDer Antragsteller war während des gesamten Beurteilungszeitraums gegenüber\nseinem Statusamt höherwertiger beschäftigt. Namentlich wurde er auf einem\nArbeitsplatz eingesetzt, den die Antragsgegnerin nach besoldungsrechtlichen\nGrundsätzen mit der Stufe A 10 BBesO bewertet, was gegenüber seinem Statusamt\nin der Besoldungsgruppe A 8 BBesO eine Höherwertigkeit von zwei\nBesoldungsgruppen bedeutet. Seine auf dieser Stelle geleistete Arbeit hat\nseine unmittelbare Führungskraft in einer Stellungnahme für die dienstliche\nBeurteilung vom 5. März 2019 (Bl. 10 ff. des Verwaltungsvorgangs) bei sechs\nKriterien und fünf Notenstufen sechs Mal mit der besten Note „Sehr gut“\nbewertet. Bei dieser Bewertung durch die Führungskraft soll nach § 1 und § 2\nAbs. 4 der Anlage 4 zur Beurteilungsrichtlinie das Statusamt ausdrücklich\nunberücksichtigt bleiben. Die Führungskraft soll vielmehr (im Umkehrschluss)\ndessen tatsächliche Aufgabenerfüllung auf dem wahrgenommenen Dienst- bzw.\nArbeitsposten in den Blick nehmen. Das Statusamt wird hingegen von den\nBeurteilern berücksichtigt (vgl. Ziff. 6 der Beurteilungsrichtlinie und § 2\nAbs. 4 der Anlage 4 zu der Beurteilungsrichtlinie). In der dienstlichen\nBeurteilung des Antragstellers sind – wie bereits aufgezeigt – mit Ausnahme\nder Kriterien „Allgemeine Befähigung“, „Soziale Kompetenzen“ und\n„Wirtschaftliches Handeln“ alle in der Stellungnahme für die Einzelkriterien\nvergebenen Noten unverändert übernommen worden. Nahezu unverändert wurde\nebenfalls auch die textliche Erläuterung der Einzelnoten übernommen.\n\n36\n\n \n\nVor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass sich die Antragsgegnerin bei\nder Absenkung dieser Einzelmerkmale hinreichend mit der höherwertigen\nBeschäftigung des Antragstellers auseinandergesetzt hat.\n\n37\n\n \n\nZu einer vergleichbaren Konstellation hat das Oberverwaltungsgericht\nNordrhein-Westfalen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 14. August 2019 – 1 A 612/19 –\nRn. 29, juris) folgende Ausführungen gemacht, denen sich die Kammer inhaltlich\nanschließt:\n\n38\n\n \n\n„Bei der Benotung der Einzelkriterien ist zunächst zu beachten, dass die\nWahrnehmung höherwertiger Aufgaben grundsätzlich in Bezug auf alle nach dem\njeweiligen Beurteilungssystem zu benotenden Einzelkriterien (hier: sechs oder\nsieben Einzelkriterien) die Schlussfolgerung rechtfertigt, der Beamte erfülle\nim Grundsatz die geringeren Anforderungen seines Statusamtes in mindestens\nebenso guter wenn nicht besserer Weise wie die Anforderungen des innegehabten\nPostens. Denn die mit der Wahrnehmung eines höherwertigen Postens\neinhergehenden gesteigerten Anforderungen werden sich in aller Regel nicht nur\nbei bestimmten Einzelmerkmalen bemerkbar machen, sondern diese in ihrer\nGesamtheit betreffen. So leuchtet es etwa nicht ein, weshalb die Bewertung\neiner bestimmten, im Beurteilungszeitraum dokumentierten Fachkompetenz\nunabhängig davon sein soll, ob der Beamte diese Kompetenz auf einem Dienst-\noder Arbeitsposten gezeigt hat, der der Bewertung nach seinem Statusamt\nentspricht, oder ob er insoweit solchen Anforderungen ausgesetzt gewesen ist,\ndie wegen der Höherwertigkeit des Postens über die seines Statusamtes\nhinausgehen. Vor diesem Hintergrund bedarf es zunächst in dem Fall einer\nnachvollziehbaren Begründung, in dem die Beurteiler zur Berücksichtigung der\nhöherwertigen Tätigkeit nicht alle, sondern nur bestimmte einzelne\nEinzelkriterien höher bewertet haben als es nach den an den Anforderungen des\nDienst- oder Arbeitspostens ausgerichteten Bewertungen der unmittelbaren\nFührungskraft in der von dieser vorgelegten Stellungnahme geschehen ist. Die\nBegründung muss insoweit erkennen lassen, warum gerade diese Einzelkriterien\n(und andere nicht) höher bewertet worden sind. Aber auch dann, wenn die\nBeurteiler mit Blick auf die höherwertige Beschäftigung sämtliche\nEinzelmerkmale mit im Vergleich zu den Bewertungen der unmittelbaren\nFührungskraft besseren Noten versehen haben, ist eine Begründung dafür\nerforderlich, warum die Höherwertigkeit der wahrgenommenen Aufgaben gerade in\nder konkret vorgenommenen Weise Berücksichtigung gefunden hat. Es ist also zu\nbegründen, warum gerade welcher Notensprung (eine Note höher, zwei Noten höher\netc.) erfolgt ist. Das kann – abhängig von den Umständen des Einzelfalles –\ngerade bei einem geringfügigen Notensprung um nur eine Notenstufe auch\nabgrenzende (und nicht als hypothetisch qualifizierbare) Erwägungen zu einer\nhöheren, von dem Beurteilten im Ergebnis zwar nicht erreichten, aber mit in\nBetracht zu ziehenden Note notwendig machen, um die Benotung nachvollziehbar\nzu machen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 5. September 2017 – 1 B 498/17 – Rn. 47\nff. m. w. N.; ebenso OVG Bremen, Beschl. v. 12. November 2018 – 2 B 167/18 –\nRn. 12; alle juris).“\n\n39\n\n \n\nDiesem Maßstab genügt die gegenständliche Beurteilung nicht. Zwar lässt sich\nsowohl der Begründung des Gesamturteils als auch dem Widerspruchsbescheid\nentnehmen, dass sich die Antragsgegnerin der höherwertigen Verwendung des\nAntragsstellers bewusst ist. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie sie die\nHöherwertigkeit bei den abgesenkten Merkmalen berücksichtigt hat. Hier\nbeschränkt sich die Begründung lediglich formelhaft auf den\nLeistungsvergleich, was jedoch aus den bereits aufgezeigten Gründen nicht\ngenügt. Darüber hinaus lässt dies auch nicht erkennen, warum gerade diese\nEinzelmerkmale zum Vergleich herangezogen wurde und wie gerade dieser\nNotenunterschied zustande gekommen ist.\n\n40\n\n \n\nAuch unabhängig von der Bewertung der Einzelmerkmale überzeugt die Beurteilung\ndes Antragstellers im Hinblick auf das Gesamturteil nicht.\n\n41\n\n \n\nNach § 2 Abs. 4 der Anlage 4 zur Beurteilungsrichtlinie muss sich das zu\nbegründende Gesamturteil schlüssig aus der Bewertung der einzelnen\nBeurteilungskriterien ergeben. Es ist insoweit zwar grundsätzlich unschädlich,\ndass sich die Antragstellerin zur Bildung des Gesamturteils der dienstlichen\nBeurteilung unterschiedlicher Notenskalen (einem fünfstufigen Notensystem zur\nBewertung der Einzelkriterien und einem sechstufigen Notensystem mit\nzusätzlichen Ausprägungsgraden zur Bildung des Gesamturteils) bedient. Aus der\nVerwendung unterschiedlicher Notenskalen können jedoch strengere Anforderungen\nan die Begründung des Gesamturteils zu folgern sein, um eine\nNachvollziehbarkeit und damit einhergehend eine gerichtliche Nachprüfbarkeit\nder Gewichtung, Abwägung und Würdigung der einzelnen Auswahlkriterien des\nDienstherrn im Einzelfall zu ermöglichen.\n\n42\n\n \n\nDavon ausgehend ist die Begründung des Gesamturteils hier widersprüchlich.\nDenn die Antragsgegnerin stellt zwar fest, dass die vom Antragsteller\nausgeübte Tätigkeit laufbahnübergreifend höherwertig war. Die bloße Erwähnung\nführt hingegen nicht zu dem zwingenden Schluss, dass der höherwertige Einsatz\ndes Klägers auch angemessen berücksichtigt worden ist. Aus der Begründung des\nGesamtergebnisses ergibt sich lediglich, dass die Beurteilungsergebnisse „Sehr\ngut“ und „Hervorragend“ Beamte erhalten hätten, die zwar vergleichbare oder\n(geringfügig) schlechtere Bewertungen ihrer Führungskräfte erhalten haben,\ndemgegenüber aber (deutlich) höherwertiger eingesetzt worden seien. Diese\ngrundsätzlich legitime Differenzierung entbindet die Antragsgegnerin jedoch\nnicht davon, ihre Notenvergabe in Entsprechung ihrer Beurteilungsrichtlinie\nnachvollziehbar zu begründen. Es wird insoweit nicht nachvollziehbar gemacht,\nwie es unter Berücksichtigung der Höherwertigkeit des Einsatzes des\nAntragstellers gerade zu der Gesamtnote „Gut ++“ gekommen ist. Die verwendeten\nunkonkreten Begrifflichkeiten ("vergleichbare Bewertung", "geringfügig\nschlechtere Leistungseinschätzung", "deutlich höherwertig eingesetzt" etc.,\nBl. 32 f. d.A.) zeigen auch unter Berücksichtigung der jeweils genannten\nProzentwerte nicht auf, anhand welches konkreten Maßstabs die Beurteiler dem\nAntragsteller gerade die ausgeworfene Gesamtnote und nicht beispielsweise die\nGesamtnote "Sehr gut" mit dem Ausprägungsgrad "Basis" zuerkannt haben (vgl.\nauch OVG NRW, Beschl. v. 14 August 2019 – 1 A 612/19 – Rn. 42, juris).\nInsbesondere findet sich eine entsprechende Vorgehensweise, nach der die Noten\n„Hervorragend“ und „Sehr gut“ ausschließlich Beamten vorbehalten sind, die\nmehr als zwei Besoldungsstufen über ihrem Statusamt eingesetzt werden, auch\nnicht in der Beurteilungsrichtlinie wieder.\n\n43\n\n \n\nEntsprechende Mängel sind zwar ebenfalls in der Beurteilung für den Zeitraum\n01. Juni 2015 bis 31. August 2016 zu erkennen. Ihre Bewertung kann jedoch hier\ndahinstehen, da ausweislich der Mitteilung vom 12. August 2020 lediglich die\nBeurteilung für den Zeitraum 01. September 2016 bis 31. August 2018 der\nAuswahlentscheidung zugrunde gelegt wurde.\n\n44\n\n \n\nIm Ergebnis erscheint es möglich, dass der Antragsteller bei zutreffender\ndienstlicher Beurteilung, also insbesondere bei einer fehlerfreien Bewertung\nder Einzelmerkmale sowie ihrer Übersetzung in das Gesamtergebnis, in den Kreis\nder zu befördernden Beamten fällt, weshalb der notwendige Anordnungsanspruch\nbesteht. Nach derzeitigem Erkenntnisstand bleibt die rechtlich gebotene\nPlatzierung der einzelnen Bewerber anhand eines fehlerfreien Auswahlverfahrens\noffen. Dieser Anspruch besteht aber nur bis zu dem rechtskräftigen Abschluss\neines erneuten Auswahlverfahrens. Im Anschluss erlischt er. Im Hinblick auf\nden vom Antragsteller beantragten zeitlichen Umfang bis zum Vorliegen einer\nrechtskräftigen Entscheidung über die dienstlichen Beurteilungen\neinschließlich ihrer ermessensfehlerfreien Neuerstellung ist er daher\nteilweise abzulehnen. Gegenstand dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens\nkann nur das Auswahlverfahren der Antragsgegnerin sein. Rechtsschutz allein im\nHinblick auf die dienstliche Beurteilung kann hingegen in diesem Rahmen nicht\ngewährt werden. Insoweit ist der Antragsteller auf die Hauptsacheverfahren zu\nverweisen.\n\n45\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kosten waren\nverhältnismäßig zu teilen. Da der Antragsteller mit einem überwiegenden Anteil\nobsiegt und sein Anordnungsanspruch nur in zeitlicher Hinsicht nicht den von\nihm beantragten Umfang erreicht, war er nur mit einem Viertel der Kosten zu\nbelasten, während der Antragsgegnerin die übrigen Kosten aufzuerlegen sind.\nDie Kosten des Beigeladenen sind nicht für erstattungsfähig zu erklären. Er\nhat keinen eigenen Antrag gestellt und damit auch nicht das Risiko übernommen,\ngemäß § 154 Abs. 3 S. 1 VwGO selbst an den Kosten beteiligt zu werden. In\ndiesem Fall sind seine Kosten schon aus diesem Grund nicht für\nerstattungsfähig zu erklären.\n\n46\n\n \n\nDie Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2 S. 1, § 53 Abs. 2 Nr.\n1, § 52 Abs. 6 S. 4 in Verbindung mit S. 1 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in\nVerbindung mit Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Hiernach ist für den Antrag auf\nvorläufige Freihaltung der Beförderungsstelle ein Viertel der für ein\nKalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes (Besoldungsgruppe A 9\nBBesO) in Ansatz gebracht worden. Daraus ergibt sich auf Grundlage der\ngenannten Vorschriften ein Streitwert in Höhe von 11.262,81 € (Endgrundgehalt\nder Besoldungsgruppe A 9 der Stufe 8: 3754.27 € x 12 : 4 = 11.262,81 €).\n\n \n--- \n \n \n\n \n\n
332,793
ovgnrw-2020-11-05-6-b-121620
823
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
ovgnrw
Nordrhein-Westfalen
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 B 1216/20
2020-11-05
2020-11-12 11:00:59
2020-12-10 13:50:45
Beschluss
ECLI:DE:OVGNRW:2020:1105.6B1216.20.00
## Tenor\n\nDie Beschwerde wird zurückgewiesen.\n\nDer Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro\nfestgesetzt.\n\n \n1\n\nG r ü n d e :\n\n2\n\nDie Beschwerde ist unbegründet. Aus der Antragsbegründung, auf deren Prüfung\nder Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht,\ndass das Verwaltungsgericht dem Antrag hätte stattgeben müssen.\n\n3\n\nDas Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen\nausgeführt, der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, die mit Wirkung vom\n1. Juli 2020 in Kraft getretene Änderung der Geschäftsverteilung aufzuheben\nund ihm die Zustellungen nach Dienstregister I gegenüber der VR-Bank S. -T1.\ne. G. und dem Finanzamt T. zu belassen. Er sei als Obergerichtsvollzieher\nBeamter im Dienst des Antragsgegners. Ein Beamter habe keinen Anspruch auf\nunveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkret-\nfunktionellen Amtes (Dienstpostens). Der Dienstherr könne aus jedem sachlichen\nGrund den Aufgabenbereich des Beamten verändern, solange dem Beamten ein\nseinem statusrechtlichen Amt angemessener Aufgabenbereich verbleibe und kein\nErmessensmissbrauch vorliege. Bei der Entscheidung über die Änderung des\nAufgabenbereiches des Beamten sei dem Dienstherrn kraft seiner\nOrganisationsgewalt ein weit gespanntes Ermessen eingeräumt, das gerichtlich\nnur eingeschränkt überprüfbar sei.\n\n4\n\nGemessen an diesen Grundsätzen begegne die Änderung der Geschäftsverteilung\nmit Wirkung zum 1. Juli 2020 keinen rechtlichen Bedenken. Dem Antragsteller\nverbleibe auch nach Änderung der Geschäftsverteilung ein seinem\nstatusrechtlichen Amt eines Obergerichtsvollziehers entsprechender\nAufgabenbereich. Er sei weiterhin als Gerichtsvollzieher sowohl für\nZustellungsaufträge (Dienstregister I) als auch für Vollstreckungssachen\n(Dienstregister II) zuständig. Zum Ausgleich einer unterdurchschnittlichen\nBelastung und für den Wegfall von Zustellungsaufträgen solle seine örtliche\nZuständigkeit erweitert werden.\n\n5\n\nEin Ermessensmissbrauch des Antragsgegners liege nicht vor. Dieser habe für\ndie geänderte Geschäftsverteilung einen sachlichen Grund angegeben. Er habe\nmitgeteilt, dass aufgrund der zu vereinnahmenden Gebühren und Auslagen bei\neiner größeren Anzahl von Zustellungsaufträgen gegenüber Großdrittschuldnern\nwie Banken und Finanzämtern in einem Gerichtsvollzieherbezirk eine Diskrepanz\nzwischen der tatsächlichen Arbeitsbelastung und dem Gebührenaufkommen eines\nGerichtsvollziehers bestehe. Da der ursprüngliche Bezirk des Antragstellers\nden Sitz der Kreissparkasse L. , der VR-Bank S. -T1. e. G. und des Finanzamts\nT. umfasst habe, habe bei dem Antragsteller eine besonders günstige\nEinnahmesituation vorgelegen. So habe er im Jahr 2015 50.624 €, im Jahr 2016\n59.996 € und im Jahr 2017 61.632 € Gebührenanteile erwirtschaftet, während der\ndurchschnittliche Gebührenanteil je Gerichtsvollzieher 2015 bei 36.565 €, 2016\nbei 30.500 € und 2017 bei 33.911 € gelegen habe. Eine erhöhte Arbeitsbelastung\ndes Antragstellers habe hingegen nicht vorgelegen. In der Folge sei es zu\nBeschwerden anderer Gerichtsvollzieher gekommen. Daraufhin sei zur Erreichung\neiner einvernehmlichen Lösung ein Mediationsverfahren durchgeführt worden. Das\nErgebnis dieses Mediationsverfahrens sei in der Rahmenvereinbarung vom 28.\nMärz 2018 festgehalten worden. Diese sehe eine Übertragung der Zuständigkeit\nfür Zustellungsaufträge an die Kreissparkasse L. ab dem 1. April 2018 und an\ndie VR-Bank S. -T1. e. G. und das Finanzamt T. ab dem 1. Juli 2020 in einen\nZustellungspool vor, aus dem diese im wöchentlichen Wechsel unter allen\ninteressierten Gerichtsvollziehern verteilt würden. Der Antragsteller habe die\nRahmenvereinbarung unterzeichnet. Der Geschäftsverteilungsplan sei sodann\nentsprechend der Vereinbarung zunächst mit Wirkung zum 1. April 2018 und dann\nerneut zum 1. Juli 2020 geändert worden.\n\n6\n\nDer Antragsteller habe selbst nicht geltend gemacht, dass der vom\nAntragsgegner geltend gemachte Grund lediglich vorgeschoben sei. Er habe\nvielmehr eingewandt, dass den zusätzlichen Einnahmen auch Ausgaben gegenüber\ngestanden hätten und er bereits seit der ersten Änderung der\nGeschäftsverteilung mit Wirkung zum 1. April 2018 geringere Gebührenanteile\nals andere Kollegen erwirtschafte. Dies stehe aber einer im Ermessen des\nDienstherrn liegenden Änderung der Geschäftsverteilung nicht entgegen. Ein\nAnspruch auf ein Gebührenaufkommen in bestimmter oder auch nur\ndurchschnittlicher Höhe bestehe nicht. Aus einem langjährig erwirtschafteten\nüberdurchschnittlichen Gebührenanteil folge kein Anspruch für die Zukunft. Der\nAntragsgegner habe die Änderung der Geschäftsverteilung außerdem nicht\nlediglich mit dem hohen Gebührenaufkommen des Antragstellers, sondern auch mit\nder Umsetzung der unter Mitwirkung des Antragstellers abgeschlossenen\nVereinbarung und dessen geringer tatsächlicher Arbeitsbelastung begründet.\n\n7\n\nEr habe die Interessen des Antragstellers bei seiner Entscheidung hinreichend\nberücksichtigt. Die Entscheidung sei das Ergebnis eines Mediationsprozesses,\nan dem der Antragsteller selbst beteiligt gewesen sei. Er habe der geplanten\nÄnderung der Geschäftsverteilung durch Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung\nvom 28. März 2018 ausdrücklich zugestimmt. Auf die Teilnahme an der\nturnusmäßigen Verteilung der Zustellungsaufträge an die drei Großschuldner\nhabe der Antragsteller verzichtet, obwohl ihm diese nach Auskunft des\nAntragsgegners angeboten worden sei. Insofern erscheine die Berufung des\nAntragstellers auf finanzielle Einbußen letztlich auch treuwidrig.\n\n8\n\nDie Änderung der Geschäftsverteilung sei auch nicht deshalb willkürlich, weil\nsie den Regelungen in § 10 GVO widerspreche. Der Verstoß gegen die Regelung\nführe schon nicht zu einer Verletzung der Rechte des Antragstellers. Im\nÜbrigen sei ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 GVO auch nicht gegeben, insbesondere\nliege die gemäß § 10 Abs.1 Satz 4 GVO NRW erforderliche Genehmigung des\nPräsidenten des Landgerichts Bonn vor.\n\n9\n\nDiese Erwägungen zieht die Beschwerde nicht durchgreifend in Zweifel.\n\n10\n\nDer Antragsteller macht vergeblich geltend, das Verwaltungsgericht habe "die\nDiskrepanz zwischen Arbeitsbelastung und erwirtschafteten Gebühren falsch\neingeschätzt bzw. gänzlich unberücksichtigt gelassen". Das Vorbringen führt\nschon deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil diese die insoweit\nselbständig tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, die Berufung des\nAntragstellers auf finanzielle Einbußen erscheine angesichts seiner Zustimmung\nim Mediationsverfahren letztlich auch treuwidrig, nicht angreift. Im Übrigen\nist nicht ersichtlich, inwieweit es den Antragsteller in seinen Rechten\nverletzten könnte, wenn die Neuverteilung der Geschäfte bei ihm zu geringeren\noder gar keinen finanziellen Einbußen führt, weil - so die Beschwerde - seine\nPersonalkosten so hoch gelegen haben, dass "keine günstige", sondern "eher\neine schlechtere Einnahmesituation" vorgelegen habe, was er in Kauf genommen\nhabe, um trotzdem den ordentlichen Geschäftsablauf in seinem\nGerichtsvollzieherbüro zu gewährleisten.\n\n11\n\nDas Vorbringen, es sei für den Antragsteller "problematisch, wenn er nach § 33\nGVO verpflichtet wird, Bürokräfte einzustellen und dann entgegen § 10 GVO\n\'Wegnahme von Aufträgen\' die Bürokräfte wieder entlassen muss", ist schon\nnicht verständlich. In § 10 GVO findet sich die Wendung \'Wegnahme von\nAufträgen\' nicht. Mit der hier vorgenommenen Neuverteilung der Geschäfte ist\nim Übrigen ersichtlich beabsichtigt, der Vorgabe des § 10 Abs. 1 Satz 2 GVO\ngerecht zu werden, wonach eine gleichmäßige Verteilung der Geschäfte erfolgen\nsoll. Dass bei einer Neuverteilung mit diesem Ziel bei einzelnen\nGerichtsvollziehern ein organisatorischer Anpassungsbedarf entstehen kann,\nsteht dieser nicht grundsätzlich entgegen.\n\n12\n\nDer Antragsteller beanstandet ferner vergeblich einen Verstoß gegen § 10 GVO.\nDie Beschwerde verhält sich wiederum schon in keiner Weise zu der insoweit\nselbständig tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts, wonach er sich darauf\nnicht berufen kann. Abgesehen davon setzt sie sich mit den ins Einzelne\ngehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass den Vorgaben des § 10\nGVO überdies entsprochen sei, nicht substantiiert auseinander. Der Vortrag,\ndie "Verteilung der DR I Aufträge Geschäftsverteilung" werde "ausschließlich\nvon der Pool Gruppe vorgenommen", bleibt - soweit überhaupt verständlich -\nohne jede Substanz.\n\n13\n\nInwieweit es für den Streitfall von Belang sein sollte, dass der Direktor des\nAmtsgerichts - im Übrigen zugunsten des Antragstellers - die Vereinbarung\ngebrochen haben soll, indem er dem Antragsteller weitere "DR II Sachen\nVollstreckungsaufträge nach Abnahme der VR Bank und Finanzamt T. übertragen"\nhat, ist weder dargelegt noch sonst erkennbar.\n\n14\n\nEbenso wenig legt die Beschwerde den Erfordernissen nach § 146 Abs. 4 Satz 3\nVwGO entsprechend dar, welche Relevanz für die Entscheidung des Streitfalls\ndem Umstand zukommen soll, dass die "Großdrittschuldner" nicht zahlenmäßig\nfestgelegt seien.\n\n15\n\nSchließlich stellt es die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es bestehe\nkein Anspruch auf ein Gebührenaufkommen in bestimmter oder auch nur\ndurchschnittlicher Höhe, ersichtlich nicht in Frage, dass - so die Beschwerde\n- die anderen Gerichtsvollzieher, die sich am Pool beteiligen, geltend gemacht\nhätten, aufgrund des angeblich überdurchschnittlichen Gebührenaufkommens des\nAntragstellers benachteiligt zu sein. Zur Überprüfung steht im Streitfall\nnicht ein Anspruch anderer Gerichtsvollzieher, sondern die\n(beanstandungsfreie) Ermessensausübung des Antragsgegners.\n\n16\n\nDie Frage, ob der für den Erfolg des Antrags erforderliche Anordnungsgrund\nanzunehmen ist, kann vor diesem Hintergrund auf sich beruhen. Mit dem Vortrag,\nes habe (gemeint wohl: vor der Neuverteilung der Geschäfte) "keine günstige",\nsondern "eher eine schlechtere Einnahmesituation" vorgelegen, stellt der\nAntragsteller diesen allerdings selbst in Abrede.\n\n17\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung\nberuht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.\n\n18\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68\nAbs. 1 Satz 5 GKG).\n\n
332,929
vg-regensburg-2020-11-11-rn-14-e-202714
290
Verwaltungsgericht Regensburg
vg-regensburg
Regensburg
Bayern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
RN 14 E 20.2714
2020-11-11
2020-11-16 11:00:53
2020-12-10 13:50:41
Beschluss
## Tenor\n\nI. Der Antrag wird abgelehnt.\n\nII. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.\n\nIII. Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDer Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Aufhebung\neiner ihm gegenüber als Kontaktperson der Kategorie I angeordneten häuslichen\nQuarantäne nach der Allgemeinverfügung „Quarantäne von Kontaktpersonen der\nKategorie I und von Verdachtspersonen, Isolation von positiv auf das Corona\nVirus getesteten Personen“ (AV Isolation) des Bayerischen Staatsministeriums\nfür Gesundheit und Pflege (im Folgenden: StMGP) vom 6.11.2020 (Az.\nGZ6a-G80000-2020/122-684, BayMBl. 2020 Nr. 631 vom 6.11.2020).\n\nDer Antragsteller, der unstreitig eine Kontaktperson der Kategorie I im Sinne\nder Nr. 1.1 AV Isolation ist, erhielt am 5.11.2020 vom Gesundheitsamt A. die\ntelefonische Mitteilung, dass er sich bis zum 13.11.2020 in Isolation zu\nbegeben habe, da er am 30.11.2020 letztmals Kontakt zu einer positiv auf SARS-\nCoV-2 getesteten Person gehabt habe.\n\nAm 10.11.2020 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung vorläufigen\nRechtsschutzes. Bereits beim Telefongespräch mit dem Gesundheitsamt habe der\nAntragsteller darauf hingewiesen, dass er bereits mit dem Virus infiziert\ngewesen sei, was er durch einen positiven Antikörper-Test nachweisen könne.\nTrotzdem sei die Pflicht zur häuslichen Quarantäne ausgesprochen worden. Einen\nschriftlichen Bescheid darüber habe er nicht erhalten. Nach dem Robert Koch-\nInstitut (RKI) sei eine Quarantäne nicht erforderlich, falls die Kontaktperson\nfrüher bereits selbst ein laborbestätigter Fall gewesen sei. Das RKI\nimpliziere damit eine Immunität nach einer Infektion. Aufgrund der\nangespannten Test-Situation im März habe der Antragsteller trotz der bei ihm\naufgetretenen Symptome (Gliederschmerzen, Fieber, Geruchsverlust) keinen\nCoronatest machen können. Die Eltern des Antragstellers seien jedoch eine\nWoche nach Auftreten der Symptome beim Antragsteller positiv getestet worden.\nDer Antragsteller habe sich am 25.8.2020 seine durchgestandene Infektion mit\neinem Antikörper-Test bestätigen lassen.\n\nDer Antragsteller beantragt sinngemäß,\n\nden Antragsgegner zu verpflichten, die ihm gegenüber angeordnete Quarantäne\nunverzüglich aufzuheben.\n\nDer Antragsgegner beantragt,\n\nden Antrag abzulehnen.\n\nMit Schreiben vom 11.11.2020 hat das Landratsamt A. auf den Antrag erwidert.\nEs bezieht sich vollumfänglich auf die Ausführungen des StMGP, das sich für\nden Antragsgegner zum Antrag geäußert hat. Der Antrag sei schon unzulässig.\nDer Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nur möglich, wenn sowohl ein\nAnordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) als auch ein Anordnungsanspruch geltend\ngemacht seien. Dies setze voraus, dass der Antragsteller plausibel und\nschlüssig darlege, dass ihm der geltend gemachte Anordnungsgrund und -anspruch\nzustehen könne. Daran fehle es im Hinblick auf den Anordnungsanspruch. Die AV\nIsolation sehe für die vom Kläger geltend gemachte Fallkonstellation kein\nQuarantäneende vor, weshalb ein Anordnungsanspruch von vorneherein ausscheide.\nFerner sei zu betonen, dass derzeit noch keine sicheren Aussagen zu einer\netwaigen Immunität nach einer COVID-19-Erkrankung getroffen werden könnten. Es\nbestehe allenfalls eine gewisse Chance, dass genesene Corona-Patienten eine\nzumindest vorübergehende Immunität entwickeln würden. Wie lange diese anhalte\nund wie ausgeprägt sie sei, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher\nvorhergesagt werden. Hier seien noch Langzeitstudien erforderlich. Das StMGP\nverweist insoweit auf den Steckbrief zum Corona Virus, der vom Robert Koch-\nInstitut (RKI) im Internet veröffentlicht ist. Ferner stehe noch nicht fest,\nob Personen, die sich erneut infiziert haben, das Virus gegebenenfalls\n(unabhängig von einer eigenen Immunität) auf andere Personen übertragen\nkönnen.\n\nHinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte\nund auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.\n\nII.\n\nDer zulässige Antrag ist nicht begründet.\n\nVorab ist festzustellen, dass das Gericht auf die zum Zeitpunkt seiner\nEntscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage abstellt, weshalb der\nSachverhalt anhand der AV Isolation vom 6.11.2020 zu beurteilen ist, die nach\nderen Nr. 8 am 7.11.2020 in Kraft getreten ist. Zwar galt zum Zeitpunkt, zu\ndem das Gesundheitsamt A. dem Antragsteller mitgeteilt hat, dass für ihn eine\nQuarantäneverpflichtung bestehe, weil er Kontaktperson der Kategorie I sei,\nnoch die Allgemeinverfügung des StMGP „Isolation von Kontaktpersonen der\nKategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus\ngetesteten Personen“ vom 18.8.2020 (Az. GZ6a-G80000-2020/272, BayMBl. 2020 Nr.\n631, verlängert durch Allgemeinverfügung vom 29.9.2020, Az.\nG5ASz-G8000-2020/122-622, BayMBl. 2020 Nr. 555), die im Übrigen bei den für\nden Antragsteller maßgeblichen Anordnungen keinen von der jetzt geltenden AV\nIsolation abweichenden Regelungsinhalt aufwies. Da das vorläufige\nRechtsschutzverfahren jedoch der Sicherung des Rechtsschutzes in der\nHauptsache dient, muss sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der\nSach- und Rechtslage im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach dem\nHauptsacheverfahren richten (so auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl.\n2018, § 80 Rn. 162; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019,\n§ 80 Rn. 419). Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit\neines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen\nmateriellen Recht. Bei der Allgemeinverfügung vom 18.8.2020 handelt es sich um\neinen Verwaltungsakt (vgl. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG), der für einen bestimmten\nZeitraum, und zwar bis zum Ablauf des 14. Tags nach dem vom Gesundheitsamt\nmitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall (vgl. Nr.\n2.1.1 der Allgemeinverfügung vom 18.8.2020), Geltung beansprucht. Somit liegt\nein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vor, weshalb zur Beurteilung der\nRechtmäßigkeit der Anordnung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten\nmündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich ist\n(OVG SH, B.v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 - juris, Rn. 28; BVerwG, U.v. 27.01.1993\n-11 C 35.92 - juris, Rn, 16 = NJW 1993, 1729, 1730; BayVGH, B.v. 30.03.2020 -\n20 CS 20.611 - juris, Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli\n2019, § 80 Rn. 414).\n\n1\\. Der Antrag ist zulässig.\n\na) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft, und zwar\nin Form eines Antrags auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1\nSatz 2 VwGO. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines\nvorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,\nwenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um\nwesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus\nanderen Gründen nötig erscheint.\n\nUnzulässig ist eine einstweilige Anordnung allerdings nach § 123 Abs. 5 VwGO,\nwenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist. In derartigen\nFällen ist vorläufiger Rechtsschutz ausschließlich nach den §§ 80 Abs. 5, 80a\nVwGO zu beantragen.\n\nIm vorliegenden Fall ergibt sich die Verpflichtung des Antragstellers zur\nIsolation unmittelbar aus Nummer 2.1.1 der AV Isolation, ohne dass es eines\nweiteren Verwaltungsakts durch die Kreisverwaltungsbehörde bedurfte (VG\nRegensburg, B. v. 3.9.2020 - RN 14 S 20.1917 - juris; VG Würzburg, B. v.\n18.9.2020 - W 8 S 20.1326 - juris). Insbesondere ist die telefonische\nMitteilung vom 5.11.2020 durch das Gesundheitsamt A., wonach sich der\nAntragsteller in Quarantäne zu begeben habe, kein gesondert anfechtbarer\nVerwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, da es an einer\nRegelungswirkung fehlt.\n\nNach Nr. 2.1.1 der AV Isolation müssen sich Kontaktpersonen der Kategorie I\nunverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamtes bis zum Ablauf des 14.\nTags nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem\nbestätigten COVID-19-Fall in Quarantäne begeben, sofern keine anderweitige\nAnordnung des Gesundheitsamtes erfolgt. Dementsprechend kann gegen diese\nAnordnung, die kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (vgl. §§ 28 Abs. 3, 16\nAbs. 8I IfSG), Rechtsschutz grundsätzlich nur nach § 80 Abs. 5 VwGO erlangt\nwerden.\n\nDadurch kann der Antragsteller jedoch sein Rechtschutzziel nicht erreichen.\nWie sich seiner Antragsschrift entnehmen lässt, wendet sich der Antragsteller\nnämlich nicht gegen die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Isolation von\nKontaktpersonen der Kategorie I, sondern er ist der Auffassung, dass in seiner\nPerson besondere Umstände gegeben sind, die ein Abweichen von der Regelung in\nNr. 2.1.1 AV Isolation rechtfertigen. Da die Allgemeinverfügung selbst keine\nAusnahmetatbestände enthält, die zur Aufhebung der Isolation führen, kann\ndieses Ziel nur dadurch erreicht werden, dass das nach Nr. 2.1.1 AV Isolation\nzuständige Gesundheitsamt eine „anderweitige Anordnung“ trifft, was nach Nr.\n2.1.1 Satz 1 AV Isolation grundsätzlich möglich ist. Diese Ausnahmeregelung\nmüsste der Antragsteller in der Hauptsache mithilfe einer Verpflichtungsklage\nerstreiten, weshalb im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Antrag auf\nErlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO statthaft ist.\n\nb) Der Antragsteller ist darüber hinaus antragsbefugt. Diesbezüglich ist\nerforderlich, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch\neinen Anordnungsanspruch geltend macht. Nach dem Vorbringen des Antragstellers\nmuss demzufolge zumindest die Möglichkeit bestehen, dass ein Anordnungsgrund\nsowie ein Anordnungsanspruch vorhanden sind.\n\nIm Hinblick auf den Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) ist dies\nunproblematisch. Aufgrund der mit der Isolation verbundenen\nGrundrechtseingriffe versteht es sich von selbst, dass der Antragsteller ein\nberechtigtes Interesse daran hat, dass die Isolation schnellstmöglich beendet\nwird.\n\nAber auch im Hinblick auf den Anordnungsanspruch ist die Antragsbefugnis nicht\nvon der Hand zu weisen. Wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift\nzutreffend darlegt, weist das Vorhandensein von Antikörpern nämlich\ngrundsätzlich darauf hin, dass die betreffende Person bereits einmal mit SARS-\nCoV-2 infiziert war. Eine durchgemachte Infektion lässt wiederum grundsätzlich\nvermuten, dass eine Immunität besteht, weshalb eine erneute Ansteckung und\ndamit eine Weiterverbreitung des Virus durch die betreffende Person nicht mehr\nmöglich sein könnte. Dies zugrunde gelegt könnte dann die Anordnung der\nQuarantäne nicht mehr erforderlich sein, sodass die Voraussetzungen für eine\n„anderweitige Anordnung des Gesundheitsamtes“ vorliegen könnten. Diese\nMöglichkeit genügt für die Geltendmachung eines Anordnungsanspruchs.\n\n2\\. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.\n\na) Der Antragsteller hat jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft\ngemacht. Nach der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch\nausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die\nVoraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme durch das Gesundheitsamt\nnicht gegeben. Insoweit ist vorauszuschicken, dass eine Aufhebung der\nQuarantäne nur dann möglich wäre, wenn gesichert feststeht, dass die unter\nIsolation stehende Person andere nicht mit dem Coronavirus anstecken kann. Nur\ndann ist die durch die Isolation bezweckte Schutzmaßnahme nach § 28 Abs. 1\nSatz 1 IfSG nicht mehr erforderlich.\n\nDas Gericht hat zwar gewisse Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit der\nZuständigkeitsregelung in Nr. 2.1.1 AV Isolation mit höherrangigem Recht. Nach\nder genannten Regelung besteht nämlich die Quarantäneverpflichtung, sofern\nkeine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamtes erfolgt. Im vorliegenden\nFall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Antragsteller in der Stadt A.\nlebt, die vom Gesundheitsamt des Landratsamts nur fachlich unterstützt wird.\nAnordnungsbefugnisse hat das staatliche Gesundheitsamt im\nZuständigkeitsbereich der Stadt A. grundsätzlich nicht. Dies kommt in § 65\nSatz 1 ZustV zum Ausdruck, wonach die Kreisverwaltungsbehörden für den Vollzug\ndes Infektionsschutzgesetzes zuständig sind, im vorliegenden Fall also die\nStadt A. und nicht das Landratsamt. Deshalb stellt sich die Frage, ob die an\nsich eindeutige Zuständigkeitsregelung in Nr. 2.2.1 AV Isolation nicht\ndahingehend gesetzeskonform auszulegen ist, dass der Antrag auf Aufhebung der\nQuarantäne und somit auch der Eilrechtsschutzantrag nicht gegen den Freistaat\nBayern als Rechtsträger des Gesundheitsamts zu richten gewesen wäre, sondern\ngegen die Stadt A., die sich dann aber jedenfalls in fachlicher Hinsicht auf\ndie Einschätzung des Gesundheitsamtes stützen müsste. Im vorliegenden\nEilrechtsschutzverfahren kann und muss diese Frage jedoch im Interesse der\nGewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) dahinstehen; denn\neine Einbeziehung der Stadt A. in das Verfahren würde dieses zum jetzigen\nZeitpunkt verzögern, was im Hinblick darauf, dass die Quarantäneverpflichtung\ndes Klägers bereits mit Ablauf des 13.11.2020 endet, nicht vertretbar\nerscheint. Dies gilt zumal deshalb, weil nach der im Verfahren des vorläufigen\nRechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der\nSach- und Rechtslage jedenfalls kein Anspruch auf Aufhebung der Quarantäne\nbesteht, und zwar unabhängig davon, von welchem Rechtsträger diese anzuordnen\nwäre. Für den auf Antragsgegnerseite möglicherweise beteiligten falschen\nRechtsträger entstehen deshalb jedenfalls keine negativen kostenrechtlichen\nAuswirkungen.\n\nDer Antragsteller ist unstreitig Kontaktperson der Kategorie I, da ihm vom\nGesundheitsamt mitgeteilt wurde, dass er aufgrund eines engen Kontakts zu\neinem bestätigten Fall von COVID-19 nach den jeweils geltenden Kriterien des\nRobert Koch-Instituts (vgl. Nr. 1.1 AV Isolation) zu der genannten Kategorie\ngehört. Deshalb musste er sich nach Nr. 2.1.1 unverzüglich nach der Mitteilung\ndes Gesundheitsamtes in Quarantäne begeben. Diese dauert grundsätzlich bis zum\nAblauf des 14. Tags nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt,\nvorliegend also bis zum 13.11.2020. Die AV Isolation selbst sieht für\nKontaktpersonen der Kategorie I keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung\nder Quarantäne - etwa wegen eines negativen Ergebnisses eines Coronatests -\nvor, weshalb der Antragsteller grundsätzlich bis zum Ende der Isolation in\nQuarantäne bleiben muss.\n\nVon der Quarantäneverpflichtung kann auch im Einzelfall für den Antragsteller\nnicht deshalb abgewichen werden, weil ein Antikörpertest positiv war.\n\nNach derzeitigem Kenntnisstand lässt ein serologischer Nachweis SARS-\nCoV-2-spezifischer Antikörper keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder\nzum Immunstatus zu. Bisher gibt es keine belastbaren Daten, ob ein Antikörper-\nNachweis mit sicherer Immunität gleichzusetzen ist und wie lange eine\nImmunität bestehen würde. Anhand eines positiven SARS-CoV-2-IgG-Befundes mag\nzwar eine stattgefundene Infektion anzunehmen sein, dies bedeutet allerdings\nnicht zwangsweise, dass damit auch ein Infektionsschutz (Immunität) verbunden\nist. Die für diese Aussage notwendigen Langzeitstudien sind aufgrund der Kürze\nder Existenz des Virus schlicht nicht vorhanden. Das Robert Koch-Institut, dem\nder Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes\nGewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris, Rn.\n13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris, Rn. 1; BayVGH, B.v.\n13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - juris, Rn. 24) führt dazu in seinem „SARS-CoV-2\nSteckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand: 30.10.2020\n(https://www.rki.de/DE/\nContent/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;\njsessionid=C10D6933B61EE45 FCF93D06BE879CD31.internet061#doc13776792bod-\nText17) unter Nr. 17 „Immunität“ Folgendes aus:\n\n„Eine Infektion mit SARS-CoV-2 induziert die Bildung unterschiedlicher\nAntikörperklassen, die im Median in der zweiten Woche nach Symptombeginn\nnachweisbar sind (217). Auch neutralisierende Antikörper sind in der Regel am\nEnde der zweiten Woche nach Symptombeginn nachweisbar (138, 218-225), jedoch\nkonnten in zwei Studien bei 6% (224) bzw. 41% der Probanden (226) keine\nneutralisierenden Antikörper nachgewiesen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist\nungewiß, wie regelhaft, robust und dauerhaft eine Immunität aufgebaut wird.\nErfahrungen mit anderen Coronavirus-Infektionen (SARS und MERS) deuten darauf\nhin, dass eine Immunität bis zu drei Jahre anhalten kann (227-230). Um\ngenauere Aussagen zur SARS-CoV-2-Immunität treffen zu können, sind\nLangzeitstudien erforderlich (231).\n\nIn einigen Studien ist eine T-Zell-Kreuzreaktivität endemischer Coronaviren\nund SARS-CoV-2 berichtet worden. Diese Kreuzreaktivität lässt eine\nHintergrundimmunität vermuten, die möglicherweise Schutz vor einer schweren\nCOVID-19-Erkrankung bietet. Bei Untersuchungen zur zellulären SARS-\nCoV-1-Immunität wurden Virusspezifische T-Zellen 6 bzw. 11 Jahre nach\nInfektion bei Genesenen nachgewiesen, jedoch nicht bei Nichtinfizierten (232,\n233). Bei SARS-CoV-2 hingegen waren auch bei ca. einem Drittel der Probanden,\ndie bisher keine Infektion mit SARS-CoV-2 hatten, reaktive CD4 T-Zellen gegen\nSARS-CoV-2 vorhanden (234). Bei Erkrankten wurde eine T-Zell-Reaktivität gegen\ndas Spike-Protein (235, 236) sowie gegen weitere SARS-CoV-2-Proteine\nfestgestellt (237, 238), die mit dem Nachweis neutralisierender Antikörper\nkorrelierten (239).\n\nT-Zellen konnten auch bei Infizierten nachgewiesen werden, die keine\nAntikörpertiter aufwiesen und asymptomatisch waren (240). Somit könnten\nT-Zellen auch bei fehlendem Antikörpernachweis Schutz bieten. Offen ist, ob\ndiese Zellen auch vor einer Reinfektion schützen. Nach derzeitigem Wissenstand\nscheint es sich bei Reinfektionen um seltene Ereignisse zu handeln. Beim\nMenschen sind bisher nur sehr wenige Fälle von Reinfektionen bekannt, bei\ndenen Veränderungen im viralen Genom festgestellt wurden (241-247). Dies\nspricht - in Abgrenzung zu einer längeren PCR-Positivität nach Infektionfür\neine Reinfektion. Allerdings existiert bislang keine Reinfektions-Definition,\nin der Mindestunterschiede einer phylogenetischen Analyse sowie das Intervall\nzwischen den Erkrankungsepisoden festgelegt sind und der sowohl klinische als\nauch epidemiologische Daten zugrunde liegen. Es ist unklar, ob eine\nReinfektion mit einer Transmission einhergehen kann. In den bisher\nbeschriebenen Fällen konnte keine Transmission beobachtet weren. Weiterhin\nwurde bei schweren COVID-19-Verläufen mit Todesfolge eine Störung des B-Zell-\nReifungsprozesses beschrieben (248). Es ist nicht bekannt, ob diese Störung\nder B-Zell-Reifung auch bei milderen Verläufen auftritt. Sowohl beim Menschen\nals auch im Tiermodell gibt es Hinweise, dass eine geschlechtsspezifische\nImmunantwort die Schwere der Erkrankung beeinflusst (249, 250).“\n\nAußerdem können nach einer vom Gericht im Internet durchgeführten Recherche\nbei Antikörpertests sogenannte falsch-positive Resultate vorkommen. Bei der\nmomentanen Verbreitung der Erkrankung in der Bevölkerung ist von einer nicht\nunerheblichen Fehlerquote auszugehen, die ungefähr bei 2 von 10\nTestergebnissen zu einem falsch positiven Testergebnis führt (Der Laborverbund\nDr. K. und Kollegen, Antikörpertest zum Nachweis des Kontakts mit Coronavirus\nSARS-CoV-2, https://ladr.de/sars-cov-2-antikoerper-test sowie Nadine Eckert,\nCOVID-19: Was Antikörper aussagen können,\nhttps://www.aerzteblatt.de/archiv/214379/COVID-19-Was-Antikoerper-aussagen-\nkoennen).\n\nAufgrund dieser unsicheren wissenschaftlichen Erkenntnisse kann jedenfalls\nnicht mit der hinreichenden Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der\nAntragsteller allein aufgrund eines positiven Antikörpertests das Virus nicht\nmehr verbreiten kann. Dementsprechend brauchte das Gericht auch der Frage\nnicht näher zu treten, ob der Antragsteller einen entsprechenden\naussagekräftigen Antikörpertest überhaupt beim Gesundheitsamt vorgelegt und\neine Aufhebung der Quarantäne dort beantragt hat; denn es besteht jedenfalls\nkein Anspruch auf Aufhebung der Isolation vor deren regulärem Ablauf.\n\nb) Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung beruht auch auf einer\nausreichenden Rechtsgrundlage, weshalb sie nicht gegen höherrangiges Recht\nverstößt. Sie findet bei summarischer Prüfung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine\nausreichende Rechtsgrundlage.\n\nEs bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit SARS-\nCoV-2, die zur Lungenkrankheit COVID-19 führen kann, um eine übertragbare\nKrankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, sodass der Anwendungsbereich\ndes 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung\nübertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist.\n\nDer Antragsteller ist als Kontaktperson der Kategorie I\nAnsteckungsverdächtiger im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG und gehört damit zum Kreis\nder von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Personen. Danach trifft die\nzuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§\n29 bis 31 IfSG genannten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige,\nAnsteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und\nsolange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten\nerforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem\nsie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen\noder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter\nbestimmten Bedingungen zu betreten.\n\nEs handelt sich bei der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 IfSG um eine\nGeneralklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet. Nur\nhinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen - also dem „wie“ des\nEingreifens - ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Die Behörde muss ihr\nErmessen entsprechend dem Zweck der Generalklausel im Interesse des effektiven\nSchutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des\nGrundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausüben. Daran bestehen vorliegend keine\nZweifel.\n\nBei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Maßnahmen ist der im\nallgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen,\ndass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere\nAnforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise\neintretende Schaden ist.\n\nDa nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine wirksame Therapie gegen eine\nCOVID-19-Erkrankung vorhanden sind, besteht insbesondere bei älteren Menschen\nund bei Menschen mit Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko eines schweren\nVerlaufs der Erkrankung mit erheblichen Folgen für Leben und Gesundheit der\nBevölkerung und einer Überforderung des Gesundheitssystems. Nach der\nRisikobewertung des Robert Koch-Instituts handelt es sich weltweit und in\nDeutschland nach wie vor um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende\nSituation, die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland\nist nach wie vor insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch\neinzuschätzen. Angesichts teilweise schwerer und lebensbedrohlicher\nKrankheitsverläufe muss es Ziel sein, durch geeignete Maßnahmen eine\nAusbreitung der Infektion mit SARS-CoV-2 einzudämmen und so weit wie möglich\nzeitlich zu verlangsamen. Nur so können die vorgenannten Risikogruppen\nausreichend geschützt werden. Die häusliche Isolation von Kontaktpersonen ist\ndabei aus infektionsmedizinischer Sicht eine entscheidende Maßnahme zur\nUnterbrechung möglicher Infektionsketten. Diese Maßnahme ist daher nicht zu\nbeanstanden.\n\nEs ist voraussichtlich auch nicht zu beanstanden, dass die AV Isolation für\nKontaktpersonen der Kategorie I keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung\nder Quarantäne wegen eines negativen Testergebnisses vorsieht. Nach dem\nderzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann die Inkubationszeit bis zu\n14 Tage betragen. Es ist davon auszugehen, dass bis zum 14. Tag nach dem\nletzten direkten Kontakt noch eine (geringe) Wahrscheinlichkeit für eine\nInfektion besteht. Auch eine Person, die in den Tagen davor noch negativ auf\ndas Virus getestet wurde, kann also bis zum 14. Tag noch eine Infektion\nentwickeln, so dass ein Test erst zu einem späteren Zeitpunkt positiv\nanschlägt. Daher müssen alle Personen, die in den letzten 14 Tagen einen engen\nKontakt im Sinne der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts mit einem\nCOVID-19-Fall hatten, abgesondert werden. Erst nach dem Ablauf von 14 Tagen\nist sichergestellt, dass sich diese Person nicht bei der ursprünglich positiv\ngetesteten Person angesteckt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Quarantäne\ndaher zwingend. Ein zu einem früheren Zeitpunkt gewonnenes negatives\nTestergebnis ist lediglich eine Momentaufnahme, schließt aber noch nicht mit\nder erforderlichen Gewissheit aus, dass sich die Kontaktperson der Kategorie I\nnicht doch angesteckt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass auch eine\nKontaktperson der Kategorie I mit einem negativen Testergebnis die vollen 14\nTage in Quarantäne verbleiben muss. Nur dann ist eine Verbreitung des Virus\ngesichert ausgeschlossen.\n\n(vgl. zu den dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Coronavirus:\nRKI„SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand:\n30.10.2020,\nhttps://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;\njsessionid=C10D6933B61EE45FCF93D06BE879CD31.internet061#doc13776792bod-\nText17).\n\nDie durch die Quarantäneverpflichtung zwangsweise eintretenden Einschränkungen\nder Grundrechte des Antragstellers sind voraussichtlich auch in Abwägung mit\nden Grundrechten der Allgemeinheit angemessen. Das Corona-Virus stellt eine\nernste Bedrohung für Leben und Gesundheit einzelner, insbesondere älterer und\nkranker Menschen, sowie auch für das Gesundheitssystem und die medizinische\nVersorgung als Ganzes dar. In der Abwägung der privaten Interessen des\nAntragstellers mit den Interessen der Allgemeinheit an einer effektiven\nEindämmung des Virus ist den Interessen der Allgemeinheit im konkreten Fall\nder Vorrang einzuräumen.\n\nDer Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.\n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG\ni.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013\n(abrufbar auf der Homepage des BVerwG). Das Gericht hat vorliegend von der\nMöglichkeit Gebrauch gemacht, wegen der Vorwegnahme der Hauptsache den\nStreitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden\nStreitwerts anzuheben.\n\n